Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

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kamm28
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von kamm28 »

@usul
Ich glaube, das ist genau der Punkt, an dem ich mich reibe: Dass Musik angeblich größtenteils Geschmackssache ist. Für den eigenen Musikgenuss mag das so sein, wenn man alle anderen Komponente der Musik wegdenkt. Aber da gibt es doch viel mehr! Ein paar Jahrhunderte Musikwissenschaft, Philosophie, sie sozialen, gesellschaftlichen Aspekte - das alles kann man doch nicht einfach mit einem "ist halt Geschmackssache" wegdenken.
Finde ich :D

Edith sagt: Jazz und kein Punch & Energie klingt in meinen Ohren auch sehr... gewagt :D Pineapple-Pete, mal Fire! Orchestra gehört? :)
Zuletzt geändert von kamm28 am 27.04.2020 22:38, insgesamt 1-mal geändert.
Pineapple-Pete
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von Pineapple-Pete »

Usul hat geschrieben: 27.04.2020 22:28
Pineapple-Pete hat geschrieben: 27.04.2020 22:10Ich bin passionierter Jazz Hasser, weil die Richtung für mich zu wenig Punch & Energie hat.
Und selbst darüber ließe sich trefflichst streiten. :D
Musik ist nunmal vor allem Geschmackssache. Die Musik, die man nicht gut findet, und vor allem die Leute, die diese Musik gut finden, schlechtzureden, ist halt wirklich kindisch. Ich hab das auch gerne gemacht - da war ich aber 12 und fand Vanilla Ice cool. So ungefähr auf diesem Niveau spielt sich die "Kritik" eben ab.
Yes, aber nur durch solche Statements kann man das ja erst. :D
Wenn jemand aber gleich eine Kriegserklärung formuliert, ist da halt leider oft nicht mehr viel zu holen.

@kamm
Ich glaube mein Argument wurde nicht ganz verstanden. Mir geht es ersmal um die Diskussionskultur, noch nicht um den Inhalt der Aussage. Wenn du Fans eines Genres über einen Kamm scherst und kollektiv beleidigst, dann ist das keine Kritik, siehe mein vorheriger Kommentar.

Zum Inhaltlichen: Ich finde, du braust dir da ein bisschen ein Feindbild zusammen. Wieso sollte man Trap nicht kritisieren dürfen, und wo ist dieser Mob der dich dafür als ignorant bezeichnet? Wer an eine krasse Vormachtsstellung glaubt, sollte sich mal den Red Bull Soundclash 2017 anschauen und sehen, dass Trap selbst innerhalb der deutschen Hip Hop Szene teils stark verhasst ist. Ich habe dich als ignorant bezeichnet, weil dein McDonalds Vergleich (nach wie vor) nicht stichhaltig ist und du meinst diese Abneigung irgendwie auf die Menschen dahinter beziehen zu müssen, oder es gar zu können. Wofür ich dich NICHT kritisiere, ist, deine Meinung sachlich kund zu tun. Bei deinem letzten Absatz bin ich da sogar bei dir.

Habe in Fire! Orchestra reingehört. Hat was, ich persönlich mag aber tendenziell Musik die etwas aufbaut, um es dann wieder zu entladen.
Zuletzt geändert von Pineapple-Pete am 28.04.2020 00:39, insgesamt 2-mal geändert.
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Usul
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von Usul »

kamm28 hat geschrieben: 27.04.2020 22:36 @usul
Ich glaube, das ist genau der Punkt, an dem ich mich reibe: Dass Musik angeblich größtenteils Geschmackssache ist. Für den eigenen Musikgenuss mag das so sein, wenn man alle anderen Komponente der Musik wegdenkt. Aber da gibt es doch viel mehr! Ein paar Jahrhunderte Musikwissenschaft, Philosophie, sie sozialen, gesellschaftlichen Aspekte - das alles kann man doch nicht einfach mit einem "ist halt Geschmackssache" wegdenken.
Finde ich :D
Also entweder geht's darum, welche Musik einem gefällt, oder aber wir führen eine musiktheoretische Dikussion. Der Punkt ist: In keinem der beiden Fälle muß man sich selbst dadurch profilieren, daß man irgendeine Musikrichtung schlechtredet - und wie gesagt: auch diejenigen, die diese Musik gut finden. Darum geht es mir. Schlechtreden heißt nicht, daß man evtl. musikwissenschaftlichen Kritikpunkte verschweigen soll. Schlechtreden heißt für mich z.B. "Musik für Leute, die Musik eigentlich hassen." Denn man muß Musik nicht hassen, um etwa mit seichtem Deutschpop seinen Spaß zu haben. Vllt. kennt man nur das... Vllt. hat man keinen Zugang zu anderen Richtungen... Vllt. mag man daneben noch ganz andere Richtungen... Whatever.

Irgendwie höre ich mich an wie eine kaputte Schallplatte (Vinyl ist ja sowieso viel cooler und geiler als CDs oder MP3 :Hüpf:), aber es geht mir um das Wie und nicht um das Was. Nix gegen ein bißchen Spaß und Frotzeln, aber wenn es zu aggressiv oder beleidigend wird, hört der Spaß meiner Meinung nach auf.
kamm28
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von kamm28 »

@Pineapple-Pete
Nein, natürlich existiert da kein Mob. Es fällt mir nur auf, dass in Musikforen, in denen ich unterwegs bin, Kritik an Trap oder auch manchen Spielarten seichter Popmusik von einer signifikanten Anzahl Usern generell mit "das sind alles weiße alte Männer, die immer noch dem Mythos der handgemachten ehrlichen Musik hinterhertrauern" abgeschmettert wird. Irgendwann gab es da anscheinend eine Art Paradigmenwechsel bei der hochgebildeten, Pop-affinen Hörerschaft; seitdem wird das Hören von Musikrichtungen mit teilweise bewusst (?) banaler Ästhetik und stark reduziertem musikalischen Gehalt als Ausdruck eines stilsicheren Geschmacks hingestellt. Und wer sich dem nicht anschließt, ist halt hängengeblieben. Das Fragezeichen bei bewusst steht da, weil z. B. ein Capi anscheinend wirklich denkt, er mache da irgend etwas künstlerisch Wertvolles. Aber vielleicht checke ich auch einfach seine Art Ironie nicht.

