Spielkultur

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Jörg Luibl
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Iseutz´ Bedenken & Anregungen

Beitrag von Jörg Luibl »

Hallo Iseutz,

schönen Dank für deinen Beitrag. Da sind einige Anregungen enthalten, die wir mit Sicherheit beherzigen werden - z.B. der Hinweis auf die unterschiedlichen Mentalitäten (Browsergames), die Offenheit für andere Perspektiven etc.

Die Spielkultur wird jedoch im Kolumnen- und Bilderbereich eher "flapsig" bleiben, denn wir wollen bewusst die Symbiose von lockerer, satirischer und analytischer, auf Fakten beruhender Darstellungsform (Gastbeitrag, Kolumne).

Natürlich hast du auch Recht, wenn du auf die fehlende Toleranz in Spielerkreisen und unser Fischen im Wettbewerb hinweist. Aber unser Anliegen ist in der Tat ein kulturelles, und wir wissen gleichzeitig, dass es ein idealistisches ohne große Wirkung ist.

Wir sind ein Online-Magazin mit 250 Millionen PIs im Netzwerk, aber ohne gesellschaftliche Breitenwirkung, ohne mediale Strahlungskraft à la Spiegel, SZ & Co. Wir erreichen die, die ohnehin unserer oder ähnlicher Meinung sind.

Aber wir können vielleicht einen Anstoß geben - so wie viele andere kleine Magazine, Weblogs und Online-Seiten auch. Ich habe das Gefühl, dass sich etwas in der Debatte bewegt, dass meine Generation so langsam an Einfluss gewinnt und das Spiel als Kulturgut immer klarer wahrgenommen wird. Und da wollen wir auch auf Gamerseite ein wenig mithelfen...
vielleicht bin ich mit dem kommentar daher auch gänzlich am ziel vorbeigeschossen, dem jungen feuilleton einige spitze, aber hilfreiche anmerkungen mitzugeben.
Nein, bist du nicht. Das war kritisches, aber höchst argumentatives Feedback - schönen Dank!
johndoe-freename-77167
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Beitrag von johndoe-freename-77167 »

na dann bin ich erstmal beruhigt - und fühle mich auch seelisch-moralisch befähigt, gleich zu antworten. diesmal aber nicht ganz so bissig ;)

was das thema flapsigkeit angeht; nichts läge mir ferner als einen lockeren umgangston durch bärbeißige langweilertexte ersetzt sehen zu wollen. zumal ich selber ab und an kolumnen verfasse und als ausdrucksmittel schätze. diesen seitenhieb also bitte nicht zu direkt nehmen, zumal ich die qualität der hiesigen kolumnen nicht von der hand weisen werde.

und der zweite punkt, der mir grade durch den letzten abschnitt ins auge gesprungen ist - ich finde es durchaus diskutabel, ob computerspiele in ihrer gesamtheit und in der jetztigen form bereits als kulturgut gelten können, oder ob sie erst in zunehmendem maße (gerade durch die auseinandersetzung damit) zum kulturgut gemacht werden. (Deinen satz kann man diesbezüglich für beide ansichten auslegen) immerhin war das computer+konsolenspiel bis vor rel. wenigen jahren eben kein gesamtgesellschaftliches, sondern eher nischenprodukt/konsumgut eines relativ kleinen bevölkerungsanteiles. und vielleicht ist es das mehrheitlich immer noch, was aber nicht zwangsläufig ausschließt, ihnen den kulturgutstatus bereits jetzt oder früher zuzusprechen.
natürlich kann man mir jetzt vorwerfen, ich würde sinnlos schwadronieren über etwas, das gar keine weitere betrachtung und defintion benötigt. aber ich denke schon, das es grade für uns einen wesentlichen unterschied macht, ob man von einer bereits erfolgten verankerung als kulturgut ausgehen kann/darf/sollte, oder ob wir uns noch gerade mitten im prozeß zu diesem status befinden. und es würde mich interessieren, wie ihr (@alle leser, nich nur 4p ^^) das seht.

damit belaß ichs dann auch erstmal für die nächsten paar tage ^^

mfG
Iseutz
Moorkh
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Beitrag von Moorkh »

Ah - so hab' ich mir das erhofft! :)

