Allgemeiner Politikthread
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Re: Allgemeiner Politikthread
@mr archer
Das liest sich fast so, als sei deine Entscheidung, gegen welche Nationalisten du demonstrierst, eine reine Geschmackssache. Der eine mag eben keinen Spinat, der andere keine Tiegelwurst. Kann man nichts machen, darüber zu streiten wäre müßig. Ich möchte nicht pauschal unterstellen, dass alle Linken nur Interesse am Kampf gegen westliche Rechte hätten. Zur Konferenz der „Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland“ im letzten Monat gab es ja z.B. linke Gegendemonstranten.
Aber ist es ein Zufall, dass wenige Pegidisten (oder Geert Wilders als Ausländer) eine stärkere Mobilisierung und vor allem ein viel höheres Empörungspotential auf der Linken freisetzen, als etwa die Grauen Wölfe? Würden die von dir genannten Linken, die zusammen mit kurdischen Nationalisten aus dem Umfeld der PKK gegen türkische Nationalisten demonstrieren, bereit sein zusammen mit deutschen Konservativen gegen türkische Nationalisten zu demonstrieren? Wieder nur die falsche Geschmacksrichtung?
Nur an der Frage der gemeinsamen Sprache kann es mMn nicht liegen. Oder wird die etwa gebraucht, weil mit den Bärgida-Demonstranten ein gepflegter demokratischer Diskurs stattfinden soll? Zudem willst du sicher nicht unterstellen, dass sämtliche in Deutschland lebenden türkischen Nationalisten kein Deutsch sprechen. :wink:
Gewiss hat ein kluger Kopf wie du die eine oder andere Idee zu den Gründen dieser Asymmetrie, die über „ist halt so in Berlin, #dealwithit“ hinausgeht?
Das liest sich fast so, als sei deine Entscheidung, gegen welche Nationalisten du demonstrierst, eine reine Geschmackssache. Der eine mag eben keinen Spinat, der andere keine Tiegelwurst. Kann man nichts machen, darüber zu streiten wäre müßig. Ich möchte nicht pauschal unterstellen, dass alle Linken nur Interesse am Kampf gegen westliche Rechte hätten. Zur Konferenz der „Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland“ im letzten Monat gab es ja z.B. linke Gegendemonstranten.
Aber ist es ein Zufall, dass wenige Pegidisten (oder Geert Wilders als Ausländer) eine stärkere Mobilisierung und vor allem ein viel höheres Empörungspotential auf der Linken freisetzen, als etwa die Grauen Wölfe? Würden die von dir genannten Linken, die zusammen mit kurdischen Nationalisten aus dem Umfeld der PKK gegen türkische Nationalisten demonstrieren, bereit sein zusammen mit deutschen Konservativen gegen türkische Nationalisten zu demonstrieren? Wieder nur die falsche Geschmacksrichtung?
Nur an der Frage der gemeinsamen Sprache kann es mMn nicht liegen. Oder wird die etwa gebraucht, weil mit den Bärgida-Demonstranten ein gepflegter demokratischer Diskurs stattfinden soll? Zudem willst du sicher nicht unterstellen, dass sämtliche in Deutschland lebenden türkischen Nationalisten kein Deutsch sprechen. :wink:
Gewiss hat ein kluger Kopf wie du die eine oder andere Idee zu den Gründen dieser Asymmetrie, die über „ist halt so in Berlin, #dealwithit“ hinausgeht?
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Re: Allgemeiner Politikthread
Es ist einfach gelogen, wenn Du behauptest, dass die Linke oder Antifa nicht gegen diese Woelfe ist.KING_BAZONG hat geschrieben: Mit "Die Linke" meinte ich das komplette linke Spektrum, aber vor allem die Antifa, die sich nur bei kleinen Grüppchen Deutscher Nationalisten (vornehmlich NPD-Pfosten) blicken läßt.
https://linksunten.indymedia.org/de/node/115839
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Re: Allgemeiner Politikthread
Erzähl nicht so viel Scheisse!Levi hat geschrieben:Und du schmeißt Essen weg, wo anderswo in der Welt doch Leute hungern! Schämen solltest du dich!BattleIsle hat geschrieben:Das ist ja dein gutes Recht. Nur machst du um eine Sache ein Riesenbohei und der Rest fällt komplett unter den Tisch.
