Allgemeiner Politikthread

Hier gehört alles rein, was nichts mit dem Thema Spiele zu tun hat.

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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Da wirkt die Antwort ein bisschen wie ein Schlag ins Gesicht, denn da steht immer noch, dass du den Diktatoren einen Beitrag im Prozess "langfristiger" Befriedung beimisst.
Das ist eben der Unterschied weswegen es gut war dass du das nochmal umformuliert hast. Ein Diktator sorgt nicht dafür dass Ruhe und Zufriedenheit dort herrscht, aber er verhindert dass das Pulverfass dort zum explodieren gebracht wird, zumindest sehe ich das in meiner kleinen Analyse so. Ich bin weit davon entfernt ein Experte diesbezüglich zu sein aber nach dem was ich gehört habe hatte Saddam Hussein die Streitigkeiten mit dem doch ethnisch und religiös sehr problematischen Feld relativ im Griff. Nun sind er und die USA weg und gar nichts ist mehr in Ordnung. Die Frage was nach dem Diktator käme kann ich nicht beantworten, ich kann nicht hellsehen und bin auch nicht erfahren genug um eine Lösung für dort zu formulieren, das müssen weisere und sicherlich auch ortskundigere Menschen entscheiden. Aber ich weiß dass es langfristig nicht bei diesen ständigen Streitigkeiten bleiben wird, sie werden irgendwie gelöst werden, alles eine Frage der Zeit, ob Diktator oder nicht. Ich glaube aber wie gesagt daran, dass ein Konflikt mit einer gewissen Ordnung leichter aufgelöst werden kann als ein Chaos.
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Aurellian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Aurellian »

Almalexian hat geschrieben:Das ist eben der Unterschied weswegen es gut war dass du das nochmal umformuliert hast. Ein Diktator sorgt nicht dafür dass Ruhe und Zufriedenheit dort herrscht, aber er verhindert dass das Pulverfass dort zum explodieren gebracht wird, zumindest sehe ich das in meiner kleinen Analyse so.
Und genau das funktioniert eben nicht, irgendwann explodiert das Pulverfass. Was waren denn Tunesien, Syrien, Ägypten und Libyen vor fünf Jahren? Lupenreine Diktaturen, bis die Bevölkerungen aufgestanden sind. In Tunesien blieb es leidlich friedlich, in Ägypten hat es schon ordentlich geknallt und über Libyen und Syrien müssen wir nicht reden. Erwartet hätte das vor fünf Jahren wahrscheinlich niemand, dass die Friedhofsruhe so schnell endet - genau das spricht aber am Ende gegen Diktatoren.
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Ägypten zb ist aber kein ethnisch und religiös zerrissenes Gebiet. Die Diktaturen dort sind gefallen weil sich da die Mehrheit gegen den Diktator aufgelehnt hat, bei einem Saddam Hussein müssten Gruppen zusammen kämpfen die sich spinnefeind sind und sich ohne den Diktator an die Gurgel gehen würden. Das will ich nicht kategorisch ausschließen aber ich halte es für sehr viel weniger wahrscheinlich als das was im arabischen Frühling passiert ist.
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Aurellian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Aurellian »

Syrien ist ethnisch ähnlich zerrissen wie der Irak. Wäre Saddam nicht durch die Amis gestürzt worden, bin ich mir ziemlich sicher, dass er so etwas wie den arabischen Frühling nicht überstanden hätte.
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Kann sein. Aber zum einen sind durch den arabischen Frühling längst nicht alle Monarchien und Diktaturen gestürzt worden bei denen es innere Auseinandersetzungen gab, pauschal kann man das deswegen nicht sagen. Zum anderen sind wir da wieder sehr im Bereich der Spekulationen. Fakt ist, dass der Sturz Saddams durch die USA so wie er passierte mehr geschadet als in dem Moment genützt hat und er auch die Möglichkeiten genommen hat den Diktator nach Hausmacher Art abzuservieren, was (wiederum nur Spekulation) vllt. besser gewesen wäre. Wie auch immer, hätte, wäre, könnte, die USA haben hier jedenfalls aus Raffgier gehandelt und das Ergebnis ist schlecht geworden. Ergo, sie haben die Suppe nun auszulöffeln.
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Aurellian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Aurellian »

