Liesel Weppen hat geschrieben: ↑30.09.2020 15:05
Nein, habe ich nicht vergessen. Es gibt Ausnahmeregeln, da hast du Recht, der Rahmen ist aber recht eng gesteckt. Ich hab die genaue Zahlen nicht im Kopf aber es war irgendwie der Durchschnitt pro 4 Wochen oder so, also wenn du 2 Wochen jeweils 60h arbeitest, darfst du in den restlichen 2 Wochen nur noch jeweils 20h arbeiten. Und selbst das nur mit expliziter Genehmigung und selbst das ist iirc noch auf wenige Vorkommen pro Jahr gedeckelt. Also 2 Monate Crunch am Stück ist in Deutschland definitiv nicht erlaubt. Das es hier und da gemacht wird, ist wieder eine ganz andere Geschichte.
Soviele Lücken gibts da nicht. Es wird sich nur nicht daran gehalten. Wo kein Kläger, da kein Richter. Und solange nichts passiert "Glück gehabt". Das bestimmte Berufe 12 oder gar 24h Schichten arbeiten ist klar... die haben dafür aber dann nach einer 24h Schicht auch mindestens 36h am Stück frei! Ich kenne solche Leute und die haben maximal 3x 24h pro Woche so einen Dienst und die restlichen 4 Tage der Woche frei. Und selbst das geht nur, weil die während ihren Schichten Ruhezeiten haben die nur als Bereitschaft gelten!
Der Rahmen ist nicht so eng gestrickt wie du glaubst, weil die "pauschal" gültige Normalarbeitszeit, wie im ArbZG festgelegt, halt nur dann greift, wenn nicht in (Mantel-)Tarifverträgen(!), Gesamtarbeitsverträgen/Rahmenverträgen/Allgemeinverbindlichkeiten (die halt eine ganze Branche umspannen) und Kollektivverträgen (die sogar mehrere Branchen umspannen können) etwas anderes als Regelarbeitszeit festgelegt ist. Da braucht es keine individuellen Genehmigungen, spätestens Paragraf §7 des ArbZG löst "blanko" fast sämtliche "Probleme", die Firmen damit haben könnten, mit dem Gesetz hier in Konflikt zu kommen, selbst wenn keine expliziten gesetzlichen Ausnahmen existieren sollten.
Und... ich behaupte, kein Sicherheitsmitarbeiter (ja, ich weiß, dass ich mir damit das Extrembeispiel raus picke, aber wenn das Gesetz seinem Namen und Zweck entsprechend greifen würde, könnte es dieses Extrembeispiel gar nicht geben) in ganz Deutschland bekommt nach JEDER 12 Stunden-Schicht (sofern er die denn, wie die meisten, hat) 36 Stunden frei. Kein Einziger. Der AG achtet darauf, dass am Ende des Monats weniger als 228 Stunden auf dem Zettel stehen und das zwischen den Schichten mindestens 11 Stunden liegen, denn das zeigt, dass du mindestens einmal im Monat unter 48 Stunden und somit im Rahmen deiner Regelarbeitszeit in der Branche (Tarifvertrag) gearbeitet hast und die Mindestruhezeiten eingehalten wurden - und das ist alles worauf er achten muss ohne das es Stress mit dem Zoll gibt (der das durchaus insbesondere bei größeren Firmen prüft). "Bereitschaft" gibts in dieser Branche ebenfalls im Normalfall eher nicht, wird aber als rechtliches Legitimationsmittel gebraucht, und die "Ruhezeiten" während der Schicht beschränken sich auf 90 Minuten Pause, die du an deine 12 Stunden anhängen darfst und auf die du in Folge dessen, dass du eh schon 12 Stunden vor Ort bist, eigentlich sogar noch gern verzichten würdest um irgendwann mal nachhause zu kommen - was du aber nicht darfst. Im Einzelhandel "verbrennt" man da die Leute nicht ganz so extrem, was allein daran liegt, dass hier die "Norm" in der Tat bei maximalen 8-Stunden-Schichten liegt, aber auch da kann - wenns denn passiert - nicht die Rede von einer 36 stündigen Arbeitspause danach sein, sondern meist stehst du nach solch einer Marathonschicht spätestens wieder zur nächsten Spätschicht im Laden - was dann maximal so etwa 16 Stunden frei sein dürften. Der Verweis wird immer am Ende sein, dass es ja nur "eine Ausnahme aufgrund der besonderen Situation ist, die vom Arbeitszeitgesetz gedeckt ist", wenn dich nicht eh beispielsweise der Tarifvertrag deiner Branche in deinem Bundesland ans Messer liefert. Dabei ist die Menge der Überstunden natürlich je nach Branche mal mehr mal weniger extrem... und einzelne Firmen schaffen es ja durchaus, "fairere" Arbeitszeiten anzubieten - aber die, die es nicht tun, sind keineswegs alles welche, die gegen das Gesetz verstoßen, sondern vorwiegend eben welche, die dessen bewusst gelassene Lücken ausnutzen. Und würde es diese Lücken nicht geben, gäbe es auch das Problem nicht. In keiner Branche wird man sich im Kapitalismus darauf einigen können, sich "sozial" zu verhalten... es wird immer Firmen geben, die das tun - und es wird Firmen geben, die versuchen einen Vorteil daraus zu ziehen, dass andere Firmen es tun oder denen es einfach völlig egal ist, denen auch der Shitstorm völlig egal ist, solang sie sich an den Grenzen der jeweiligen Gesetze entlanghangeln können. Die, denen eh schon rechtliche Vorschriften hinten vorbei gehen - nun, die wird man auch mit strengeren Gesetzen nicht beeindrucken (dein Bau-Beispiel), aber ich glaube ja immernoch vielleicht etwas naiv, dass die Mehrzahl der Firmen sowas deshalb abzieht, einfach weil sie es (rechtlich) können.