Ahoi,
sorry, habe erst jetzt ein wenig Zeit für Antworten.
Als Erstes zum berechtigten Vorwurf einiger Leser, warum Risen mit 74% gegenüber Gothic 3 mit 68% scheinbar so wenig gewonnen hat, obwohl es doch eindeutig besser und vor allem fast bugfrei ist. Dieses Unverständnis kann ich voll und ganz nachvollziehen.
Im Nachhinein gehört meine Wertung zu Gothic 3 zu den schlechtesten, die ich je vergeben habe, weil sie inkonsequent war. Das ärgert mich maßlos, dass ich da nicht nach der Schulnote, sondern nach der damals aktuellen Zahlenpsychologie gegangen bin, in der ein 60 quasi Schrott war. Ich würde Gothic 3 heute 38% und ein klares "Mangelhaft" geben. Obwohl all die bugblinden Ultras unter den Gothicfans damals auf die Barrikaden gingen angesichts der viel zu niedrigen "Skandal-Wertung"...das sind teilweise dieselben, die heute rumheulen.
In den knapp drei Jahren nach diesem Bugdebakel von 2006 hat sich allerdings einiges bewegt, auch in unserer Wertungsphilosophie - wir haben uns gerade in jenem Herbst zusammen gesetzt und heiß über die Vor- und Nachteile diese Branche diskutiert. Heraus gekommen ist u.a. diese Kolumne, die Kultur der Kritik:
http://www.4players.de/4players.php/kol ... index.html
Heraus gekommen ist auch eine noch konsequentere Besinnung auf die Wertungsphilosophie. Wir haben uns vorgenommen, kritischer an solche Spiele heran zu gehen, die fehlerhaft in den Laden kommen. Und genau das haben wir seitdem auch durchgezogen. Außerdem haben wir uns vorgenommen, die Wertungsskala wirklich auszureizen und die Schulnote als primären Leitfaden für die anschließende Prozentwertung zu wählen - also: Befriedigt das Spiel oder ist es wirklich gut? Danach geht es an die Feinheiten der Zahlen. Wir wollen damit auch das solide Mittelmaß in seiner Breite zeigen. Wir wollen die inflationäre Awardwelle ein wenig aufhalten. Und wir wollen damit unterstreichen, dass man je nach Spielertyp auch ein 60/70-Prozentspiel kaufen kann.
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Zurück zur inhaltlichen Kritik am Risen-Test:
ehlemann hat geschrieben:Und zwar kritisiert er, dass es bei den Arena Kämpfen im Banditenlager keine Zuschauer gibt. (...) Die Kämpfe (Wetten!) werden heimlich und ohne Kenntnis des Don's ausgetragen, dieser ist nämlich strikt gegen Wetten, da diese nur Streit und Zwietracht sähen können, falls nun also jeder Bandit im Lager in die Arena (die eigentlich nur für Übungszwecke gedacht ist) rennt, wäre das unlogisch und inkonsequent.
Da hast du auf der einen Seite durchaus Recht. Und wenn der Don selbst bei den ersten Kämpfen zuschauen würde, wäre das unlogisch - falls das so rüberkam, war das vielleicht nicht klar genug im Test.
Ich versuche es nochmal. Mir ging es ja um die Dramaturgie: Da gibt es also illegale Wettkämpfe um die Vorherrschaft der Banditen, aber eine leere Arena. Okay. Hätte man das besser inszenieren können, ohne den Don oder ein großes Tamtam zu inszenieren? Ja!
Man hätte nach der Verabredung des Kampfes wenigstens ein oder zwei der aufsässigen Banditen als Zuschauer zeigen können; das wäre nicht nur erzählerisch plausibel, um das Ganze zu bezeugen, sondern auch, um evtl. einen Schmiere stehen zu lassen, damit man früh genug gewarnt wird, falls der Don oder seine Frau auftauchen. Das ist übrigens auch noch ein Logikfehler: Die Kämpfe finden alle bei hellichtem Tage statt, fast in Sichtweite (!) der Frau des Dons! Wieso veranstaltet man die nicht nachts oder heimlich in einer Höhle?
Und spätestens, nachdem man der Frau des Bosses gesteckt hatte, dass es illegale Kämpfe gibt (man soll sie in den Quests ja überzeugen, dass sie einem vertrauen kann), hätte sie (auch mit dem Don) wenigstens beim finalen Kampf erscheinen können - quasi um mit ihrem plötzlichen Auftritt zu demonstrieren, dass sie und der Don Bescheid wissen. So hätte man das dramatischer gestalten können! Ich hoffe, dass das, was ich in diesen sterilen Kämpfen vermisst habe und was man hätte besser machen können, jetzt etwas klarer heraus kam.
Aber wie auch immer: Das war und ist ein Kontrapunkt unter "Sonstiges" und damit ohnehin nicht wertungsrelevant.
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Zum abstrusen Vorwurf, ich hätte das Spiel nicht durchgespielt und zur Art und Weise, wie ein Publisher nach einem Test nachtritt:
Eigentlich habe ich keine Zeit für diesen Unsinn, wenn Leser einem nach einem sechsseitigen Test und durchzockten Nächten tatsächlich soetwas unterstellen. Aber in diesem Fall muss ich doch mal ein paar Takte sagen, denn der Produktmanager Daniel Oberleitner aka "doberlec" des Publishers Koch Media/Deep Silver entblödet sich nicht nur, uns im World of Risen-Forum genau das zu unterstellen, sondern weiß auch noch zu analysieren, dass wir das Kampfsystem nicht verstanden haben können. Und er weiß sogar, dass ich sauer war - dabei habe ich doch gar nicht mit ihm gesprochen. Komisch. Wieso, weshalb, warum?
Hier erstmal das Zitat aus den heiligen Hallen der Risenkirche (
http://forum.worldofplayers.de/forum/sh ... 080&page=6), in denen ein Produktmanager seinen Unfug runterbetet, aber immerhin sind die Schäfchen da nicht ganz so dumm, deshalb kommen sie mit ihren zitierten Fragen auch zu Wort:
Zitat von Jodob: Das Kampfsystem wurde anscheinend nicht richtig verstanden
doberlec (Deep Silver): Das ist auch schwer wenn man das Spiel nur 2 Tage spielt. Er hat das Testmuster nämlich erst vor 2 Tagen erhalten und da die Previewversion das Ende nicht enthält und die Savegames der Previewversion nicht in der Vollversion funktionieren hatte er wohl nicht viel Zeit. In einer Woche wäre sein Kommentar nämlich auch weniger Gehör gestoßen, und er muss ja den Hype auch nutzen nicht war?
Gorat: Nicht unbedingt. Damals vor der Prügelei mit Atari hatten sie das betreffende Spiel ja auch schon vorher von einem befreundeten (Groß-?)Händler beschafft. Das würde die Zeitdauer deutlich verlängern.
doberlec (Deep Silver): Würde jetzt nicht erklären warum er sich dann bei uns meldet worauf wir ihm dann noch ein Muster zuschicken, aber man kann sich ja auch alles zurechtlegen. Er wird sicher auch sagen "Die Preview war genug, ich musste ja nur noch kontrollieren ob es in der Vollversion auch so ist". Das Schöne an der Sache ist aber, dass wir hier sehr viele User haben die das Spiel auch gespielt haben und Jörg ist da leider mit seiner Meinung nicht mehr alleinstehend sondern muss sich auch anhören das manche das Spiel sehr gut finden. Das raubt einiges an Glanz und erklärt auch warum er so sauer war
Zitat von eddievedder: Und warum bekam er nicht zetgleich mit den anderen großen Magazinen (Gamestar, PC Games) ein Testmuster sondern erst vor zwei Tagen, und dann auch erst auf Nachfrage?
doberlec (Deep Silver): Tja, das weiß der liebe Gott alleine. Die Wege sind da ja bekanntlich unergründlich...
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Unergründlich? Das ist eine süffisante Unverschämtheit. Diese Wege sind manchmal sehr gut geplant, um kritischen Magazinen wenigstens einen Zeitnachteil zu verpassen. Da ich eine kleine Rolle in dieser Posse aus Planegg (irgendwo in den Outbacks von München, da sitzt Koch Media) spiele, antworte ich jetzt mal auf diesen hämischen Humbug.
1) Das bescheidene Kampfsystem von Risen versteht mein Hamster nach spätestens fünf Minuten. Man klickt zwei Maustasten. Man greift an, kann blocken und eine Riposte einleiten. Wenn ein Produktmanager meint, dass man dafür zwei Tage braucht, dann hat er in den letzten Jahren wirklich viel in Sachen Echtzeit-Kampfsysteme verpasst. Mal abgesehen davon, dass er sich als "Produktmanager" vielleicht besser mit der grafischen Polierung des Xbox 360-"Produktes" Risen beschäftigen könnte, anstatt Magazine und deren Arbeitsweise zu verleumden - oder haben zwei Tage gereicht, um eine billige Portierung in Auftrag zu geben? Will Koch Media seinen Kunden auf der Konsole schlechtere Qualität zum Vollpreis anbieten?
2) Wieso meint er überhaupt, dass ich nur zwei Tage gespielt habe? Tja, das liegt daran, dass uns Koch Media nach der Vorschau mit dem "befriedigend" ignoriert und im Gegensatz zu anderen Magazinen nicht rechtzeitig bemustert hat. Der verantwortliche PR-Manager hat nach der Goldmeldung auf drei E-Mails nicht reagiert und auch nicht auf einen Anruf mit der Bitte um Rückruf - das nenne ich Public Relation vom Feinsten. Und genau diesen habe ich dann am Dienstag vor dem Release endlich erreicht und mich natürlich darüber aufgeregt, dass man nicht auf unsere Anfragen reagiert und wir noch keine Version haben. Er war verwundert und meinte, die müssten doch schon längst da sein, wären schon lange abgeschickt worden (übrigens kam ansonsten jedes Paket bei uns an)...aber er würde jetzt sofort eine losschicken, die müsste ja dann Donnerstag da sein. Wie schade, oder? Warum er nicht auf Mails und Anrufe reagiert hat, um kurz zu bestätigen, dass eine Fassung unterwegs sei? Da war er sehr beschäftigt. Das sei dumm gelaufen, aber nicht mehr zu ändern. Dass PR manchmal aus Heuchelei und Lüge besteht, gehört zum Geschäft. Kein Problem. Und weil der PR-Manager den Produktmanager über diesen Anruf von mir informierte, was ebenfalls okay ist, wusste er, wie viele Tage ich theoretisch Zeit hatte.
3) Was nicht okay ist, was sozusagen unverschämt und unprofessionell ist, was mich richtig ärgert ist, dass dieser Produktmanager das Ganze auch noch in der Öffentlichkeit in einem Forum rausposaunt und uns dort tatsächlich schlechte Arbeit unterstellt. Und das, obwohl sein Laden uns gezielt benachteiligt und so spät bemustert, dass wir möglichst nicht am ersten Verkaufswochenende mit unserer Kritik online gehen können. Denn nur darum geht es: Am Freitag, wenn das Spiel in den Handel kommt, soll der Leser möglichst viele Awards sehen, aber bloß keine Kritik. Selbst das ist aus Herstellersicht verständlich, aber es gibt genug Publisher, die professioneller damit umgehen und uns trotzdem früh genug bemustern - denn sie wissen, dass ihre Qualität, wenn sie da ist, bei uns auch honoriert wird. Solche Probleme haben wir weder mit EA, Ubi, Sony, Microsoft, Capcom, Konami, Activision/Blizzard und zig andere. Solche Probleme haben wir meist mit der deutschen Provinz-PR, die durchschnittliche bis gute nationale Spiele gerne auf internationales Topniveau gejubelt sehen will. Spellforce, Drakensang & Co lassen grüßen...
4) Wir kennen diesen lancierten Scheiß mittlerweile. Wir kennen diese Verzögerungs-Spielchen nicht erst seit JoWooD oder Ataris Alone in the Dark-Schadenersatzklageversuch. Mittlerweile bestellen wir beim Großhändler all jene Spiele, wo wir eine Bemusterung nicht erwarten. Und da landen die Titel dann drei, vier, manchmal fünf Tage vor Relaese bei uns. Schon als wir nach der Goldmeldung von Risen kein Feedback mehr von Koch Media bekamen, haben wir PC- und 360-Fassung bestellt und so hatte ich ausreichend Zeit für den Test, zumal Nachtschichten bei uns zum Alltag gehören.
Was bleibt zu sagen? Viel Lärm um ein handwerklich solides Rollenspiel, von dem der Hersteller selber ganz genau weiß, welche Defizite es hat, dass man es bewusst klein und überschaubar gestaltet hat und welche Schritte noch fehlen, um wirklich wieder auf das Niveau zu kommen, das Gothic seinerzeit auszeichnete. Ich wünsche Piranha Bytes für Risen 2 noch mehr Budget, Mannschaft und vor allem Kreativität, um dieses Ziel zu erreichen. Und vielleicht noch einen Produktmanager, der sich besser mit Kampfsystemen sowie 360-Portierungen als mit Forengetratsche auskennt.