Allgemeiner Politikthread

Hier gehört alles rein, was nichts mit dem Thema Spiele zu tun hat.

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Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Wenn du dich nicht damit auseinandersetzen willst, bitte, niemand zwingt dich.
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

ch glaube, Almalexian, dass du den Begriff der abstrakten Gefahr im hier entscheidenden Rechtssinne nicht verstanden hast
Verstanden schon, denke ich jedenfalls. Aber abstrakte, theoretische Gefahren schätze ich im Allgemeinen geringer ein als tatsächliche, praktische Vorteile durch die Erlaubnis.

Bzgl. der Beurteilung: Inweiweit ein Lehrer da möglicherweise Vorurteile vorgesetzt bekommt muss er selbst einschätzen. Es sollte klar sein dass nur durch das Tragen eines religiösen Symbols jemand a) keine extrem religiösen Ansichten vertreten muss und b) jemand bei seinen Bewertungen trotzdem neutral sein kann. Dass du ersteres bei den Fällen als so gegeben hinnimmst ist im Übrigen ein mittlerweile typisch westlicher Umgang mit Religion. Es sollte mittlerweile allgemein bekannt sein, dass es Tradition und Wert von vielen Frauen aus islamisch geprägten Ländern ist, die Haare mit einem Tuch in der Öffentlichkeit zu verbergen und sie nur innerhalb der Familie offen zu zeigen. Man mag das finden wie man will, aber für sie ist es nunmal ähnliche Normalität wie die Brüste zu bedecken und wer sind wir dass wir ihnen vorschreiben dürfen welche Körperstellen sie uns zeigen und vorenthalten müssen? Da muss kein starker persönlicher Glaube hinterstehen und ähnlich verhält es sich mit Kippas und Kreuz-Kettchen. Für andere Menschen sind dies Stücke die zu ihrer Identität gehören und bei denen man nicht zwangsläufig von starken religiösen Gefühlen, die andere Meinungen und Religionen ausschließen, ausgehen muss.
Kein Lehrer ist davor gefeit dass man seine Beurteilungen als unsachlich motiviert ansieht und jedem Schüler steht es frei entsprechend Klage dagegen zu erheben. Wir können nicht, nur damit kein Zank darum entsteht und tatsächlich unsachlich motivierte Bewertungen möglichst nicht als solche erkannt werden, den Lehrern so etwas verbieten. Maximal kann man es anraten. Wenn der Schulfriede dadurch erheblich gestört wird darf man ja weiterhin Sonderregelungen erlassen, aber nur auf Verdacht, um Dispute zwischen Schülern und Lehrern unbedingt zu vermeiden, egal welche Rechte und Prinzipien man dabei über Bord schmeißt, ein solch konstruierter, theoretischer und wie du richtig sagtest abstrakter Fall als Gesetzesgrundlage ist falsch.
Deine Hinweise auf andere Probleme mit der Säkularität haben hier nichts verloren. Wie es nunmal so kommt, geht es bei Gerichtsentscheidungen (auch beim BVerfG) um jeweils einen einzelnen Streitpunkt. Nur weil es an vielen Stellen weitaus schlimmere, wie ich finde geradezu gravierende Probleme mit staatlicher Säkularität gibt, wird der hier diskutierte Problempunkt noch lange nicht kleiner.
Doch, denn es macht einige der Argumente hier nichtig. Wie kann man davon ausgehen dass die Schüler dadurch vielleicht unsachgemäß beeinflusst werden wenn es schon an anderer Stelle ganz klar passiert? Ist in etwa so wie bei einem Opfer einer Messerstecherei eine momentan im Umkreis grassierende Grippewelle für den Tod zu vermuten.