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Re: Allgemeiner Politikthread
Mehr nicht? Zu mehr reicht es nicht? Clichés erfüllen um jeden Willen, oder wie?BattleIsle hat geschrieben:Erzähl nicht so viel Scheisse!Levi hat geschrieben:Und du schmeißt Essen weg, wo anderswo in der Welt doch Leute hungern! Schämen solltest du dich!BattleIsle hat geschrieben:Das ist ja dein gutes Recht. Nur machst du um eine Sache ein Riesenbohei und der Rest fällt komplett unter den Tisch.
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Re: Allgemeiner Politikthread
Oder was? Klischee gibts es übrigens auch als deutsche Ausführung.
- KING_BAZONG
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Re: Allgemeiner Politikthread
Na das habe ich nicht behauptet. Du kennst schon den Unterschied zwischen "etwas dagegen haben" und "etwas dagegen tun" ?Armin hat geschrieben:Es ist einfach gelogen, wenn Du behauptest, dass die Linke oder Antifa nicht gegen diese Woelfe ist.
https://linksunten.indymedia.org/de/node/115839
http://movassat.de/2004
Ich habe lediglich kritisiert, dass man bei den einen Nationalisten Massen aufbietet, bei den anderen sich nicht blicken läßt.
Dies wiederum läßt tief blicken bzw. läßt Schlüsse zu oder zumindest Fragen aufkommen

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Re: Allgemeiner Politikthread
Du kennst den Unterschied wohl nicht. Erstens haben sie etwas dagegen getan, und zwar versucht die Nummer komplett zu verhindern, und zweitens, was fuer Schluesse?
- mr archer
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Re: Allgemeiner Politikthread
Ich sprech da mal nur für mich als Linken, nicht für "die Linke", wer immer das sein mag.Euthydemos hat geschrieben:@mr archer
Das liest sich fast so, als sei deine Entscheidung, gegen welche Nationalisten du demonstrierst, eine reine Geschmackssache. Der eine mag eben keinen Spinat, der andere keine Tiegelwurst. Kann man nichts machen, darüber zu streiten wäre müßig. Ich möchte nicht pauschal unterstellen, dass alle Linken nur Interesse am Kampf gegen westliche Rechte hätten. Zur Konferenz der „Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland“ im letzten Monat gab es ja z.B. linke Gegendemonstranten.
Aber ist es ein Zufall, dass wenige Pegidisten (oder Geert Wilders als Ausländer) eine stärkere Mobilisierung und vor allem ein viel höheres Empörungspotential auf der Linken freisetzen, als etwa die Grauen Wölfe? Würden die von dir genannten Linken, die zusammen mit kurdischen Nationalisten aus dem Umfeld der PKK gegen türkische Nationalisten demonstrieren, bereit sein zusammen mit deutschen Konservativen gegen türkische Nationalisten zu demonstrieren? Wieder nur die falsche Geschmacksrichtung?
Nur an der Frage der gemeinsamen Sprache kann es mMn nicht liegen. Oder wird die etwa gebraucht, weil mit den Bärgida-Demonstranten ein gepflegter demokratischer Diskurs stattfinden soll? Zudem willst du sicher nicht unterstellen, dass sämtliche in Deutschland lebenden türkischen Nationalisten kein Deutsch sprechen. :wink:
Gewiss hat ein kluger Kopf wie du die eine oder andere Idee zu den Gründen dieser Asymmetrie, die über „ist halt so in Berlin, #dealwithit“ hinausgeht?