"Was wäre wenn" ist immer Spekulatius. Die meisten übrigen arabischen Diktatoren und Königshäuser waren auch entweder verhältnismäßig liberal, wie Marokko oder Jordanien, oder konnten sich ihre Ruhe einfach erkaufen, wie SA. Ändert alles nichts daran, dass ich deine Argumente pro Diktatoren für ziemlich daneben halte.
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Alles relativ. Wenn der IS die Alternative ist würde ich Saddam Hussein wählen. Und so siehts momentan nunmal aus.
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Aurellian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Aurellian »

Pest und Cholera. Ich bin mir nicht sicher, ob der IS so viel schlimmer ist als der Schlächter von Halabja.
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KING_BAZONG
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von KING_BAZONG »

@ mr archer

1. Ich halte zweite Position für nachvollziehbar, zumal es sich hier um einen quasi aufgepfropften und seitens der Politik forcierten Multikulturalismus handelt. Aber das ist sicher Ansichtssache, ob man das so sieht ;)
Rigoros ablehnen ist eh Quatsch, denn das ist unmöglich. Das kann nichtmal Island oder Japan.
Das heißt ja aber auch nicht, dass man rigoros alles bejahen muss, was einem die Politik aufhalst.
Man sieht zudem ja allerorts (GB, FRA, NL SWE, DK,...), wie sehr der Multikulti-Mix von "strahlendem Erfolg" gekrönt ist ;)
Also die Skepsis ist ja nicht völlig unbegründet, ne ?
Und es gibt mit Sicherheit problematischere Kulturen und weniger problematische, was die anstehende Integration angeht, zumal man hier auch auf bisherige Erfahrungen blicken kann. So habe ich noch nichts von griechischer Paralleljustiz gehört, von portugiesischen Familienclans oder spanischer Religionspolizei ;)
Passend hierzu http://michael-klonovsky.de/acta-diurna ("Lügenpresse" inklusive, hehe....)
Im übrigen definieren auch hier im Land Gesetze die Grenzen dessen, was ich "kulturell" durch meinen Nachbarn zu ertragen habe. Für die Überwachung der Einhaltung dieser Grenzen gibt es Gerichte und die Bullerei. Sind selbige nicht ausreichend ausgestattet und einsatzfähig, ist das ein politisch zu lösendes Problem. "Rechtsfreier Raum" geht nämlich nicht nur Richtung "Scharia-Polizei". Er gilt genauso beim "NSU". Oder im Fall dieser beiden Leute aus Hoyerswerda-Neustadt: http://www.spiegel.de/panorama/neonazi- ... 68131.html
Ein Linker, der für das staatliche Gewaltmonopol plädiert? Kannste mal sehen.
Jetzt machst Du exakt das, was man mir immer vorwirft: Auf ein Problem mit einem anderen, ähnlich gelagerten Problem kontern. Normalerweise müßten jetzt Levi und Co. auf der Matte stehen, tun sie aber nicht ;)
Das Problem der Parallelgesellschaften von Leuten mit arabisch/türkischem (islamischen) Background (Neusprech: Migrationshintergrund) wird nicht weniger akut, wenn ich erwähne, dass es im Osten irgendwo ein Nazidorf gibt ;)
Sorry, an der Stelle musste ich kurz lachen. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass die deutschen Innenministerien zahlloser Bundesländer hinsichtlich der Kommunikation ihrer Flüchtlingspolitik ein jämmerliches Bild abgeben. Und sicherlich ist man stellenweise auch einfach überfordert. Aber wann immer in den letzten Monaten hier drüben auch nur die Ankündigung einer Unterbringung von Flüchtlingen erfolgt, erhebt sich hysterisches Geschrei und die lokale NPD stampft eine "Bürgerinitiative" aus dem Boden. Hier, so sahen gestern Abend die "besorgten Bürger" in Dresden vor der Zeltstadt aus:

Bild

Mit so was muss ich mir kulturell hier auch "mein Land" teilen. Angeblich stehen die mir sogar "nahe", weil sind biodeutsch und in deiner Diktion wohl aus der gleichen "Kultur". Natürlich ist eine Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten auf einer Industriebrache im Grunde indiskutabel. Aber im seit Jahren leerstehenden Neubaublock/Gutshof/
Gewerbepark/Kasernengelände/Schulgebäude will man sie ja in Sachsen auch nicht haben. Da dann auf "die Politik" zu schimpfen ist ein bisschen "Haltet den Dieb".

Und wir reden hier von Dresden. Nicht mal 2 Prozent "Ausländeranteil". Wie generell sachsenweit. Görlitz hat stadtteilübergreifend eine Leerstandsquote von ca. 40 Prozent (http://brotlos.weebly.com/goumlrlitz.html mit ein paar Fotos die auch zeigen, was so etwas nach zwei Jahrzehnten mit einer Stadt macht). Die Syrer, die jetzt in Dresden in die Zelte sollen, vor denen sich nun wieder der Mob trifft, könnte man ganz locker über den sachsenweit massiven Wohnungsleerstand verteilen. Wer soll die Nester denn je wieder voll machen, wenn nicht neue Menschen von anderswo?

Ist natürlich die periphere Perspektive aus den ländlichen deutschen Schrumpfzonen. Aber die gibt es ja auch im Westen.
Naja, es ist niemandem geholfen, wenn ich Hunderttausende lediglich "in leeren Wohnraum bringe". Das ist zu kurzsichtig gedacht. Die Leute müssen integriert werden, sie müssen Arbeit haben, sie müssen Zukunftsperspektiven bekommen. Sie lediglich einzuquartieren und zu alimentieren ist keine gute Aussicht auf den sozialen Frieden im Lande. Wohin hohe Arbeitslosigkeit führen kann, muss ich nicht erwähnen. Und mit Hunderttausend anstehenden afrikanischen McDonalds-Toilettenpagen kann Deutschland wenig anfangen.
Ich prophezeie ja einen Asylbewerber-Soli. Der kommt noch früher oder später, jede Wette ;)
Die momentan ablaufende "Invasion" jedenfalls bringt uns einen Scheißdreck ein, weder in Form einer "Bereicherung" noch in der Hinsicht "demografischer Rettungsanker". Die kostet nur und damit meine ich nicht bloß die Finanzen.

Und da Du immer Dresden und Umgebung erwähnst, samt obligatorischer NPD-Teilnahme: Ich habe Dir ein Problembild aus Stuttgart genannt (keine ländlichen Schrumpfzonen !) und ich kenn noch deutlich mehr aus Bayern und BaWü, bei denen KEINE NPD im Spiel ist. Die Leute wehren sich auch ohne "Nazi-Komplott" gegen diese Heime in ihrer Nähe. Weil sie lesen können und Internet haben und die eventuellen Folgen kennen. Niemand ist nur noch auf ARD und ZDF angewiesen, die eh nur die goldenen Zeiten prophezeien und einen anlügen bzw. Dinge bewußt zurückhalten.

Dresden ist nicht überall, aber überall ist Notstand in Sachen Asylbewerber-Unterbringung.
Jahrelang den eigenen Bürger und dessen Belange ignorieren bzw. mit Peanuts abspeisen (ich habe Beispiele genannt, Kita, Studentenwohnungen, zerbröckelnde Infrastruktur, Strassen, Abbau Nahverkehr, baufällige Schulen usw.), heuer aber Hunderte Millionen für Unterbringung von Asylbewerbern locker machen (es sind ja jetzt sogar Millarden gefordert vom Bund), das gibt den Bürgern schon zu denken.

