Allgemeiner Politikthread
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- Aurellian
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Re: Allgemeiner Politikthread
Am Ende habe ich aber auch den Eindruck, dass man als Großer sowieso immer der Arsch ist, solange man nicht zu allen Wünschen Ja und Amen sagt. Insofern bin ich zwar nicht glücklich darüber, wie die letzten Tage gelaufen sind, aber der Zug für eine gute Lösung ist schon vor Jahren abgefahren.
- mr archer
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Re: Allgemeiner Politikthread
Man kann sich sogar fragen, ob der Zug nicht von Anfang an auf dem falschen Gleis stand. Stichwort: Europäische Einigung über eine Gemeinschaftswährung ohne entsprechenden politischen Unterbau.Aurellian hat geschrieben: ... aber der Zug für eine gute Lösung ist schon vor Jahren abgefahren.
Ist sicherlich bekannt, da in letzter Zeit viel geklickt. Aber es sei nochmals auf diesen 16-Minüter von Gysi im Bundestag 1998 hingewiesen:
https://www.youtube.com/watch?v=x1ef0BBtuYA
(Minute 5:00 ist besonders krass, weil hellsichtig hoch zehn)
- Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread
Jetzt haben wir den Euro aber nunmal, und wie die Krise gemanaged wurde ist von so gut wie allen Seiten überaus peinlich.
Dieser Kompromiss ist trotzdem faul.
Insbesondere wie sich die Troika vorbehält, zukünftig bestimmte Gesetzesvorhaben der griechischen Regierung zu kontrollieren, ist schon sehr verdächtig...
Ganz unberechtigt sind die #ThisIsACoup-Rufe nicht...
Dieser Kompromiss ist trotzdem faul.
Insbesondere wie sich die Troika vorbehält, zukünftig bestimmte Gesetzesvorhaben der griechischen Regierung zu kontrollieren, ist schon sehr verdächtig...
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- Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread
Diese Forderung nach einem politischem Unterbau ist aber etwas was ich jetzt völlig unabhängig von der Krise immer schon skeptisch gesehen habe. Genau wie die Forderung nach einer gemeinsamen Fiskalpolitik klingt sowas immer gut, aber es ignoriert doch auch völlig das es sowas wie ein europäisches Interesse, geschweige denn ein gemeinsames Interesse der europäischen Bevölkerung, nur sehr unzureichend gibt. Wir sind nicht die Vereinigten Staaten von Europa.
Das ist leicht mal hingeschrieben, aber meiner Meinung nach hat es auch seine Vorteile das die EU eben vor der Krise nicht in allen Lebensbereichen stattgefunden hat. Für mich ist es daher eher so das die EU einfach nicht für eine Krise vorgesehen war. Es gab kein ESM, kein Bankentestsystem, das was die EZB seit einigen Jahren macht durfte sie eigentlich nicht und es gab keine Solidaritätsmechanismen ala Länderfinanzausgleich (okay gibt es immer noch nicht) und dann hat man bei der Euroeinführung ja eh mal alle Augen zugedrückt und eh mit dem Stabilitätspakt gemacht was man gerade wollte.
Das sind so verschiedene Sachen die da zusammenkommen, aber eine Systemfrage war das meiner Meinung nach erst als es darum ging die Krise zu lösen ala neoliberal oder solidarisch...nicht aber vorher.
@this is a coup
Die sind sogar sehr zutreffend. Setzt Tsipras das jetzt um, hat Schäuble die Uhr um 7 Monate zurückgedreht und die Demokratie in Griechenland ist wieder im Urlaub, wie sie es schon 2010-2014 größtenteils war. Auch diese Kontrolle bis ins kleinste Policy-Detail ist wieder dabei. Aus Schäubles Sicht sicher ein perfektes Wochenende, da ihm sicherlich scheißegal ist was man von ihm und uns hält.