Nationalismus basiert als Ideologie auf Sprache, besonders stark im kulturnationalistischen Paradigma, das in Mitteleuropa und von da aus östlich bzw. südöstlich vorherrscht(e). Eine Gemeinschaft von Sprechern imaginiert sich auf der Basis der gemeinsamem Sprache eine gemeinsame Kultur und Geschichte zusammen, die sich im Idealfall in grauer Vorzeit verliert und über die sich Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit zum eigenen "Volk" definieren. Wenn im 19. Jahrhundert alles nach Plan gelaufen ist, hat man sich auf dieser Basis eine eigene Staatlichkeit erstänkert und spätestens mit etwas Nachhilfe durch den deutschen NS und die eigenen Nazis in der Mitte des letzten Jahrhunderts aus diesem geografischen Areal gleich noch fürs nationale Narrativ störende Sprach- und/oder Religions-Minderheiten "entfernt", denn Fremdes im Eigenen (v)erträgt der Nationalist nur schwer. Das Ganze war eine Abschlachterei ungeheuren Ausmaßes und hat Europa mit seinem einstmalig engen Geflecht verschiedenster Kulturen, Sprachen und "Ethnien" auf Jahrhunderte versaut. Als sich der Staub 1945 legte, waren alle einigermaßen erschrocken und betroffen. Und eine Weile lang gab man sich "auf der Linken" der Hoffnung hin, der Schock wäre heilsam genug gewesen, um Nationalismus in Europa nachhaltig die Grundlage zu entziehen. Europäische Einigung usw. Dann kollabierte mit Jugoslawien in den 1990ern ausgerechnet die Gegend des Kontinents in abermaligem nationalistischen Abgeschlachte, die sich viele Linke über die Jahrzehnte hinweg als ein ideales Europa zusammengeträumt hatten, in dem die alte Vermischung noch einmal friedlich zu glücken schien und auch der Sozialismus irgendwie gemütlich war. Und seither ist Scheiße und überall heben die Gespenster des 19. Jahrhunderts scheints wieder ihre Köpfe, ohne zu merken, dass die Welt vor allem ökonomisch nun eine ganz andere und weitaus globalere geworden ist.
Was so Gestalten wie Thilo Sarrazin und seine vor allem in Ostdeutschland im Segment Ü50 stark vertretene Fangemeinde hervorbringt. Das sind dann Leute, denen beim Stichwort „Treuhand-Anstalt“ noch heute nach mehr als zwanzig Jahren sofort das Messer in der Tasche aufgeht, weil jeder von denen jemanden kennt, aus dessen VEB 1990 der böse Wessi-Liquidator noch alles irgendwie Brauchbare verscherbelt hat, während die einstigen Helden der Arbeit bzw. Montagsdemonstranten und Kohl-Zujubler reihenweise zum Stempeln gingen. Viele von denen hatten jahrelang massivste Probleme, wieder die Füße auf die Erde zu bekommen und einige haben den biografischen Bruch bis heute nicht bewältigt. Und dann kommt der Thilo und erzählt ihnen was vom Pferd und dass die argen Musels ihnen das letzte streitig machen, was ihnen noch geblieben ist – „Deutschland“. Und sie kaufen sein Buch und rennen zu seinen Lesungen. Und so gehen sie dem Thilo ein zweites Mal auf den Leim. Denn wo hat er 1990 an entscheidender Position gearbeitet? Richtig, in der Treuhand-Anstalt. Und juhu, jetzt ist Pegida, endlich wieder „das Volk“ sein!
Wieso erzähle ich das? Weil ich es kann. Weil ich mit denen wichtige Aspekte meiner Biografie teile. Generationenkonflikt. Es tut mir leid – mit den „Grauen Wölfen“ verbindet mich in erster Linie der gemeinsame Großstadtwohnort Berlin und meine generelle Ablehnung nationalistischer Denkgebäude. Das ist mir als Basis aber zu dünn, um mich zusammen mit der Berliner PKK und der Neuköllner MLPD in die Gegendemo zu stellen und mich mit Menschen, deren Sprache ich nicht beherrsche und deren Plakate ich nicht lesen kann, über türkische Geschichtspolitik zu fetzen. Dafür fehlen mir die biografische Nähe, kulturgeschichtliches Wissen zur Türkei und dem Osmanischen Reich über Wikipedia und Orhan Parmuk hinaus und tatsächlich auch die hierfür notwendige emotionale Berührtheit. Das wäre schlicht vermessen.
