@Wurmjunge:
Die Diskussion führt uns jetzt nur zu der Frage, ob unterschiedliche Wertigkeiten in der Kunst überhaupt möglich sind, eine Frage die ich für mich nur mit ja und nein beantworten kann.
Dies ist eine ziemlich knifflige Frage, die wirklich keine eindeutige Antwort haben kann, meiner Meinung nach. Einerseits lässt sich Kunst auf objektive Dinge runterbrechen wie etwa die Anzahl der Pixel, die Länge des Soundtracks, Levelanzahl usw. - dann sind wir bei der Technik angelangt. Andererseits hat man auch den Spielspaß, die individuell interpretierte Sache, der sich bekanntlich weder in Flaschen füllen, noch in Zentimeter messen lässt, denn jeder hat hierzu seine eigene Flasche und seinen eigenen Maßstab. Ein Dilemma, was wohl jeder Spieletester irgendwie zu meistern hat
Nur in den seltensten Fällen geraten hier künstlerische und kommerzielle Interessen nicht miteinander in Konflikt.
Jep, denke ich auch. Im Bezug zur Spiele
industrie herrscht ein harter Kampf. Man kann zwar mit Indie-Games erfolgreich sein, doch seltenst ist man damit auch kommerziell erfolgreich. Meist ist es der Ruhm, der einem voraus eilt. Darauf kann man wohl nur dann "respektvoll" erfolgreich sein, wenn man viele
unterschiedliche Erfolge vorweisen kann. Doch zumeist will der Geldgeber auf den gewinnbringenden Geschmacksgaul setzen und liefert lieber eine sichere Fortsetzung nach der anderen ab, bis die Kuh leergemolken ist. Mit dem gewonnenem Geld kann man ähnliche oder auch neue AAA-Titel in Planung geben, die möglichst viele liebgewonnene (=erfolgreiche) Elemente beinhaltet - nur um auf Nummer Sicher zu gehen

Wir erinnern uns (ungern?) an "die gleichen Instrumente" in den einzelnen Musik-Äras, SFX wie den "Matrix Effekt" im Filmbusiness oder eben aufladbare Schilde und sich selbst regenerierende Lebensenergie in Shootern. Auch wenn es sich leicht sagen lässt, dass "die Welt" noch so ein "Etwas" (=Kunst) mit den selben (langweiligen?) Elementen nicht gebraucht hat ... sie wurden entwickelt und schon das man sie noch immer in Erinnerung hat und darüber spricht, rechtfertigt meiner Meinung nach die Existenz

Wir haben schon so manches überlebt, was uns nachträglich als unangenehm empfunden im Gehirn bleibt. Na und? Was uns nicht umbringt, macht uns für den nächsten Resident Evil Teil härter im nehmen
Daß jemand, der sich tagtäglich von den beliebtesten Krawallsendern ordentlich das Hirn weichspülen läßt, am Ende nichts mehr mit Johann Sebastian Bach anfangen kann(will), ergibt sich ja praktisch von selbst, Geschmack bildet sich ja auch.
Ja. (Kunst-)Geschmack ist eben unterschiedlich, damit müssen wir alle wohl leben. Ich kann z.Bsp. mit Justin Bieber beileibe
gar nichts anfangen, ausser immer an putzige kleine Nagetiere zu denken

Doch wenn irgendein Produzent auf die Idee kommt, ihn mit jemandem erfolgreichem in ein Raum zu sperren und irgendeinen Dance-Track aufzunehmen und zu verkaufen, dann ist das
sein Bier. Wem's gefällt, der kauft's. Wem's nicht gefällt, der lässt es sein. Wer es gerne
anders hätte, darf konstruktive Kritik üben, auf das der nächste Titel angepasster an seinem Musikgeschmack sein wird. Und wenn alle Stricke reissen, so bleibt noch immer die Satire, die sich über alles lustig machen darf, was nicht schnell genug fortlaufen kann

