Kajetan hat geschrieben: ↑10.04.2022 00:10
Grunz Grunz hat geschrieben: ↑09.04.2022 23:24
Richtig. Das entspricht ja auch dem postfaktischen, gefühlsgetriebenen Zeitgeist.
Der Zeitgeist war schon immer sehr gefühlsgetrieben. Da hat sich im Laufe der Geschichte zwar das Medium, aber nur wenig das geändert, was sich zwischen den beiden Ohren befindet.
Extrembeispiel: Schau Dir einfach nur an, was im Zuge der Hexenjagden in Europa oder drüben in der Neuen Welt (Salem) passiert ist. Hysterie, Paranoia und Verfolgungswahn haben eine üble Mischung ergeben. Jeder rationale Gedanke war hier vom Teufel eingegeben!
Ja und nein. Die wenigsten dürften dabei den Teufel im Hinterkopf gehabt haben. Das hatte meist wirtschaftliche oder sachliche Gründe. Wenn du die Inquisition davon überzeugen konntest, dass dein Nachbar ein Ketzer war, dann war dir eine Belohnung sicher. Das Haus konnte dann günstig erworben werden oder man hat es dir gleich mit überlassen.
Die Kirche hat auch gerne mitgespielt: Der Klerus zur damaligen Zeit war notorisch korrupt. Es gab einen Bericht, da hat einer der Priester einen Angeklagten dem Feuer übergeben, weil er dann die zwei Geliebten des Mannes "überzeugen" konnte, für ihn bereitzustehen.
Die meisten Anklagen konnten gegen entsprechende Gebühr auch beiseitegelegt werden.
Du musst dir mal anschauen, wo das ganze begann und zu welcher Zeit: In Spanien während der Reconquista. Die Verfolgten waren meist Juden und Muslime. Die Juden waren damals die Geldverleiher, denen viele Leute Geld schuldeten. Wenn man die loswurde, war man auch gleich die Schulden los. Und die Muslime waren vorher die herrschende Schicht, die damit auch die reiche Schicht darstellte....
In Salem war es nicht anders. Nimm dazu einfach mal den wiki-Artikel:
"Das halbe Dorf bestand aus Bauern, die den Geistlichen Samuel Parris in seinem Bestreben unterstützten, sich von der Stadt Salem loszulösen und eine selbstständige Gemeinde zu bilden. Die andere Hälfte der Dorfbewohner wollte Teil der Stadtgemeinde bleiben und die Handelsbeziehungen aufrechterhalten und verweigerte dem Geistlichen und seiner Familie die finanzielle Unterstützung."
Der Priester hatte also alle Gründe, die Dorfbewohner über die Klinge springen zu lassen, die ihn die Gefolgschaften verweigerten. Alles, was er brauchte, waren entsprechende Gesetze. Und da halfen ihm die Hexereigesetze aus dem alten England. Diese waren nie abgeschafft worden. (So, wie ich das verstanden habe.) Die Bauern waren meist arm und hatten durch die Situation eine Möglichkeit, sich auf Kosten Ihrer angeklagten Nachbarn zu bereichern.
Wenn einem das vor Augen steht, dann ruft man gerne "Teufel" und schlägt zu. Das gilt auch heute noch.
Im übrigen gibts bei youtube richtig gute Videos darüber. Einer meiner Lieblingsautoren hat mal eine Sendung drüber gemacht und aufgezeigt, wie sich das Thema Hexenverfolgung über die Jahrhunderte immer mehr verschärfte. Es hat ganz klein angefangen, ohne Verbrennungen. Die meisten Todesurteile erfolgten erst in der letzten Phase, wo dann auch die rechtlichen Grundlagen gelegt waren und sich die Kleriker der Unterstützung der herrschenden Schicht sicher sein konnten.