Ich muss zugeben, das zweite Video von Frau Sarkeesian nicht gesehen zu haben. Falls es darin, wie von einigen hier unterstellt, nur mehr vom Gleichen aus Teil 1 gibt, ist das vielleicht auch nicht so schlimm. Tendenziell würde ich mich nämlich den Stimmen hier anschließen, die ihre Aussagen zumindest teilweise für aus den Kontexten gerissen, tendenziös oder sogar schlicht falsch halten, allerdings ausdrücklich den eher moderaten Vertretern, die auf persönliche Angriffe verzichten und nicht in irgendeiner Form den Anschein erwecken, in ihrer Gamer-Ehre gekränkt worden zu sein. Begründen würde ich das vor allem mit zwei Punkten:
1. Grundsätzlich verdienen alle gesellschaftlichen Vorgänge eine kritische Betrachtung, insbesondere solche, die das Potential haben, Leid zu verursachen. Eine ungerechte Behandlung, sprich Benachteiligung eines der Geschlechter gehört definitiv zu letzterem, weshalb das Betrachten und Analysieren solcher Ungleichheiten produzierende oder erhaltende Systeme wichtig ist. Problematisch wird es für mich, wenn die Kritik aus einer ideologisch bedenklichen Ecke kommt; wenn beispielsweise rechtsradikale Gruppen ihrerseits Stimmung gegen Pädophile machen, um in einem "rechtsstaatlicherem" Licht zu erscheinen, indem sie ihren Gerechtigkeitssinn gegenüber solchen Menschen propagieren. Dies nur als Beispiel, nicht als Vergleich! Wenn also Feministinnen in kulturellen Dingen gender-kritisch argumentieren, driftet dies meiner Meinung nach oft in einen Lobbyismus und damit verbunden einer ideologischen Instrumentalisierung der Inhalte der Kritik ab. Beides ist mir suspekt. In diesem modernen Feminismus geht es - wie ich meine sogar recht offensichtlich - um die Erlangung von Machtanteilen. Eine Frauenquote z. B. wird für Spitzenpositionen in der Wirtschaft erstritten, nicht aber für Arbeitsplätze im Bergbau. Der Fehler liegt in der ganzen Debatte doch in der Wurzel. Jeder Partei geht es um Macht und Kapital, letzteres eher im bourdieuschem Sinne, also nicht nur auf ökonomisches Kapital bezogen. Die Frage sollte nicht lauten: "Warum dürfen wir nicht wie die Männer machtvolle Positionen nutzen, um diese zur Ausbeutung anderer zu missbrauchen und mehr Kapital zu erzeugen?", sondern: "Warum sollten wir da überhaupt mitmachen wollen?". Und ja, ich weiß, dass ich mich hiermit als Sozialromantiker oute. Fünf Jahre Einblick in wirtschaftliche Zusammenhänge aus kaufmännischer Sicht haben mir gereicht, um jede Position als Bullshit zu enttarnen, die den Begriff des Humankapitals nicht synonym mit einer Abwertung von Menschenrechten verwendet. Wer so etwas für seine Lobby fordert, täte gut daran, besser gar nichts zu fordern. Um Deutungshoheit und Macht geht es auch, wenn Frau Sarkeesian bestimmte positive oder negative Verhaltensmuster und Charaktereigenschaften als männlich oder weiblich deklariert. Aber damit bin ich eigentlich schon beim Punkt
2. nämlich ihrer Argumentation an sich. Es fällt mir kein vernünftiger Grund dafür ein, warum ich platte und klischeehafte Frauenrollen kritisieren sollte, wenn es doch ganz offensichtlich ist, dass ich jedem Beispiel für eine solche weibliche Variante mindestens eines für eine Männliche gegenüberstellen kann. Das ist eine ebenso kurzsichtige Betrachtung der Tatsachen, wie wenn ich bemängeln würde, dass meinetwegen der lila Power-Ranger einen platten Charakter hat, ohne auf die anderen einzugehen. Oder, dass Cartman so schlecht gezeichnet ist, ohne auf den allgemeinen Stil der Serie einzugehen. Hier wurde angemerkt, dass es bei den dämlichen Männerbildern eher so ist, dass diese den gängigen Männerwünschen entsprechen. Zumindest für mich muss ich das ganz entschieden zurückweisen: Nein, ich möchte nicht die Welt retten, lebensgefährliche Rennen fahren, in irgend einer Form Gewalt anwenden oder was weiß ich was. Eben deshalb gehe ich z. B. nicht pumpen und riskiere damit, dass ich in Gefahrensituationen, falls es mir nicht gelänge, mich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, auf die Fresse bekomme. Die ganzen Dinge, die ich in Spielen so gerne mache, feiere ich deshalb dermaßen ab, weil sie etwas ganz anderes darstellen, als ihre Pendants, falls es so etwas überhaupt gibt, in der Realität. Deshalb habe ich auch gar kein Problem damit, weibliche Charaktere, gerne auch echte weibliche Charaktere wie in The longest Journey zu spielen, weil ich sowieso die ganze Zeit Perspektiven einnehme, die anders sind als meine reale. Und ich bitte darum, das jetzt nicht falsch zu verstehen: Ich bin auf jeden Fall für interessantere Geschichten und Charaktere an Stelle der alten Klischees. Obwohl, gegen so einen politisch unkorrekten und sexistischen Duke, Postal-Dude oder Caleb zwischendurch habe ich gar nichts. So lange es genug Alternativen gibt, dient das der Vielfalt. Kurz: Die Kritik an flachen Frauenfiguren ist absolut unangebracht und erweckt außerdem den Anschein von Sexismus, wenn diese nicht im Zusammenhang und gegenseitiger Bedingtheit von ebenso flachen Männerfiguren in idiotischen, klischeeüberhäuften 0815-Storys gesehen wird. Niemand erwartet, dass man das große Ganze analysiert, aber eine bewusste Ausblendung aller der eigenen These entgegenstehenden Tatsachen wirkt dann doch viel zu einseitig. Wobei natürlich die Möglichkeit einer Relativierung in den weiteren Folgen besteht.
