Sun7dance hat geschrieben: ↑27.06.2020 13:16
huenni1987 hat geschrieben: ↑27.06.2020 12:55
[...]
Ich finde schon, dass uns Joel in Teil 1 als typischer Held verkauft wird. Nicht Aalglatt, das nicht. Klar wird am Anfang gezeigt das er ein "Verbrecher" ist. Es wird erwähnt das er schlimmes getan hat. Am Ende ist er aber der gute Held. Und je mehr er sich Ellie ggü. öffnete wurde das verstärkt. Deswegen hat ja auch das Ende damals tatsächlich schon zu recht vielen Diskussionen geführt. Nur da war der Hype um das Game noch weit kleiner. Aber auch damals gabs schon zwei Lager, die die Joels Entscheidung verteidigten am Ende, und die denen das zu weit ging. Das Spiel hat eigentlich erst zum Schluss das klassische gut gegen böse aufgeweicht, und Joel stand auf einmal nicht mehr klar auf der guten Seite. Und auch da gibt es tausende Meinungen. Es gibt Leute die absolut richtig finden was er am Ende gemacht hat, egal ob das die Entwicklung eines Heilmittels nun verhindert. Andere kommen dann mit dem Argument, ein Leben nehmen um viele zu retten.
Also wenn du so argumentierst, dann müsste man auch Abby als solchen Helden betrachten.
Anfangs vollübt sie eine schreckliche Tat, aber danach ist sie eigentlich nur noch die "Schwiegertochter". Sie ist sogar diejenige, die den Hass gegenüber Ellie zuerst beiseite legt.
Der Unterschied für mich persönlich liegt aber darin, dass Joel's Charakter glaubhafter war. Abby wird als die Killerin schlechthin dargstellt und auch von ihren Leuten so wahrgenommen, wird dann aber plötzlich eine fast schon fürsorgliche große Schwester oder sogar Mutter, wobei sie rundum aber immer noch alles umbringt, was ihr in die Quere kommt.
Und hier kommt die große Schwäche des ganzen Spiels zum Vorschein in meinen Augen. Sowohl Ellie als auch Abby sollen glaubhaft vermittelt werden, weder gut noch böse, sondern einfach menschlich. Aber beide morden sich eiskalt durch Scharen von Gegnern, Abby dabei sogar durch die eigenen Leute.
Abby meint zwar irgendwann zu Lev, dass sie längst nicht alle Wolfs kennt, was erklären soll, dass sie sie jetzt einfach so eiskalt abmurksen kann. Aber sie killt ja auch alles andere, was ihr vor die Flinte kommt.
Was will ich sagen?
Ellie und Abby sind beides Killermaschinen, die vor keinem Mord haltmachen, außer wenn es dann plötzlich gegeneinander geht. Hier sagt das Spiel, dass es halt Menschen sind. Das soll beim Spieler hängenbleiben und genau das ist für mich der größte Kritikpunkt am ganzen Spiel, da es unglaubwürdig ist.
Das stimmt aber nicht. Es geht nicht darum, dass beide Killermaschinen sind, sondern das (bis auf ganz kleine Kinder)
jeder Mensch in dieser Welt ein Killer ist. Ellie, Abby, Joel und Tommy sind halt besonders gut darin. Das hat Eike ja auch mit dem Soldatenbeispiel nochmal aufgegriffen. Ich denke dabei immer an Pablo Escobar. Der Kerl hat tausenden von Menschen auf grausamste Weise umgebracht und töten lassen, wurde aber immer als einer der liebevollsten Familienmenschen in Medellin beschrieben. Selbst von amerikanischen Agenten, die ihn jahrelang überwacht haben.
Und genaus das zeigt ja die Dualität des Menschens und wird auch im Spiel thematisiert. Du kannst ein Massenmörder sein und trotzdem Menschlichkeit besitzen. Das eine schließt das andere nicht aus. Und das besonders in einer Apokalypse nicht. Wenn man sie nach den Werten des Menschen in unserer Welt des Friedens und der Freiheit richtet, dann wären beide für mich auch richtige Monster. Das sind sie auch irgendwo auch, aber
in der fiktiven Welt von Last of Us ist Gewalt Teil der Normalität. Dies wird ja auch auf gewisse Weise im Krieg zwischen den Scars und WLF gespiegelt. Man könnte meinen, dass man größere Probleme hätte, als sich gegenseitig für Territorium abzuschlachten, aber der Mensch ist halt irgendwo auch ein Monster. Das lehren uns unsere Geschichtsbücher immer wieder.
Dein letzter Absatz finde ich sehr undifferenziert. Abby hätte Ellie und Dina eigentlich in ihrer Wut getötet. Scheinbar ohne zu zögern. Lev ist es, der sie aus ihrer blinden Wut wieder rausreißt. Ellie hätte Abby am Ende auch fast getötet. Die Erinnerung an Joel und deren Gespräch über Vergebung bringt sie im letzten Moment dazu davon abzulassen. Keiner der beiden hätte von ganz alleine Gnade für den anderen gezeigt. Es sind die Menschen, die ihnen am nahsten stehen, die sie am Ende vom Weg der Rache abbringen.
Nicht falsch verstehen. Ich will dir hier nicht deine Meinung streitig machen, ich fand nur einige deiner Punkte etwas zu einfach runtergebrochen und undifferenziert. Da steckt schon etwas mehr dahinter. Einige deiner Punkte kann ich durchaus nachvollziehen. Joel kommt glaubwürdiger rüber, weil man auch sofort mit ihm symphatisiert. Das ist bei Abby natürlich deutlich schwerer.
Witzigerweise sind beide sich aber sehr ähnlich. Ohne Lev wäre Abby wohl zu Joel (vor seiner Zeit mit Ellie) geworden. Eine Killerin, die kaum jemanden hat, die einfach nur noch versucht zu überleben, aber emotional komplett abgestumpft wäre. Eine gebrochene Frau.