Hätte, vielleicht, könnte sind für mich in dem Fall keine Argumente. Wenn klar werden sollte dass diese Symbole durchaus Potential für religiöse Indoktrinierung haben kann man nochmal diskutieren, aber bei dem Wust an Prägungsmöglichkeiten brauch man nicht über die theoretischen Auswirkungen eines Details streiten.
Die Bevorzugung des § 57 Abs. 4 Satz 3 des Schulgesetzes NRW, der christliche bzw. abendländische Symbole privilegierte, ist auch meiner Auffassung nach völlig zurecht gekippt worden. Ich verstehe nicht, warum du nun mehrmals hintereinander das Thema Fremdenfeindlichkeit bei mir thematisieren wolltest... wir können meinetwegen die Debatte auch komplett auf Kreuze beschränken, das macht für mich keinen Unterschied.
Mir ging es dabei darum auszusagen warum ich diesen Paragrafen nicht als Sonderstellung des Christentums, sondern als Diskriminierung des Islams aufgefasst habe, wo wir ja konträrer Ansicht waren. Eben weil ich Fremdenfeindlichkeit aus genannten Gründen dahinter vermute. Aber ob nun Privileg oder Diskriminierung, wichtig ist mir dass er zurecht gekippt wurde.
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Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Zur "Identität gehören" schließt starke religiöse Gefühle nicht aus, da diese Teil der Identität sind. Und dein Argument, solcherlei Symbole seien kein Ausdruck extrem starker religiöser Gefühle ist lächerlich. Welchen Grund gibt es sonst, ein religiöses Symbol während der Arbeit auch entgegen von Ratschlägen (bei heutiger Rechtslage bleibt es dabei) nicht ablegen zu wollen? Ich kann keinen erkennen.

Und du rätst Schülern wirklich dazu, Klage zu erheben? Das ist extremst blauäugig. Du bist mit der Rechtslage nicht vertraut... Gerade das Schulrecht (übrigens auch Hochschulrecht) ist durchsetzt mit Tatbestandsmerkmalen, die Richter nur im extrem eingeschränkten Maße kontrollieren können (und dürfen), weil den staatlichen Institutionen aus Praktikabilitätsgründen ein recht großer Spielraum eingeräumt ist... ein Lehrer, der vernünftig formulieren kann, wird auch aus unzulässigen Gründen eine Arbeit innerhalb seines Spielraums schlechter als eigentlich möglich bewerten können, ohne dass das Konsequenzen hätte. Nicht VIEL schlechter, aber schlechter (oder besser).

Ich nehme aus deinem Text die Quintessenz mit:

Für dich ist neutral, was nicht extremistisch-indoktrinierend ist. Da werden wir auf keinen gemeinsamen Nenner mehr kommen. Für mich hört Neutralität auf, wo Assoziationen möglich sind.

Es geht nicht in erster Linie darum "Dispute zu vermeiden", sondern sich nicht nur neutral zu nennen, sondern auch neutral zu präsentieren. Jemand nannte es hier "Prinzipienreiterei", aber dieser Ausdruck ist für mich ein Totschlagargument. Unser ganzer Rechtsstaat, unsere Werte und Grundrechte fußen auf "Prinzipienreiterei". Trennung von Religion und Staat ist ein solches Prinzip, das untrennbar mit Rechtsstaatlichkeit verbunden ist.
Ist in etwa so wie bei einem Opfer einer Messerstecherei eine momentan im Umkreis grassierende Grippewelle für den Tod zu vermuten.
Was soll das bitte bedeuten?

Du relativierst dieses Problem hier indem du auf größere Probleme hinweist... wie drüben im News-Forum die Leute, die behaupten: "Frauen hier in Europa benachteiligt? Stimmt doch gar nicht, schaut doch nach Indien etc!"
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Zur "Identität gehören" schließt starke religiöse Gefühle nicht aus, da diese Teil der Identität sind. Und dein Argument, solcherlei Symbole seien kein Ausdruck extrem starker religiöser Gefühle ist lächerlich. Welchen Grund gibt es sonst, ein religiöses Symbol während der Arbeit auch entgegen von Ratschlägen (bei heutiger Rechtslage bleibt es dabei) nicht ablegen zu wollen? Ich kann keinen erkennen.
Hast du meinen Absatz über die kulturelle Normalität des Kopftuchs nicht gelesen?
Und du rätst Schülern wirklich dazu, Klage zu erheben? Das ist extremst blauäugig. Du bist mit der Rechtslage nicht vertraut... Gerade das Schulrecht (übrigens auch Hochschulrecht) ist durchsetzt mit Tatbestandsmerkmalen, die Richter nur im extrem eingeschränkten Maße kontrollieren können (und dürfen), weil den staatlichen Institutionen aus Praktikabilitätsgründen ein recht großer Spielraum eingeräumt ist... ein Lehrer, der vernünftig formulieren kann, wird auch aus unzulässigen Gründen eine Arbeit innerhalb seines Spielraums schlechter als eigentlich möglich bewerten können, ohne dass das Konsequenzen hätte. Nicht VIEL schlechter, aber schlechter (oder besser).
Ich habe keinem Schüler dazu geraten, sondern jedem das Recht eingeräumt gegen unfaire Behandlung vorzugehen. Mag sein dass das nicht der gelebten Realität entspricht und Lehrer in gewissen Grenzen unsachlich sein können ohne dass dies belangt werden kann, aber meinem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit entspricht das nicht.
Für dich ist neutral, was nicht extremistisch-indoktrinierend ist. Da werden wir auf keinen gemeinsamen Nenner mehr kommen. Für mich hört Neutralität auf, wo Assoziationen möglich sind
Da hast du mich etwas undifferenziert verstanden:

Für mich ist etwas in dem Fall kein wirkliches Problem wenn es weder gegen Neutralität bzw. Säkularismus verstößt noch indoktrinierend ist. Dass es nicht indoktriniert und wenn doch wir an anderen Stellen ansetzen müssen sollte ich mittlerweile zur Genüge dargelegt haben. Und mit Verlaub aber deine Grenzziehung von Neutralität ist naiv. Gewisse Assoziationen sind von Einzelnen immer möglich, man kann nie ausschließen dass einige Dinge von manchen so aufgefasst werden wie sie es werden. Der eine sieht in dem Kopftuch ein religiöses Symbol, der andere eine schöne traditionelle Bekleidung die dem heutigen Sittenverfall entgegenstellt, der Dritte eine Unterdrückung der Frau, der Vierte ein kulturelles Markenzeichen, der Fünfte ebenso aber ist zufällig ein Nazi und würde die Frau dafür am liebsten verprügeln. Wenn ich selbst ein Kleidungsstück anziehe, obs nun das Kopftuch, das Kruzifix, die Marken-Jeans, oder der Poncho ist, fordere ich damit nicht automatisch jemanden dazu auf, sich Gedanken darum zu machen oder sich in irgendeiner Weise zu kümmern. Tut er es doch, ist es sein Bier und was ihm dazu einfällt liegt nur in einem begrenzten Rahmen in meinem Handlungsbereich. Es ist nicht die Verantwortung desjenigen seine Kleidung so zu wählen dass niemand damit irgendwas assoziieren kann, auch nicht wenn derjenige zufällig in einer Position beim Staat arbeitet, denn seine Kleidung ist seine persönliche Sache die vom Staat weder vorgegeben noch verboten wird, als solche nicht als Darstellungsfläche oder Repräsentation des Staates gesehen werden kann.
Was soll das bitte bedeuten?
Dass wir unter den Bergen von anderer, eindeutiger Indoktrination nicht zweifelsfrei feststellen können dass in jenem Fall ein Kruzifix dafür verantwortlich war. Relativieren tue ich hier nichts, nur über die sehr trübe Sachlage aufklären die momentan nicht klarer zu bekommen ist.
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Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Almalexian hat geschrieben:Es ist nicht die Verantwortung desjenigen seine Kleidung so zu wählen dass niemand damit irgendwas assoziieren kann, auch nicht wenn derjenige zufällig in einer Position beim Staat arbeitet, denn seine Kleidung ist seine persönliche Sache die vom Staat weder vorgegeben noch verboten wird, als solche nicht als Darstellungsfläche oder Repräsentation des Staates gesehen werden kann.
Seine Kleidung ist eben nicht zu 100% seine persönliche Sache, wenn er für den Staat arbeitet... ich weiß nicht, wie du auf den Trichter kommst, Lehrer würden den Staat nicht repräsentieren, denn an diesem Punkt hängst du dich nun schon seit einigen Posts auf. Lehrer sind nach außen handelnde Exekutivbeamte (oder traurigerweise immer öfter Exekutivangestellte).

Beleuchtung von einer anderen Seite:
Was der Lehrer im Rahmen seiner Arbeitsausführung anstellt, fällt in den allermeisten Fällen im Endeffekt auf das Land zurück. Werden z.B. Schäden (wie auch immer geartet) verursacht, so haftet er idR nicht persönlich, sondern der Träger der Schule. Lehrer sind Organe der öffentlichen Verwaltung, und da haben Religionsbekundungen nunmal nichts verloren.

