ColdFever hat geschrieben:@Scipione
Schade, dass Du Dich in dem Moment, wo die Diskussion auf den Punkt kommt, wieder auf den einfach zu verteidigenden, weil wachsweichen Standpunkt der
"Satire/Kunst im Dienst der Thematisierung/Menschenrechte" zurückziehst (den Menschenrechtsorganisationen stehen deswegen die Haare zu Berge, siehe z.B.
www.freedomfromtorture.org im
Guardian).
Nochmals:
Es geht um die ehrliche Antwort, warum Du aktiven Raub, Mord und nun auch Folter im Spiel akzeptierst, Vergewaltigung aber nicht. Andere Spieler finden bereits aktive Folter im Spiel unerträglich und legen GTA deshalb nun zur Seite. Andere Spieler fordern jetzt dagegen auch noch Vergewaltigungen (und obwohl die Zeit dafür noch nicht reif ist, kann auch dieses mit dem Argument der "Thematisierung in der Kunst" irgendwann kommen).
Wenn Du ehrlich bist, erkennst Du, dass Deine Beklemmung gegenüber Vergewaltigung im Spiel nichts mit der Kunst oder dem Gesetz oder anderen vorgeschobenen Gründen zu tun hat. Es hat stattdessen etwas mit Deinen menschlichen Werten und Deinem Mitgefühl zu tun, und dass bei diesem Punkt bei Dir der Spaß aufhört. Damit gehörst Du nicht zu den Menschen, für die alles "nur Pixel" sind und die jeden Spielinhalt problemlos konsumieren können, ohne sich damit einzugestehen, wie abgestumpft ihr armes Leben damit bereits sein muss. Du empfindest als lebendiger Mensch stattdessen noch einen Widerwillen gegen das aktive Spielen bestimmter Dinge.
Aber - Wenn Du nochmals ehrlich bist, erkennst Du auch, wie sich die Maßstäbe verschieben. Vor 10 Jahren wäre vielleicht auch für Dich aktive Folter im Spiel unvorstellbar gewesen, jetzt akzeptierst Du es. Jeder von uns, der bereits mehrere Jahrzehnte dabei ist, erlebt, wie der Spielemarkt sich ständig immer weiter in die Richtung von noch mehr aktiver, realistischer Gewalt verschiebt. Ähnlich, wie vor 2000 Jahren viele Menschen immer mehr blutige Gewalt im Kollosseum sehen wollten, wollen heute viele Menschen für den "Kick" immer mehr Gewalt im Videospiel sehen.
Jetzt das Wichtigste: Wenn Du für Dich erkennst, dass du keine Vergewaltigungen spielen willst, weil
Deine menschlichen Werte und Dein Mitgefühl dieses heute nicht zulassen, dann setze genau an diesem Punkt an und frage Dich, was bis zum dem Tag passiert sein kann, sobald Deine Kinder oder Enkel im Dienste der "thematisierenden Kunst" dann Vergewaltigungen im Jahr 202x bei GTAx spielen. Werden sich mit jedem "Kick", den die immer drastischere Gewalt im Laufe der Jahre erzeugt, werden mit jeder genommenen Schwelle des Widerwillens, den viele Leute jetzt schon bei GTA5 empfinden, sich nicht auch
die menschlichen Werte und das Mitgefühl verschoben haben?
Sagen wir mal so.... hättest du mich vor ein paar Wochen gefragt, ob ich gerne eine Guantanamo-Sim spielen würde, hätte ich spontan "nö" gesagt. Und daran hat sich auch jetzt nichts geändert. Es kommt immer darauf an, wie und mit welchem Hintergrund man sowas einbaut.
Bei GTAV ist die Folterszene aber sorgsam eingebaut. Es spritzt keine Unmenge von Blut, was das ganze nur lächerlich machen und entwerten würde, und es ist ein Statement
gegen Folter, was man zum einen an der Reaktion von Michael sehen kann, an Trevors nachträglichen Worten und überhaupt an diesen ganzen unsympathischen Detectives. Sie werden nicht als strahlende Helden und Patrioten Amerikas dargestellt, sondern als skrupellose Arschlöcher, die genauso schlimm oder vielleicht sogar schlimmer sind als die kriminellen Protagonisten. Es fängt ja schon mit der vorhergehenden Rettungsmission an, da gibts auch schon eine (passive) Folterszene und die ist kein bisschen besser. Da sind sogar nur Beamte beteiligt, und ua eine Frau. Allesamt verkleidet als brave Bürger in Anzügen und Krawatte, aber führen sich auf wie im Mittelalter.
Das ist überhaupt das ganze schlimme daran. Leute, die sich angeblich auf die Fahne geschrieben haben, für Freiheit, Demokratie, Rechtstaatlichkeit und eine moderne, aufgeklärte westl. Kultur und Werte zu stehen, machen so einen Scheiss.
Trevor? Dem kann man nichtmal wirklich böse sein, der ist halt bekloppt, ein Tier, für den gelten einfach keine Regeln und der wäre vermutlich auch gar nicht mehr zu resozialisieren.
Und wie ich zuvor schon gesagt habe, war es definitiv richtig hier keine freie Entscheidung einzubauen. Manche sagen doch ohnehin schon, dass es in dem Spiel Inkonsequenzen gibt (dem ich bislang nicht wirklich zustimmen kann), aber ein Trevor, der sich hier 2 mal bitten lässt, DAS wäre inkonsequent gewesen. Trevor foltert natürlich, und da muss auch niemand ein schlechtes Gewissen haben, weil es nicht dein selbst erstellter Charakter in einem Rollenspiel ist, dem du deine oder eine eigene erdachte Persönlichkeit mitgibst. Trevor ist Trevor - genauso wie du in Büchern oder Filmen mit den Charakteren leben musst, die sich die Autoren ausgedacht haben, musst du es auch hier.
Und nochmal, weil du das scheinbar nicht begreifen willst, es ist ebenfalls Teil unserer aufgeklärten Kultur, dass wir in allmöglichen Werken sowohl Unterhaltung und Spass, aber auch gleichzeitig ernsthafte Töne und Kritik finden können. GTA ist da nur ein weiteres Beispiel in einer langen Tradition, die schon im alten Griechenland und Rom begonnen hat. Es wird hier nichtmal eine neue Stufe beschritten oder ein Tabu gebrochen. Das ist alles ein ganz, ganz alter Hut
Du solltest dir auch mal überlegen, wieso die USK da ihren Stempel draufgesetzt hat. Sogar die scheinen die Message begriffen und es als angemessen empfunden zu haben.