Guter Beitrag, Iseuz. Mir ist klar, dass so etwas wie Diskussionskultur im Netz aufgrund des anonymen, unverbindlichen Wesens der Teilnahme schwierig zu finden und noch schwieriger aufrechtzuerhalten ist. Gerade auf Spiele-Sites tummelt sich zu jedem Zeitpunkt eine lautstarke Minderheit an oft minderjährigen, in ihrem Foren-Verhalten latent agressiven und obsessiven Postern mit niedriger Frustrationstoleranz, überbordendem Mitteilungsdrang und unterentwickelten argumentativen Fähigkeiten, die so manche nötige Auseinandersetzung (mit dem Medium, nicht untereinander ;) ) im Keime zu ersticken droht. Ob wir hier (unter dem abschreckend intellektellen Titel 'Spielkultur') davon verschont bleiben werden sei mal genauso dahingestellt wie Deine teilweise sicherlich berechtigten Vorbehalte gegenüber dem Umstand, dass dies Forum hier ein Auswuchs der mitnichten der Kultur sondern in erster Linie dem Kommerz verschriebenen Spieleindustrie darstelle (hmmm... wobei ich darauf später wahrscheinlich doch noch mal zurückkommen muss).
Vielmehr einige Anmerkungen zu Deinen Äusserungen über das Verhältnis zwischen Spielern und ihren Kritikern:

Zu 1.:
Dass sich die Industrie von selber 'bessert', ist in der Tat kaum anzunehmen, zumindest nicht im Sinne der plötzlichen Entwicklung ethischer Grundsätze. Dennoch steht sie wie alle anderen Bereiche der Wirtschaft, in vieler Hinsicht stärker als einige andere, im permanenten Dialog (weniger verbal als vielmehr über den Markt und andere indirekte Formen der Kommunikation) mit der Spielerschaft als Kunden auf der einen Seite, den (alten) Medien und der (ebenso alten) Politik als selbsternannte moralische Instanzen andererseits. Dieses Wechselspiel mag absurde Auswüchse zeitigen und die Teilnahme der nicht direkt involvierten Teilnehmer Politik und Medien unnötig erscheinen, dient aber auf lange Sicht sowohl der Industrie als auch den Spielern durch eine sich (langsam) anbahnende Kulturdebatte, die gar nicht anders Enden kann als mit der Aufnahme des Computerspiel in den Kreis gesellschaftlich akzeptierter (was immer das heissen mag) und reflektierter Medien/Kulturformen. Als Resultat werden sich die Spiele ein immer breiteres Publikum (nie aber ein dem TV vergleichbares - dafür ist das Spiel zu aktiv) verschaffen, die Spieler hingegen ein breiteres, qualitativ (nicht nur technisch) gesteigertes Angebot an Games erhalten. Die Welt wird sich trotzdem weiter drehen.
Bis dann bleibt uns zu wünschen, dass diese 'vorrevolutionäre' Phase, in der sich das Medium derzeit befindet, möglichst viele fragwürdige, makabre, bizarre, absurde, vollkommen verrückte, experimentelle, von gängigen moralischen Vorstellungung und gutem Geschmack vollkommen freie Werke hervorbringt, um ob der drohenden Starrheit eines anerkannten Kulturelements eine möglichst diverse, inspirative Basis zu bilden, auf der künftige Generationen von Kultur-Spielen langfristig interessant und abwechslungsreich gedeihen können. Ich werden sie lieben, verfluchen oder einfach nicht spielen, aber ich werde dankbar sein, dass es sie gibt, diese Schmuddelspiele.

zu 2.:
Dass die denkbegabten Elemente (die Mehrheit, würde ich meinen) der Computerspieler über den Lärm von Erfurt-Schützen, Daddel-Soziopathen und dümmlichen Forenspammern hinweg kein Gehör finden, ist kaum jemandem anderen anzulasten als ihnen selbst. Gut, einige schreiben mittlerweile Bücher, aber wer liest die schon. Dem Volk das Spielen beizubringen wird kaum gelingen - meist scheitern solche Versuche schon im familiären Umfeld. Nicht-Spieler glauben, sie könnten das Medium durch kurzes Zuschauen ausreichend beurteilen und werden nur weiterspielen, wenn ihnen gefällt, was sie sehen. Was bleibt also? Warten, bis der Homo Ludens (Electronicus) seinen Vorgänger aus den Hebeln der Macht verdrängt hat? Das dauert noch mindestens 30 Jahre. Bis dann lässt sich der Teufel ganz ketzerisch am besten mit dem Beezlebub austreiben - mehr spielen, mehr Geld für Spiele ausgeben, die Spieleindustrie weiter wachsen und damit in die Aufmerksamkeit der Gesellschaft wachsen lassen. Ihr beitreten und innovative Spielkonzepte durchsetzen, die Nichtspielern die Augen öffnen könnten. Schliesslich den kulturellen Dialog mit provokativen, hintergründigen Werken dominieren, an denen kein (möglichst von Spielern zu durchsetzendes) Feuilleton mehr vorbeikommt. Ausverkauf? Grössenwahn? Gut möglich. Aber anders warten wir garantiert noch 30 Jahre auf die so ersehnte (warum eigentlich?) Anerkennung.
Aber eSportler sollten getunlichst weiter belächelt werden. :)