P.S. Sowas hier http://www.finanznachrichten.de/nachric ... en-003.htm findet auch keinerlei Erwähnung in den großen, meinungsbildenden Medien wie ARD und ZDF oder Spargel, da zählt nur der Anstieg der Angriffe gegen Asylbewerberheime. Ich finde, wer A sagt, sollte auch B sagen und nicht B verschweigen, um einseitig Stimmung zu machen.
Zuletzt geändert von KING_BAZONG am 26.07.2015 12:30, insgesamt 3-mal geändert.
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Die momentan ablaufende "Invasion" jedenfalls bringt uns einen Scheißdreck ein, weder in Form einer "Bereicherung" noch in der Hinsicht "demografischer Rettungsanker". Die kostet nur und damit meine ich nicht bloß die Finanzen.
Ach, der Herr kann hellsehen?
Jetzt machst Du exakt das, was man mir immer vorwirft: Auf ein Problem mit einem anderen, ähnlich gelagerten Problem kontern. Normalerweise müßten jetzt Levi und Co. auf der Matte stehen, tun sie aber nicht ;)
Das Problem der Parallelgesellschaften von Leuten mit arabisch/türkischem (islamischen) Background (Neusprech: Migrationshintergrund) wird nicht weniger akut, wenn ich erwähne, dass es im Osten irgendwo ein Nazidorf gibt ;)
Bevor du deine selbstsicheren Grinse-Smileys rausholst solltest du schon begriffen haben was er schreibt. Wird sonst ein bisschen peinlich.
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Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Almalexian hat geschrieben:
Ich finde es trotz allem sehr weit hergeholt jetzt dem "Westen" die Schuld zu geben das die Türkei ihren alten Kurdenhass bei dieser Gelegenheit auslebt. Das die EU und auch die USA dagegen sind ist glaube ich keine Diskussion und ich finde es völlig unverständlich zu behaupten das sie daran eine Teilschuld tragen. Natürlich gehört die Türkei zur Nato, aber das man sie erstens klassisch zum Westen zählt ist falsch bzw sehr stark vereinfacht um einen Punkt machen zu können und zweitens ist man ja auch sonst nicht für jede Handlung einer Nation dieses Kulturkreises verantwortlich.
Dass die Türken jetzt auf Kurdenjagd gehen ist ansich nicht dem Rest-Westen anzukreiden, aber es wäre jetzt eben die Aufgabe den Bündnispartner dahingehend zurückzupfeifen. Genug Druck könnte sicherlich ausgeübt werden. Jetzt ist die Situation noch jung aber wenn jetzt ein Nato-Partner den Verbündeten im Kampf gegen den IS in den Rücken fällt würde ich eigentlich eine sofortige Ansage seitens USA etc. erwarten.
Zurückpfeifen klingt schon ziemlich arrogant. Man kann die Türkei kritisieren, aber pragmatisch müssen die USA froh sein das sie eine zusätzliche Basis nutzen können und ein bisschen Arbeit abgenommen bekommen (im Kampf gegen Isis). Man kann glaube ich aus US-Perspektive sehen was denen wohl wichtiger ist. Deutschland kabbelt sich ja gerade um eine Position was die offizielle Seite angeht, aber auch Leyen kritisiert mittlerweile diesen Aspekt. Ich glaube aber man kann davon ausgehen das man hinter den Kulissen diesbezüglich massiv auf die Türkei einwirkt, da die Kurden im Irak einfach zu wichtige Verbündete sind.

Was du zu verlangen scheinst ist eine öffentliche Zurechtweisung der Türkei im Stile der Herren der Welt, aber ehrlich gesagt scheint mir das lediglich eine gute Schlagzeile herzugeben grand gesture mäßig und außer Porzellan zu zerschlagen sehr wenig Nutzen zu haben. Das dir das zu pragmatisch gedacht ist, nehme ich dir anhand deiner Diktatorenargumentation auf den letzten Seiten nicht ab. Diplomatie funktioniert nicht in Taz-Schlagzeilen und sie funktioniert auch nicht unbedingt im Twitter-Tempo.
Zuletzt geändert von Wulgaru am 26.07.2015 10:38, insgesamt 1-mal geändert.
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mr archer
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von mr archer »

KING_BAZONG hat geschrieben: Ich prophezeie ja einen Asylbewerber-Soli. Der kommt noch früher oder später, jede Wette ;)
Wenn der vernünftig argumentiert und ohne populistisches Geschrei umgesetzt würde, hätte ich da überhaupt nix dagegen.