Zusammenfassend gesagt fällt es mir schwer, einer Feministin ihre Bemühungen für eine bessere Welt abzunehmen, wenn es z. B. darum geht, Machtanteile für genau diese Positionen zu erstreiten, die eben in der Regel nicht dazu beitragen, die Welt besser zu machen. Ich weiß, dass ich direkt als reaktionär angesehen werde, wenn ich behaupte, dass es für mich eine sehr viel "ehrenvollere" und wichtigere gesellschaftliche Funktion ist, wenn eine Frau sich dazu entschließt, ihre Kinder vernünftig zu erziehen und dafür ihre Zeit zu investieren, anstatt in hoher Position dafür zu sorgen, noch mehr Kapital anzuhäufen, um noch mehr Luxus zu ermöglichen. Wenn ich diese beiden Pole aber kritisch reflektiere und ihre realen Auswirkungen auf die Welt analysiere, fällt es mir schwer, dies anders zu sehen. Es ist nur leider so, dass die eine Position als Schwächung und als ein individuelles Versagen gedeutet wird, während die andere mit Macht und Prestige aufgeladen ist. Das ist aber kein Problem von a priori-Erkenntnissen, sondern von Dogmen in unserer Gesellschaft.
Ebenso fällt es mir schwer, einer Frau Sarkeesian ihre Bemühungen für eine bessere Welt abzunehmen, wenn sie z. B. bestimmte Charaktereigenschaften als männlich oder weiblich deutet, und die Männer dabei eher schlecht wegkommen. Ich meine, so etwas schafft doch nur weiteren Zwist und mit Sicherheit keine Einigung. Was ist denn so schwer daran, negative und positive Eigenschaften einfach als eben solche anzusehen, die sowohl von Frauen als auch von Männern entsprechend angestrebt oder vermieden werden sollten. In meiner Realität sieht es nun mal so aus, dass es Arschlöcher auf beiden Seiten gibt, und ich würde sagen, in "fairer" geschlechtlicher Verteilung. Ich sage nicht, dass Männer und Frauen gleich sind, wobei ich mich frage, wie man so etwas behaupten kann, wenn man mal ein paar Minuten in der Realität verbracht hat. Aber sobald man anfängt, die Geschlechter fein säuberlich mit positiven und negativen Aspekten aufzuladen, Männer = aggressiv, Frauen = empathisch und so weiter, wird es für mich sexistisch im eigentlichen Sinne. Und damit ist niemanden geholfen.
Sorry, ist alles ein bisschen ausgeartet und zerfasert.
@Star-Trek-Debatte
Deep Space Nine ist ganz klar die reifste Serie im Trek-Kosmos, in eigentlich allen relevanten Punkten: Charaktere, Geschichten und das große Ganze. Ich mochte Voyager, allerdings nur aufgrund vieler guter bis genialer Einzelfolgen. Wirklich interessante Charaktere in der Stammbesatzung gab es leider im Gegensatz zu den Vorgängerserien nur noch einen, nämlich den Doktor. Ich frage mich allerdings, wie man Tante Käthe als gelungenen weiblichen Charakter ansehen kann. Für ne Tasse Kaffee war die doch jederzeit bereit, drei Borgkuben unangespitzt in den Subraum zu hauen. Dagegen war Picard ein Musterbeispiel für Besonnenheit und Feingefühl.
Lord Hesketh-Fortescue hat geschrieben:
Das kann dir wohl nur eine von diesen "durchschnittlichen selbsternannten Feministinnen" beantworten. Vielleicht würde sie dich ja angesichts der Jahrhunderte andauernden Kleinhaltung der Frauen herzlich auslachen. Exhibitionistische Frauen können immer noch nach §118 OWiG oder eben 183a StGB belangt werden, so dass es faktisch eh kaum von Bedeutung ist.
Vielleicht wäre sie aber auch voller Mitgefühl angesichts dieser himmelschreienden kodifizierten Ungerechtigkeit gegenüber den Männern - und würde gerne beim Trocknen der Krokodilstränen, die den gestandenen Kerlen wegen dieses Mahnmals der Ungleichbehandlung (dem 183 StGB) über ihre Bäckchen kullern, mit einem zarten Feuchttuch behilflich sein.
Man weiß es nicht. Du wirst wohl echt eine dieser komischen Emanzen fragen müssen.

Schön geschrieben.
In einem früheren Beitrag meintest du, dass mit radikalen religiösen Menschen kein vernünftiges Gespräch zu führen ist. Als fundamentalistischer Christ möchte ich zu bedenken geben, dass mindestens meine Selbstwahrnehmung, bestimmt aber auch die Ansicht vieler meiner "ungläubigen" Freunde anders aussieht. Ich verspreche auch, dich nicht zu missionieren, wenn kein Bedarf besteht.