Zu 3.:
Die sozialisierenden Eigenschaften von MP-Spielen halte ich für allgemein überbewertet - die Gesprächskultur und Themenvielfalt in diesen Spielen ist in meiner Erfahrung erbärmlich, die Interaktion ganz allgemein durch ihre Anonymität und den Grad der Distanzierung problematisch. Der zusätzliche 'Spass', den Du ihnen attestierst, scheint mir arg eingeschränkt, zumindest in Hinblick auf jene anderen Spielelemente, auf die dafür tendenziell verzichtet werden muss - Storytelling, Komplexität, Reflektion. Das ganze Clanwesen stinkt zudem arg nach biederer Vereinsmeierei.
Viel mehr aber muss ich mich hier gegen Deine pauschale Disqualifikation von Solo-Spielen. Nach wie vor wird die meiste Zeit solo gespielt, und daran dürfte sich auch nichts ändern - der Mensch mag ein soziales Tier sein, braucht aber genauso seine Zeit für sich - man bedenke, wie viel Zeit man freiwillig täglich mit anderen Menschen kommuniziert und wie viel man für sich beansprucht. Wo das MP-Spiel den Skatabend ergänzen mag, konkurrenziert das Solospiel das Buch oder den Film. Beidem sind erfeuliche wie bedenkliche Eigenschaften inne, das eine über das andere zu stellen ergibt für mich keinerlei Sinn.

Die Gewaltdebatte ist an anderer Stelle bereits in vollem Gange (bzw. dreht sich dort wie immer im Kreis), so dass ich ihr an dieser Stelle nichts hinzufügen möchte - ihre Reduktion auf das Medium Computerspiel bietet sich sowieso nicht an.
Moorkh
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Beitrag von Moorkh »

Ach, die Editier-Funktion... Ich war gestern etwas hastig, hatte noch was vor und opferte dafür die Sorgfalt. Iseutz hat dabei ein 't' verloren und so mancher Gedanke seine letzte Klarheit. Nun ja, egal, ich denke, man versteht's auch so ;)
johndoe-freename-77167
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Beitrag von johndoe-freename-77167 »

so, da bin ich wieder, versuche mich kurz zu halten und werde - wie so oft - jämmerlich an diesem vorhaben scheitern. lets go...

im einleitenden abschnitt ist mir wieder ein gängiges vorurteil aufgefallen, aber eines das innerhalb fast jeder community kursiert. und sicher auch seinen teil zur negativen bewertung von computer/onlinegames beiträgt.
"Gerade auf Spiele-Sites tummelt sich zu jedem Zeitpunkt eine lautstarke Minderheit an oft minderjährigen, in ihrem Foren-Verhalten latent agressiven und obsessiven Postern mit niedriger Frustrationstoleranz, überbordendem Mitteilungsdrang und unterentwickelten argumentativen Fähigkeiten, die so manche nötige Auseinandersetzung (mit dem Medium, nicht untereinander Wink ) im Keime zu ersticken droht." - da werf ich mich doch gleich mal hart in die bremse.
ich werde nicht soweit gehen, und behaupten, daß diese aussage nicht einen wahren kern hätte. allerdings ist das imho eine verkürzte problembetrachtung, da ich beobachtet habe, daß zwar eine kleine gruppe von oft irrationalen schreihälsen die negativen impulse geben, aber doch sehr schnell eine vielzahl eher zurückhaltender leser in diese stimmlage einfallen und aufrecht erhalten. gerade wegen des oben angesprochenen (vermeintlich) anonymen wesens des internets, sind es eben nicht nur wenige kommunikatonsgestörte, die das allgemeine klima vergiften. daß es schwer bis unmöglich ist einen normalen dialog oder gar diskurs zu führen, basiert wohl vielmehr auf dem von den meisten beteiligten gelebten digitalen 'faustrecht' und einer vermeintlichen konsequenzlosigkeit des selben, als der mangelnden sozialkompetenz weniger individuen. worauf ich hinaus will, ist, daß es in erster linie das fehlverhalten der (passiveren) mehrheit ist, welche ernsthafte auseinandersetzungen immer wieder scheitern läßt. ich wäre geneigt mich noch härter dazu auszulassen, allerdings liegt es mir auch fern aus einer kritischen beobachtung gleich ein urteil zu schmieden.