Auf der einen Seite hat man aber auch mit hässlichen Noten etwas erschaffen, was man durchaus Kunst nennen kann. Was für den einen dumpfe Wiederholungsmusik ist, mag für andere die es hören, das tollste Lied aller Zeiten sein, weil sie mit der Musik etwas verknüpfen, was ich wohl nicht kann

Man kann wohl sagen, dass ein J.S.Bach qualitativ höher sein kann, aber rechtfertigt dies alleine das Recht, andere Musikformen auszugrenzen? Oder, um dem Topic zu dienen, darf man nur komplexe Spiele mit RPG-Elementen das Recht geben, diese Welt zu erfreuen? Oder darf's auch mal ein dumpfer Serious Sam Titel sein, der einem Spieler Freude bereitet? Kann es sein, dass eine "Spieleempfehlung" eines Testers den Geschmack eines Spielers in Deutschland trifft ... und die eines anderen komplett beleidigt? Wenn ja, dann fragt sich nur, welche der beiden getesteten Spiele nun "die Welt braucht", und welche nicht - die Geschmäcker sind ja sehr unterschiedlich, obwohl Kriterien angewendet wurden, um künstlerische Qualität möglichst objektiv zu bewerten
Mir würde es jedoch außerordentlich schwerfallen, Bach auf einer Stufe mit Dieter Bohlen und dem Leierkastenmann vom Marktplatz zu sehen.
Auch ich hätte da meine persönlichen Probleme. Musik produzieren sie ja alle drei. Der Leierkastenmann dreht an der Kurbel und spielt (von ihm?) vorgefertigte Musik durch "Handarbeit" ab, der Bohlen ersetzt den Holzkasten durch einen Synthesizer und klöppert einen Pattern nach dem anderem aneinander, ganz nach Muster (seines) erfolgreichen Schemas, und Bach spielte intuitiv mit Harmonien, um damit in seinem Genre ebenfalls Kunst abzuliefern. Meiner Meinung nach hat Bach eindeutig die meiste Kopf- und Handarbeit abgeliefert. Aber darf ich bestimmen, dass die Welt nur noch rumbachen, und man die Musik von Bohlen und Leierkasten vorenthalten sollte? Wenn nur eine Person auf der Welt mit den beiden "minderwertigen" Musiker etwas anzufangen weiss, ist das doch meiner Meinung nach ausreichend. Zwar ist dieser kleine Kerl nicht "die Welt", aber umgekehrt kann man nicht einfach sagen, dass die Welt den Musiker nicht braucht

Vielleicht inspiriert die Leiermusik den großen Künstler zu was noch größerem? Auch wenn es mir extrem schwer fällt vorzustellen, wie sich Bach von einem Modern Talking Song inspirieren lassen sollte. Auch meiner Fantasie sind Grenzen gesetzt
Bei so einer beliebig austauschbaren Popgroup aus dem Labor kommt künstlerischer Ausdruck doch bestenfalls noch als Abfallprodukt vor. Deshalb nehme ich mir einfach so frei heraus, zu sagen: noch mehr kommerzielles Interesse braucht die Welt nun wirklich nicht! - fertig.

Und was sagst Du, wenn Wolfenstein
wider erwarten viel innovatives beinhaltet, was andere Franchises zugute kommen würde? Dann hätte die Welt wohl etwas wichtiges verpasst, weil die Welt es damals nicht gebraucht hat, oder?

Da meine Glaskugel leider zu Bruch gegangen ist, wage ich keine klare Prognose zu liefern. Da lasse ich mich einfach überraschen.
Egal, so verzetteln wir uns, und ich schweiffe komplett in weite Sphären ab. Ich fazitiere mal so vor mich hin: wenn die Redaktion der Zeitschrift "Die Welt" so etwas nicht spielen will, dann soll "Die Welt" es eben nicht kaufen und konsumieren. Damit (ge)braucht "Die Welt" das Game tatsächlich nicht. Basta!
