ThomasRaptor hat geschrieben: ↑03.10.2020 22:45
4P|T@xtchef hat geschrieben: ↑03.10.2020 17:07Aber es gab zwischen 1970 und 2010 nichts à la The Last of Us.
Die Forderung einer Diskursanalyse à la Black Lives Matter, also auf gesellschaftspolitischer Ebene, geht an 99% dieses Mediums vorbei.
Es gab doch sehr viele Spiele, die gesellschaftliche Themen verhandeln: Adventures, Rollenspiele, Open-World-Spiele, Action-Adventures, Spiele von Quantic Dream wie "Fahrenheit" von 2005 und weitere usw.
Es gibt Szenen bei denen solche Themen wie Rassismus und Sexismus behandelt werden. Die Beispiele "Metal Gear Solid 1" und "Street Fighter 2" können doch erste Anstöße und Hinweise sein. Problematisch ist beim "Street Fighter 2"-Intro die jubelnde Masse, die ausschließlich aus weißen Leuten besteht.
Das sind erste Beispiele. Es würden sicher noch einige weitere hinzukommen. Die Wahrnehmung ist heute anders und deshalb braucht es neue Beobachtungen.
Weshalb geht es an 99% dieses Mediums vorbei? Das ist blanker Unfug! Die Videospiele entziehen sich doch nicht einem Diskurs! Weshalb du dich als Videospielredakteur dagegen verwehrst, ist mir unbegreiflich. Videospiele sollen Kulturgut sein, aber neue Beobachtungen an Spiele anzustellen, verfehlt gänzlich den Zugang zu diesem Medium?! Das kann es nicht sein.
Wenngleich deine Kritik hier vielleicht etwas scharf ist, so bin ich eigentlich ganz ähnlicher Meinung. Das ist nun eine reine Vermutung, aber ich habe das Gefühl, dass Jörg die Kritik an dem Talk, also die Bemerkung mit der hakeligen Steuerung, welche dem Talk und 4players quasi Ungenauigkeit unterstellt, etwas gekränkt hat. Ich habe heute aus Neugier auch ein paar ältere Beiträge von dir gelesen. Zwischen euch gab es ja scheinbar schonmal eine Diskussion im Thread "Spielejournalismus am Endpunkt?" welche ich auch sehr spannend fand. Das Thema überschneidet sich nun ja auch mit dem hier.
Es ist sicher schon 10 Jahre her, aber irgendwann gab es von Jörg mal ein Zitat dass ich mir im Bezug auf die Spielepresse gemerkt habe. Ich glaube, angesprochen von einem User welcher die Strenge von 4players mit anderen Spielemagazinen verglichen hat, hat er gesagt:"Uns interessiert nicht was die anderen nicht sehen, uns interessiert was die anderen sehen und wir nicht gesehen haben.". Genau wegen diesem Anspruch mag ich 4players, weil dieser Satz ja Genauigkeit impliziert. Und grundsätzlich hat sich da jetzt zunächst auch nichts oder nicht viel verändert. Die Tests und die Kritik, zumindest von Jörg, sind konstant auf hohem Niveau. Mit den Spielen wird sich ernsthaft und intensiv auseinandergesetzt. Blender funktionieren hier kaum und Spielmechaniken werden sehr präzise beschrieben. Das was "The Last Guardian" beispielsweise geleistet hat, haben die wenigsten Spielmagazine gesehen, aber Jörg hat es erkannt und aufgeschrieben. Dieses Spiel, diese interaktive Erzählung und diesen Test fand ich brilliant. Gleichzeitig studiere ich aber auch auf einer Kunstuni und beschäftige mich dort hauptsächlich mit Filmen. Ich habe aber auch Vorlesungen besucht die sich mit dem Thema Gaming auseinandergesetzt haben. Da haben wir zum Beispiel sehr interessante Artikel wie diesen hier gelesen.
