Eigentlich ist es ja ganz einfach. Die goldene Regel befolgen: Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Ein Nazi hätte sich also nur fragen müssen, ob er selbst gerne (als Insasse) ins KZ gehen möchte, dann hätte er seinen eigenen Fehler festgestellt. Das funktioniert allerdings nur, wenn man den
anderen Menschen auf Augenhöhe begegnet und genau hier liegt das Problem. So wie es DeathHuman beschrieben hat, sieht er etwas, das über den Bedürfnissen der einzelnen Menschen steht und man deswegen die goldene Regel verletzen dürfe. Exakt an diesem Punkt unterscheiden sich die verschiedenen Ansichten. Denn ich sage ganz klar: Es darf keine übergeordnete Instanz geben, die so ein Prinzip aushebelt. Das friedliche Zusammenleben freier Menschen, deren Freiheit aber Grenzen findet, wenn die Freiheit anderer dadurch beeinträchtigt wird, ist oberstes Gebot. Jeder der diesen Frieden (siehe loewenheims Link) verletzt, kann dafür aber belangt werden. Das legitimiert die drei Gewalten. Für mich stellt die Proklamierung eines höheren Ideals, dem man sich unterzuordnen habe, eine Grundverletzung dieses Prinzips dar, außer es geht um genau dieses Prinzip.
Problem Zwei ist, dass ein Schaden oft herbei theoretisiert wird, um Sanktionen zu rechtfertigen und das freiheitliche Prinzip auszuhebeln. Man sagt einfach: "Der schadet mir aber, deswegen darf der das nicht." Ein Evangelikaler sagt dann z.B., dass die Existenz von homosexuellen Menschen einen Schaden verursache, gegen den man sich wehren dürfe, weil man sich von der Anwesenheit "sündhaften Verhaltens" belästigt und in seinem Glauben verletzt fühle. Teil des Problems ist auch, dass es bei solchen Menschen an einem grundsätzlichen Verständnis für das oben beschriebene Prinzip mangelt. Das Denken ist absolut. Etwas wird als "sündhaft" gesehen und dann sei es schlecht und dürfe oder müsse sogar entsprechend bekämpft werden, ohne Wenn und Aber. Passiert das dann auch, kann man aber nur festhalten, dass hier der Frieden verletzt wird und damit kann wiederum dieses Verhalten geahndet werden durch die drei Gewalten. Deswegen ist Diskriminierung auf Basis eines Glaubens nichts besser als wenn das jemand aus purer Boshaft täte, denn die Wirkung ist identisch. Das wollen nur Leute nicht einsehen, die solchen Ideologien folgen.
Was nun versucht wird, um in diesem Rahmen irgendwie mit rechter Gesinnung handlungsfähig zu bleiben, ist den unerwünschten Menschen oder den Menschen mit unerwünschten Verhaltensweisen den schwarzen Peter zuzuschieben. Und so kommen wir zur Konstruktion jener "SJW-Agenda". Perfide wird versucht, die anderen als die Unterdrücker dastehen zu lassen, die andere mit der "Nazi-Keule" oder mit "Cancel-Culture" mundtot machen wollten. Hier in Deutschland möchte man etwas "ja wohl noch sagen dürfen". Diese Täter-Opfer-Umkehr ist eine Täuschung, die leider immer wieder funktioniert. Man selbst verträte nur "wertvolle Grundwerte" wie Ehe und Familie. Die anderen seien es, die diese mit ihrer "linken/liberalen/progressiven/feministischen" (pick your word) "Agenda" zunichte machen wollten. Nö.
Heiratet, macht Kinder, lebt "traditionell", aber für euch und lasst andere leben, wie sie es wollen. Das wäre demokratisch. Dieser Zwang von oben, weil man besser für andere wüsste, was "richtig" sei, ist undemokratisch. Aber Demokratie wollen Rechte ja auch nicht, sondern diese bewusst abschaffen und durch ein System ersetzen, das ihrer Ideologie Vorschub leistet, bei der sie allen Menschen vorschreiben können, wie sie zu leben hätten.
Der Witz ist auch: Ich muss gar keine Rechte für Lesben oder Schwule begründen, diese ergeben sich automatisch. Ich muss eigentlich nur das freiheitliche Grundprinzip verteidigen, das alle Menschen schützt bzw. schützen sollte. Bei der
Bundeszentrale für politische Bildung heißt es:
Als grundlegende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hat das Bundesverfassungsgericht genannt:
- Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, [...]