Und da du dich partout nicht vom Spezifikum Kopftuch lösen möchtest, hier mal eine juristische Betrachtungsweise:
Die "kulturelle Normalität" des Kopftuches... das würde rechtlich lediglich bedeuten, dass ein Kopftuch unter Umständen nicht mehr den Begriff der Religionsbekundung zu subusmieren ist und damit schon gar nicht (auch nicht als abstrakte Gefährdung) von § 57 Abs. 4 Satz 1 erfasst werden kann. Das ist eine Frage wertender Betrachtung... dafür erforderlich ist aber, dass sich das Kopftuch im örtlichen Geltungsbereich des Schulrechts nachweislich als eigenständiger Kleidungsgebrauch ohne eindeutigen Religionsbezug etabliert hat... ähnlich Röcken/Kleidern, die ursprünglich auch mit Religionsausübung (Keuschheit) verbunden waren. Und das liegt hier (noch) nicht vor.

Außerdem finde ich nicht, dass sich das Darstellen religiöser Symbole so verharmlosen lässt im Sinne von es werde keine Präferenz ausgedrückt... es wird nämlich eine weltanschauliche Präferenz ausgedrückt, nämlich die des Lehrers, dh. während der Arbeit die des Verwaltungsorgans. Man weiß, der Lehrer könnte sich für jede mögliche Religion oder auch Religionslosigkeit entscheiden, aber trotzdem nimmt er sich eine heraus, gesteht ihr also in irgend einer Form einen höheren Wert zu. Letzten Endes hat jeder Mensch dort eine Präferenz (es ist unmöglich, da keine zu haben), aber während man den Staat, der als juristisches Gebilde gerade eben keine hat, als dessen Organ repräsentiert, hat man seine persönliche Präferenz nicht nach außen dringen zu lassen, wenn andere diese mit eben dem Staat assoziieren können.
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Seine Kleidung ist eben nicht zu 100% seine persönliche Sache, wenn er für den Staat arbeitet
Zumindest im Bereich religiöser Symbole hat das Bundesverfassungsgericht nach geltendem übergeordnetem Recht entschieden dass diese der freien, persönlichen Entscheidung unterliegen. Wenn dies so den Lehrern gegeben ist kann man die religiösen Symbole nicht als staatliche Repräsentation sehen, denn die Lehrer haben keine Auftrag mit ihrer zunächst einmal nichts klar aussagenden Kleidung in irgendeiner Form den Staat zu repräsentieren. Sie mögen das ansatzweise bei der Vermittlung von Lehrinhalten tun, wer das aber auf alles bezieht was ein Lehrer so macht und wie er sich gibt hat den Sinn der Nicht-Uniformität bei Lehrern und der Laissez-faire Haltung in dem Bereich nicht verstanden. So komme ich auf den Trichter.
Lehrer sind Organe der öffentlichen Verwaltung, und da haben Religionsbekundungen nunmal nichts verloren.
Wieso nicht? Es ist dein gutes Recht dieser Meinung zu sein, aber weder entspricht sie der momentanen Rechtsauffassung noch hilft sie in irgendeiner Weise Neutralität oder Säkularität. Du musst anerkennen dass der Staat aus Personen besteht die anders als seine juristischen Elemente Persönlichkeit und Meinungsvielfalt haben. Wenn sie diese ausleben darf man nicht automatisch davon ausgehen, dass der ganze Staat das so sieht, das für jeden einzelnen Beamten zu machen wäre so fahrlässig wie verwirrend. Im Falle von Lehrern sind die von ihnen vermittelten Lehrinhalte möglichst repräsentativ für den Staat und im Regelfall geht es nur um diese. Aber das was der Lehrer anzieht gehört nicht zu den Unterrichtsinhalten und solange es stumm vor sich hin existiert sollte niemand daran Anstoß nehmen. Genauso könnte man sich auch einen Klassendiskurs mit unterschiedlichen Meinungen und Argumenten vorstellen wo der Lehrer nicht repräsentativ, sondern persönlich Stellung bezieht um den Schülern durch seine Persönlichkeit das Diskutieren näher zu bringen. Ein Lehrer ist in seiner Dienstzeit nicht immer 100% für den Staat repräsentativ und diese Differenzierung hat das Urteil bestätigt. Ich verstehe nicht wieso du durch strengere Regeln die Freiheiten der Lehrer beschränken und eine andere Denkweise forcieren willst. Was soll das bringen außer die Rechtssprechung deinem Verständnis von Repräsentation anzupassen.