Ich bin selber pop-affin, habe nichts gegen einfache Musik, und meinetwegen kann es auch mal schlecht sein, da geht die Welt nicht von unter. Auch einfache Bespaßung hat seine Daseinsberechtigung. Aber da sind wir schon beim McDonalds-Vergleich. Meiner Meinung nach habe ich damit relativ deutlich gemacht, dass es mir eben nicht darum geht, meine Abneigung auf die Menschen dahinter zu beziehen. Wie beschrieben esse ich ja selber gerne bei McDonalds, und zumindest dafür hasse ich mich jetzt nicht. Der Vergleich bezieht sich darauf, dass es in beiden Fällen um Kultur geht; in beiden Fällen kann man alles von minderwertiger Massen-Resteverwertung bis hin zur großen Kunst sowohl hervorbringen als auch rezipientenseitig aufnehmen. Man spricht von Musikkultur ebenso wie von Esskultur. Es gibt natürlich große Unterschiede zwischen diesen beiden Sphären, aber eben auch Gemeinsamkeiten. Der Punkt ist: Ich kann ja noch so gerne bei McDonalds essen, trotzdem muss ich mir eingestehen, dass ich mich da gerade minderwertig ernähre. Und dass es besseres Essen gibt, in so ziemlich jeder Hinsicht. Wenn mir jemand das sagt, kann ich entgegnen: Yo Bro, stimmt schon, ich hab aber trotzdem Bock drauf. Aber warum sollte ich mich beleidigt fühlen, wenn jemand das, was ich da gerade in mich reinschaufle, zurecht als minderwertig bezeichnet? Ich würde sogar so weit gehen, dass es vollkommen legitim ist, als Anhänger einer verfeinerten Kochkunst so etwas, also das Essen an sich, geradeheraus scheiße zu finden und aus dieser Position heraus auch die massenhafte Verbreitung auf Herstellerseite, sowie den massenhaften, unkritischen Konsum auf Rezipientenseite kritisieren zu können. Wie gesagt, massenhaft, unkritisch, nicht der vereinzelte Konsum mit Ausgleich - man kann es schließlich auch übertreiben mit der Kritik.

Und jetzt der Schwenk, die Übertragung auf die Musik, sowie auf alle kulturellen Güter inklusive der Spiele. Auch von der Musik weiß man, dass der unreflektierte massenhafte Konsum von minderwertigen Erzeugnissen ohne Ausgleich negative Auswirkungen haben kann. Es hat in der Vergangenheit viele Beispiele dafür gegeben, wie man mit Musik als Unterstützung ganze Massen von Menschen bewusst dumm und unkritisch gehalten hat, wie man sie sogar durch gewisse Inhalte und verstärkt durch rein musikalische Mittel indoktriniert hat. Auch heute gibt es so etwas noch, obwohl es in unserer Kultur eher in Subkulturen stattfindet. Das sind jetzt zugegeben extreme Beispiele. Es wäre schon sehr hart verschwörungstheoretisch, zu behaupten, dass hinter dümmlicher Massenmusik grundsätzlich eine Intention steckt. Aber der Misanthrop in mir sieht es immer zumindest ansatzweise kritisch, wenn minderwertige Erzeugnisse von großen Massen unhinterfragt konsumiert werden. Musik ist kein kleiner Teil unseres Lebens, und psychologisch betrachtet steht es außer Frage, dass alles, was eine große Rolle im Alltag spielt, was sich ständig wiederholt, sich irgendwie auswirkt. Nochmal: Es geht nicht um monokausale Rückschlüsse vom Konsum bestimmter kultureller Güter auf Individuen, so funktioniert das nicht. Es geht eher um Tendenzen, meinetwegen um Chancen.

Niemand wird mir widersprechen, wenn ich behaupte: Der einmalige Konsum einer Bild-Zeitung sowie das Teilnehmen an einer Malle-Schlagerparty macht niemanden dumm. Was das regelmäßige Lesen der Bild-Zeitung und das gelegentliche Frequentieren von Malle-Schlagerpartys angeht: Kann man machen, wenn man meint, aber vielleicht sollte man für etwas Ausgleich sorgen, sich zusätzlich anderweitig informieren und auch Veranstaltungen besuchen, die nicht im obligatorischen Trichtersaufen enden. Wenn man jetzt aber davon ausgeht, dass die Bild-Zeitung und irgendwelche Action-News die einzige Art der Informationsbeschaffung darstellt, Malle-Schlager den kompletten Musikkonsum ausmacht, und ansonsten vielleicht noch Fußball, Krimi und Pornos unter kultureller Aktivität zu verbuchen sind, dann sind wir bei bestimmten Milieus, Bildungschancen und auch bestimmten Mindsets angelangt. Man könnte mir jetzt vorwerfen, dass ich hier wild konstruiere. Ich bin mir aber sicher, dass es kein Zufall ist, dass ich in meiner Klischeesammlung genau diese Beispiele gewählt habe. Und zumindest ich kenne einige Beispiele, bei denen genau diese oder ähnlich gelagerte Kombinationen auftreten - bin unvermögend und viel unterschichtig unterwegs. Nicht in jedem Fall führt dies alles zu "Dummheit" in weiterem Sinne, manchmal wird man sehr positiv überrascht. Aber die Tendenz ist sehr offensichtlich, ebenso wie Gefahren, die damit einhergehen. Ist damit deutlicher geworden, was ich mit meinem Vergleich ausdrücken wollte?

Um zurück zu Fortnite und Travis Scott zu kommen: Man kann ja durchaus würdigen, dass hier relativ neue Wege der Kombination von verschiedenen kulturellen Sparten ausprobiert werden, sowie den technischen und, meinetwegen, künstlerischen (im eher handwerklichen Sinne) Aufwand. Für mich als Trap-Verächter und Fortnite-Kritischseher ist aber etwas anderes wichtiger und meiner Meinung nach auch offensichtlicher. Da ist einerseits das Spiel, das zwar rein ludologisch von dem, was ich mitbekommen habe, nicht so viel falsch zu machen scheint, das aber berechtigterweise in der Kritik steht, eine junge bis sehr junge Hauptzielgruppe mit dem käuflichen Erwerb von Statussymbolen auszunehmen. Da geht es um Suchtmechanismen, um soziale Distinktion aufgrund von oberflächlichen Blingbling, und man könnte moralisierend noch über den Wert von (Spiel-)Prinzipien schwadronieren, in denen es darum geht, als letzter übrigzubleiben, indem man alle anderen abschießt. Capitalism ho in a nutshell. Ich bin ganz froh darüber, dass mein jüngster, 16-jähriger Bruder da nicht mitspielt, sondern lieber Grow Home zockt, und meine jüngste, 14-jährige Schwester lieber Machinarium und RiME. Ja, wir sind ein paar, und ja, beide haben schon ein Gespür dafür, aus welchen Gründen man Fortnite zwar nicht verteufeln muss, aber hinterfragen kann.
Und dann Travis Scott, wofür steht der so, welche Werte verkörpert er? Oh, junge bis sehr junge Hauptzielgruppe (obwohl er mir außer im Bus bei den 8- 18-jährigen auch aus tiefergelegten 3er-BMWs und diversen Protzautos entgegenkotzt), oh, offensichtliche Suchtthematik, soziale Distinktion durch oberflächliches Blingbling (wenn auch deutlich teurer als in Fortnite), Aneignung und Gewinn durch Gewalt, Statussymbole, Capitalism ho - das sind ziemlich viele Checks. Wie offensichtlich muss eine unheilige Allianz eigentlich sein, um als solche wahrgenommen zu werden?

