Armin hat geschrieben:
Ich denk mal 10% teurer komt schon hin.
Völlig unabhängig davon, ob dieses Nur-10%-teurer-Argument nun stimmt oder nicht, funktioniert unsere Welt nun einmal leider nicht so, und daran sind die Verbraucher mindestens genauso sehr schuld wie die so oft (und häufig zu Recht) gescholtene Industrie.
Du kannst ja mal als Vorstandsvorsitzender bei der nächsten Aktionärsversammlung vor das versammelte Volk der Teilhaber treten und auf die Frage, wieso man denn nicht in China oder Taiwan produziere, wodurch sich rund 10% Kosten sparen ließen, antworten: "Aber das sind doch nur 10%! Das haben wir nicht nötig!" Die Lacher werden das einzige sein, das Du auf Deiner Seite hast - und kurz danach Männer in Weiß, einer links, einer rechts, die Dich sanft beim Arm nehmen ...
Zunächst einmal herrscht - unter anderem als Folge der Globalisierung - in mittlerweile allen Branchen ein ebenso weltweiter wie ruinöser Wettbewerb, und da werden Kostenersparnisse bei der Produktion eben nicht nur dazu eingesetzt, dass sich jeder Manager seinen 37. Porsche kaufen kann, sondern schlicht dazu, sich durch Preisvorteile für den Kunden einen - und heutzutage eben leider auch DEN - entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Entweder schlägst Du um 10% höhere Produktionskosten einfach auf den Preis, dann freut sich die Konkurrenz und die Kunden wandern ab, oder Du lässt den Preis unverändert und schmälerst den Unternehmensgewinn, aber rechtfertige das mal vor den lieben Shareholdern. Die schlichte Wahrheit ist: Der absolut einzige Grund, höhere Produktionskosten in Kauf zu nehmen als unbedingt nötig, ist der, dass sich das am Ende doch wieder rechnet - zum Beispiel weil der liebe Kunde für kinderarbeitsfrei und umweltfreundlich hergestellte Produkte, die Arbeitsplätze im Inland sichern, tatsächlich bereit ist, auch mehr zu bezahlen. Und das ist er auch, ja, in Einzelfällen, aber eben nicht in der Masse, die nötig wäre. Ist ja auch nicht ganz einfach; schließlich muss man für dieses eher abstrakte gute Gefühl beim Einkauf, auf andere Dinge ganz konkret verzichten, von möglichen Manipulationen bei Siegeln und Zertifikaten, die dem Kunden ein gutes Gefühl beim Einkauf vermitteln sollen, ganz zu schweigen.
Ich habe bei meinem letzten Projekt als Informatiker mit den Großen der Schweinefleischbranche in NRW zusammen gearbeitet. Einer unserer Projektpartner hat sich um CSR ("Corporate Social Responsibility") gekümmert und in diesem Rahmen sehr viele (repräsentative) Umfragen durchgeführt.
Dabei kam heraus, dass sich natürlich JEDER Verbraucher ganz tolle Siegel und Zertifikate wünscht, die eine nachhaltige Fleischproduktion garantieren (tierfreundlich, umweltfreundlich, emissionsarm, usw.), diese aber für praktisch NIEMANDEN auch tatsächlich eine entscheidende Rolle beim Einkauf spielen - da geht's dann letztlich doch wieder nur um Preis, Aussehen und Qualität. An der Politik rummeckern kann jeder, was noch lange nicht heißt, dass man sich selber politisch irgendwie engagieren würde. Und exakt genau so sieht's mit der "gesellschaftlichen Verantwortung" aus, die sich so leicht von der Industrie einfordern lässt, aber offenbar selber so schwer zu leben ist ...