Das ist leicht mal hingeschrieben, aber meiner Meinung nach hat es auch seine Vorteile das die EU eben vor der Krise nicht in allen Lebensbereichen stattgefunden hat. Für mich ist es daher eher so das die EU einfach nicht für eine Krise vorgesehen war. Es gab kein ESM, kein Bankentestsystem, das was die EZB seit einigen Jahren macht durfte sie eigentlich nicht und es gab keine Solidaritätsmechanismen ala Länderfinanzausgleich (okay gibt es immer noch nicht) und dann hat man bei der Euroeinführung ja eh mal alle Augen zugedrückt und eh mit dem Stabilitätspakt gemacht was man gerade wollte.
Das sind so verschiedene Sachen die da zusammenkommen, aber eine Systemfrage war das meiner Meinung nach erst als es darum ging die Krise zu lösen ala neoliberal oder solidarisch...nicht aber vorher.
@this is a coup
Die sind sogar sehr zutreffend. Setzt Tsipras das jetzt um, hat Schäuble die Uhr um 7 Monate zurückgedreht und die Demokratie in Griechenland ist wieder im Urlaub, wie sie es schon 2010-2014 größtenteils war. Auch diese Kontrolle bis ins kleinste Policy-Detail ist wieder dabei. Aus Schäubles Sicht sicher ein perfektes Wochenende, da ihm sicherlich scheißegal ist was man von ihm und uns hält.
- Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread
Zumal das bedenkliche Mindestmaß an Sicherheiten auch dann nicht erbracht bzw. in Form von geschönten Zahlen erlogen wurde. Ich finde die Idee von EU und auch Euro nach wie vor gut, richtig und richtungsweisend. Aber eine gemeinsame Währung und wirtschaftliche Gemeinschaft erfordert auch einen zumindest grob gemeinsamen Kurs und dass Entscheidungen, die deutliche Auswirkungen auf andere Euro-Länder haben können, nicht rein national entschieden werden. Das hat dann auch nichts mit dem Eingriff in die staatliche Souveränität zu tun wie immer wieder suggeriert wird, wer einer Gemeinschaft beitritt muss dafür gewisse Spielregeln und eine Einmischung durch die anderen Mitglieder in die vormals eigenen Belange zum Wohle der Gruppe hinnehmen. Das mag jetzt zwar etwas wie Captain Obvious klingen, aber ich habe momentan nicht das Gefühl, dass aus der Eurokrise (die ja nicht nur durch Griechenland zustande kam) zu wenig gelernt und noch weniger am Euro-System geändert wurde. Aber eine Abschaffung des Euro ist sicherlich keine langfristig empfehlenswerte Lösung, es muss im Gegenteil mehr in Richtung Euro getan werden und das umgesetzt werden, was für eine gemeinschaftliche Währung notwendig ist.Man kann sich sogar fragen, ob der Zug nicht von Anfang an auf dem falschen Gleis stand. Stichwort: Europäische Einigung über eine Gemeinschaftswährung ohne entsprechenden politischen Unterbau.
Dazu gehört außerdem, auch im Sinne der europäischen Idee, das Überwinden von egoistischer Kleinstaaterei und dem Rückzug auf die einzelnen Nationalstaaten. Die EU muss sich als ein großer Staatenbund begreifen bei dem das große Ganze wichtiger und bedeutsamer ist als das die nationalen Ebenen und wenn man allein bei uns das Interesse an der Bundestagswahl und der Europawahl vergleicht, sind wir davon noch meilenweit entfernt. Es wird aber zukünftig nicht anders gehen als sich untereinander zu solidarisieren und als Einheit zu betrachten, sonst kommen wir gegen Riesen wie USA, Russland oder China nicht mehr an. Man sieht ja an den TTIP-Verhandlungen sehr gut auf welcher Augenhöhe wir uns mit den USA befinden. Wir brauchen mehr Europa statt weniger. Und nicht so kopflos und bürokratisch wie früher.
- Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread
Klar muss Europa solidarisch zusammenarbeiten und natürlich anders als jetzt, aber ich bin trotzdem der Meinung das es sehr leicht gesagt ist. Wenn man das ganze immer nur als Eliten- und Intellektuellenprojekt plant, kann es niemals zu so einer Solidarität kommen. Die Krise der letzten 8 Jahre zeigt ja, dass die Bevölkerungen doch noch sehr national denken und zwar nicht unbedingt weil sie zwangsläufig konservativ sind, sondern weil sie selten mitgenommen wurden. Das muss auch wachsen und so eine große EU wie jetzt hätte nach Anfang der 2000er eigentlich erst einmal ein paar ruhige Jahrzehnte gebraucht damit genau das passieren kann. Man kann nicht einfach sagen wir sind jetzt Europa und national sollt ihr jetzt nicht mehr denken Bürger. Das muss mit der Zeit kommen und davon sind wir heute durch die Krise und bestens symbolisiert durch die letzten beiden Wochen Lichtjahre entfernt.
- Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread
Dass das einfacher gesagt als getan ist, ist klar. Aber um das ganze überhaupt durchsetzen zu können brauch es auch bei den von dir angesprochenen Eliten eine entsprechende Denkweise die ich hier und erst Recht nicht insgesamt flächendeckend wahrnehme. Wenn man auf die europäischen Probleme zu sprechen kommt gibt es eben diejenigen die das Ganze erweitern und richtigstellen möchten und solche die kein größeres Problem in dem jetzigen Zustand sehen, aber leider auch jene die wegen einiger Fehler der EU das Ganze am liebsten zurückfahren und einmotten würden. Hauptsächlich ist das zwar noch beim Euro populär, aber wenn ich Dinge wie die Koketterie mit EU-Feindlichkeit im Mainstream von GB sehe oder ein Land wie Ungarn das sich einen Dreck um die europäische Idee schert, frage ich mich doch ernsthaft was nach dem Abschaffen des Euros die nächste Idee wäre. Insofern, bevor wie diese Idee in der Praxis angehen können muss erstmal für jeden klar sein dass nur ein Mehr an EU ein tragfähiges Zukunftskonzept bieten kann und man sich insbesondere bei dem historischen Wert den die EU darstellt nicht zu schnell von momentanen Trends beeinflussen lassen sollte.
Bei der Umsetzung wurden in der Vergangenheit in der Tat einige Fehler gemacht. Man muss zukünftig dafür Sorge tragen dass die EU auch im Alltag nicht als ein bürokratisches Monstrum erscheint,das mehr schadet als nützt, dass Bürger mehr auf die EU einwirken können, mehr über sie wissen und letztenendes, das muss man so sagen, die nationalen Befignisse geschwächt und diejenigen der EU gestärkt werden. Denn solange die EU nur lose über den eigentlich ausschlaggebenden Nationalparlamenten schwebt, ist es klar dass das politische Hauptaugenmerk auf den Nationalstaaten und nicht der EU liegt. Hier muss man dann insgesamt mal mutig sein und diese neue Art Ebene ausprobieren. Und hier kommt dann wieder obiges ins Spiel: Auch bei den sog. Eliten kann ich mir nicht vorstellen, dass da für jeden eine dermaßen starke EU wünschenswert wäre. Wenn das allerdings anders wäre, dann glaube ich daran dass es keine Ewigkeiten dauern würde eine solche neue Art zu akzeptieren solange man es für den Bürger direkt positiv und nicht oktroyierend gestaltet.
Bei der Umsetzung wurden in der Vergangenheit in der Tat einige Fehler gemacht. Man muss zukünftig dafür Sorge tragen dass die EU auch im Alltag nicht als ein bürokratisches Monstrum erscheint,das mehr schadet als nützt, dass Bürger mehr auf die EU einwirken können, mehr über sie wissen und letztenendes, das muss man so sagen, die nationalen Befignisse geschwächt und diejenigen der EU gestärkt werden. Denn solange die EU nur lose über den eigentlich ausschlaggebenden Nationalparlamenten schwebt, ist es klar dass das politische Hauptaugenmerk auf den Nationalstaaten und nicht der EU liegt. Hier muss man dann insgesamt mal mutig sein und diese neue Art Ebene ausprobieren. Und hier kommt dann wieder obiges ins Spiel: Auch bei den sog. Eliten kann ich mir nicht vorstellen, dass da für jeden eine dermaßen starke EU wünschenswert wäre. Wenn das allerdings anders wäre, dann glaube ich daran dass es keine Ewigkeiten dauern würde eine solche neue Art zu akzeptieren solange man es für den Bürger direkt positiv und nicht oktroyierend gestaltet.
- Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread
Eine Akzeptanz kann man aber letzten Endes nur mit einem starken Parlament erreichen. Die Unkenrufe des Demokratiedefizits kommen ja auch nicht von ungefähr... klar ist das irgendwo Panikmacherei, da die nationalen Regierungen für sich ja allesamt demokratisch legitimiert sind. Aber das ist in etwa so demokratisch, als hätten wir z.B. nur den Bundesrat als Parlament, das die Regierung stellt und den Bundestag nur mit schwachen Mitwirkungsrechten. Die Kommission ist schwächer (weil über mehrere Ecken nur indirekt) legitimiert, aber sobald Zuständigkeit gegeben ist mit stärkeren Befugnissen ausgerüstet als ein Nationalparlament oder Nationalregierung und zwar aufgrund der europarechtlichen Normenhierarchie. Normalerweise ist eine schwächer werdende demokratische Legitimation aber mit weniger starken Befugnissen verbunden.
Mehr EU-Befugnisse müssen zwangsläufig mit stärkerer demokratischer Legitimation, also Umstrukturierung des Primärrechts mit bedeutender politischer Stärkung des Parlaments einhergehen. Gleichzeitig muss dann aber das Parlament an sich mehr oder weniger komplett neu aufgebaut werden, da das EU-Parlament in seiner jetzigen Form absolut nicht praktikabel für wirklich legislative Tätigkeit wäre.
Mehr EU-Befugnisse müssen zwangsläufig mit stärkerer demokratischer Legitimation, also Umstrukturierung des Primärrechts mit bedeutender politischer Stärkung des Parlaments einhergehen. Gleichzeitig muss dann aber das Parlament an sich mehr oder weniger komplett neu aufgebaut werden, da das EU-Parlament in seiner jetzigen Form absolut nicht praktikabel für wirklich legislative Tätigkeit wäre.
- Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread
Wäre ja nicht das Problem wenn man wollte. Ich denke sowieso dass man für meine Idee vieles in der EU umgestalten müsste. Aber das haben wir ja auch früher hingekriegt.
- Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread
Das derzeitige Monster von EU-Parlament in ein praktikables Legislativorgan umzuwandeln wäre schwieriger als du zu denken scheinst...
Zunächst müssten die Sitze drastisch reduziert werden, was alleine schon eine ganze Reihe Folgeprobleme mit sich bringt. Dann wird sich die Frage stellen: sind prozentuale Hürden akzeptabel? Und wenn man dies ablehnt, wie begegnet man dem dann dem Zersplitterungsproblem? Kann man die degressive Proportionalität dann weiterhin verantworten, und welche Alternativen gäbe es? Und weitere Fragen die etwa in dieselbe Richtung gehen...
Und immer gilt: was letzten Endes für einen Mitgliedstaat weniger Einfluss bedeutet, wird so heftig bekämpft werden, wie nur möglich.
Ich sage nicht, dass es unmöglich wäre. Aber politisch umsetzbar wird das Ganze auf absehbare Zeit nicht sein, da kann man wirklich nur in den kleinstmöglichen Schritten denken.
Zunächst müssten die Sitze drastisch reduziert werden, was alleine schon eine ganze Reihe Folgeprobleme mit sich bringt. Dann wird sich die Frage stellen: sind prozentuale Hürden akzeptabel? Und wenn man dies ablehnt, wie begegnet man dem dann dem Zersplitterungsproblem? Kann man die degressive Proportionalität dann weiterhin verantworten, und welche Alternativen gäbe es? Und weitere Fragen die etwa in dieselbe Richtung gehen...
Und immer gilt: was letzten Endes für einen Mitgliedstaat weniger Einfluss bedeutet, wird so heftig bekämpft werden, wie nur möglich.
Ich sage nicht, dass es unmöglich wäre. Aber politisch umsetzbar wird das Ganze auf absehbare Zeit nicht sein, da kann man wirklich nur in den kleinstmöglichen Schritten denken.
- Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread
Ich finde anhand dieser Überlegungen von Wiggenz und noch so einiger anderer was den Ablauf der Europawahl und Rechte des Parlamentes angeht, sieht man ganz gut, das es eben doch häufig eben nur gut klingt.
Richtige Demokratie auf EU-Ebene würde eben bedeuten das man solche unangenehmen Regelungen trifft. Das funktioniert eigentlich nur, wenn sich die Bevölkerung wirklich solidarisch untereinander als europäisch begreift, also als einen richtigen Föderalstaat. Als Beispiel kann man mal Deutschland nehmen wo sich Schleswig-Holsteiner wie Bayern auf bestimmte Regeln geeinigt haben die einigermaßen gewährleisten das das als Gesamtstaat funktioniert. Das ist bei uns aber im wahrsten Sinne des Wortes über Jahrhunderte so gewachsen und entspringt einer historischen Tradition. Und ich kann ehrlich gesagt selbst den progressivsten Denkern nur schwer abnehmen das sie über Europa wirklich so denken wie andere über ihr Heimatland, geschweige denn einer größeren Gruppe oder gar einer Mehrheit.
Die EU ist und bleibt als Vereinigte Staaten von Europa eine Utopie und kann auch gar nichts anderes sein, weil dieses Projekt sehr jung ist, aber letztendlich laufen alle Forderungen nach einer größeren politischen Zusammenarbeit darauf hinaus. Es sei denn natürlich man akzeptiert das Nationalstaaten weiter entmachtet würden, ohne das gleichzeitig der demokratische Partizipationsprozess auf Europäischer Ebene steigt. Das ist ironischerweise so ein Ding was viele Politikwissenschaftler gut finden, von wegen Expertenregierungen und Philosophenkönige...womit wir wieder beim Elitenprojekt wären.
Richtige Demokratie auf EU-Ebene würde eben bedeuten das man solche unangenehmen Regelungen trifft. Das funktioniert eigentlich nur, wenn sich die Bevölkerung wirklich solidarisch untereinander als europäisch begreift, also als einen richtigen Föderalstaat. Als Beispiel kann man mal Deutschland nehmen wo sich Schleswig-Holsteiner wie Bayern auf bestimmte Regeln geeinigt haben die einigermaßen gewährleisten das das als Gesamtstaat funktioniert. Das ist bei uns aber im wahrsten Sinne des Wortes über Jahrhunderte so gewachsen und entspringt einer historischen Tradition. Und ich kann ehrlich gesagt selbst den progressivsten Denkern nur schwer abnehmen das sie über Europa wirklich so denken wie andere über ihr Heimatland, geschweige denn einer größeren Gruppe oder gar einer Mehrheit.
Die EU ist und bleibt als Vereinigte Staaten von Europa eine Utopie und kann auch gar nichts anderes sein, weil dieses Projekt sehr jung ist, aber letztendlich laufen alle Forderungen nach einer größeren politischen Zusammenarbeit darauf hinaus. Es sei denn natürlich man akzeptiert das Nationalstaaten weiter entmachtet würden, ohne das gleichzeitig der demokratische Partizipationsprozess auf Europäischer Ebene steigt. Das ist ironischerweise so ein Ding was viele Politikwissenschaftler gut finden, von wegen Expertenregierungen und Philosophenkönige...womit wir wieder beim Elitenprojekt wären.
- Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread
Der Vergleich mit der Zusammenkunft deutscher Staaten ist ansich passend, muss aber zeitlich richtig gerückt werden. Was vor einigen Hundert Jahren noch ebenso Hundert Jahre gedauert hat kann heutzutage in einer sich rasant verändernden Welt binnen Jahrzehnten passieren. Gehen wir mal 100 Jahre zurück landen wir gerade am Anfang des ersten Weltkriegs, ein bisheriger Tiefpunkt in dem stets zerstrittenen Europa. Vor 100 Jahren hat sich ganz Europa noch gegenseitig massenhaft abgeschlachtet und nur recht kurze Zeit später passierte das ganze wieder. Wiederum kurze Zeit später bildete sich der erste Ansatz einer europäischen Gemeinschaft, was jetzt, nach immerhin 50 Jahren, immer noch Bestand hat, beständig gewachsen ist und es sogar geschafft hat im Kern von Europa einen vergleichsweise langen, dauerhaften Frieden zu sichern und eine beispiellose Kooperation zu erreichen Das war nicht einfach und nicht ohne Hindernisse, aber es wurde geschafft und das historisch gesehen in recht kurzer Zeit.
Ich glaube daher nach wie vor daran dass es vom Prinzip her machbar wäre einen solchen Staatenbund zu gründen, wenn man denn wollte. Klar muss man dafür vieles verändern und einiges bedenken aber das galt für so ziemlich jeden gesellschaftlichen Umschwung, inklusive den Neuerungen die die EU im Vergleich zur EWS oder EGKS schaffte. Auch glaube ich, dass der Durchscnittsbürger mit einer reinen Änderung der Kompetenzen einverstanden wäre solange es für ihn vorteilhaft bleibt. Klar würden die Franzosen nach wie vor stolz auf ihren jahrhundertealten Nationalstaat blicken und weiterhin ihre Traditionen pflegen was ja auch gut und rchtig ist. Aber ob die Finanzpolitik künftig mehr oder weniger aus Brüssel kommt wäre bei einem am Ende vernünftigen Ergebnis wohl für die meisten gehopst wie gesprungen. Ich befürchte nur, dass im Angesicht der Krise und wie dilletantisch die EU dabei erschien man einen solchen Schritt schwer vermitteln könnte. Andererseits mögen Ereignisse wie die Krise auch auf der anderen Seite zu Reformen anregen. Und natürlich muss sich dann die EU beweisen: Gerade mit diesem Mehr an Kompetenzen muss sich auch als kompetent wahrgenommen werden.
Ich glaube daher nach wie vor daran dass es vom Prinzip her machbar wäre einen solchen Staatenbund zu gründen, wenn man denn wollte. Klar muss man dafür vieles verändern und einiges bedenken aber das galt für so ziemlich jeden gesellschaftlichen Umschwung, inklusive den Neuerungen die die EU im Vergleich zur EWS oder EGKS schaffte. Auch glaube ich, dass der Durchscnittsbürger mit einer reinen Änderung der Kompetenzen einverstanden wäre solange es für ihn vorteilhaft bleibt. Klar würden die Franzosen nach wie vor stolz auf ihren jahrhundertealten Nationalstaat blicken und weiterhin ihre Traditionen pflegen was ja auch gut und rchtig ist. Aber ob die Finanzpolitik künftig mehr oder weniger aus Brüssel kommt wäre bei einem am Ende vernünftigen Ergebnis wohl für die meisten gehopst wie gesprungen. Ich befürchte nur, dass im Angesicht der Krise und wie dilletantisch die EU dabei erschien man einen solchen Schritt schwer vermitteln könnte. Andererseits mögen Ereignisse wie die Krise auch auf der anderen Seite zu Reformen anregen. Und natürlich muss sich dann die EU beweisen: Gerade mit diesem Mehr an Kompetenzen muss sich auch als kompetent wahrgenommen werden.
- Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread
Natürlich ist es theoretisch möglich irgendwas zu gründen, aber das geht eben immer noch nicht so einfach wie du es hier beschreibst. Denn was du sagst...das es heute alles nicht mehr so lange dauert was früher Jahrhunderte und Jahrzehnte gedauert hat, stimmt auch nur bedingt.Es ist eine Sache eine Art Friedens- und Wirtschaftsbündnis herzustellen und vielleicht auch in anderen Sektoren wo es Sinn macht zusammenzuarbeiten. Das ist die EU und deswegen konnte sie bis zur Krise auch mehr oder weniger funktionieren. Denn solange konnten die Eliten immer ein bisschen rumdoktoren ala Arbeitsmarktmonitoring wie best practices oder meinetwegen auch Produktstandards usw. das alles betrifft nicht das essentielle.