Und das liegt hier (noch) nicht vor
Ist da so? Wo steht denn dass das Koptuch allgemein als religiöses Symbol zu sehen ist (PS, schonmal ne osteuropäische Oma gesehen?) und ein Rock (zu deren Tragen auch einige Religionen in Deutschland aufrufen) ein ganz normales Kleidungsstück ist? Mit welchen Argumenten kann man diese Trennung vornehmen? Für mich ist das nicht so in Stein gemeißelt.
aber während man den Staat, der als juristisches Gebilde gerade eben keine hat, als dessen Organ repräsentiert, hat man seine persönliche Präferenz nicht nach außen dringen zu lassen, wenn andere diese mit eben dem Staat assoziieren können.
Tut mir leid, aber das ist mir zu schwach. Nur weil einige Betonköpfe meinen alles was die Beamten so machen sei offizielle Haltung des Staates soll man also die Dinge soweit verbieten dass keine Assoziationen mehr möglich sind? Wo soll man denn die Grenze ziehen, reicht es wenn 3 von 24 Schülern den Lehrer in der Stadt bei Primark einkaufen sehen und einer daraus schließt der Staat würde Sklavenarbeit unterstützen, muss man dann den Lehrern verbieten wo sie einkaufen gehen? Oder erst wenn der Philosophieschüler nach der Stunde noch mit dem Lehrer diskutiert und anschließend die seiner Meinung nach unsachliche Meinung des Staates zu Kants kategorischem Imperativ anprangert?
Wer nicht in der Schule zwischen persönlichen Ansichten und offiziellen Statements des Staates differenzieren kann obwohl die logischen Begründungen dafür vorhanden sind, dem muss man ebenjenes allein für andere Situationen beibringen. Niemand hat das Anrecht darauf im Unterricht eine Biomasse mit oktroyierten Verhaltens- und Darstellungsregeln vorzufinden die jederzeit als Repräsentant des deutschen Staates, für Schüler oder Auslandsgäste, taugen kann. Es ist schlicht nicht die Aufgabe des Staates bei jedem seiner vielen Angestellten alle möglichen Assoziationen zu verbieten und es ist auch nicht real durchsetzbar. Der Staat sorgt mit seinen Regeln dafür dass klar ist was als repräsentativ angesehen werden kann und was nicht, und es ist einfach ein Ding der Logik dass wenn der Staat seinen Angestellten keine Kleidungsvorschriften macht, diese Kleidung nicht für den Staat repräsentativ sein kann. Es gibt da ein paar Sonderfälle wie die besagten Sticker mit Schriftzug die in den Bereich Werbung fallen, repräsentativ wären diese aber auch nicht. Das muss man einfach so hinnehmen und wenn man das schafft besteht auch kein handlungsbedarf das Gesetz zu ändern.
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Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Das Ergebnis des Urteils des BVerfG in einer Diskussion, die sich gerade um die Richtigkeit dieser Entscheidung dreht, als Autorität anzuführen, ist zirkulär.

Lehrer sollten tatsächlich nicht explizit persönlich Stellung in Fragen politischen oder religiösen Inhalts beziehen (außerhalb des Religionsunterrichts, für den andere Grundsätze gelten und wo an Lehrer ganz andere Ansprüche bestehen, auch nach vorher geltendem Recht), auch nicht in Diskussionen. Und gute Lehrer werden dies auch nicht tun. Selbstverständlich wird man nicht verhindern können, dass evtl. eine Ansicht indirekt durchscheint, ganz ausschalten kann man sein eigenes Unterbewusstsein schließlich nicht, aber ausdrückliche Positionsbeziehung hat nichts im Unterricht verloren, und das gilt für Religion ebenso wie für Politik. Die allermeisten meiner Lehrer haben das auch so recht souverän gehandhabt. Die Rechtsprechung meinem Verständnis von Repräsentation anzupassen? Nun, vielleicht weil in meinen Augen das weite Verständnis staatlicher Repräsentation das rechtlich richtige Verständnis ist?

