Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

So, nachdem hier brav und stetig die Klicks reintrudeln - immer wieder Danke dafür! - heute wie versprochen noch ein paar Schnappschüsse aus Exodus from the earth, einem der unterhaltsameren Shooterchen, denen ich mich hier im Thread stellvertretend für das geneigte Publikum widmen durfte. Und schon geht es los.


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Und zwar mit dieser charmanten Deus Ex - Hommage. Die alten Hasen werden gleich wissen, was ich meine. Hier ist es nun die Lobby der A.X. Corporation. Noch plänkelt man ein bisschen herum und unterhält sich mit diesem oder jener. Nachher übernehmen dann die Herren Smith & Wesson die Gesprächsführung. Nachdrücklich.


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Und da gehts auch schon los. Mit Wohlgefallen betrachten wir vor allem den Medpack am rechten Bildrand. Na ja - und das Wasser ist jetzt auch ganz ordentlich.


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Hier im Bild sehen wir dann auch gleich das omnipräsente MG. Es verschießt auch Granaten mit drastischen Folgen, die hier nicht abgebildet werden sollen, vielleicht lesen ja auch Kinder mit. Und es hat ein Visir, das wir stark in Anspruch nehmen werden. Gerade in solch offenen Arealen wie hier.


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Solche Passagen gibt es im ersten Spieldrittel einige. Hinter Kisten wie diese triggert die Engine beim Überqueren bestimmter Punkte neue Leute, denen wir mit unserem MG-Scope schön sorgfältig und präzise Kugeln verabreichen. Oder man nimmt halt die Schrotpuste.


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Das hier ist eine sehr stimmungsvoll entworfene Werkhalle, in der wir einen halsbrecherischen Parcours zu bewältigen haben. Und als Dreingabe gibt es einen mehrminütigen Kampf gegen scheinbar unaufhörlich nachrückende Gegner, die aus verschiedenen Türen in die Map gespült werden und uns treffsicher herumtreiben. Schweißtreibende Momente!


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Zu diesem geburtskanalartig schimmernden Gang fällt mir irgendwie ein Lied der Rostocker 90er Jahre Helden-Punkband "Dritte Wahl" ein. Hier zu hören: http://www.youtube.com/watch?v=v9bvySudeE0

"Tobias geht ins Licht!" Dahumm.


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Hier gab es bis gerade eben noch einen Boss-Kampf. Da rechts, dat isser.


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Das da unten ist Mike, unser Maulwurf bei A.X., wie er sich gerade ins Netzwerk der Firma hackt. Wir halten ihm derweil den Rücken frei. Und zwar Akimbo! Schießen mit Stil.


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"Guten Tag! Ich bin ein Zeitreisender im Auftrag von H.A.R.M. Ich soll hier nach alternativen Welten für unser böses Unternehmen suchen. Cate wird uns einfach zu stressig. Aber hier siehts ja genauso aus, wie bei uns daheim! Äh, was wollen Sie eigentlich mit der Waffe, guter Mann?"
Zuletzt geändert von mr archer am 03.12.2012 21:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Supabock-
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Supabock- »

Yeah, Dritte Wahl!
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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

Supabock hat geschrieben:Yeah, Dritte Wahl!
Aha, Zwischenkommentare! Na gut, in diesem Fall sei Dir verziehen. Jetzt aber psst, der Onkel erzählt noch.
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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

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Und noch ein stimmungsvoller Innenraum. Ausgiebig werden wir hier über insgesamt vier Etagen gescheucht. Wegfindungsrätsel inclusive. Ich sage nur Lagerhallenkran.


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Shooterposter, Teil 1.


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Shooterposter, Teil 2.

P.S.: Übrigens hat die A.X. Corporation ein bemerkenswertes Corporate Design. "Har har har", lacht da der Gauleiter.


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Doch, das gefällt mir.


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Ist doch hübsch, oder?