Nationalismus basiert auf Sprache. Er kann nur innerhalb dieser Sprache und einer an sie geknüpften biografischen „Betroffenheit“ intellektuell angemessen bekämpft werden. Er muss sich aus der eigenen imaginierten Gemeinschaft heraus zerlegen. Als Beistehender kann man da maximal Impulse geben. Getrennt marschieren, vereint zuschlagen. Jedenfalls ist das mein persönlicher Standpunkt.
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Re: Allgemeiner Politikthread
@mr archer
Eine starke Antwort, danke!
Dass die Sprachgemeinschaft sowohl als Ansatzpunkt nationaler Identität als auch bei ihrer kulturellen Reproduktion eine wesentliche Rolle spielt ist mir bewusst, da hatte ich weiter oben vielleicht etwas flapsig formuliert. Nicht uneingeschränkt zustimmen kann ich einem Verständnis der Nation als imaginierter Gemeinschaft, es betont mMn einseitig ihre (durchaus vorhandenen) künstlichen Aspekte. Zwar ist die Nation (ebenso wie jede andere Form kollektiver Identität) keine unveränderliche Wirklichkeit, die der Mensch als gegeben hinzunehmen hätte. Das Material an Traditionen, Geschichte(n) und eben auch Sprache wurde und wird jedoch nicht überwiegend willkürlich von irgendwo zusammengeklaubt, sondern knüpfte an Vorhandenes an, in das die Menschen hineingewachsen sind. Man kann zwar jeden Teil davon kritisieren, aber eben schlecht alles auf einmal, weil selbst der Kritiker beim Kritisieren auf Vorhandenes zurückgreifen muss.
Wenn nun jemand vor allem in Zusammenhängen diskutieren will, zu denen er wegen kultureller und biographischer Verwurzelung einen besonderen Bezug hat, kann man das deshalb, besonders von einem (liberal-)konservativen Standpunkt, nur schwer kritisieren. Jedoch ging es in der Diskussion nicht um die Bekämpfung von türkischem Nationalismus per se. Es ging um türkische Nationalisten, die dauerhaft in Deutschland leben, zum Teil sicher mit deutscher Staatsangehörigkeit. Und hier zeigt sich ein Problem des Multikulturalismus als Antwort auf die Exzesse des Nationalismus im 20. Jahrhundert. Wenn sich die Formulierung produktiver Kritik an den Grauen Wölfen wegen fehlender Bezüge zur türkischen Kulturgeschichte als schwierig erweist wird sichtbar, dass für das Zusammenleben in einem Land gemeinsame kulturelle Ressourcen durchaus hilfreich sind, um es einmal ganz vorsichtig auszudrücken. Es zeigt sich, dass durch deren Verknappung entstehende Barrieren einer willkürlichen De- und Rekonstruktion Widerstand entgegensetzen, den man, in diesem Punkt sind wir uns einig, nicht einfach durch Wikipedialektüre auflösen kann.
Deswegen bin ich nicht der Auffassung, Bewegungen wie Pegida ließen sich ausschließlich aus biographischen Brüchen und dem Gefühl entwerteter Lebensleistungen erklären, obwohl das sicher eine große Rolle spielt. Die Warnung vor einer Selbstabschaffung Deutschlands hat m.E. eine vernünftige Komponente. Durch Einwanderung halten kollektive Identitäten in Deutschland Einzug, die nicht durch den Bruch geprägt wurden, den Weltkriege und faschistische Verbrechen für die europäischen Nationen dargestellt haben. Das betrifft noch mehr den Islam(ismus) als den türkischen Nationalismus. Daraus speist sich die Sorge, dass sich die alteingesessenen Gemeinschaften (imaginiert oder nicht) durch eine destruktive Selbstkritik „von innen heraus zerlegen“, so dass dann atomisierte Individuen selbstbewussten Gemeinschaften von Neubürgern gegenüberstehen, die ihren Weg mit ungebrochener Selbstverständlichkeit für den richtigen halten. (Es genügt hier, wenn dies auf die Neubürger überproportional zutrifft, um eine Allaussage geht es mir nicht.) So etwas kann leicht zu gewissen Unrundheiten führen. Die empfindlichen Reaktionen auf tatsächliche oder vermeintliche Einseitigkeit im Umgang mit Rechten unterschiedlicher kultureller Prägung, nicht nur durch die Antifa, sondern daneben durch gewisse „breite Bündnisse“, haben auch hier ihren Ursprung.