Ein Lehrer hat für meine Begriffe auch nach der Stunde (denn er befindet sich dann noch immer in der Schule -dort und nur dort ist er repräsentativ- und hat sein Verhalten immer noch nach dem SchulG auszurichten) keine persönliche Stellungnahme abzugeben, die politisch oder religiös nicht neutral ist. Wenn er privat mit Schülern darüber reden möchte, muss er dies außerhalb der Schule tun. Gleiches gilt für Einkaufen bei Primark: außerhalb der Schule ist der Lehrer nicht repräsentativ, sondern als Privatperson unterwegs. Auch "normale" Verwaltungsbeamte dürfen sich etwa privat etwa für Pegida-Bewegungen einsetzen, solange ihre Meinung zurückgehalten wird, wenn sie am nächsten Tag eine Anmeldung einer Anti-Pegida-Versammlung zu bearbeiten haben (nur um mal ein praktisch anschauliches Beispiel zur Hand zu haben).

Treiben wir das ganze mal auf die Spitze:
Was hindert nun einen Lehrer daran, etwa eine Kette mit umgedrehten Kreuz zu tragen (mal abgesehen davon, dass die konservativen deutschen Verwaltungsrichter darin lächerlicherweise garantiert eine konkrete Gefahr sehen würden), und wie würde das auf etwa religiöse Schüler wirken? Oder ein Piratentuch (als religiöses Erkennungszeichen für Mitglieder der Kirche des fliegenden Spaghettimonsters und damit ein eindeutig atheistisches Symbol)? Diese Zeichen sind nicht weniger religiös als Kreuze oder Kopftücher und auch nicht mehr als abstrakt gefährlich.

Das Tragen von Röcken etwa lässt sich statistisch klar von Religion trennen (auch wenn ich dazu keine Quellen habe, bin ich mir trotzdem zu 100% sicher, dass eine hypothetische Umfrage dies bestätigen würde), während das beim Tragen von Kopftüchern (noch) nicht der Fall ist, auch hier bin ich mir zu 100% sicher, dass die überwältigende Mehrheit von Kopftuchträgerinnen in einer Umfrage dafür religiöse Gründe anführen wird. Das zeigt sich auch darin, dass alle Klagen gegen Kopftuchverbote auf Art. 4 und nicht Art. 2 fußten (die auch meiner Meinung nach offensichtlich gegebene Verletzung des allg. Gleichheitssatzes außer Acht gelassen). Sollte das Gegenteil nachgewiesen werden, besteht kein Grund mehr zur dieser Diskussion, denn dann würden Kopftücher nicht mehr als religiöse Symbole gelten und wären nicht mehr Gegenstand des SchulG.
Das muss man einfach so hinnehmen und wenn man das schafft besteht auch kein handlungsbedarf das Gesetz zu ändern.
Ja, einfach so hinnehmen war schon immer eine gute Einstellung zu Problemen...

Und das Gesetz will niemand ändern. Das Gesetz (von der Bevorzugung des Christentums und abendländischer Religionssymbolik in § 57 Abs. 4 Satz 3 abgesehen) wurde auch nicht beanstandet. Lediglich die nun vom BVerfG verbotene Gesetzesauslegung, wonach für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der "Gefährdung" des § 57 Abs. 4 Satz 1 eine abstrakte Gefahr nicht hinreichend ist, wird hier von mir kritisiert.
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Nun, vielleicht weil in meinen Augen das weite Verständnis staatlicher Repräsentation das rechtlich richtige Verständnis ist?
Du willst also ohne irgendeine praktische Notwendigkeit oder einen Nutzen die Rechte von Bürgern einschränken damit es mehr in deine Vorstellung von Repräsentation passt? Schonmal drüber nachgedacht dass du auch einfach deine Draufsicht auf Lehrer der momentanen Rechtssprechung anpassen könntest und gut is? Erkenntnisgewinn tut niemandem weh und elementare Rechte aufzugeben nur weil jemand meint dass das irgendwie anders sein soll, ohne jeden Nutzen...