https://www.paidia.de/die-gekerbte-wild ... ielwelten/
Der Unterschied zu 4players ist hier, dass viel mehr darauf eingegangen wird was die Spiele im gesamten Aussagen, was die Spiele über unsere Gesellschaft erzählen, aber über Spielmechaniken wurde kaum gesprochen. Der Professor war sogar der Meinung man muss kein Gamer sein um über Spiele zu sprechen. In diesem Punkt war ich überhaupt nicht seiner Meinung und als Abgabe habe ich schlussendlich einen Text geschrieben in dem es darum ging wie Spielmechaniken eine Dramaturgie erzeugen bzw. eine Erzählung ganz ohne Filmnarration bewirken können. Dennoch fand ich auch diesen Zugang sehr spannend.
Was will ich damit sagen? Nun, ich schätze 4players für die Genauigkeit die angeboten wird, aber gleichzeitig vermisse ich Genauigkeit oder das hinsehen auf andere Bereiche. Dass sich Videospiele nicht einem Diskurs entziehen können oder sollen, dieser Meinung bin ich jedenfalls definitiv auch.
Du hast es ja glaub ich auch in dem anderen Thread geschrieben...irgendwas mit:"Manchmal sagt ein Redakteur:"Ja das Spiel hat eine gute Story!", aber auf welcher Grundlage basiert diese Bemerkung?"....4players stellt ja grundsätzlich die Subjektivität ihrer Spieletests prominent in den Vordergrund. Das empfinde ich im Prinzip auch als einen guten Ansatz, aber manchmal habe ich ein wenig das Gefühl, dass sich da ein wenig zu sehr darauf ausgeruht wird. Aus meiner Sicht funktioniert es mit der Subjektivität ja genau dann am besten, wenn man subjektiv eben sehr genau ist, weil genau dann ist man ironischerweise ja am nähesten an der Objektivität dran, wohingegen wenn man unreflektiert glaubt Objektiv zu sein, man eigentlich sehr stark subjektiv ist. 4players ist schon sehr genau und das System funktioniert über weite Strecken, aber in den Talks verlieren sie mich immer wenn es subjektiv zu ungenau wird. Wenn dann zum Beispiel Floskeln kommen, welche gar nicht richtig begründet werden. Nicht falsch verstehen 4players...das ist Kritik auf sehr hohem Niveau...ich lese 4players im deutschsprachigen Raum am liebsten und ich schaue mir auch fast jeden Talk auf Youtube an. Öfters auch welche zweimal. Ich weiß für was das Magazin steht und was es leistet, aber auch ich denke es kann sich schon noch weiterentwickeln, wobei ich schon verstehe wenn dafür keine Zeit mehr ist. Die Leistung die erbracht wird ist auch so großartig, aber hier nun der Versuch von konstruktiver Kritik meinerseits.
Ob folgendes nun stimmt traue ich mir nicht sagen, es ist rein spekulativ meinerseits, aber ich kann sagen, dass so meine subjektive Wahrnehmung ist. Ich empfinde die Tests von 4players wie oben schon erwähnt grundsätzlich als sehr genau, aber, und das ist ganz schön schwierig zu beschreiben, es schwingt in anderen Punkten dann so etwas mit wie Ungenauigkeit wenn dem Tester etwas sehr immersiv bzw. wenn eine Erzählung oder ein Spiel den Tester eintauchen lassen. Dann wird oft eine Euphorie beschrieben und dann verliert sich irgendwie eine kritische Haltung. Um beim Beispiel mit der "guten Story" zu bleiben. Ist einem Redakteur eine Story besonders immersiv wiederfahren, sprich sie hat ihn verzaubert, so schwindet die Kritik. Bei Jörg zum Beispiel habe ich oft das Gefühl, dass er durch das viele Lesen sehr genau weiß wie gute Dramaturgie und eine gute Regie funktioniert. Das Wissen über Geschichte ist dann noch ein weiterer riesengroßer Bonus, aber, obwohl ich das grundsätzlich sehr schätze, so fehlt mir etwas. Dieses etwas ist der Blick darauf was das Medium Spiel leistet, was es erzählt, die Möglichkeiten die es hat.