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Kisten, Kisten, überall Kisten! (So könnte übrigens ein Kapitel in einer mehrbändigen Kulturgeschichte des Shooters heißen, wo es um die Evergreens der Levelgestaltung geht. Hm. Das mache ich dann als Alterswerk.)


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Doom-Wehmut.


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Noch mehr Doom - Wehmut. Lasst uns eine Kerze anzünden und kurz innehalten.


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Das Ende des ersten Spieldrittels ist nahe.


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Darf ich vorstellen: Unser Buggy. Aaah, gleich glüht die Gatling.


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Die beiden Truppentransporter zur Linken und zur Rechten haben wir bereits erfolgreich zerlegt. Toll dabei auch: Über unseren Bordfunk können wir den zunehmend panischen Funkverkehr von A.X. mit hören. "He is unstopable!" Hr, hr, hr. Sowas motiviert. Shooter sind eben was für Simpel wie mich.


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Gar nicht simpel: an diesem Punkt die Kiste verlassen, um das Tor in den nächsten Bereich zu öffnen. Buggy kommt eben von Bug. Ich habe irgendwann einfach mal die Auflösung geändert. Und zufällig spühlte es mich raus auf die Straße. Keine Ahnung. Wahrscheinlich Magie.


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Zeit für ein anderes Lied. Tom Waits "Murder in the red barn": http://www.youtube.com/watch?v=eo1TD1tjvaI

"Road killing has its seasons just like everything. Its oppossums in the autumn and in its farmcats in the spring." Dahumm.


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Sightseeing along the way.


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Bleihaltiger Road trip.


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Highwayromantik.


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Wir sind am Ziel. Das ist der firmeneigene Weltraumbahnhof von A.X. Da hinten steht unser Spaceshuttle. Next stop: the second earth!


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Und so siehts da oben aus. Links auf dem HUD sinkt übrigens gerade unsere Oxygen-Anzeige in unerbittlicher Art und Weise. Was folgt ist die gehetzte Suche nach Nachfüllbehältern, während uns Bergbaumutanten mit Bohrmaschinen am Arm verfolgen. Verflixt!


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Unser Spaceshuttle. Moment. Ich zünde mal rasch eine Wehmutskerze für Unreal an.


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Da drin geht es in Richtung Finale. Ich sage mal so: Wenn jemals jemand ein echtes Remake von Doom hinbekommt - dann ist es das Parallax Arts Studio, St. Petersburg, Russische Förderation.


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Na, dann geh ich doch mal anklopfen.


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Ah! Geheime Weltraumtechnik. Ts, ts, ts.


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Nur, damit man hier ein Knöpfchen drückt, haben sie sich bei der Gestaltung echt viel Mühe gegeben.


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Auf diesem Bild ist ein Geheimcode für die Sicherheitstür einen Raum weiter versteckt. Hm. Knifflig.


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Stuttgart 21 wird übrigens schon wieder teurer, habe ich heute gelesen.


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Ah! Selbstreferenzielle Ingame-Werbung für andere Titel des Hauses. Ein Klassiker!


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Hierzu hingegen fallen mir wieder nur abgründigste PC-Action "Humor"blüten ein. Schweigen wir also lieber.


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Das hier ist übrigens eine Sache, die im Spiel gar nicht funktioniert. PDA-Texte in schlichtem Englisch. Liest bei dem Tempo des Spiels keine Sau. Das hier ist der letzte. Offensichtlich wartet im Finale ein Cyborg auf mich, mit lauter Patronen im Lauf, die meinen Namen tragen. Unerfreulich.


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Links im Bild besagter Cyborg. Rechts hingegen Oberschurke Crizby. Ja, wie der gleichnamige Clown bei den Simpsons. Gleich gibt es eine Cutscene. Aber nur, wenn ich einen Meter in den Raum hineinlaufe. Lasse ich das bleiben, können wir uns hier noch ewig gegenseitig anstarren. Darin liegt eine tiefe Wahrheit. Ich muss sie nur noch verstehen.