mir erscheint es wahrscheinlich, daß Du dir(Moorkh) des umrissenen problems sehr wohl bewußt bist, ich wollte es nur nicht unkommentiert stehen lassen. das wir hier nur wenige mitdiskutanten antreffen und das auch so bleiben wird, liegt wohl an den überdurchschnittlich langen und komplexen beiträgen (im verhältnis zu den üblichen beitragslängen gesehen). leider sinkt dadurch auch der anteil derer, die sich von flamekiddies in eine diskussion hineinziehen lassen ;)

zu 1. kann ich im wesentlichen nichts weiter sagen, als das es eine gelungene stellungnahme ist.
vielleicht kann man Deinen wunsch zur unkonventionellen vielfältigkeit als gefährliche gratwanderung bezeichnen. hoffen und harren... und ich würde mich jedenfalls nur ungern zu sehr auf die wirkenden kräfte des freien marktes verlassen. noch dazu in die bestrebungen der industrie marktinteressen durchzusetzen gar eine kulturdebatte hineinzu interpretieren. denn das erscheint mir doch zu frohgemut.
aber da ich nicht über kassandrische fähigkeiten verfüge (wasn glück), schließe ich mich mal hoffnungsvoll Deiner aussage an.

zu 2. verweise ich auf den beginn des artikels. bis zum punkt mit dem teufel, denn da steckt auch einer im detail. und zwar in der reihenfolge und im wirkungsgrad der möglichkeiten, die sich uns bieten, um die spiele als kulturgut zu verankern. ich denke, daß einfaches "mehr geld ausgeben" kaum etwas bewirkt, als daß bereits ausgelatschte wege mit gut laufenden spieltypen noch mehr befüttert werden. solang die spieler kaufen, reicht ein steter wechsel der outfits, die inhalte bleiben unberührt. ich verlange nicht, daß hier räder neu erfunden und feuer neu entzündet werden sollen. aber wenn jetzt jemand behaupten würde, die spieleindustrie bemüht sich darum, das sammelsurium der ideen aktiv auszuschöpfen, dann würd ich mir schon an den kopf greifen und fragen, 'wo denn'. wenn man (vor den 30 jahren ^^) erreichen wollte, daß das spiel nicht bloß allein über die anzahl seiner konsumenten zu einem wesentlichen und ernstgenommenen kulturellen aspekt wird, muß man schon den schritt tun, und selber hand anlegen. entweder aktiv als spielschöpfer, oder eben über die verweigerung von aktuellen mainstreams. letzteres dürfte die industrie viel eher veranlassen neue und auf/anregende konzepte zu präsentieren, als das angesprochene geld-in-den-rachen-schmeißen-und-hoffen-daß-hinten-was-tolles-raus-kommt prinzip. das passive kommunikationsdreieck spieler-industrie-politik reicht imho einfach nicht.

warum Du die esportler weiter belächelt sehen willst, müßtest Du aber bitte nochmal erklären, immherin wäre das ja ein weiteres feld über das sich sehr viel aufmerksamkeit erlangen ließe.

3. bietet dermaßen viel diskussionsstoff, das ich hier nur sagen möchte, daß ich Dir beim punkt browsergames ganz entschieden und in jedem punkt widerspreche. (denn darauf war meine aussage gerichtet, nicht auf mp spiele im allgemeinen) ich kann die genannten einschränkungen nicht einfach ausblenden, aber die vielschichtigkeit der beziehungen darf man ebenfalls nicht unterbewerten. da wir in dem punkt noch an einander vorbeigeredet haben (weder wollte ich sologames herabwürdigen noch den anschein erwecken), verzichte ich auf etwaige angriffe auf die weiteren ausführungen unter punkt drei, weil sie imho eine verteidigung darstellt für etwas, das ich gar nicht angreifen wollte und auch jetzt nicht will. wenn wir uns da einig werden, könnten wir uns nochmal den browsergames zuwenden ^^

so long
Iseutz
Moorkh
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Beitrag von Moorkh »