@Usul
Ich kann deine Position verstehen. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte da auch so gechillt sein wie du - dann müsste ich nicht mehr bei der Arbeit (Radio Siegen, würg) Wutanfälle unterdrücken, was bestimmt besser für meinen Blutdruck wäre. Andererseits gebe ich ja zu, dass ich mir in der Rolle als überkritischer Grantler ein bisschen gefalle. Und, glaubt es oder nicht, ansonsten bin ich ein sehr gechillter, umgänglicher Mensch - Musik ist da eine Ausnahme bei mir. Und ich bin auch recht glücklich darüber, dass sich all mein Hasspotential ausschließlich gegen kulturelle Dinge oder amorphe Massen richtet, nie aber gegen einzelne Menschen. Selbst so potentielle Ziele wie Trump oder verstorbene wie noch lebende Diktatoren hasse ich nicht, da regiert eher Fassungs- und Hilfslosigkeit sowie Angst vor dem menschlichen Potential.
"Musik für Leute, die Musik eigentlich hassen" ist natürlich ein krass polemischer Ausdruck, funktioniert für mich aber recht gut als Punchline, um mein Unverständnis darüber auszudrücken, mit welchem Müll sich viel zu viele zufriedengeben. Der Satz lässt sich außerdem schön einfach auf andere kulturelle Bereiche übertragen: Auf z. B. Stephenie Meyer oder Heimatarztromane in der Literatur, auf Transformers und Uwe Boll-Erzeugnisse im Film und so weiter. Das "eigentlich" mildert es etwas ab, finde ich, und ja, im Grunde wäre ein Wort wie "gleichgültig" statt "hassen" zutreffender, zumal Gleichgültigkeit gegenüber etwas, für das man starke positive Gefühle hat, schlimmer sein kann als ehrlich empfundener Hass. Wie weiter oben schon erwähnt gibt es für mein Dafürhalten zu oft eine Koinzidenz bei der egalen und indifferenten Haltung einerseits gegenüber kulturellen Dingen, als auch gegenüber "wichtigeren" gesellschaftlichen Fragestellungen und Entwicklungen, als dass ich persönlich dem mit einem subjektivierenden "soll doch jeder machen wie er will" begegnen könnte. Man könnte jetzt noch darüber diskutieren, wie unterbewusst aufgenommene Inhalte in Verbindung mit Wiederholungen ungefiltert zu vermeintlich bewussten Meinungen führen können, und den Bogen endgültig überspannen angefangen mit anspruchslosem Radiogedudel, das auch nur deshalb funktioniert, weil es eben keine bewusste Auseinandersetzung erfordert, bis hin zu einfachen Feindbildern und Erklärungen, die ebenfalls von überall aufgesogen werden und ebenso keine elaborierte Verarbeitung erfordern und deshalb so gut funktionieren, darin ein gemeinsames Grundprinzip ausfindig machen und psychologisierend von dem einen auf das andere schließen. Aber ebenso könnte man solche Gedankengänge auch als eigene Art diskutieren, wie man eine komplexe Welt auf einfache Prinzipien herunterbricht, um sie verständlicher zu machen. Ich belasse es mal dabei, falls kein weiterer Diskussionsbedarf besteht. :)
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Sir_pillepalle
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von Sir_pillepalle »

@kamm28:
Hast du die "Dialektik der Aufklärung gelesen"?
Was du hier kritisierst ist allen voran die Kommerzialiesierung und Vereinheitlichung von - Kultur.
Anbei Respekt für deine Beobachtungen und das ausführliche Niederschreiben eben dieser.

Um auf deiner Analyse aufzubauen: Kultur wurde, um sie für den maximalen Profit vermarkten zu können, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht. Das Resultat ist der BigMac, den man überall auf der Welt kaufen kann. Der Hollywoodstreifen, den man überall auf der Welt sehen kann. Der Popsong, der weltweit im Radio läuft.
Du sprachst bereits die "Normalisierung" an und dass z.B. Popsongs im Radio weitestgehend belanglos sind und kein aktives Zuhören erfodern. So weit, so richtig. Ich werde das im Verlauf als "Charakterlos" oder "Identitätslos" bezeichnen. Nun sind wir aber an einem Punkt angekommen, an dem, im Schnitt, erschreckender Maßen und trauriger Weise zugleich, ein Gros der Menschen das gar nicht (mehr) anders kennt. Sei es, weil man jung ist (Generation Z, "Zoomer"), oder weil man schon immer eher "seichter betucht" war in Sachen "Kultur", oder weil man sich schlicht dran gewöhnt hat. Populärkultur, egal welche, war nunmal schon immer populär, im wahrsten Sinne des Wortes, weil sie den größten Teil des Volks ansprach.