Es stellt sich letztlich die Frage, wie viel an gemeinsamen Traditionen, Geschichte(n) und Sprache die Bewohner eines politischen Gemeinwesens benötigen, damit es vernünftig funktioniert. Ich rechne nicht damit, dass es der „Verfassungspatriotismus“ allein reißen kann.
Eine starke Antwort, danke!
Dass die Sprachgemeinschaft sowohl als Ansatzpunkt nationaler Identität als auch bei ihrer kulturellen Reproduktion eine wesentliche Rolle spielt ist mir bewusst, da hatte ich weiter oben vielleicht etwas flapsig formuliert. Nicht uneingeschränkt zustimmen kann ich einem Verständnis der Nation als imaginierter Gemeinschaft, es betont mMn einseitig ihre (durchaus vorhandenen) künstlichen Aspekte. Zwar ist die Nation (ebenso wie jede andere Form kollektiver Identität) keine unveränderliche Wirklichkeit, die der Mensch als gegeben hinzunehmen hätte. Das Material an Traditionen, Geschichte(n) und eben auch Sprache wurde und wird jedoch nicht überwiegend willkürlich von irgendwo zusammengeklaubt, sondern knüpfte an Vorhandenes an, in das die Menschen hineingewachsen sind. Man kann zwar jeden Teil davon kritisieren, aber eben schlecht alles auf einmal, weil selbst der Kritiker beim Kritisieren auf Vorhandenes zurückgreifen muss.
Wenn nun jemand vor allem in Zusammenhängen diskutieren will, zu denen er wegen kultureller und biographischer Verwurzelung einen besonderen Bezug hat, kann man das deshalb, besonders von einem (liberal-)konservativen Standpunkt, nur schwer kritisieren. Jedoch ging es in der Diskussion nicht um die Bekämpfung von türkischem Nationalismus per se. Es ging um türkische Nationalisten, die dauerhaft in Deutschland leben, zum Teil sicher mit deutscher Staatsangehörigkeit. Und hier zeigt sich ein Problem des Multikulturalismus als Antwort auf die Exzesse des Nationalismus im 20. Jahrhundert. Wenn sich die Formulierung produktiver Kritik an den Grauen Wölfen wegen fehlender Bezüge zur türkischen Kulturgeschichte als schwierig erweist wird sichtbar, dass für das Zusammenleben in einem Land gemeinsame kulturelle Ressourcen durchaus hilfreich sind, um es einmal ganz vorsichtig auszudrücken. Es zeigt sich, dass durch deren Verknappung entstehende Barrieren einer willkürlichen De- und Rekonstruktion Widerstand entgegensetzen, den man, in diesem Punkt sind wir uns einig, nicht einfach durch Wikipedialektüre auflösen kann.
Deswegen bin ich nicht der Auffassung, Bewegungen wie Pegida ließen sich ausschließlich aus biographischen Brüchen und dem Gefühl entwerteter Lebensleistungen erklären, obwohl das sicher eine große Rolle spielt. Die Warnung vor einer Selbstabschaffung Deutschlands hat m.E. eine vernünftige Komponente. Durch Einwanderung halten kollektive Identitäten in Deutschland Einzug, die nicht durch den Bruch geprägt wurden, den Weltkriege und faschistische Verbrechen für die europäischen Nationen dargestellt haben. Das betrifft noch mehr den Islam(ismus) als den türkischen Nationalismus. Daraus speist sich die Sorge, dass sich die alteingesessenen Gemeinschaften (imaginiert oder nicht) durch eine destruktive Selbstkritik „von innen heraus zerlegen“, so dass dann atomisierte Individuen selbstbewussten Gemeinschaften von Neubürgern gegenüberstehen, die ihren Weg mit ungebrochener Selbstverständlichkeit für den richtigen halten. (Es genügt hier, wenn dies auf die Neubürger überproportional zutrifft, um eine Allaussage geht es mir nicht.) So etwas kann leicht zu gewissen Unrundheiten führen. Die empfindlichen Reaktionen auf tatsächliche oder vermeintliche Einseitigkeit im Umgang mit Rechten unterschiedlicher kultureller Prägung, nicht nur durch die Antifa, sondern daneben durch gewisse „breite Bündnisse“, haben auch hier ihren Ursprung.