Wenn wir aber die Beispiele nehmen in der Geschichte wo sich ein multikulturelles Reich oder eine Nation gebildet, also quasi das was man Imperium und später als es demokratisch wurde Föderalstaat nennt....da hat es immer eine eindeutige Leitlinie gegeben. Beispiel Rom...natürlich wurden die vielen Völker dort "romanisiert" über die Jahrzehnte und Jahrhunderte. Da gab es ein eindeutiges Leitbild. Beispiel China wo alles nach dieser Qin/Konfuzius-Struktur zusammenwuchs oder eben zusammengewachsen wurde. Beispiel USA wo das angelsächsisch/protestantische Leitbild ganz eindeutig alle Einwanderer irgendwie unter einen Hut gebracht hat bzw. das was anders war davon überrollt wurde. Beispiel Deutschland wo sich eben alle an Preußen orientiert haben (bzw. orientiert wurden) und dieser Staat festgelegt hat wie das aussieht was man dann mal deutsch nennen würde.
Und das ist die Krux: Was ist der European way of life? Ich sehe keinen und selbst wenn man der Logik folgt das Deutschland und Frankreich Hegemonialmächte innerhalb der EU sind, sehe ich denen bzw. uns zu folgen weder als erstrebenswert noch als realistisch an. Es entsteht jedenfalls sicherlich nicht eine Europäische Identität aus dem Theoriepapier eines Intellektuellen oder als natürlicher Remix von 28 Ländern...das wird einfach nicht passieren und daher wird die EU auch niemals sowas werden, gerade wenn wir wollen das alle Mitgliedsstaaten mehr oder weniger gleiche Rechte haben sollen.
Edit: War jetzt natürlich Geschichte auf Würfelzuckerpackungen. Der Punkt ist: Es legt immer irgendeine relativ konkrete Macht einen Rahmen fest aus dem sich alles weitere entwickelt und von da an dann auch "natürlich" wächst. Von selbst passiert das bei so vielen verschiedenen Kulturen nicht.
Wenn wir aber die Beispiele nehmen in der Geschichte wo sich ein multikulturelles Reich oder eine Nation gebildet, also quasi das was man Imperium und später als es demokratisch wurde Föderalstaat nennt....da hat es immer eine eindeutige Leitlinie gegeben. Beispiel Rom...natürlich wurden die vielen Völker dort "romanisiert" über die Jahrzehnte und Jahrhunderte. Da gab es ein eindeutiges Leitbild. Beispiel China wo alles nach dieser Qin/Konfuzius-Struktur zusammenwuchs oder eben zusammengewachsen wurde. Beispiel USA wo das angelsächsisch/protestantische Leitbild ganz eindeutig alle Einwanderer irgendwie unter einen Hut gebracht hat bzw. das was anders war davon überrollt wurde. Beispiel Deutschland wo sich eben alle an Preußen orientiert haben (bzw. orientiert wurden) und dieser Staat festgelegt hat wie das aussieht was man dann mal deutsch nennen würde.
Und das ist die Krux: Was ist der European way of life? Ich sehe keinen und selbst wenn man der Logik folgt das Deutschland und Frankreich Hegemonialmächte innerhalb der EU sind, sehe ich denen bzw. uns zu folgen weder als erstrebenswert noch als realistisch an. Es entsteht jedenfalls sicherlich nicht eine Europäische Identität aus dem Theoriepapier eines Intellektuellen oder als natürlicher Remix von 28 Ländern...das wird einfach nicht passieren und daher wird die EU auch niemals sowas werden, gerade wenn wir wollen das alle Mitgliedsstaaten mehr oder weniger gleiche Rechte haben sollen.
Edit: War jetzt natürlich Geschichte auf Würfelzuckerpackungen. Der Punkt ist: Es legt immer irgendeine relativ konkrete Macht einen Rahmen fest aus dem sich alles weitere entwickelt und von da an dann auch "natürlich" wächst. Von selbst passiert das bei so vielen verschiedenen Kulturen nicht.
- Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread
Das Mandat für solche Entscheidungen liegt zudem weiterhin bei den Regierungen der Mitgliedstaaten, nicht unbedingt bei den Parlamenten und damit den Bürgern oder gar dem Volk direkt. Die letzten Wochen haben anschaulich gezeigt, wie sehr Machtstreben der einzelnen Regierungen noch vorhanden ist und einer stärkeren EU entgegen steht. So weit wie man meinen könnte, sind wir noch lange nicht.
Davon abgesehen dürfte es nun auf absehbare Zeit politischem Suizid gleichkommen, mehr EU zu fördern oder fordern, und zwar nicht nur unter nationalistischen Europagegnern. Wozu Deutschland bzw. die Bundesregierung auch ihren ganz erheblichen Teil beigetragen hat.
Davon abgesehen dürfte es nun auf absehbare Zeit politischem Suizid gleichkommen, mehr EU zu fördern oder fordern, und zwar nicht nur unter nationalistischen Europagegnern. Wozu Deutschland bzw. die Bundesregierung auch ihren ganz erheblichen Teil beigetragen hat.
- Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread
Ich sage nicht dass das einfach werden würde, nur dass es möglich ist, keine Ewigkeit dauern muss und auf jeden Fall erstrebenswert wäre.
Der Einwurf dass es eine gemeinsame oder eine Leitkultur geben müsste ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, ich denke aber Europa wird da etwas unterschätzt. Wenn man den Westen als kulturelles Feld sieht und Nordamerika und Europa dabei anhand der recht deutlichen Unterschiede unterteilt, hat man die europäische Kultur. Wie du schon sagtest spielen da Deutschland und Frankreich natürlich eine maßgebliche Rolle, aber wie du eben auch erwähntest: Preußen war auch zunächst recht speziell und hat dennoch als Leitkultur für ein gemeinsames deutsches Reich gedient, obwohl auch heute noch die Mentalitäten innerhalb von Deutschland merklich verschieden sind. Dass wir uns vereinigen heißt nicht, dass wir homogen sind oder keine unterschiedliche Vergangenheit haben. Aber wir teilen alle gemeinsam gewisse Werte und Vorstellungen und einen vergleichbaren Lebensstandard sodass ich denke dass wir auch gemeinsam die Entscheidungen für unser aller Leben treffen können. Durch die Erweiterung Ost haben sich gewisse Lücken und größere Unterschiede an einigen Stellen gebildet, aber wenn wir uns im allgemeinen auf einen gemeinsamen Nenner einigen können finden wir bestimmt eine Möglichkeit Europa als festen Staatenbund mit den heutigen Nationalparlamenten vergleichbaren Kompetenzen zu erschaffen.
Wie gesagt, es ist halt immer eine Frage des Wollens.
Der Einwurf dass es eine gemeinsame oder eine Leitkultur geben müsste ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, ich denke aber Europa wird da etwas unterschätzt. Wenn man den Westen als kulturelles Feld sieht und Nordamerika und Europa dabei anhand der recht deutlichen Unterschiede unterteilt, hat man die europäische Kultur. Wie du schon sagtest spielen da Deutschland und Frankreich natürlich eine maßgebliche Rolle, aber wie du eben auch erwähntest: Preußen war auch zunächst recht speziell und hat dennoch als Leitkultur für ein gemeinsames deutsches Reich gedient, obwohl auch heute noch die Mentalitäten innerhalb von Deutschland merklich verschieden sind. Dass wir uns vereinigen heißt nicht, dass wir homogen sind oder keine unterschiedliche Vergangenheit haben. Aber wir teilen alle gemeinsam gewisse Werte und Vorstellungen und einen vergleichbaren Lebensstandard sodass ich denke dass wir auch gemeinsam die Entscheidungen für unser aller Leben treffen können. Durch die Erweiterung Ost haben sich gewisse Lücken und größere Unterschiede an einigen Stellen gebildet, aber wenn wir uns im allgemeinen auf einen gemeinsamen Nenner einigen können finden wir bestimmt eine Möglichkeit Europa als festen Staatenbund mit den heutigen Nationalparlamenten vergleichbaren Kompetenzen zu erschaffen.
Wie gesagt, es ist halt immer eine Frage des Wollens.
