ColdFever hat geschrieben:
Wenn Du auf meine Schulzeit ansprichst, sicher nicht, das liegt schon lange zurück. Aber heute liegen eben gerade Videospiele ganz oben auf der sozialen Einfluss- und Rangskala. Wenn Du es nicht glaubst, sprich selbst mit 10-12jährigen. Kinder dieser Altergruppe ahmen das nach, was sie beeindruckt, um es zu verarbeiten und in ihr Sozialverhalten zu integrieren. Und GTA soll sogar manch Erwachsene ungemein beeindrucken. Wer also meint, dass GTA den Sprößlingen nicht schaden kann oder sich gar nicht erst Gedanken darüber machen will, sollte sich später nicht wundern, wenn er irgendwann von Lehrern in die Schule gerufen wird, die zunehmend unruhige und kaum mehr sozialisierbare Kinder oft kaum noch in den Unterricht integrieren können. Dafür gibt es natürlich viele Gründe, wie z.B. auch Bewegungsmangel und falsche Ernährung. Oft ist es leider das das "giftige" Leben der Eltern in seiner Gesamtheit, das auch deren Kinder vergiftet. Aber die betreffenden Eltern schimpfen dann manchmal lieber auf die "unfähigen Lehrer", statt Gründe auch bei sich selbst zu suchen und etwas zu ändern.
Ich will lieb sein, versprochen.
Du hast mit dem, was du sagst sicherlich recht. Natürlich ist das Spiel nichts für Kinder, vor allem nicht die von dir so scharf kritisierte Folterszene, aber auch der Rest des Spiels besteht zu großen Teilen aus Gewalt und nur aus Gewalt und nichts anderem, wenn man es darauf anlegt. Dass das alles nichts für Kinder ist, ist klar.
Dass es ebenso Probleme in vielen Haushalten auf der ganzen Welt gibt, in denen Eltern ihre Aufsichtspflicht vernachlässigen und ihre viel zu jungen Kinder GTA zocken lassen, brauchen wir auch nicht zu diskutieren.
Wenn man nun aber großflächig einschreitet und beispielsweise den Vertrieb des Spiels in, sagen wir, Deutschland einschränkt, die Folterszene entfernen lässt oder sonstwas in der Richtung, dann sind wir wieder am selben Punkt, an dem wir vor 10 Jahren waren, bevor das Jugendschutzgesetz reformiert wurde.
Als man als Erwachsener in Half-Life auf Roboter geschossen hat, wodurch die ganze Atmosphäre an einigen Stellen kompromittiert wurde. Als man sich Spiele in ihrer Originalfassung importieren musste. Natürlich schränkt das wieder die Menge an Kindern ein, die mit diesem Spiel in Berührung kommen. Gleichzeitig schränkst du aber auch die künstlerische Freiheit ein und gibst deinen erwachsenen, Videospiele konsumierenden Bürgern das Gefühl, bevormundet zu werden. Das JuSchG wurde ja damals unter anderem deswegen reformiert, weil es einfach nicht in Ordnung war und die Einschnitte mit denen Erwachsene hier leben mussten scharf an der Grenze waren, gegen den Artikel 5 unseres Grundgesetzes zu verstoßen ("Eine Zensur findet nicht statt"). Dazu kommt, dass Videospiele wie du weißt zu einem der umsatzstärksten Zweige der Unterhaltungsindustrie geworden sind.
Allein dadurch sollte auch die Politik daran interessiert sein, Deutschland zu einem attraktiven Markt zu machen Was für ausländische Publisher dann wieder unattraktiv wird, wenn sie wie früher immer Extrawürste programmieren (und bezahlen) müssen.
Es gibt eine gesetzlich bindende Altersfreigabe für Videospiele. Wenn da "keine Jugendfreigabe" drauf steht, dann bedeutet das auch: nur für Erwachsene und wenn jemand dagegen verstößt macht er sich Strafbar.
Der Haken ist, dass in unserem Gesetz auch steht, dass der Staat sich nicht in solche "Lapalien" einmischen darf, wie wenn die Eltern dem Kind ein Videospiel kaufen, das nicht für sein Alter freigegeben ist. Wir reden hier nicht von schlagen oder verwahrlosen lassen oder sowas, wo dann das Jugendamt unter bestimmten Bedingungen einschreiten darf. Wir reden davon, dass die Eltern argumentieren können, sie kennen ihr Kind am besten und wissen, was das richtige für es ist. Und bei verantwortungsvollen, aufgeklärten Eltern ist das auch so.
Aber nicht alle Eltern schauen sich an, was ihr Kind da zockt. Was es im TV guckt, welche DVDs es von Freunden gebrannt bekommen hat.
Das ist aber einfach so. Daran kannst du nichts machen. Du kannst versuchen, aufzuklären, aber jeder der täglich mit fremden Menschen arbeitet wird dir sagen können, dass es einfach Leute gibt, die nichtmal die einfachsten Dinge verstehen. Ganz ohne Sarkasmus. Es gibt einfach Menschen, die so einfach gestrickt sind, so ungebildet und so wenig Auffassungsgabe haben, dass sie ihre Umwelt nur in einem ganz kleinen Rahmen verstehen. Das meine ich keineswegs abwertend. Viele dieser Menschen sind sehr freundlich.
Natürlich kann man fragen ob es überhaupt nötig ist, sowas zu programmieren. Aber dann muss man sich auch fragen, ob es nötig ist, solche Filme (wie Pulp Fiction) zu drehen, solche Serien (wie Breaking Bad), solche Bücher (wie Das Schweigen der Lämmer) zu schreiben, solche Bilder zu malen und solche Songtexte zu schreiben. Wo willst du denn da dann die Grenze ziehen? Die Grenze des guten Geschmacks ist bei jedem Menschen anders. Früher fanden die Leute den Hüftschwung beim Rock'n Roll tanzen geschmacklos. Rock'n Roll einfach nicht mehr machen? Wie sähe unsere Welt dann heute aus? Die Leute lieben "Das Leben des Brian" oder sie finden ihn geschmacklos. Kannst du dir eine Welt ohne
diesen Song vorstellen? :wink:
Der Punkt ist, dass du nichts weiter tun kannst, als das was passiert, ohne irgendetwas zu ersticken. Du kannst staatliche Altersfreigaben machen, Zuwiderhandlung unter Strafe stellen und du kannst an die Vernunft der Eltern appellieren. Oder du kannst die Rechte der Menschen beschneiden. Das Erziehungsrecht, das Recht auf künstlerische Freiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Ich wüsste schon, wofür ich mich entscheiden würde.
Weißt du, der Haken ist, dass hier ein sehr komplexes Problem auf einige sehr kleine Nenner heruntergebrochen wird. Man kann da aus verschiedensten Perspektiven kommen und verschiedenste Positionen einnehmen, aber man kann es nie allen recht machen. Man kann einen Kompromiss finden, und das ist mit der Altersfreigabe passiert. Die kann man jetzt ein bisschen in die eine oder die andere Richtung biegen und das war's dann.