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Da unten, verdeckt von den Kisten und Containern stapft ein schlechtgelaunter Cyborg herum. Und ich kann ihn nur mit Grips besiegen.



Das wars. Danke für die Aufmerksamkeit. Und jetzt kauft zum Fest noch ein paar Platten von Dritte Wahl und Tom Waits. Und vielleicht ja sogar Exodus from the earth.

Gute Nacht miteinander.
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Deuterium
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Deuterium »

Das ist doch ziemlich eskaliert :lol:

So. Zuerst einmal gilt mein Dank dem guten „Achmedtheanimal“, der so freundlich war, mir Cryostasis auf Steam zukommen zu lassen und damit die Motivation lieferte, die ich brauchte, um dieses Spiel endlich mal anzufangen.
Cryostasis und Ich. Ja, wir hatten einen schwierigen Start. Genaugenommen 4 Starts. An dieser Stelle möchte ich davor warnen, die Steam oder auch die GOG Version des Spiels zu verwenden. Diese scheinen nicht auf dem aktuellsten Stand des Codes zu sein, was sich in absoluter Unspielbarkeit ausdrückte. Zumindest mit meiner Hardware. Auf jeden Fall war ich gezwungen, mir eine Retailversion zu „beschaffen“. Der 4. Start geht auf die Kappe meiner Hardware. Trotzdem habe ich es irgendwann geschafft, allen Widrigkeiten zum Trotz, Cryostasis durchzuspielen. Es folgt also mein bescheidener Gastbeitrag zu diesem tollen Thread.

Cryostasis

Die Körperkerntemperatur eines Menschen beträgt im Normalfall zwischen 35,8 und 37,2°C. Weder mag er es bedeutend heißer, noch sollte die Kerntemperatur bedeutend abfallen. Nun, dann haben wir jetzt ein Problem, denn Cryostasis ist der softwaregewordene Kampf gegen die lebensfeindliche Kälte des Nordpols.