Ich bin froh dass das Bundesverfassungsgericht in der Hinsicht Weitsicht bewiesen hat.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Almalexian hat geschrieben:
Nun, vielleicht weil in meinen Augen das weite Verständnis staatlicher Repräsentation das rechtlich richtige Verständnis ist?
Du willst also ohne irgendeine praktische Notwendigkeit oder einen Nutzen die Rechte von Bürgern einschränken damit es mehr in deine Vorstellung von Repräsentation passt? Schonmal drüber nachgedacht dass du auch einfach deine Draufsicht auf Lehrer der momentanen Rechtssprechung anpassen könntest und gut is? Erkenntnisgewinn tut niemandem weh und elementare Rechte aufzugeben nur weil jemand meint dass das irgendwie anders sein soll, ohne jeden Nutzen...

Ich bin froh dass das Bundesverfassungsgericht in der Hinsicht Weitsicht bewiesen hat.
Meine Rechtsauffassung ist keine Frage des Wollens. Ich komme nach meiner persönlichen rechtlichen Bewertung zu dem Schluss, dass es sich um Staatsrepräsentation handelt, u.A. aus den oben genannten Gründen. Nicht weil ich das so will, sondern es rechtslogisch ist, die besseren Argumente für diese Ansicht sprechen.

Und nach diesem Verständnis sehe ich in dem Tragen religiöser Symbole die abstrakte Gefahr für die Neutralität des Staates... und damit ist die praktische Notwendigkeit gegeben.

Aber ich sehe schon, du willst mich in eine bestimmte Ecke stellen, argumentierst immer ad personam und nicht ad rem, auf Sachargumente gehst du kaum noch ein. Damit hat sich auch diese Angelegenheit erledigt.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Meine Rechtsauffassung ist keine Frage des Wollens. Ich komme nach meiner persönlichen rechtlichen Bewertung zu dem Schluss, dass es sich um Staatsrepräsentation handelt, u.A. aus den oben genannten Gründen. Nicht weil ich das so will, sondern es rechtslogisch ist, die besseren Argumente für diese Ansicht sprechen.
Das einzige was ich bzgl. deiner Auffassung gehört habe war dass du es so auffasst. Mein Argument war, dass solange der Staat den Lehrern es ihrer persönlichen Entscheidung überlässt wie sie sich kleiden, man nicht annehmen kann dass diese Kleidung den Staat repräsentiert, denn sonst müsste ja eine entsprechend verbindliche Regelung dahinterstehen die es nicht gibt. Anders sieht es bspw. bei den Lehrplänen aus, die sind vom Staat vorgegeben und können als repräsentativ gesehen werden. Für meine Begriffe ist das eine logische Betrachtungsweise. Was kannst du jetzt dagegen erwidern?
Und nach diesem Verständnis sehe ich in dem Tragen religiöser Symbole die abstrakte Gefahr für die Neutralität des Staates... und damit ist die praktische Notwendigkeit gegeben.
Eine abstrakte Gefahr ist für mein Verständnis eine Gefahr die nach bisherigem Kenntnisstand nicht existiert und dies nur in theoretischen Gedankenspielen tut. Echt ne tolle Begründung um Bürgerrechte einzuschränken. Mit der gleichen Argumentation müssten wir die Holzwirtschaft überdenken weil die abstrakte Gefahr besteht dass Bäume doch Schmerzen empfinden. So kommt deine Gefahr jedenfalls bei mir rüber.
Aber ich sehe schon, du willst mich in eine bestimmte Ecke stellen, argumentierst immer ad personam und nicht ad rem, auf Sachargumente gehst du kaum noch ein. Damit hat sich auch diese Angelegenheit erledigt.
Jetzt komm mal wieder runter, wo hab ich dich denn irgendwo in ne Ecke gestellt? Ich ziehe hier logisch Schlüsse für die Nichtrepräsentanz von individueller Lehrerbekleidung (Gegenargumente fehlen nach wie vor) und bezweifle die auch von dir als theoretisch bezeichnete Gefahr die es rechtfertigen soll ein Bürgerrecht einzuschränken. Wo immer Rechte eingeschränkt werden muss dies in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gut begründet und als notwendig erachtet sein. Theoretische Gefahren finde ich dafür eben zu schwach, bin ich deswegen unsachlicher oder unfair?
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Almalexian hat geschrieben:
Jetzt komm mal wieder runter, wo hab ich dich denn irgendwo in ne Ecke gestellt? Ich ziehe hier logisch Schlüsse für die Nichtrepräsentanz von individueller Lehrerbekleidung (Gegenargumente fehlen nach wie vor) und bezweifle die auch von dir als theoretisch bezeichnete Gefahr die es rechtfertigen soll ein Bürgerrecht einzuschränken. Wo immer Rechte eingeschränkt werden muss dies in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gut begründet und als notwendig erachtet sein. Theoretische Gefahren finde ich dafür eben zu schwach, bin ich deswegen unsachlicher oder unfair?