Touché! In der Tat bin ich in Sachen MP-Kultur in erster, zweiter und dritter Linie von meinen direkten und indirekten Erfahrungen im Spiel von Online-Action- und Massively Online-Rollenspielen ausgegangen. Dabei habe ich die Browserspiele (wohl nicht zum ersten mal) unterschätzt, ganz einfach angenommen, wegen der relativen Unverbindlichkeit des Mediums (keine Anschaffungskosten, keine Installation, oft auch keine Gebühren) würde auch dort beschriebene Wildwest-Kultur vorherrschen. Vergessen habe ich dabei die langfristige Zeitinvestition, die eine starke Verbindung zwischen dem ursprünglich anonymen aber je länger desto mehr als Individuum wahrnehmbaren Alter Ego und dem Spieler wachsen lässt. So gilt dort vielleicht ähnliches wie bei Everquest & Co, wo unter registrierten Usern deutlich gesittetere Gespräche stattfinden als anderswo, dabei aber durch das vorherrschende Genre (gemächliche Echtzeitstrategie) und das Browserinterface eine Distanz besteht, die eine rollenspielerische Fokussierung auf die Spielwelt als Gesprächsthema weniger aufdrängt. Mehr dazu kann ich allerdings nicht sagen, beschränken sich meine Browserspielekenntnisse doch auf ein paar wenige Ausflüge in ein Java-RPG während der Mitte der 90er.

Zurück zum Faustrecht: als nebenberuflicher Lehrer und früherer Community Manager eines Spiele-Boardes kann ich mit einiger Sicherheit behaupten, dass sich als Urheber der beklagenswerten kommunikativen Unkultur durchaus eine Minderheit ausmachen lässt. Wohl bringt es diese auf eine relative Mehrheit der vernehmbaren Wortmeldungen (einzelne Posts, NICHT Anzahl Zeichen! :) ), die von ihnen angerissenen 'Dialoge' inklusive der Repliken geköderter Mituser möglicherweise gar auf ein absolutes Mehr. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass sich die allermeisten Besucher gar nie zu Wort melden, dem Treiben mit unterschiedlicher Begeisterung vom Zaun zuschauen, und ein weiterer grosser Teil sich durch weniger als 10 Postings pro Monat nicht eben bemerkbar macht. Zugegeben interessiert sich aber nur eine Minderheit für eine eine ernsthafte, gar lösungsorientierte Auseinandersetzung. Viel lieber ist den Meisten ein angenehmer, unverbindlicher Austausch oder schlicht das Gehörtwerden. In dieser Hinsicht offenbart das Internet halt auch nur einen nur massvoll verzerrten Spiegel der Gesellschaft.

Deiner Kritik an meiner allzu simplen Skizzierung der Abhängigkeiten und Beeinflussbarkeit muss ich mich natürlich fügen. Dennoch denke ich nicht, dass sich der Mainstream derart boykottieren lässt. Jeder User hat seine eigenen Vorlieben und Abneigungen und würde anders zwischen 'gutem' und 'schlechtem' Mainstream selektieren. Die Tugenden professioneller Spieleproduktionen überstrahlen selbst getrübt durch all ihre Mäkel immer noch so vieles aus der etwas unüberblickbaren Amateurecke. Eine Verweigerung gegenüber subjektiv schlechter Tendenzen hätte also vor allem eine Schrumpfung und Verzettelung des Marktes zur Folge, an der wir kurz- und mittelfristig nicht interessiert sein dürfen und deren langfristiger Nutzen fraglich bleibt. Da ich selbst mit einer Zukunft als Spieleschöpfer liebäugle, kann mir daran wohlgemerkt noch weniger daran gelegen sein, zumal ich damit meinen Lebensunterhalt bestreiten müsste.

Dass ich die eSportler zur weiteren Belächelung empfehle liegt an meiner allgemeinen Geringschätzung für Leistungssportler als unterdurchschnittliche Unterhalter und professionelle Spezialisten in etwas, das ein Spiel sein sollte. Die Absurdität dieses Systems wird noch viel deutlicher durch die auffällige Divergenz zwischen der wahrnehmbaren Erscheinung dieser eSportler in den Disziplinen/Spielen (oft genug mit furchterregendem Pseudonym und martialischem Äusseren und ihrem Real Life-Pendant, das die ganze Spezialisierung zum Zwecke hohlen Ruhmes auf sich nimmt und selbst bewundert werden möchte. Wer solche Tendenzen mit wahnwitzigen Summen sponsert, ist sich meiner Verauchtung gewiss, und wer sich nun angesichts dieses Geldes selbst eine Bedeutung zumisst, meines (stillen) Gelächters.