Und mir ist natürlich klar, dass die alten Arbeitsmigrationszentren Westdeutschlands was Nachbarschaften von "Kulturen" und "Ausländeranteil" angeht andere Realitäten und natürlich auch Spannungen zu bewältigen haben als beispielsweise das beschauliche Dresden, wo sich im Grunde bis heute die weitestgehend ausländerbefreite DDR konserviert hat, einschießlich der in ihr entwickelten Neurosen Fremden gegenüber. In der Hinsicht ist Deutschland bis heute ein zweigeteiltes Land.

Nur sollte man nicht so tun, als würden die beiden Hälften nicht miteinander zu dem Thema kommunizieren. Auf jeder Pegida-Demo dient der migrantische Westen als Horrorfolie. Und seit zwei Jahrzehnten ist der Osten Aufmarsch- und Spielgebiet westdeutscher Nazikader, die hier jungfräuliches und von einer kritischen Gegenkultur teilweise völlig entvölkertes Land vorfinden, wo im Westen für sie nur die Pariah-Rolle reserviert ist. Die sächsische, brandenburgische und mecklenburgische NPD ist in den Spitzenkadern ein beinahe komplett von Westdeutschen hochgezogenes Unternehmen, Pegida holte eine gescheiterte Hamburgerin als Bürgermeisterkandidatin nach Dresden, die selbst der dortigen AFD zu rechts war. Pastörs, der in Mecklenburg inzwischen mehrere Dorfschaften für sein nationales Zuchtprogramm deutscher Familie unterwandert hat, stammt aus Westdeutschland. Und wer nun meint, was die tumben Ossis da in ihren entlegenen Provinzen treiben bzw. mit sich treiben lassen, müsse ihn nicht interessieren, der soll sich mal nicht täuschen. Der xenophobe Osten hat längst begonnen, den medialen Diskurs des gesamten Landes zu beeinflussen. Und unlängst hat er die ihrer Gründung nach westdeutsche Professoren- und Rechthaberpartei AFD gekapert und deren alte Führungsriege entsorgt.

So berichtet eben jeder aus seinem Umfeld. Abschließend zu deinem Kulturbegriff - wir kommen da allein schon deswegen nicht zusammen, weil wir da völlig diametralen und einander mit Abneigung gegenüberstehenden Definitionen anhängen. Du vertrittst einen hermetischen Kulturbegriff, der ganz stark im 19. Jahrhundert verankert ist, in dem sich große Kultur-Volksgruppen gegenüberstehen, denen jeweils ein Wesen zu eigen ist. Mein Kulturbegriff ist der in der britischen New Left in den 1960er und 70er Jahren entwickelte Begriff von "Culture as the whole way of life", der Kultur weniger starr entlang von Sprach-, Religionsgrenzen etc. definiert, sondern der sich für ihre lokalen Verästelungen und Varianten interessiert und menschliches Leben generell als Kulturleistung begreift, das in nationalen Kategorien nicht zu fassen ist. Für mich gibt es keine "deutsche Kultur", die als hermetischer Block auf einen ebenso hermetischen fremden Block trifft. Bzw. müsste ich das, was ich unter deutscher Kultur verstehe, derart versimplifizieren, um zu einer solchen Dichothomie zu gelangen, dass mich dieses Überbleibsel überhaupt nicht mehr emotional berühren könnte.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von mr archer »