Es stellt sich letztlich die Frage, wie viel an gemeinsamen Traditionen, Geschichte(n) und Sprache die Bewohner eines politischen Gemeinwesens benötigen, damit es vernünftig funktioniert. Ich rechne nicht damit, dass es der „Verfassungspatriotismus“ allein reißen kann.
- mr archer
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Re: Allgemeiner Politikthread
Sicherlich. Nur tun Pegida und die angeschlossene Neue Rechte so, als ob sie darauf eine passgerechte Antwort hätten. Das ist aber - nett formuliert - ein Irrtum. Denn identitätsbegründende Erzählungen sind nicht starr und unveränderlich. Vielmehr ist deren Inhalt durch jede Generation neu auszutarieren und zwar damit die Sache funktioniert in einem möglichst großen Konsens. Den wird es in Zukunft hier nur mit den Migranten geben. Und das schließt jene mit muslimischem Bekenntnisses mit ein. Dass die "Grauen Wölfe" dabei gern minoritär bleiben dürfen, will ich gar nicht bestreiten und hoffe ich. PI & Dunstkreis aber gern desgleichen.Euthydemos hat geschrieben:
Es stellt sich letztlich die Frage, wie viel an gemeinsamen Traditionen, Geschichte(n) und Sprache die Bewohner eines politischen Gemeinwesens benötigen, damit es vernünftig funktioniert. Ich rechne nicht damit, dass es der „Verfassungspatriotismus“ allein reißen kann.
- KING_BAZONG
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Re: Allgemeiner Politikthread
Splitter, Balken und soArmin hat geschrieben:Du kennst den Unterschied wohl nicht. Erstens haben sie etwas dagegen getan, und zwar versucht die Nummer komplett zu verhindern, und zweitens, was fuer Schluesse?

Schlüsse habe ich Dir bereits erklärt. Dass man die einen Nationalisten bekämpft, mit großem Aufgebot, notfalls auch mit purer Gewalt und dass man die anderen weitestgehend gewähren läßt, vor ihnen kapituliert (siehe mr. archer), indem man ihnen mindestens gleichgültig gegenübersteht. "Wegen der Sprache" quasi.
Also Nationalismus, den man nicht vesteht, ist keiner, der einen was angeht. Selbst wenn dieser unmittelbar vor der Haustür stattfindet.
Eine angenehme, aber fatale Haltung.
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Re: Allgemeiner Politikthread
Also uebersetzt haettest Du gerne, dass sich die linken mit den Auslaendern gewalttaetig auseinandersetzen. Das kann ich mir vorstellen, das waere ja win-win fuer nen Rechten.
Aber hier kommst Du mit Deinen Schluessen nicht durch, denn wie ich bereits gezeigt hab, haben die linken sehr wohl was gegen die Veranstaltung getan. Was haben die Rechten getan? Die denken sich wahrscheinlich "Oh guck mal, gute Tuerken!".
Eine angenehme, aber fatale Haltung.

Aber hier kommst Du mit Deinen Schluessen nicht durch, denn wie ich bereits gezeigt hab, haben die linken sehr wohl was gegen die Veranstaltung getan. Was haben die Rechten getan? Die denken sich wahrscheinlich "Oh guck mal, gute Tuerken!".
Eine angenehme, aber fatale Haltung.
- Levi
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Re: Allgemeiner Politikthread
Guter WitzArmin hat geschrieben:Was haben die Rechten getan? Die denken[...]

(und ja, es ist mir peinlich, nach einigen so großartigen Texten son flachen Schenkelklopfer zu bringen.)