Ich nehme Spiele als eine Kunstform wahr. Ich verstehe unter Kunst nichts was einfach nur gut gemacht ist. Nichts was künstlerisch gut gemacht ist. Ich verstehe unter Kunst die möglichst genaue Kommunikation von etwas. Wenn ein Spiel wie sagen wir Uncharted 4 zwar grundsätzlich gut ist, aber letztlich ist es für mich nur künstlerisch gut gemacht, aber von Kunst würde ich hier nicht sprechen. Ich gehe da jetzt nicht näher darauf ein, aber ich glaube wenn jemand fragen würde: "Welches Spiel ist Kunst?", dann würden die wenigsten Uncharted 4 sagen. Ein "The Last Guardian" würde ich zum Beispiel nennen. Warum? Weil es durch Interaktion etwas erzählt was ich so weder im echten Leben noch mit einem anderen Medium wie Musik, Film oder Buch wahrnehmen kann. Es erzählt etwas unmögliches. Aber damit man das überhaupt erkennt und wahrnimmt, da muss man schon genau hinsehen finde ich. Dieses genaue Hinsehen ist manchmal sehr ausgeprägt vorhanden wie eben bei Last Guardian, aber dann bei anderen Sachen plötzlich nicht. Ich meine, kritisch gefragt, wieso schaut man bei einem Spiel genau darauf dass Holz brennen muss und kritisiert das in vielen Tests(wenn auch zurecht) , aber wenn es problematische rassistische Szenen in einem alten Computerspiel gibt, dann verschließt man sich der Diskussion und das in einem Thread in dem es um die Remaster/Remakes also sprich um die Wahrnehmung von vergangenem in der aktuellen Zeit geht? Das erinnert mich an das eingangs erwähnte Zitat. Ich als Konsument von 4players kann jedenfalls sagen, mich interessiert nicht was ihr nicht seht, mich interessiert was ihr seht, was ich nicht sehe.
Aber ich verstehe schon, dass sind auch sehr große und auch schwierige Themen die heute angerissen wurden. Nicht jeder hat Lust auf diese Themen und viele empfinden solche Sachen als zu penibel. Mich würde es dennoch freuen wenn die Fühler noch etwas mehr ausgestreckt werden bei 4players. Ich habe ihn ja weiter oben schonmal erwähnt, aber in der Filmwelt bin ich bei den Filmjournalisten am meisten von Wolfgang M. Schmitt überzeugt. Der ist äußerst kritisch bei seinen Analysen. Ich bin ganz und gar nicht immer seiner Meinung, aber es ist schlau, präzise und mutig was der Macht. Und er ist im direkten Vergleich mindestens so gut wie Jörg Luibl was das Thema Analysen betrifft und ich habe sehr viel Respekt vor Luibl. Meinetwegen kann sich 4players gerne noch was von ihm abschauen...bzw. noch cooler wäre es ihn mal zu einem Talk einzuladen. Habe den nämlich schonmal bei Rocket Beans gesehen und ich finde der passt dort nicht so gut hin.
Zum Abschluss verlinke ich noch 2 Videos von Schmitt. Weil es ja auch um das Thema Rassismus und Sexismus bzw. Feminismus ging und darum ob Spiele abgesegnete Weltanschauungen beinhalten müssen und auch der Überdrüssigkeit dieses Themas. Ich denke die beiden Videos erzählen sehr viel über das was wir heute gesprochen haben und vielleicht auch darüber wie man noch auf diese Themen blicken kann.
Hier noch die Links:
https://www.youtube.com/watch?v=vNRZclCwTAg
https://www.youtube.com/watch?v=iXpkvy_V6Ok&t=2s