Wulgaru hat geschrieben: Ich glaube aber man kann davon ausgehen das man hinter den Kulissen diesbezüglich massiv auf die Türkei einwirkt, da die Kurden im Irak einfach zu wichtige Verbündete sind.
Das wird nur nichts nützen, fürchte ich. Denn die Kurden halten im Nordirak nicht die Knochen hin, weil sie alle dafür ganz doll bewundern und gern haben. Sie machen das - neben dem Aspekt der blanken Selbstverteidigung gegen die fanatisierten Spinner - weil im Machtvakuum des Post-Saddam-Iraks eine reelle Chance entstanden ist, endlich zu einer eigenen Staatlichkeit zu gelangen, für die sie zuvor jahrzehntelang umsonst und aussichtslos gebombt haben. Und genau dieser Staat ist für die Türkei die rote Linie. Im Grunde müsste man mit Erdogan und der Kurdenführung eine international durch die Nato-Partner begleitete Konferenz veranstalten, bei der es um den zukünftigen Status des kurdischen Siedlungsgebietes geht, das eben nicht die Freundlichkeit besitzt, sich an bestehende Nationalstaatsgrenzen zu halten.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Was du zu verlangen scheinst ist eine öffentliche Zurechtweisung der Türkei im Stile der Herren der Welt, aber ehrlich gesagt scheint mir das lediglich eine gute Schlagzeile herzugeben grand gesture mäßig und außer Porzellan zu zerschlagen sehr wenig Nutzen zu haben. Das dir das zu pragmatisch gedacht ist, nehme ich dir anhand deiner Diktatorenargumentation auf den letzten Seiten nicht ab. Diplomatie funktioniert nicht in Taz-Schlagzeilen und sie funktioniert auch nicht unbedingt im Twitter-Tempo.
Jein. Freilich funktioniert Diplomatie nicht hauptsächlich über öffentliche Statements der Regierenden, das ist schon klar. Aber normalerweise gibt es zu akuten und wichtigen Themen, auch diplomatischer Natur, oft begleitend ein solches Statement woran man als Ottonormalverbraucher zumindest einen Eindruck hat wo da die Position liegt, das mitunter auch stante-pede, im Twittertempo. Bisher kam da ja von den USA nichts (zumindest nicht dass ich davon gehört hätte) sodass man genausogut glauben könnte, die könnten die Türkei da verstehen und tolerieren (soviel ich weiß stufen ja auch die USA die PKK als Terrororganisation ein). Das ist, insgesamt, ein bisschen mau wenn man bedenkt wie verlogen (und das nicht erst seit gestern) der Bündnispartner Türkei da sein eigenes Ding dreht und versucht aus der Situation Kapital zu schlagen.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von KING_BAZONG »

@ mr archer
Klar, dass wir nicht zusammenkommen :mrgreen:
Ich sehe durchaus eine Grenze zwischen Kulturen bzw. bestimmte kulturellen Eigenheiten, die ich auch wertend einstufe. Und so sehe ich auch in bestimmten kulturellen Errungenschaften (Moralbegriff, Ethik, Rechtsauffassung usw.) die Früchte eines langen Kampfes, die ich nicht preisgeben möchte, unter keinerlei Umständen. Auch nicht, um den "Bereicherern" zu gefallen.
Das was der IS treibt, ist auch "menschliches Leben" und eine "Kultur" der Barbarei, aber es ist eine Kultur, insofern kann ich mit Dir nicht konform gehen.
Sicherlich macht Kultur nicht an Staats- oder Landesgrenzen Halt, das ist klar. Dennoch sehe ich massive Unterschiede, die auch eine Integration verhindern.
Da kann gerade Deutschland mit seinen massiv betriebenen Fehlern aus der Vergangenheit lernen.
Als Kultur gilt vieles, aber ob ich das haben möchte oder als erstrebenswert einstufe, ist meine Sache.
Almalexian hat geschrieben: Ach, der Herr kann hellsehen?
Yep, kann ich.
Was macht Dich so sicher, dass dieser aktuelle Zuwanderungsstrom unausgebildeter "Fachkräfte" hier zukünftig in Lohn und Brot steht und unsere Rentenkasse füllt ?
Ich höre :mrgreen:
Zuletzt geändert von KING_BAZONG am 26.07.2015 11:13, insgesamt 2-mal geändert.