VaniKa hat geschrieben: ↑28.07.2020 12:30
Die Sache ist einfach, dass die Medaille zwei Seiten hat. Auf der einen Seite wurden Grid-Girls stets sexualisiert, auf der anderen Seite kann so ein Job aber auch völlig freiwillig und gern in genau solchen Outfits ausgeübt werden. Das gleiche Dilemma haben wir bei Prostitution versus Sexarbeit. Die einen wollen Prostitution verbieten, weil in dem Gewerbe Frauen ausgebeutet werden, und zwar massiv - da geht es um Menschenhandel. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Frauen, die sich selbstbestimmt Sexarbeiterinnen nennen und ihren Job gerne machen. Die einen verlangen allerdings die Rücksichtnahme der anderen Zugunsten der Frauen, die ausgebeutet werden. Die Logik: Wenn Prostitution/Sexarbeit grundsätzlich verboten ist, dann können Frauen nicht mehr (so einfach wie bisher und quasi legal) ausgebeutet werden - das Opfer, dass wenige selbstbestimmte Sexarbeiterinnen dann ihren Job nicht ausüben können, sei gerechtfertigt. Da kann man immer argumentieren, dass das für die einzelnen selbstbestimmten Sexarbeiterinnen unfair wäre, sie an ihrem Beruf zu hindern. In dem Fall wiegt aber der Schutz von anderen und viel mehr Frauen mehr. "The needs of the many" könnte man hier jetzt bringen. Bei den einen geht es um Verhindern von Ausbeutung, bei den anderen um Selbstverwirklichung. Möchte man lieber die Ausbeutung verhindern oder die Selbstverwirklichung? Ähnlich könnte man das auch bei Grid-Girls sehen. Sexualisierung, auch freiwillig, grundsätzlich verbieten, um Sexualisierung generell aus der Gesellschaft zu verbannen. Unfair für die wenigen Grid-Girls, die Spaß an so einer Arbeit (und in so einem Outfit haben), aber besser für die Gesellschaft. Denn den Männern, die so etwas dann konsumieren, ist es egal, ob es ausbeuterisch geschieht oder völlig freiwillig. Ihr Bild von Frauen ändert sich dadurch nicht. Der gesellschaftliche Blick auf Frauen ändert sich dadurch nicht, da sich für die persönlichen Motivationen der Frauen noch nie interessiert wurde. Indem man hier kein klares Bekenntnis ausspricht, schafft man im Endeffekt wieder eine Grauzone und am Ende kann jeder sich darauf berufen, dass es ja auch selbstbestimmt sein kann. Ein prima Schlupfloch, um den Status quo weiter zu rechtfertigen. Denn es dürfte doch den wenigsten Männern, die hier so argumentieren, darum gehen, die Rechte von Frauen zu verteidigen, sondern viel mehr darum, Rechtfertigungen zu finden, warum man eigentlich nichts ändern sollte - wovon sie am meisten profitieren. Erinnert mich an die Männer, die "Deutschlands Frauen" vor "frauenfeindlichen Migranten" schützen wollen. Als ob es diesen Typen dabei wirklich um die Frauen ginge.
Übrigens: Selbstbestimmt handeln können nur echte Menschen, keine fiktiven Figuren. Selbstbestimmt und empowert können weibliche Protagonistinnen in Videospielen daher nie sein. Sie sind immer das Produkt ihrer Erschaffer. Man muss dabei also immer diese Erschaffer im Blick haben. Von ihnen geht am Ende die Botschaft aus, ob die Gestaltung einer Figur sexistisch/sexualisiert ist oder nicht. Und damit ist es immer auch ein Zwingen der Figur in eine bestimmte Rolle. Wenn Brüste in Spielen überdurchschnittlich groß sind, dann ist das nicht zu Vergleichen mit der Realität, in der solch große Brüste durchaus auch mal vorkommen. Es ist ein klares Motiv dahinter. Und da große Brüste eigentlich nie einen Sinn über reinen "Fan-Service" hinaus haben, ist es klar Sexualisierung. Sexualisierung von Frauen in Videospielen dient einzig dem Zweck, männlichen Voyeurismus zu befriedigen. Da damit zu kommen, dass man ja bestimmte Brustgrößen diskriminiere ist perfide Anwaltslogik. Und in der Masse, wie diese existiert, offenbart sie etwas über die Beschaffenheit dieser Sphäre: Von Männern dominiert, auf Männer zugeschnitten. Egal ob Prostitution, Pornos oder sexualisierte Videospiel-Frauen - es geht immer darum, Frauen sexuell konsumierbar zu verkaufen. Bei dieser Botschaft spielt es keine Rolle, ob die Frauen real sind oder nicht, oder ob sie es gerne tun oder nicht. Denn wir alle wissen, dass Nachfrage auch ein Angebot schafft. Würde sich niemand für üppige Dekolletés interessieren, würden entsprechende Twitch-Streams diese auch nicht so zeigen. Es ist insofern ein bequemer Zirkelschluss, einfach zu sagen, dass die es doch so anböten und man es dann ja auch konsumieren könne. Ich finde diesen Konsum nicht in Ordnung. Nicht auf diesem Fundament hegemonialer Männlichkeit, die es Frauen schmackhaft macht, sich selbst auf die ein oder andere Weise zu prostituieren. Ohne diese Konnotationen wäre das etwas anderes. Es geht nicht um nackte Haut an sich, sondern um die Bedeutung, die diese im gesellschaftlichen Kontext hat.
Am Ende kann eine Frau selbst entscheiden, was sie tut. Ob sie männlichen Voyeurismus bedienen und davon profitieren will. Aber dabei muss man sich klar machen, dass dies nicht im luftleeren Raum geschieht und jede bewusste Entscheidung auf Basis der jeweiligen Rahmenbedingungen geschieht. Nach dem nordischen Modell ist daher auch nicht das Anbieten von Prostitution strafbar, sondern die Inanspruchnahme. Das lässt sich allerdings nicht ganz so glatt auf Videospiele übertragen, denn die Frauen, die sich da "anbieten", bieten ja wie bereits erwähnt, nicht selbst etwas an, da sie gar keine echten Lebewesen sind. Anbieter sind die Studios, die ihre sexualisierten Frauen quasi bei der männlichen Spielerschaft anschaffen schicken. Und natürlich ist auch beim nordischen Modell der Betrieb eines Bordells und die Zuhälterei strafbar. Bei Videospielen haben wir also diese zwei Seiten: Studios mit "Fan-Service" und Co. auf der einen Seite. Und die Spieler, die so etwas nachfragen und euphorisch von ihren "Waifus" schwärmen, auf der anderen Seite. Da wird ganz klar mit der Sexualisierung von Frauen Geld verdient. Und dabei spielt es keine Rolle, ob diese Frauen rein fiktiv sind. Es geht um das Konzept Frau und wie man mit diesem gesellschaftlich umgeht. Da geht es nicht um einen nachweislichen Schaden für jede einzelne Frau oder für eine bestimmte Frau, sondern um den gesellschaftliche Umgang mit Frauen und Weiblichkeit, die öffentliche Darstellung und den Blick auf Frauen und welche Botschaften das sendet.
Stellt euch mal vor, ihr wachst in einer Welt auf, in der Männer früher von Frauen als Sklaven gehalten wurden. Männer waren weniger wert und wurden ausgebeutet. Aristotela schrieb einst: "Männer sind verkrüppelte Frauen, denn sie können keine Kinder gebären. Ohne Gebärmutter bleibt ihnen nur ein hohler Bauch." Männer wuchsen damit auf, dass Frauen verächtlich über sie sprachen, weil sie dumm seien, und sie auf ihre Muskeln und ihren Penis reduzierten. Männer mit kleinem Penis galten als unattraktiv und in Videospielen haben bis heute viele Männer wenig an, sind sehr muskulös und haben riesige Penisse, die meistens steif empor ragen, auch im Kampf. Bestimmte Frauen konsumieren das als sog. Fan-Service, ihnen können die Penisse gar nicht groß genug sein. Und wehe, sie hängen einmal schlaff herunter. So ein Mann taugt nichts. Der ist unsexy. Und er soll schließlich ein Hingucker sein. Wozu sonst Männer in Spielen überhaupt zeigen? In Büchern und Geschichten geht es meist um Frauen, und romantisiert wird die Zeit, in der Frauen noch männliche Sklaven halten durften. Es wird darauf bestanden, trotz inzwischen vorhandener Gleichberechtigung vor dem Gesetz nach ewigen Bestrebungen der Männerrechtsbewegung, in historischen Kontexten weiterhin nur Frauen in führenden Rollen zu zeigen und Männer weiterhin als Sklaven zu zeigen. Alles andere würde ja die Geschichte verfälschen und das nähme vielen Spielerinnen völlig den Spaß. Und wenn sich ein Mann beschwert, heißt es: "Geh in die Werkstatt, hack etwas Holz. Videospiele spielen nun mal eher Frauen und die wollen das so. Oder bist du etwa so ein Maskunazi, der hier eine Agenda durchdrücken will? Politik hat in Spielen nichts zu suchen." --- Würdet ihr euch in so einer Welt wohlfühlen? Wäre das nicht extrem befremdlich und degradierend? Aber genau so geht es Frauen in dieser Welt. Und ja, es ist extrem befremdlich, immer wieder zu sehen, wie diese ganze Kackscheiße weiter gerechtfertigt wird.
Wie hier herum gewieselt wird, um etwas doch keinen Sexismus oder keine Sexualisierung sein zu lassen. Die ewige Diskussion über Brustgrößen hat es wirklich auf die Spitze getrieben. Das war derart entlarvend, aber niemandem ist das offenbar aufgefallen. Was wurde denn da verteidigt? Ein vermeintliches Anrecht auf große Brüste und "Attraktivität" allgemein. Völlig aus der Männerperspektive als ein Recht auf Konsum und auf immer so Gewesenes. Brust nicht als Körperteil einer Frau, sondern als Konsumgut für Männer, einzig und allein. Die absolute Reduktion. Spiele seien fiktiv, da würde keine echte Frau durch zu schaden kommen, und es sei nun mal das, was Männer wollten. Und da die ja die Mehrheit seien, hätten sie auch das Recht dazu. Mir begegnet das Thema ja hier nun nicht zum ersten Mal und überall war klar herauszulesen, dass bei dem ganzen Thema rein aus einer männlichen Perspektive heraus argumentiert wird. Männer unter sich, die darüber diskutieren, welchen Sinn und Nutzen die Darstellung von Frauen in Videospielen für sie hätte. Andernorts wird dann auch ganz unverhohlen deutlich, dass sie Frauen nie als Identifikationsfiguren für weibliche Spielerinnen sehen, sondern rein als Konsumgut für Männer, was das zentrale Argument gegen die "Verhässlichung" von Frauen war. Zum Glück sehen das nicht alle so. Es gab genug Gegenstimmen. Aber die paar Leute, die hier vehement Probleme klein geredet haben, haben mir mal wieder gereicht.