Es geht im Präzedenzfälle. Vor allem wenn du hochtrabend eine Kleidungseinschränkung als Einschränkung des Bürgerrechtes definierst, frage ich mich wie Arbeitgeber es wohl hinkriegen zu verlangen das ihre Mitarbeiter Hemd und Anzug im Büro tragen müssen. Ich glaube gerade wenn du Wiggenz hier mehr oder weniger vorwirfst aus der Mücke einen Elefanten zu machen...dünn auftragen tust du hier auch nicht. :wink:
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Pyoro-2 »

Das aber doch iwo genau der Punkt:
Im Ergebnis gilt es hier zwei Rechte in Einklang zu bringen, die am Arbeitsplatz aufeinander treffen: Zum Einen hat der Arbeitnehmer das Recht sich seinem persönlichen Geschmack entsprechend zu kleiden, zu schminken und sonst wie zu verzieren. Der Arbeitgeber hat seinerseits das sogenannte Weisungsrecht, wonach er die Leistungspflicht des Arbeitnehmers hinsichtlich des Inhalts, Ortes und Zeit der Arbeit bestimmen kann. Hierunter fällt aber regelmäßig auch das Recht, über die Kleidung und das Erscheinungsbild des Arbeitgebers bestimmen zu dürfen.

Das Recht des Arbeitnehmers auf einen eigenen Stil endet immer dort, wo der Arbeitgeber ein begründetes Interesse daran hat, auf diesen Einfluss zu nehmen. Der Dresscode der UBS dürfte danach nicht durchgehen. Werden aber zum Beispiel durch eine schlecht sitzende Unterhose die Kollegen, das Arbeitsergebnis oder womöglich Außenstehende gefährdet, darf der Arbeitgeber dem entgegenwirken und das Tragen von ungefährlicheren Unterhosen bestimmen. Mit der Farbe der Unterwäsche hat das aber kaum etwas zu tun. Aus demselben Grund dürfen zum auch Kfz-Mechaniker am Arbeitsplatz keine Ketten oder Ringe oder Piercings tragen. Zu gefährlich – sie könnten irgendwo hängen bleiben. Für den Arbeitnehmer heißt das im Umkehrschluss: Solange meine Kleidung meine Arbeitsleistung nicht oder nur sehr unerheblich beeinflusst, kann der Arbeitgeber mir auch nicht an die Wäsche gehen.
Im rechtlichen Sinne durchsetzbar ist nur, was auch begründet werden kann. Man kann natürlich in der Praxis argumentieren, dass dadurch, dass der Arbeitgeber am längeren Hebel setzt, wahrscheinlich mehr umgesetzt wird als rechtlich verpflichtend wäre, aber das ja wohl nix, was der Staat so auch praktizieren sollte.

Und das bleibt dann immer noch beim gleichen Problem: das Verbot ist letztlich unbegründet, zumindest auf rationaler Ebene. ^^
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Vor allem wenn du hochtrabend eine Kleidungseinschränkung als Einschränkung des Bürgerrechtes definierst, frage ich mich wie Arbeitgeber es wohl hinkriegen zu verlangen das ihre Mitarbeiter Hemd und Anzug im Büro tragen müssen
Weils wiederum deren Recht ist, es einzuschränken. Ansich hat der Staat auch das Recht dazu, das will ich gar nicht infrage stellen. Nur hat man bei einem nicht-privaten Arbeitgeber wie dem Staat als Bürger ein gewisses Mitspracherecht und wenn auch bei anderen Arbeitgebern es nur nach deren Gusto laufen mag, für den Staat trifft das nicht zu.
johndoe981765
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von johndoe981765 »

Heute mal wieder ein aufflammen von guter Gewalt in Frankfurt. :)
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

guter Gewalt
Was ist daran bitte gut? Wieso verteidigst du schon wieder Extremismus?