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Re: Allgemeiner Politikthread
Das Problem an der Sicht der vernünftigen Komponente, die ich gar nicht absprechen will, ist aber auch das gleichzeitig gerne ausgeblendet wird das das Territorium was sich heute Deutschland nennt eine jahrtausendalte Tradition von kultureller, ethnischer, sprachlicher und auch sonstiger Vielfalt hat. Wir sind vielleicht in den letzten 200 Jahren vermehrt von einer preußischen Leitagenda geprägt worden, die sich letztendlich zu dem entwickelt hat was wir typisch deutsch nennen, sowohl im negativen als auch im positiven, aber das negiert diese Geschichte nicht.Euthydemos hat geschrieben:
Deswegen bin ich nicht der Auffassung, Bewegungen wie Pegida ließen sich ausschließlich aus biographischen Brüchen und dem Gefühl entwerteter Lebensleistungen erklären, obwohl das sicher eine große Rolle spielt. Die Warnung vor einer Selbstabschaffung Deutschlands hat m.E. eine vernünftige Komponente. Durch Einwanderung halten kollektive Identitäten in Deutschland Einzug, die nicht durch den Bruch geprägt wurden, den Weltkriege und faschistische Verbrechen für die europäischen Nationen dargestellt haben. Das betrifft noch mehr den Islam(ismus) als den türkischen Nationalismus. Daraus speist sich die Sorge, dass sich die alteingesessenen Gemeinschaften (imaginiert oder nicht) durch eine destruktive Selbstkritik „von innen heraus zerlegen“, so dass dann atomisierte Individuen selbstbewussten Gemeinschaften von Neubürgern gegenüberstehen, die ihren Weg mit ungebrochener Selbstverständlichkeit für den richtigen halten. (Es genügt hier, wenn dies auf die Neubürger überproportional zutrifft, um eine Allaussage geht es mir nicht.) So etwas kann leicht zu gewissen Unrundheiten führen. Die empfindlichen Reaktionen auf tatsächliche oder vermeintliche Einseitigkeit im Umgang mit Rechten unterschiedlicher kultureller Prägung, nicht nur durch die Antifa, sondern daneben durch gewisse „breite Bündnisse“, haben auch hier ihren Ursprung.
Es stellt sich letztlich die Frage, wie viel an gemeinsamen Traditionen, Geschichte(n) und Sprache die Bewohner eines politischen Gemeinwesens benötigen, damit es vernünftig funktioniert. Ich rechne nicht damit, dass es der „Verfassungspatriotismus“ allein reißen kann.
Ein Fremdeinfluss wird heute von Gruppen wie Pegida als reine Bedrohung und nicht als Potential wahrgenommen. Diskussionen wie die über eine Leitkultur suggerieren das es das wahre "deutschsein" gebe, eine Art ideales Lebensideal. Ich persönlich hätte aber starke Probleme das überhaupt auszumachen, denn die von mir angesprochenen Unterschiede innerhalb der "deutschen Lande" existieren ja nach wie vor. Norddeutsche haben eine völlig andere Mentaliät als Menschen aus Süddeutschland, Wessis und Ossis, Hamburger und Schleswig-Holsteiner, Bayern und Schwaben usw. usw.
Ich finde es immer sehr konstruiert sich dann, wenn zum Beispiel ein als neu wahr genommener Einfluss wie der türkische in diesen Mix dazu kommt, eine künstliche Identität zusammenzuzimmern. Die plötzlich dann negiert das es eine sogenannte Mentalität gar nicht wirklich gibt und wenn dann nur in oberflächlichen Symbolen ala Schiller und Goethe oder plötzlich, obwohl niemand mehr in die Kirche geht und das Christentum in Deutschland zersplittert ist, genau in diesem Christentum was uns angeblich alle vereint. Da werden für mich stets Werte vorgeschoben die bis zu dem Zeitpunkt wo man eine Abgrenzung gegenüber einem als fremd wahrgenommenen Einfluss vornehmen will, überhaupt keine Rolle spielen.
