Also ich denke, ein Grund, der dir hier eventuell unerwartet viel Erklärungsnotwendigkeit eingebracht hat, Sir Richfield, ist, dass du hier recht grob mit den Begrifflichkeiten umgehst. Keine von den von dir beschriebenen Dinge hat unmittelbar mit Sexismus zu tun.
Sexismus ist das Reduzieren eines Menschen auf sein Geschlecht. Stellt sich jemand, offen seine ihn oder sie für das andere Geschlecht attraktiv machenden Attribute zur Schau stellend, dem durch dieses Verhalten offensichtlich gewünschten "Urteil" der Zuschauer, hat es nichts damit zu tun, dass diese ihn oder sie auf das Geschlecht reduzieren, wenn sie schreiben "hot Sixpack and nice Porsche" oder einfach "sexy boobs!". Sie sagen nur etwas über das, was derjenige, der sich ihnen so präsentiert wahrscheinlich hören möchte. Was sonst sollten sie denn in dem Moment sagen. Sie kennen den Menschen doch gar nicht. Er oder sie erhält nur Feedback über das, was man "zu Markte trägt". Wenn ich dem Türken von der Bude an der Straßenecke sage, dass sein Döner lecker ist, reduziere ich ihn mit der Aussage ja auch nicht auf ein Fladenbrot mit Fleisch und Salat... :wink:
Wenn man solche Kommentare erhält, ohne durch sein Auftreten quasi um diese zu betteln, weil man eben wirklich grade nix dergleichen hören oder lesen möchte, dann kann das selbstredend nerven. Dennoch ist das kein Sexismus.
Im Prinzip läuft alles auf dasselbe hinaus: Paarungs- und Balzverhalten, erweitert durch das Abchecken des eigenen Marktwertes gleichermaßen durch als auch für intrasexuelle Konkurrenz. Die von dir angeführte Konstellation mit den Mädels, die sich clever grinsend einfach nur die Primitivität "sexistischer Schweine" zunutze machen, um damit Fame und über entsprechende Klickzahlen Werbegelder generieren zu können, dürfte die verschwindende Minderheit sein. Das ist wohl eher so ein Ding, wo man versucht, sich sein vielleicht auch leicht verromantisiertes Frauenbild zu erhalten. Am Ende des Tages sind Frauen kein Stück weniger primitiv als Männer, sie spielen dasselbe Spiel halt nur etwas anders.
Gerade Videochats müssen für Evolutionspsychologen ein reines El Dorado sein.
Was mir übrigens gar nicht gefallen hat, ist deine Dar- und wohl auch Vorstellung von Prostitution. Die Annahme, dass die Mehrheit der Kunden von Prostituierten irgendwelche sozialinkompatiblen Triebmonster wären, ist schon eine arge Pauschalisierung und dürfte mit den Realitäten nicht das geringste zu tun haben. Die Mehrheit der Männer, die hin und wieder oder gar regelmäßig die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen sind einfach nur Menschen, die ihre sexuellen Wünsche sonst nirgends ausleben können, selbst dann nicht, wenn es sich dabei um den Wunsch nach ganz stinknormalem "Blümchensex" handelt. Nicht jeder, der keine Partnerin abbekommt, ist ein abgehängter Versager, der dieses Schicksal verdient hat. Viele haben deshalb Schwierigkeiten, Frauen zu finden, weil sie z. B. aufgrund ihrer finanziellen Situation den Statusanforderungen vieler Frauen nicht genügen (Auswertungen von Anforderungsprofilen zahlreicher seriöser Single-Plattformen haben ergeben, dass es für eine signifikante Mehrheit von dort gemeldeten Frauen immer noch ein No-Go wäre, ein "Down-Date" einzugehen, es also mit einem Mann zu versuchen, der weniger verdient als sie).
Und selbst in einer Partnerschaft kann es zu solchen Problemen mit nicht erfüllten sexuellen Wünschen kommen. Diese dann von einer Prostituierten erfüllen zu lassen, seine Frau also körperlich zu betrügen, ist dann eine Sache, die die Beteiligten mit sich selbst ausmachen müssen, aber auch noch kein Grund, diese Leute derart zu dehumanisieren.
Das ist aber leider ein in unserer Gesellschaft schon seit sehr langer Zeit (ja, lange vor dem Feminismus etc.) zu beobachtender Trend: die recht schnelle, pauschale Verteufelung männlicher Sexualität. Ein Musterbeispiel für dabei entstehende Doppelstandards und heuchlerische Doppelmoral hat da vor wenigen Jahren Alices Käseblatt "Omma" oder wie die heißt, geliefert. Nur zur Erinnerung: Alice und ihre "Omma" verdammen schon seit Jahrzehnten jede Form von Prostitution als die Ausbeutung von Frauen durch die dem Manne eigene Triebhaftigkeit. Und dann bringen sie einen Bericht über weiblichen Sextourismus in Nordafrika (für jene, die es nicht wissen: Nordafrika ist für amerikanische und europäische Frauen das, was für amerikanische und europäische Männer Thailand ist; selbst "Babystrich" inklusive). Und die Überschrift lautete doch allen Ernstes "Frauen die Liebe suchen". Aaaaah ja! Männliche Touristen, die die Armut der thailändischen Unterschicht ausnutzen, um von ihnen Sex zu kaufen, sind widerliche Schweine, aber Frauen, die dasselbe in Nordafrika machen, suchen selbstredend nur nach Liebe.
