Boesor hat geschrieben:roteweste hat geschrieben: Die Qualität der Texte richtet sich also nicht nur nach der Ausbildung / nach dem intellektuellen Horrizont des Verfassers sondern zu guten Teilen eben auch nach "äußeren" Faktoren.
Zweifellos.
Und das muss man natürlich auch erstmal vernünftig hinbekommen, es ist ja nicht so, dass die BILD zeitung, weil sie sich auf eher überschaubarem Niveau bewegt, keine hervorragend ausgebildeten Redakteure hat.
So zu schreiben muss man eben auch erstmal können.
Der Spielejournalismus ist eben jung und im wesentlichen von Seiteneinsteigern bevölkert.
Vermutlich reicht das in der Regel auch (ist gar nicht abwertend gemeint), weil eine komplexe Recherche oder seitenlange Storys mit Enthüllungen usw. (wie man sie ja ab und an im Spiegel findet) im eher seichten Metier der Spieler nicht notwendig ist.
Die Absolventen der Henri Nannen Schule oder der dt. Journalistenschule findet man denke ich dann doch eher bei den etablierten Blättern - da gibts vermutlich auch mehr in die Lohntüte.
Eine gute journalistische Ausbildung bringt einfach nichts, wenn der Journalist bezüglich gewissen Sachen eine festgefahrene Meinung hat. Der geehrte Herr Luibl und seine Vorliebe für selbsterstellte Charaktere in RPGs, sogar dort, wo es eigentlich unangebracht wären und seine Vorlieben für offene Spielwelten mit allen Konsequenzen etc. sind diesbezüglich sogar sehr gute Beweise.
Auch möchte ich an dieser Stelle an den NYT-Bericht zu The Witcher 2 verweisen:
http://www.nytimes.com/2011/06/22/arts/ ... eview.html
Man merkt einfach den Unterschied schon am Geschriebenen. Während die Testberichte von so gut wie allen großen Spielemagazinen auch von mir hätten verfasst können, hätte ich niemals so einen Bericht wie den von NYT verfassen können. Sicher wird der NYT-Redakteur weniger aufs Gameplay eingegangen sein (ist halt ein anderes Blatt), aber so eine detaillierte Beschreibung der Spielewelt, jetzt egal zu welchem Spiel, würde ich mir generell von allen Spielemagazinen wünschen. Vorallem von Spielemagazinen erwarte ich, daß die mich bezüglich eines Videospieles besser informieren als ein Blatt wie die NYT.
Aber irgendwie habe ich das Gefühl, daß der gesamte Spielejournalismus am zerbrechen ist. Der Wettstreit um Klickzahlen und Auflagen sind mittlerweile sogar so stark, daß es schon fast üblich ist großte Titel mit 90+ Wertungen zu segnen, nur damit sie ihre Wertung vor allen anderen veröffentlichen können, das aber von den Spielevertreiber nur geduldet wird, wenn die Wertung dementsprechend hoch ist. Daher sind die ganzen Vor-Veröffentlichung-Testberichte (Vor-Release-Reviews) für die Katz. Man kann sich mittlerweile zu 100% sicher sein, das die Wertung nur deswegen so hoch ist, weil das Spielemagazin den Test möglichst früh veröffentlichen wollte. Und das ist nicht mal eine Verschwörungstheorie, sondern wird ja auch von den Spielemagazinen selbst bestätigt, daß es solche NDAs wirklich gibt.
Und dann hilft einem die journalistische Ausbildung wenig, wenn man sich dem Druck der Wirtschaft beugen muss. Und das ist im Falle des Spielejournalismus doch stärker, als man es aus anderen Bereichen kennt, wo man zum Beispiel kein Problem hat, aufwändig produzierte Blockbuster-Filme, die an den Kassen Rekordsummen einbringen trotzdem eine vergleichsweise blassere Kritik anzudichten. Wie soll ich als Konsument dann den gesamten Spielejournalismus-Zweig noch wirklich enrst nehmen? Da kann der geehrte Herr Luibl noch ein so tollen Werdegang haben, am Ende ist er genau so ein Opfer der Wirtschaft wie alle anderen Spielemagazinen auch.
Es ist ja nicht so, als ob Spieleredakteure per se schlechte Journalisten sind. Bei weniger großten Titel, wo es eben doch kaum bis gar keinen Druck gibt den test möglichst frühj veröffentlichen zu müssen, merkt man den Redakteueren doch an, daß die sehr wohl Spiele auch etwas kritischer und sachlicher testen können. Ist halt nur schade, da diese Titel dann auch härter bewertet werden und dadurch oft im direkten Vergleich mit den großten Titel das nachsehen haben, obwohl sie öfters die besseren Spiele sind.
Ich als langjähriger Hardcore-Spieler achte daher kaum bis gar nicht auf die Wertung, sondern lese mir die Berichte durch und vergleiche den Test mit anderen Test und bilde mir dann ein eigenes Bild, das in den meisten Fällen doch von den Test der großen Spielemagazinen sehr stark abweicht.
Was aber auch viele hier vergessen: ein Spielejournalist muss nicht unbedingt ein guter Journalist sein, meiner Meinung nach muss er ein besserer Spieler sein und daran happert es meistens sogar noch mehr. Spiele werden nur angespielt, nicht durchgespielt (merkt man ganz extrem beim Diablo 3 Test, um mal was Aktuelles in den Raum zu werfen) und dann sind die spielerischen Fähigkeiten auch eher mit dem eines durchschnittlichen Gelegenheitsspieler zu vergleichen, obwohl Spieletester nichts anderes tun als zu zocken. Das wirkt sich vielleicht nicht auf die Qualität des Testes so stark aus wie eine schlechte bis gar keine journalistische Ausbildung, aber dafür um so stärker auf den Inhalt.
Ach, was schreibe ich überhaupt soviel. Unterm Strich bin ich weder mit dem Inhalt, noch mit der Qualität von sogenannten Spielejournalisten zufrieden. Wenn ein Spielemagazin nicht die Qualität des NYT-Redakteurs bezüglich dem The Witcher 2 Testes mir geben kann, dann sollte er es mit Inhalt ausgleichen können und das schaffen die Wenigsten. Aus dem Stehgreif fällt mir spontan kein Spielemagazin ein, daß mich bisher wirklich überzeugen konnte.