Das wirklich Perfide ist die dies alles überbauende Ideologie, welche damit transportiert und perpetuiert wird. Eine Ideologie, die Konsum zum höchsten Ziel und Zweck des Lebens verklärt. Eine Ideologie, in der "Identität" durch Konsumentscheidungen geschaffen wird. "Du bist, was du isst" in den kapitalistischen Alltag übertragen.
Es wird auf mannigfaltige Weise immer und überall gesagt, gezeigt, impliziert zu welchem anderen Menschen mich der Konsum von Konsumgut X machen wird. Ganz stumpfes Beispiel: Axe-Werbung. Vom Loser zum Womanizer mit nur dreimal Sprühen.
Mit 14 hab ich auch Axe gekauft. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass das Zeug furchtbar riecht und unverschämt teuer ist und dazu noch von Unilever kommt (und dass einen die Damen deswegen nicht auf einmal in der Öffentlichkeit schmachtend anfallen).
Nichts destro trotz verfängt diese Ideologie und wie du bereits sagtest, muss man auch Unwahrheiten nur oft genug wiederholen, bis sie von ausreichend Menschen als Wahrheit akzeptiert wird.
So leben wir in einer Zeit, in der man sich mit der gerade gekauften Einbauküche identifiziert, mit der Marke des Autos, der Schuhe, der Jacke, der Hose. Und eben, ganz vorn dabei: Musik und derweil Videospiele.
Eine Konsequenz ist, dass man all diese Dinge nicht mehr sachlich kritisieren kann. Denn selbst sachliche Kritik richtet sich gegen etwas vermeintlich Identität stiftendes und somit, als logischer Fehlschluss, gegen Personen, die sich mit dem kritisierten identifizieren. Nun sind gerade Musik, aber auch Videospiele, prinzipiell alle Kulturgüter, Dinge, die tiefe emotionale Bindung verursachen, folglich fühlen sich Menschen aufrichtig gekränkt, so man das (zur Zeit) ihre Identität stiftende Konsumgut nicht so toll findet, wie sie. Wundervoll zu beobachten bei schlicht und ergreifend jedem Test auf dieser Seite. Irgendjemand nörgelt immer rum, weil die zwangsweise subjektive Zahl am Ende des Tests nicht der eigenen Wahrnehmung entspricht. Oft genug eskaliert das, weit über Nörgeln hinaus.
Kommen wir nun noch einmal zum erwähnten Trugschluss: wenn Konsumgüter in sich Identitätslos und Charakterlos sind, dann können sie auch nicht Identität und Charakter stiften. Das ist durchaus Kalkül, wenn sie dieses Ziel erreichen würden und könnten, dann würde man damit nicht so viel Profit machen können. Denn nur wenn der Konsum vom Gütern den propagierten Zweck, die Identitätsstiftung, nicht gewährleistet, kann man, bei Aufrechterhalten der Lüge, weiter identitässtiftende Konsumgüter verkaufen.

Am Ende dreht sich halt immer alles um den schnöden Mammon. Macht man halt einen Bogen um popkulturelle Erzeugnisse, wenn sie einem nicht gefallen.
Pineapple-Pete
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von Pineapple-Pete »

@kamm
Siehste, wenn man nicht mit dem Axtbeil in die Meute reinprescht, hören einem die Leute doch glatt gern zu. ;)

Ich zumindest finde deine angebrachten Punkte sehr nachvollziehbar, und bei Fortnite rennst du bei mir sowieso offene Türen ein (ich schreibe meine Bachelorarbeit über die psychologischen Mechanismen hinter dem Monetarisierungssystem in Fortnite).

Was deine Kritik am Mainstream Trap angeht, liegst du sicherlich nicht ganz verkehrt. Der wird ja immer schon häufig (aber nicht immer) auf den kleinsten gemeinsamen Nenner angepasst, vor Trap war das halt (Oldschool) Hip Hop, war das halt Pop, war das halt...
Dennoch will ich das in den Raum werfen: Werden KünstlerInnen wirklich von so vielen gehört, weil sie der kleinste gemeinsame Nenner sind? Oder hören die vielleicht so viele, weil die schon so viele hören? Erfolg in den Sphären ist in unserer gegenwärtigen Hype-Kultur ja fast ein Selbstläufer, wenn man schonmal oben ist. Ein super Beispiel wäre Billie Eilish. Ich sage nicht, dass es entweder das Eine oder das Andere sein muss, aber ich denke das sind Wechselwirkungen und kein einseitiges Konstrukt, und nicht ganz so eindeutig wie du es dir vorstellst.

Denn als jemand der viel Trap hört: Travis Scott Songs hängen sich nicht nur leicht ins Ohr, sondern bleiben auch lange drin, und auch nach mehrmaligem Hören findet man wieder was neues. Man kommt zwar schnell rein, aber dennoch gibt es genügen Feinheiten im Beat, ikonische Flowmomente und Stimmungen, die man so halt fast nur in kopierten Formen hören kann (soweit mir bekannt).

"Musik für Leute, die Musik eigentlich hassen" ist aber nach wie vor keine clevere polemische Line. Es ist ein Kampfschrei, ein unaufgeforderter Mittelfinger, der noch nicht mal Sinn ergibt. Schließlich gibt es (meiner Meinung nach) kein noch so gutes Argument, mit dem du Leuten verklickern kannst, dass sie doch eigentlich Beethovens' Fünfte viel mehr als Mallorca Matze feiern würden, wenn sie doch nur nicht so geschmacklose Trottel wären. Ich reg mich selber gern über Medien auf. Mir ist dabei nur wichtig, dass die Leute mich dann auch verstehen oder nachvollziehen können.

P.S.: Dass ausgerechnet du beim Radio arbeitest, königlich. :D
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Usul
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von Usul »

kamm28 hat geschrieben: 28.04.2020 04:34Ich belasse es mal dabei, falls kein weiterer Diskussionsbedarf besteht. :)
Verstehe mich bitte nicht falsch, aber es besteht von Anfang an kein Diskussionsbedarf. Wie ich schon schrieb, "es geht mir um das Wie und nicht um das Was". Wenn du deine differenzierte Meinung über Musik so formulierst, daß du niemanden plump angreifst (mit du meine ich jetzt das allgemeine "du", nicht nur dich persönlich), ist doch alles bestens.

Zum Inhaltlichen: Ich muß gestehen, daß aus deinen Worten eine gewisse Überheblichkeit herauszulesen ist. "Transformers" ist ein gutes und oft genommenes Beispiel. Ich finde Transformers, vor allem den ersten Teil, geil. Auch mit Uwe-Boll-Filmen kann ich großen Spaß haben. Die Bademeister ist einer meiner Lieblingsfilme, Fast & Furious feiere ich ab, Bad Boys 3 fand ich ziemlich gut, usw. usf. Mit anderen Worten: Ich kann mich auch für "seichtere" Filme begeistern. Nach deinen Ausführungen liegt hier also fast schon der Schluß nahe, daß ich gegenüber "wichtigeren" gesellschaftlichen Fragestellungen und Entwicklungen zur Indifferenz neige. Ohne mich jetzt hier selbst beschreiben zu müssen, kann ich dir sagen: Nein. Und in meinem Bekanntenkreis gibt es einige, über die ich dasselbe sagen kann.

Das wären natürlich anekdotische Fälle, von daher stellt sich die Frage: Auf welcher Evidenz basieren deine Annahmen? Wenn du z.B. schreibst: "Auch von der Musik weiß man, dass der unreflektierte massenhafte Konsum von minderwertigen Erzeugnissen ohne Ausgleich negative Auswirkungen haben kann." - woher weiß man das? Also es kann schon sein, daß es in dieser Richtung Untersuchungen gibt, aber auf welche beziehst du dich, wenn du meinst, daß man das weiß? Nachvollziehbarerweise habe ich mich mit diesem Aspekt der Sache nicht so beschäftigt, daß ich jetzt wissenschaftliche Abhandlungen zitieren könnte, aber du darfst das gerne.

