Ich meld mich mal als jemand, der ebenfalls schon seit langer Zeit Rollenspiele spielt - an PC, Konsole und als Pen & Paper. Baldur's Gate 1+2, Planescape: Torment, Fallout, Shadowrun, DSA, D&D - ich hatte sie alle. Eigentlich würd's reichen hier Jörgs Kolumne zum Thema "Was ist ein Rollenspiel?" zu verlinken, denn diese Diskussion hier ist genauso sinnlos wie alt und wird zu gar nichts führen, weil jeder eine andere Definition davon hat, was ein Rollenspiel ist. Für mich ist ein Rollenspiel: Ich erschaffe einen Charakter mit verschiedenen Attributen und Fähigkeiten, werde in einer Spielwelt ausgesetzt und gehe meinen eigenen Weg. Ich erlebe Geschichten, komme mit Leuten ins Gespräch, löse Konflikte durch Gespräche oder Kampf, sammle Schätze und Erfahrung, kann meinen Charakter aufwerten und ihm neue Fähigkeiten verpassen oder bereits vorhandene verbessern. Je freier all diese Aspekte funktionieren, desto besser.
Nach dieser Definition ist Dark Souls mehr Rollenspiel als Skyrim und sogar noch viel näher an einem Baldur's Gate oder Fallout. Dark Souls hat eine komplexe, gute Story, die man sich allerdings selbst erschließen muss, in Gesprächen mit NPCs, aus Itembeschreibungen und dem, was man erlebt. Man trifft NPCs, die ihre eigene Geschichte und Ziele verfolgen. Es sind nicht viele, aber dadurch werden sie umso willkommener. Es bietet eine umfangreiche und sehr komplexe Charakterentwicklung - der Charakterbogen mit seinen Werten besteht aus einem
kompletten Bildschirm voller ziemlich kleiner Schrift und jeder einzelne verteilte Punkt wirkt sich spürbar aus. Es gibt wenige Entscheidungen, aber jede davon hat Gewicht, weil es kein zurück gibt, wenn sie einmal gefallen ist. Die Welt ist groß und von Anfang an absolut frei, genau wie die Charaktererschaffung. Es geht darum, in den Klamotten eines Abenteurers eine vom bösen überrannte Welt zu erkunden und zu erforschen und dieses Gefühl hat seit Jahren kein RPG mehr so überzeugend vermittelt.
Sicher, man verbringt den Großteil der Spielzeit mit Kampf. Das tut man aber z.B. im Urvater des heutigen Rollenspiels, Dungeons & Dragons auch. Nichtsdestotrotz kann man in Dark Souls in eine dichte, komplexe Handlung abtauchen, wenn man will. Aber wo in anderen RPGs NPCs völlig unglaubwürdig auf mich zugelaufen kommen und mir ihre gesamte Lebensgeschichte klagen (wer erzählt denn einem Fremden gleich alles?) bekommt man in Dark Souls aus den Leuten nur wenig heraus. Trotzdem, es gibt viele Punkte im Spiel, die die Geschichte Stück für Stück zusammensetzen, in der Gegenstandbeschreibung von beinahe jedem Item steht etwas zu seiner Vergangenheit, seinen früheren Besitzern oder demjenigen, der es geschmiedet hat. Da gibt es dann Namen, die an vielen anderen Stellen im Spiel ebenfalls auftauchen und nach und nach das Bild wie in einem Mosaik zusammensetzen. Wenn man natürlich lieber Fastfood-mässig die Geschichte in langen (und oft langatmigen) Dialogen vorgekaut bekommt, statt sie in der Haut seines Charakters selbst zu erleben und zu ergründen, dann bekommt man sie nicht mit. Nur soviel: Bis auf die Dämonen und Monster (z.B. Taurus Demon, Gaping Dragon) hat allein jeder Boss seine eigene Geschichte und die meisten davon sind auch noch untereinander verzweigt.
Wieviele, die Dark Souls gespielt haben und behaupten, es habe keine oder nur wenig Geschichte haben denn zum Beispiel mitbekommen, dass im Intro keine Rede von den 4Kings ist, sondern als vierter Fürst neben Gwynn, Nito und der Hexe von Izalith ein gewisser Pygmy genannt wird, der dann im ganzen Spiel gar nicht auftaucht? Wieviele von denen, die das bemerkt haben wissen dass Pygmy ein Urahn des Spielercharakters ist und wieviele haben bemerkt, dass Gwynevere, die Tochter von Gwyn versucht den Spieler mit der Einladung zu ihrem Covenant zu betrügen und dazu zu bewegen sich gegen sein Schicksal und die Ideale seines Urahnen zu stellen? Dürften die Allerwenigsten sein.
Geschichte, Drama, Konflikte, komplexe Charakterentwicklung und Kampfsystem, Schmiedekünste, Schätze sammeln, Abenteuer erleben, Welt erkunden. Alles da, was ein gutes RPG ausmacht, aber man bekommt nichts davon vorgesetzt, man muss sich aktiv um alles selber kümmern. Wer an Dark Souls oberflächlich herangeht und nicht selbst tiefer gräbt, bleibt an der Oberfläche. Aber nur weil man selbst zu faul ist, eine zu kurze Aufmerksamkeitsspanne, Zeit oder Lust hat (alles nicht wertend) sich wirklich damit auseinanderzusetzen, darf auch nicht klagen, dass Apekte fehlen - das stimmt nämlich einfach nicht.
Aber was red ich, hat eh jeder seine eigene Meinung, die die einzig richtige ist.