Wenn man nun möchte, dass z.B. eine lesbische Protagonistin nicht gezeigt wird, dann hat das folgende Implikationen: Die Akzeptanz von Homosexualität ist offenbar, sonst würden wir dieses Thema nicht haben, nicht flächendeckend gegeben. Solche Menschen haben aber als Teil der Gesellschaft auch ein Recht darauf, gesehen und wahrgenommen zu werden, weil dieses Recht auch allen anderen zusteht. Ein Spiel kann nun für Sichtbarkeit sorgen, wie auch Filme, Bücher, Zeitungsartikel oder Dokumentationen, mit aufklärerischer Absicht oder ohne. Eine Verweigerung dieser Sichtbarkeit ist daher ein Angriff auf das Grundrecht der Gruppe der lesbischen Frauen, genau so gesellschaftlich repräsentiert zu werden wie die Gruppe der heterosexuellen Frauen. Sichtbarkeit erzeugt Normalisierung, sodass sich irgendwann jeder dran gewöhnt hat. Genau das möchten Rechte verhindern. Das lässt sich aber nicht vereinbaren mit dem Prinzip, jeden Menschen gleich zu behandeln.
Ich möchte an dieser Stelle auch mal auf den Vorwurf eingehen, schwul, lesbisch oder trans würde einem inzwischen überall penetrant aufs Auge gedrückt werden. Es kann schon sein, dass so etwas aktuell in einem besonderen Fokus steht. Aber dafür gibt es auch einen Grund, und das ist keine "SJW-Agenda", sondern das liegt im Gegenteil eben an der mangelnden Akzeptanz. Wir befinden uns in einem aktiven Normalisierungsprozess, der sich einfach unterscheidet von einem Zustand, der bereits von ausreichender Akzeptanz gekennzeichnet ist. Wenn weiter unter den Teppich gekehrt würde, dass es diese Menschen gibt, dann würden wir für immer vor dieser Mauer stehen bleiben und diesen Zustand niemals überwinden. Diese Menschen würden immer irgendwie Außenseiter und Sonderlinge bleiben und Diskriminierung erfahren. Klar ist: Nach der Aufklärung muss man nicht mehr aufklären. Dann wären diese Menschen einfach Bestandteil des Gesellschaftsbildes und niemand müsste irgendwie besonders herausstellen, dass es sich dabei auch nur um Menschen handelt, die einfach ihr Leben leben wollen.
Der Widerstand von rechter Seite trägt also überhaupt nicht zur Lösung bei, sondern will diese gezielt verhindern. Dabei erzeugt er aber das genaue Gegenteil, nämlich besondere Sichtbarkeit als Reaktion auf diesen Widerstand, die manchen, die eigentlich neutral eingestellt sind, dann auf den Keks gehen kann, sodass sie sich auch einschalten in die Diskussion und dabei dann leider ins Horn der Rechten blasen. Dem könnte man höchsten begegnen, indem man die Sichtbarkeit einschränkt, aber damit käme man den Rechten erst recht entgegen. Es geht also nicht anders als aktuell, dass sich gefühlt alles um feministische Themen dreht. Aber das ist noch nicht alles: Indem eigentlich nicht rechte Personen auch "langsam genug" haben, lässt sich die "Nazi-Keule" viel besser als solche verkaufen, wenn gesehen wird, dass offenbar gemäßigte Menschen auch gegen den "Genderwahn" sind und das gar nichts mit Nazi zu tun haben muss. So gibt sich die AfD ja auch immer den Anstrich, keine rechtsextreme Partei zu sein, weil viele der Mitglieder eben nicht rechtsextrem seien, was auch durchaus stimmen mag. Tja, sehr schlau. Das muss ich anerkennen. Aber genau das sind die Methoden der Rechten.
Ich kann in dem Sinne nur dazu aufrufen, sich nicht für die rechte Agenda vor den Karren spannen zu lassen. Wer "eigentlich nichts gegen Schwule hat", sollte das jetzt einfach mal so akzeptieren, dass wir aktuell eine Zeit haben, in der die Sichtbarkeit steigt, damit es Menschen langfristig besser geht. Auch die Spielebranche muss da erst mal rein- und den richtigen Ton finden.