Mit anderen Worten: Deine Ausführungen haben den Anschein, daß sie evidenzbasierte und wissenschaftlich fundierte Dinge als Grundlage haben. Und da habe ich so meine Zweifel, da ich eher den Eindruck habe, daß du aus deinen eigenen Erfahrungen schließt und verallgemeinerst.
Das kann natürlich total falsch von mir sein - in dem Fall würde ich um Entschuldigung bitten und wäre gerne bereit, mich näher mit der besagten Grundlage zu befassen.
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von Mauga »

Hm das einzige Gefühl welches ich beim Anschauen hatte war fremdschämen :D
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von key0512 »

Spiele selbst kein Fortnite. Und man kann von der Musik halten was man will, ich persönlich finde Travis Scott klasse! Aber eins ist klar, die Entwickler haben sich bei dem Event kreativ ziemlich ausgetobt. Nach jahrelangem Skins gestalten, hat sich da wohl etwas aufgestaut.
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von Dunning-Kruger »

Sehr geehrte(r) Kamm,

deine Meinung in allen Ehren, aber solange du in deinen Romanen ausfällig wirst ("brechdurchfallische Kacke"), kann man deine Kritik leider nicht ernst nehmen.


Zudem hat man wesentlich mehr Spaß an Dingen wie Musik, Spielen, Filmen, Serien, Büchern etc., wenn man sie nicht zu Tode analysiert


MfG

ein NICHT Travis Scott und Trap-hörer
Zuletzt geändert von Dunning-Kruger am 28.04.2020 12:56, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von Hokurn »

Ich find es ein wenig schwierig das Thema wertige Musik zu beurteilen...
Klar ist das Live Geschäft mit einem gespielten Instrument vermutlich komplexer aber die Arbeit hinter der Musik ist kann man auch Trap nicht absprechen.
Warum man jetzt auch unbedingt höheren Sinn in Trap erkennen muss, verstehe ich auch nicht. Ich find Death Metal auch ziemlich komisch. Sowohl handwerklich (vorrangig natürlich das "Singen") als auch thematisch.
Sowieso sind Themen in anderen Musikgenres nicht viel komplexer. Ob man nun mit dem Thema Gangleben von z.B. YG auf My krazy Life oder Kendrick Lamar's Good Kid, Maad City etwas anfangen kann, steht auf nem anderen Blatt. Dann hört man halt nen anderen Künstler / anderes Album im Fall von Kendrick.
Oft vergleicht man auch direkt den persönlichen Lieblingskünstler seines Genres mit z.B. dem aktuell mainstreamigsten Künstler, der in den Medien stattfindet und schließt dann aufs gesamte Genre.
Ich vergleiche nun auch kein Kendrick Lamar mit Frei.Wild und schließe damit aufs gesamte Rock Genre und stelle das gesamte Hip-Hop Genre darüber...
Insofern ist der Mozart Vergleich hier iwie Quatsch. Vermutlich passt ein David Garrett da besser als Vergleich mit Travis Scott.
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von johndoe818235 »

Dero.O hat geschrieben: 28.04.2020 12:53
Zudem hat man wesentlich mehr Spaß an Dingen wie Musik, Spielen, Filmen, Serien, Büchern etc., wenn man sie nicht zu Tode analysiert
Klar, wenn man hinter die Kulissen guckt, zerfällt auch der Schleier jeglicher Faszination irgendwann...
Wer nicht-hinterfragend konsumiert, konsumiert glücklich.
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von kamm28 »

@Sir_pillepalle
Adorno habe ich nur auszugsweise gelesen, und das liegt, ebenso wie andere Klassiker der Sozialwissenschaften, schon ziemlich lange zurück. Um es bezüglich der Dialektik der Aufklärung kurz zu machen, da stecken für mich viele schlaue Gedanken drin, aber in der Gänze ist mir das zu heftig in seinen allumfassenden Deutungsmustern. Angewendet auf Kultur führen solche Sichtweisen außerdem zu einem Kulturbegriff, bei dem nur ein eine kleine, verständige Elite wahre Kunst erkennen und genießen kann. Ich hatte schon zu viele Diskussionen mit Klassik-Verfechtern, die in allem, was irgendwie mit Popkultur in Zusammenhang gebracht werden kann, ausschließlich Ausdruck eines dumpfen Konsumprinzips sehen, und bei klassischer Musik von wahrer Schönheit und wahrem Genie schwadronieren, halt schon in so einem elitären Adorno-Style. Aber gut, die hatten außerdem alle mehr Ahnung von Musiktheorie als ich, und vielleicht habe ich zu viele dieser Diskussionen "verloren" :D
Ich fühle mich jedenfalls tendenziell eher der Habermas-Fraktion zugetan. Das, was du schreibst, ist alles nicht falsch. Ich sehe es aber so, dass man damit schnell in einer Sackgasse endet - man kann dieses Prinzip auf alles anwenden und überall nur mehr oder weniger gut verschleirtes, seelenloses Kalkül zur Profitmaximierung und dumpfe Aufforderung zum unhinterfragten Konsum sehen.
Das ist mir wie erwähnt zu total, und als Pop-Schlampe behalte ich mir das Recht vor, sowohl den Beatles als auch Mozart Genie zu-, wie auch absprechen zu dürfen. Konkret erkenne ich in den Werken der Beatles spätestens ab Rubber Soul musikalisches Genie, in Mozarts Zauberflöte mit dessen flacher Harmonik, trotz komplexerem Aufbau, nicht. Gewagte These, ich weiß :D

Man könnte jetzt Fortnite hinsichtlich der von mir erwähnten Punkte weiter oben analysieren und als ekelhafte Konsumfalle abtun, ohne damit grundsätz falsch zu liegen. Jetzt mag ich aber Assassin's Creed, was man ebenso erfolgreich als Produkt des kleinsten gemeinsamen Nenners eines Massengeschmacks zerreden könnte, Ubiformel-Holzlatten-Kiddie-Gameplay. Ich würde mit dem historischen Gehalt und den gut geschrieben Texten dagegenhalten, zumindest bis zu AC3, das ich als letztes aus der Reihe gespielt habe. Und ich bin mir sicher, dass man auch bei Fortnite irgend etwas finden kann, was als positiv zu bewerten wäre. Auch beim Trap warte ich nur darauf, dass mir irgend jemand Argumente bringt, warum man das abseits meiner genannten Vorbehalte auch gut finden kann, woran ich mich dann abarbeiten kann. :D

@Pineapple-Pete
Erstmal, ich arbeite nicht beim Radio, das habe ich zu missverständlich formuliert! Zumindest im Tagesprogramm könnte ich das nicht mit mir vereinbaren, weil da eine persönliche Grenze hinsichtlich "aus Scheiße Geld machen" überschritten werden würde. Ich arbeite im Büro eines kleinen Schweißereibetriebes und muss dort halt Radio Siegen ertragen, das nebenbei ständig läuft. Trap ist da zu meinem Glück kein hauptsächlicher Programmbestandteil, obwohl die Einflüsse natürlich überall präsent sind. In Mark Forsters unsäglichem 194 Länder z. B. findet man sowohl das obligatorische künstliche Roland TR-808-Hi-Hat-Geratter (das mich bei verbeifahrenden Autos und auf Smartphones von Kindern im Bus immer an Fahrradkettengeräusche im Leerlauf erinnert), als auch den EDM-Trap-typischen Shishabar-Rhythmus. In Verbindung mit den Lyrics und seinem Backpfeifengesang ("es gibthunnatviernneunzisch Länder ichwilljääädesdavonnsehn ") haben wir Pest, Cholera, Typhus und eine akute Bandwurminvasion in einem, na herzlichen Glückwunsch.
Das mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner und dem Erfolg durch Wiederholung und Überpräsenz sind meiner Ansicht nach zwei Dinge, die sich direkt bedingen. Pop im Sinne einer ständigen Begleitung im Alltag als Hintergrundrauschen (es gibt ja noch andere Definitionen und Funktionsweisen von Pop) funktioniert durch Gewöhnung an Standards, und diese wiederum lassen sich einfacher etablieren, wenn man die musikalischen Mittel einfach und anspruchslos hält (sprich, kleinster gemeinsamer Nenner). Aber man darf andererseits auch nicht die Dynamik der Popmusik unterschätzen: Die Wandel der musikalischen Mittel sind deutlich kurzfristiger als z. B. bei Spielarten des Metal, wo man mit genau der gleichen Musik wie vor 40 Jahren heutzutage ebenso viel Erfolg haben kann.

@Usul
Es kann schon sein, dass ich in solchen Geschmacksfragen eine gewisse Überheblichkeit an den Tag lege, oder dass es zumindest so wirkt, zugegeben. Ich würde dagegen halten, dass, wenn ich von z. B. minderwertiger Kultur spreche, ich mich da selbst überhaupt nicht herausnehme. Ich fand den ersten Transformers auch spaßig, und freue mich schon auf Bad Boys 3. Transformers 3 habe ich irgendwann mal angefangen, aber da muss ich gestehen, fand ich den gezwungenen Humor derartig unlustig und vorpubertär, dass ich nach fünf Minuten ausgemacht habe, was mir nicht oft passiert. 6 Underground letztens konnte ich unter "so doof, dass es schon wieder Spaß macht" verbuchen. Allgemein habe ich bei Bay manchmal das Gefühl, das Erzeugnis eines Teenagers zu sehen, wozu auch seine auffallende Inszenierung von weiblicher Körperlichkeit gehört. Stichwort: Screentime von Megan Fox' Arsch. Jedenfalls sind seine Filme oft bemerkenswert unclever, obwohl es Ausnahmen gibt, siehe Die Insel oder Pain & Gain. Aber wie gesagt: Ich kann sowas durchaus feiern. Ich mag auch Skrillex, Boys Noize, 3-Akkorde-Funpunk, Prodigy, Backstreet Boys, Banger-Hip-Hop, alte Limp Bizkit, simplen, rasenden Black Metal und schweinebrutale Fratzengeballer-Kampffilme. Aber nur weil ich es mag, sollte mich das trotzdem nicht davon abhalten, kritische Infragestellung zuzulassen. Bei Michael Bay kann man zum Beispiel seine Sexualisierung kritisch betrachten. Das wäre überhaupt kein Problem, wenn es nicht Überlegungen dazu gäbe, dass Alltagssexismus auch über die Wiederholung von sexualisierten Schlüsselreizen, die unhinterfragt und unkritisiert ständig auf einem einprasseln, aufrecht erhalten werden kann. Kann, nicht muss. Und in dem Punkt hast du mich, glaube ich, falsch verstanden. Ich habe es so in Erinnerung, dass ich erwähnt habe, eben die monokausalen Schlüsse von der Kultur auf Individuen abzulehnen, im Sinne von: Konsum sexistischer oder gewaltverherrlichender Filme/Spiele/Musik -> ergibt ebensolche Charakterzüge. Siehe Killerspiel-Debatte. Deshalb würde ich z. B. dich, vor allem ohne dich zu kennen, nicht irgendwo einordnen wollen, sei es jetzt so etwas wie Sexismus oder Indifferenz gegenüber "wichtigen" gesellschaftlichen Fragestellungen, nur aufgrund von irgendwelchen Präferenzen.
Aber ich halte dagegen, dass Kultur Auswirkungen haben kann, im beschriebenen Sinne von Tendenzen, Chancen und der Schaffung von begünstigenden Effekten hinsichtlich gewisser Haltungen. Das mit den "unreflektierten massenhaften Konsum von minderwertigen Erzeugnissen" in der Musik war, und auch da dachte ich, dass es relativ offensichtlich geschrieben war, auf die musische Erziehung der NS-Zeit gemünzt. Es war damals eine der Leitideen, durch Musik die Inhalte der herrschenden Ideologie zu unterstützen und verstärken. Es gibt zwar viele Musiksoziologen, die auf die rein musikalischen Aspekte solcher "Funktionsmusik" nicht oder kaum eingehen, aber andererseits gibt es auch viele Ansätze einer Synthese mit musiktheoretischen Erklärmustern der Wirkungsweise von Tönen, Harmonien, Rhythmen usw. Es ist lange her, dass ich mich bewusst mit solchen Dingen auseinandergesetzt habe, aber wenn du willst, kann ich mal ein paar Beispiele von wissenschaftlichen Arbeiten in diese Richtung heraussuchen. So auf die Schnelle habe ich da z. B. "Das voelkische Lied. Eine annotierte Quellensammlung zur NS-politischen Indoktrination der Jugend durch Musik." von Brade/Tilman oder "Musik als Werkzeug der Indoktrination: Am Beispiel der Festouvertüre 1948 von Ottmar Gerster und dem Mansfelder Oratorium von Ernst Hermann Meyer (Musik im Metrum der Macht)" von Anne K Schmidt gefunden.
Jedenfalls herrscht in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema derer, die musikalische Aspekte mit berücksichtigen, Einigkeit darüber, dass die Wahl der musikalischen Mittel in den verschiedenen Fällen von "Zweckmusik" nie zufällig ist. Seien es die Marschrhythmen und die kämpferischen, Zusammenhalt stiftenden Harmonien der HJ-Lieder oder die Soundtracks von der Stange aus der Werkstatt eines Hans Zimmer. Zu letzterem hat mir ein studierter klassischer Musiker mal erklärt, dass dieser teilweise mit selbst erstellten digitalen Tools arbeitet, die letztendlich wie riesige Datenbanken funktionieren, in denen Harmonien, Töne und Rhythmen bestimmten Emotionen und Stimmungen zugeordnet sind. Man kann dann z. B. eingeben: Piraten, Südsee, fröhlich, beschwingt - und bekommt dann fast fertige Stücke, die man als Grundlage verwenden und weiter verfeinern kann. Ich hab das nie überprüft, aber das klang für mich stimmig. Gerade Zimmer ist da teilweise, neben einigen herausragenden Arbeiten, furchtbar vorhersehbar und generisch. Sei es das tiefe, dröhnende "Brrrröööööööööhhh", das gefühlt in jedem Blockbuster verwendet wird, oder die obligatorische große Septime, wenn es spannend sein soll.
Passend dazu, eine, wie ich finde, herrliche Polemik auf Zimmer:

https://blogs.nmz.de/badblog/2013/07/01 ... ne-tirade/
:D

Sowas ist das schriftliche Äquivalent zum Ballerfilm: Bedient niedere Instinkte, kann man aber feiern. Und aber auch kritisch sehen. Beides. Ich hoffe, es sind Dinge deutlicher geworden mit meinem unstruktierten Geschreibsel. :D

Ediths Nachtrag:
Auch wenn man, so wie ich, doofen kulturellen Erzeugnissen was abgewinnen kann, so darf man doch nicht die andere Seite der Kultur vergessen: Bücher, Filme, Musik und Spiele, die es schaffen, einem anzuregen, über Dinge nachzudenken, auf die man ansonsten nicht gekommen wäre, die den eigenen Horizont erweitern und neue Sichtweisen oder andere Perspektiven vermitteln.
Ich würde sogar, @Dero.O und konträr zu adler.Kaos (obwohl das wahrscheinlich ironisch war), behaupten, dass gerade durch die intensive Beschäftigung mit höherer Kultur letztendlich eine "Spaßsteigerung" stattfindet. Als ich zum Beispiel damals nach mehrmaligen Hören und ohne mich vorher mit komplexerer Musik beschäftigt zu haben, endlich Tool's Aenima durchblickt und "verstanden" habe, war das so ein Schlüsselerlebnis, das mich vollkommen überrollt hat. Da saß ich dann überwältigt mit Ganzkörpergänsehaut, spontanen Tränenausbrüchen und einer Ahnung, was Musik imstande ist, in einem auszulösen und welche Möglichkeiten darin verborgen sind, wenn man sich halt die Mühe macht und mit Dingen auseinandersetzt, die abseits der ausgetretenen Pfade, die eben von der Wiederaufbereitung des Bekannten leben, sehr viel mehr bieten können als bloße Bespaßung. Für beides sollte es Platz geben. Das Weglassen des einen kann zu einem verkrampften Elitarismus führen, das Weglassen des anderen zu einer Gewöhnung an allzu einfache Mechanismen, durch die man dann, ohne das Rüstzeug einer begründeten Auseinandersetzung zu erlangen, anfällig für Manipulationen werden kann. Und ich bleibe dabei, dass gerade größere Massen von Menschen, die den Prinzipen einer inzwischen jahrhundertealten Tradition der Aufklärung blind gegenüberstehen, eine Gefahr darstellen, was sich meiner Meinung nach überall auf der Welt immer wieder bestätigt.
Zuletzt geändert von kamm28 am 28.04.2020 17:14, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Fortnite - Astronomical: Über 12,3 Mio. Spieler verfolgten Ingame-Konzert von Travis Scott; neuer Nutzerrekord

Beitrag von Hokurn »

kamm28 hat geschrieben: 28.04.2020 04:34 Niemand wird mir widersprechen, wenn ich behaupte: Der einmalige Konsum einer Bild-Zeitung sowie das Teilnehmen an einer Malle-Schlagerparty macht niemanden dumm. Was das regelmäßige Lesen der Bild-Zeitung und das gelegentliche Frequentieren von Malle-Schlagerpartys angeht: Kann man machen, wenn man meint, aber vielleicht sollte man für etwas Ausgleich sorgen, sich zusätzlich anderweitig informieren und auch Veranstaltungen besuchen, die nicht im obligatorischen Trichtersaufen enden. Wenn man jetzt aber davon ausgeht, dass die Bild-Zeitung und irgendwelche Action-News die einzige Art der Informationsbeschaffung darstellt, Malle-Schlager den kompletten Musikkonsum ausmacht, und ansonsten vielleicht noch Fußball, Krimi und Pornos unter kultureller Aktivität zu verbuchen sind, dann sind wir bei bestimmten Milieus, Bildungschancen und auch bestimmten Mindsets angelangt. Man könnte mir jetzt vorwerfen, dass ich hier wild konstruiere. Ich bin mir aber sicher, dass es kein Zufall ist, dass ich in meiner Klischeesammlung genau diese Beispiele gewählt habe. Und zumindest ich kenne einige Beispiele, bei denen genau diese oder ähnlich gelagerte Kombinationen auftreten - bin unvermögend und viel unterschichtig unterwegs. Nicht in jedem Fall führt dies alles zu "Dummheit" in weiterem Sinne, manchmal wird man sehr positiv überrascht. Aber die Tendenz ist sehr offensichtlich, ebenso wie Gefahren, die damit einhergehen. Ist damit deutlicher geworden, was ich mit meinem Vergleich ausdrücken wollte?

Um zurück zu Fortnite und Travis Scott zu kommen: Man kann ja durchaus würdigen, dass hier relativ neue Wege der Kombination von verschiedenen kulturellen Sparten ausprobiert werden, sowie den technischen und, meinetwegen, künstlerischen (im eher handwerklichen Sinne) Aufwand. Für mich als Trap-Verächter und Fortnite-Kritischseher ist aber etwas anderes wichtiger und meiner Meinung nach auch offensichtlicher. Da ist einerseits das Spiel, das zwar rein ludologisch von dem, was ich mitbekommen habe, nicht so viel falsch zu machen scheint, das aber berechtigterweise in der Kritik steht, eine junge bis sehr junge Hauptzielgruppe mit dem käuflichen Erwerb von Statussymbolen auszunehmen. Da geht es um Suchtmechanismen, um soziale Distinktion aufgrund von oberflächlichen Blingbling, und man könnte moralisierend noch über den Wert von (Spiel-)Prinzipien schwadronieren, in denen es darum geht, als letzter übrigzubleiben, indem man alle anderen abschießt. Capitalism ho in a nutshell. Ich bin ganz froh darüber, dass mein jüngster, 16-jähriger Bruder da nicht mitspielt, sondern lieber Grow Home zockt, und meine jüngste, 14-jährige Schwester lieber Machinarium und RiME. Ja, wir sind ein paar, und ja, beide haben schon ein Gespür dafür, aus welchen Gründen man Fortnite zwar nicht verteufeln muss, aber hinterfragen kann.
Und dann Travis Scott, wofür steht der so, welche Werte verkörpert er? Oh, junge bis sehr junge Hauptzielgruppe (obwohl er mir außer im Bus bei den 8- 18-jährigen auch aus tiefergelegten 3er-BMWs und diversen Protzautos entgegenkotzt), oh, offensichtliche Suchtthematik, soziale Distinktion durch oberflächliches Blingbling (wenn auch deutlich teurer als in Fortnite), Aneignung und Gewinn durch Gewalt, Statussymbole, Capitalism ho - das sind ziemlich viele Checks. Wie offensichtlich muss eine unheilige Allianz eigentlich sein, um als solche wahrgenommen zu werden?

@Usul
Ich kann deine Position verstehen. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte da auch so gechillt sein wie du - dann müsste ich nicht mehr bei der Arbeit (Radio Siegen, würg) Wutanfälle unterdrücken, was bestimmt besser für meinen Blutdruck wäre. Andererseits gebe ich ja zu, dass ich mir in der Rolle als überkritischer Grantler ein bisschen gefalle. Und, glaubt es oder nicht, ansonsten bin ich ein sehr gechillter, umgänglicher Mensch - Musik ist da eine Ausnahme bei mir. Und ich bin auch recht glücklich darüber, dass sich all mein Hasspotential ausschließlich gegen kulturelle Dinge oder amorphe Massen richtet, nie aber gegen einzelne Menschen. Selbst so potentielle Ziele wie Trump oder verstorbene wie noch lebende Diktatoren hasse ich nicht, da regiert eher Fassungs- und Hilfslosigkeit sowie Angst vor dem menschlichen Potential.
"Musik für Leute, die Musik eigentlich hassen" ist natürlich ein krass polemischer Ausdruck, funktioniert für mich aber recht gut als Punchline, um mein Unverständnis darüber auszudrücken, mit welchem Müll sich viel zu viele zufriedengeben. Der Satz lässt sich außerdem schön einfach auf andere kulturelle Bereiche übertragen: Auf z. B. Stephenie Meyer oder Heimatarztromane in der Literatur, auf Transformers und Uwe Boll-Erzeugnisse im Film und so weiter. Das "eigentlich" mildert es etwas ab, finde ich, und ja, im Grunde wäre ein Wort wie "gleichgültig" statt "hassen" zutreffender, zumal Gleichgültigkeit gegenüber etwas, für das man starke positive Gefühle hat, schlimmer sein kann als ehrlich empfundener Hass. Wie weiter oben schon erwähnt gibt es für mein Dafürhalten zu oft eine Koinzidenz bei der egalen und indifferenten Haltung einerseits gegenüber kulturellen Dingen, als auch gegenüber "wichtigeren" gesellschaftlichen Fragestellungen und Entwicklungen, als dass ich persönlich dem mit einem subjektivierenden "soll doch jeder machen wie er will" begegnen könnte. Man könnte jetzt noch darüber diskutieren, wie unterbewusst aufgenommene Inhalte in Verbindung mit Wiederholungen ungefiltert zu vermeintlich bewussten Meinungen führen können, und den Bogen endgültig überspannen angefangen mit anspruchslosem Radiogedudel, das auch nur deshalb funktioniert, weil es eben keine bewusste Auseinandersetzung erfordert, bis hin zu einfachen Feindbildern und Erklärungen, die ebenfalls von überall aufgesogen werden und ebenso keine elaborierte Verarbeitung erfordern und deshalb so gut funktionieren, darin ein gemeinsames Grundprinzip ausfindig machen und psychologisierend von dem einen auf das andere schließen. Aber ebenso könnte man solche Gedankengänge auch als eigene Art diskutieren, wie man eine komplexe Welt auf einfache Prinzipien herunterbricht, um sie verständlicher zu machen. Ich belasse es mal dabei, falls kein weiterer Diskussionsbedarf besteht. :)
Ich habe iwie das Gefühl, dass du dich ausschließlich auf diesem Klischee bewegst. Die Kombi an Mensch muss man erstmal finden...
Ein Guardiola beschäftigt sich vermutlich den ganzen Tag mit Fußball und wird als genial beschrieben.
Verschiedene Leute, weit klüger als ich, spielen regelmäßig COD.
Ich persönlich höre mit Future lediglich einen Trapper so weit ich mich erinnere und vergleiche das eher mit dem Konsum eines Horrorfilms (mein Lieblingsgenre das ja auch nicht immer den Blick auf die Filmwelt in neuem Licht erstrahlen lässt). Ich bin mir auch nicht sicher, ob du Trap richtig verstanden hast oder dich darauf einlassen kannst. Es geht wie beim Horrorfilm hauptsächlich um die Vermittlung eines Gefühls. Zudem finde ich manchmal Trap Einflüsse im Hip Hop gar net so schlecht. Ein OG Keemo, den du glaub ich zitiert hast, profitiert auch von solchen Beats.

Der von mir genannte Future hat mit HNDRXX ein recht selbstreflektierendes Album abseits vom Konsum und Geldthema gemacht. Ob das jetzt genug Komplexität für einen selbst bietet mag man beim Hören entscheiden aber nicht jeder Fußballer ist Kevin Großkreutz und nicht jeder Rapper ist Lil Pump.
Gefühlt schöpft man beim Hip Hop Genre mit nem Teelöffel nach Argumenten während man bei anderen bevorzugten Genres mit ner Suppenkelle die Wertigkeit begründet.

Ich find es schwierig klar von minderwertiger Musik zu sprechen.
Hat ein bisschen was von „Was ist bei Spielen wichtiger? Grafik, Story oder Gameplay?“
Und zack reden wir nur über Wandersimulatoren und dem perfekten Dark Souls, weils das bekannteste Skillspiel ist.

Ich find es iwie schwierig Kunst einzuschränken.