- mr archer
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Re: Allgemeiner Politikthread
Da möchte ich noch mal einhaken, weil ich hier das Gefühl habe, dass der Multikulturalismus in eine nicht ganz korrekte Position gerückt wird. Multikulturalismus ist für mich zunächst mal schlichtweg eine menschheitsgeschichtliche Tatsache. Kultur war und ist nie nur monostrukturell. Die Durchsetzung des weiten Kulturbegriffes als gültigem Paradigma in den 1960er und 70er Jahren (Raymond Williams: "culture as the whole way of life") ist ein Ergebnis dieser Erkenntnis. Der politische Multikulturalismus der BRD vor 1989 nun, ist für mich in erster Linie nicht der mitunter leider unterkomplex und naiv gebliebene Versuch, mit dem NS-Erbe aufzuräumen. Er ist vielmehr ein Reaktionsversuch auf den sich globalisierenden Kapitalismus, in dessen Ergebnis die BRD ein Einwanderungsland geworden ist. Es ist dieser sich immer schneller globalisierende Kapitalismus, der die lokalen Welten auflöst, fragmentiert, zerstreut und neu zusammensetzt. Der die Sprachen und Erinnerungskulturen nach Belieben über den Globus schiebt, immer dem nächsten großen Jobcluster hinterher, in immer neue, oft konfliktbeladene Nachbarschaften. Nicht der Multikulturalismus. Der ist nur der verzweifelte und dringend reformbedürftige Versuch, mit dem Ergebnis produktiv umzugehen und dient für alle möglichen Unzufriedenen nun als der Popanz, auf den man einkloppt.Euthydemos hat geschrieben:
Und hier zeigt sich ein Problem des Multikulturalismus als Antwort auf die Exzesse des Nationalismus im 20. Jahrhundert. Wenn sich die Formulierung produktiver Kritik an den Grauen Wölfen wegen fehlender Bezüge zur türkischen Kulturgeschichte als schwierig erweist wird sichtbar, dass für das Zusammenleben in einem Land gemeinsame kulturelle Ressourcen durchaus hilfreich sind, um es einmal ganz vorsichtig auszudrücken. Es zeigt sich, dass durch deren Verknappung entstehende Barrieren einer willkürlichen De- und Rekonstruktion Widerstand entgegensetzen, den man, in diesem Punkt sind wir uns einig, nicht einfach durch Wikipedialektüre auflösen kann.
Heißt im Ergebnis: so lange hier niemand ernsthaft den Kapitalismus abschaffen will und gleichzeitig künstlich homogenisierte Volksgemeinschaften in rabiat voneinander abgeschotteten Landstrichen verwaltbar machen möchte, wird das so weiter gehen. Die Kulturen, wenn man sie mal auf ihre Sprechergemeinschaft verkürzt, werden sich immer mehr vom "Mutterland", von der Geografie der Landkarten trennen. Für meine sorbische Kultur kann ich das bereits vermelden, die findet mittlerweile in immer größeren Teilen in den Sozialen Netzwerken und in den Auswanderercommunities von Dresden, Leipzig und Berlin fern "der sorbischen Scholle" statt. Das heißt nicht, dass die alten Staaten in jedem Fall verschwinden werden. So ein Deutschland wirft ja schließlich als staatliches Gebilde einiges an Schotter ab. Sie werden nur partikularer. Und die einzelnen lokalen Punkte der Landkarte werden kulturell uneindeutiger und vielstimmiger. Wie damit umgehen? Nun, ein Anfang könnte ja zum Beispiel sein, in deutsch-türkisch besonders bunt gemischten Klassen im Deutschunterricht mal nach Lehrstoffen zu suchen, die dieser Tatsache gerecht werden. Also nicht nur Weimarer Klassik. Sondern Karl May als Beispiel für den deutschen Orientalismus des Kaiserreiches. Und "Die vierzig Tage des Musa Dagh" von Franz Werfel als Beispiel deutsch-jüdischer Kultur und gleichzeitige geschichtspolitische Provokation für Sohn bzw. Tochter des einen oder anderen "Grauen Wolfes".
Und Sarrazin, um sich gemeinsam über ihn lustig zu machen. Etwa so:
