Sehr geehrter Herr Köhler,
seit dem tragischen Vorfall in Winnenden verfolge ich nun die seit dem anhaltende Debatte ueber ein potentielles Verbot von Killerspielen. Keine Zehn Minuten nach dem Vorfall, gab es schon die erste Pressemeldung, dass das Spiel Counter-Strike bei dem Taeter gefunden wurden. Seit dem zelebrieren ein Grossteil der Medien und eine Reihe von Politikern eine Hexenjagd, die ihres gleichen sucht, so dass der uninformierte Buerger schon fast den Eindruck erhaelt, dass so genannt "Killerspiele" die einzige Ursache fuer den Vorfall darstellten.
So etwas kann und darf im 21ten Jahrhundert in einem entwickeltem Land wie Deutschland einfach nicht der Fall sein.
In einem Artikel der Sueddeutschen Zeitung [1] vom 22.03.09 fand ich folgendes Zitat von ihnen:
"Sagt uns nicht der gesunde Menschenverstand, dass ein Dauerkonsum solcher Produkte schadet?"
Zudem ich nur anmerken kann: Nein, in keinster Weise. Ich konsumiere "solche Produkte" seit etwa 10 Jahren. Ich war noch nie in eine Schlaegerei verwickelt, hatte abgesehen von einem Autounfall noch keinerlei Konflikte mit dem Gesetz und studiere seit 5 Jahren durchaus erfolgreich Physik an der Georg-August Universitaet Goettingen. Und mehr als der Haelfte meiner maennlichen Freunde geht es aehnlich. Das Spiel GTA IV, das im Zusammenhang der Debatte oft als Beispiel gebracht wird wurde am 13.01.09 weltweit bereits 13 Millionen mal verkauft [2] (Verkaufszahlen fuer Deutschland liegen mir leider nicht vor). Wollen sie also ernstaft behaupten, das 13 Millionen Menschen in ihren Moralvorstellungen und hang zur Gewaltbereitschaft geschaedigt sind?
Es gibt viel zitierte Studien, die behaupten einen klaren Zusammenhang zwischen dem Konsum von Killerspielen und einer Zunahme von Gewaltbereichtschaft hergestellt zu haben. Jedoch wurde vor kurzem von den amerikanischen Wissenschaftlern Christopher Ferguson und John Kilburn eine Meta-Studie angefertigt. Die die Glaubwuerdigkeit und wissenschaftlichen Methoden dieser Studien stark hinterfragt [3] (Zusammenfassung der Ergebnisse [4]).
Daher bitte ich sie, sich ausreichend zu informieren, ehe sie Aussagen wie die obige zum Thema "Killerspiele" machen. In ihrem Amt haben sie eine gewisse Verantwortung, und sollten sich Aussagen wie obige wohl ueberlegen, und nicht einfach auf den Propagandazug der Bild aufspringen.
Zuletzt noch ein kleiner Absatz ueber die Notwendigkeit von expliziten Gewaltdarstellungen in Computerspielen:
Wenn ich ein so genanntes "Killerspiel" spiele. Dann ist es nie die Aufgabe moeglichst brutal, moeglichst viele Menschen zu toeten. Diese Spiele erzaehlen alle eine Geschichte, und wollen eine bedrohliche Atmosphaere aufbauen. Sie wollen das der Spieler Angst hat, um die naechste Ecke zu schauen und in diese Fantasiewelt versinkt. (Dieser "Genuss" der Angst ist im uebrigen keine Erfindung der Computerspielindustrie, sondern wurde schon vor 200 Jahren von Edgar Allan Poe genutzt um seine Leser zu unterhalten). Wenn ich nun allerdings einen virtuellen(!) Menschen toete, und dieser ohne einen Tropfen Blut zu verlieren zu Boden faellt und sich innerhalb kuerzester Zeit aufloest (wie es in der deutschen, geschnittenen Version des Spiels Half Life 2 der Fall ist [5]). Dann ist das ein deutlicher Bruch in der Atmosphaere und schadet daher dem Spielgenuss.
Und auch wenn ich in einem Spiel virtuelle Menschen mit einem Raketenwerfer zerfetze (um es mal drastisch auszudruecken). So ist das alles vorbei sobald ich das Spiel beende. Denn entgegen der Aussagen einiger Medien und Politikern (allen voran Joachim Herrmann) bin ich mir durchaus bewusst, dass das was ich im Spiel mache, mit der Realitaet nichts zu tun hat.
Noch ein kleines Beispiel mit dem sie eventuell mehr anfangen koennen: Wie wuerden sie es finden wenn im Sonntagabend Tatort jemand erschossen wird, der tote Koerper des Menschens jedoch keinerlei Verletzungen vorzuweisen hat? Das wuerde der Situation doch einiges an Glaubwuerdigkeit nehmen, oder nicht?
Mit freundlichen Gruessen,
Roman Bruckner
Quellen:
[1]
http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/509396
[2]
http://news.portalit.net/fullnews_grand ... _2134.html
[3]
http://www.sciencedirect.com/science?_o ... 21c17cb89d
[4]
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29958/1.html
[5]
http://www.schnittberichte.com/schnittb ... hp?ID=4527