Schauplatz des Spektakels ist hierbei ein alter Atomeisbrecher -die Nordwind-, der unglückliche Bekanntschaft mit einem Eisberg machte und in diesem gefangen blieb. Und als ob das alles noch nicht spannend genug wäre, gesellt sich auch noch ein Geisterszenario hinzu.
Ja, auf der Nordwind spukt es gewaltig, denn die Besatzung des Schiffes gefällt sich nicht allein im Totsein, sondern verhält sich ausgesprochen aggressiv für Tiefkühlkost und hat dabei auch noch einen Fable für starke Auftritte. Aber wir sind ja nicht wehrlos. Im Verlauf des 6 stündigen Gruselabenteuers sammelt sich im Waffeninventar so einiges an, womit man sich die wahnsinnige Mannschaft vom Hals halten kann. Schießeisen kommen dabei für einen Shooter eigentlich erst recht spät zum Einsatz. Vor dem Erhalt der ersten Schusswaffe setzt man sich mit den Fäusten, einem abgerissenen Ventil, oder wie ich am liebsten, mit einer Axt zur Wehr. Dabei reagiert das Sichtfeld der Spielfigur ausgesprochen authentisch auf ihre Aktionen. Man merkt geradezu, wie der ganze Körper des Spielers bei einem Axt- oder Fausthieb hieb mitgeht. Es versteht sich somit auch von selbst, dass ein Schlag seine Zeit braucht und man eher den richtigen Moment abwarten sollte.
Ebenso authentisch verhält sich das Spiel beim Schießen. Überhaupt ist der Spielfluss eher mit dem Adjektiv „langsam“ zu bezeichnen. Gut Ding will Weile haben und deshalb dauert das Nachladen einer Waffe im längsten Fall schon mal gute 7 Sekunden während man nach einem Schuss mit dem Halbautomatischen 2 Sekunden geduldig wartet, bis man den Nächsten setzen kann. Zwar variieren die Nachladezeiten zwischen den Waffen, doch ist es in allen Fällen von Nöten, bedächtig mit dem Inhalt seines Magazins umzugehen und in ruhigen Momenten so oft Nachzuladen wie es der Vorrat ermöglicht, da die unfreundlichen Eismanngeister oft schneller da sind, als es der Gesundheit lieb sein kann. Außerdem kündigen sie sich nicht immer schriftlich an, weshalb zwischen Herztabletten einschmeißen und dem ersten Ausweichen nicht immer die Zeit bleibt, die R-Taste zu drücken. Geschweige denn, 7 Sekunden abzuwarten. Die Intensität solcher Szenen nimmt aber natürlich noch zu, wenn ein Blick auf die rechte untere Ecke verrät, dass das Magazin verschossen ist und man sich jetzt gefälligst zu gedulden hat, bis Herr Spielfigur im Zeitlupentempo das Gewehr gefüttert hat. So was endet dann schon mal am letzten Speicherpunkt. Je nach Gegnertypus. Was mir bei all der Wuchtigkeit des Kampfes aber gefehlt hat, ist die Reaktion der Gegner auf Treffer. Deren Animationen sehen es leider nicht vor, angemessen auf Axtschläge, oder in Extremitäten einschlagende Waffeninhalte zu reagieren. Selbst für Geisterzombiemutanten war mir das zu wenig. Außerdem ist die KI der Gegner recht beschränkt. Das äußert sich bei bewaffneten Gegnern gerne mal darin, dass sie ihre Position nicht verändern, wenn der Spieler aus ihrem Sichtfeld verschwindet, sie aber gerade noch Treffen kann, weil ein Ellenbogen hinter der Ecke herausragt. Hier schafft es die KI Routine nicht, den Gegnern Glaubwürdigkeit einzuhauchen, indem man sie andere Positionen aufsuchen lässt, beziehungsweise in engeren Gängen einfach ein paar Schritte nach links oder rechts gehen lässt. Die schwache KI nimmt den Kampfhandlungen leider viel Intensität, was besonders schade ist, weil mir das Waffenverhalten und die Sichtfeldveränderungen so gut gefallen haben.
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Deuterium
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Deuterium »

Was ich auch ziemlich suboptimal finde ist die Munitionsverteilung, die unmittelbar darauf schließen lässt, was die nächsten Minuten so abgehen wird. Außerhalb von Kampfszenen findet man eher selten Futter für die Waffen. Kommt man allerdings in einen Raum, in dem -bläulich leuchtend- überall Munition herumliegt, kann man in 90% der Fälle davon ausgehen, dass hier gleich der Polarbär steppen wird. Entweder in Gestalt eines großen Gegners, oder in Gestalt gleich einer ganzen Gruppe feindlich gesinnter Kreaturen. Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil es- wie bereits angedeutet- einige der unfreundlich Gesinnten durchaus verstehen, ihren Kurzauftritt nicht lauthals anzudeuten. Diese plumpen Ankündigungen eines Kampfes scheinen mir da doch recht fehl am Platz.

Leider schlägt die Gesundheitsverteilung ebenso in dies Kerbe. Die Grundidee des Gesundheitssystems finde ich dabei ausgesprochen gut. Grob gesagt geht es darum, den Körper nicht zu sehr abzukühlen. Das gestaltet sich in einem Spiel, dessen Austragungsort ein Schiff ist, welches nur noch ein Schatten seiner einstigen Bewohnbarkeit darstellt und noch dazu in einem Eisberg am Nordpol gefangen ist, doch relativ schwierig. Es gilt also vor und nach den Kämpfen -bzw. Wanderungen im Freien- Wärmequellen aufzusuchen, um den Wärmespeicher des Körpers wieder aufzufüllen, denn sowohl die Umgebung als auch Treffer der Gegner zehren an diesem Speicher. Fällt die Wärme auf null, so stirbt man. Wärme ist Leben, während Kälte den Tod bedeutet. Leider variiert allerdings die Wärmemenge, die von den Wärmequellen abgegeben wird -vor allem gegen Ende- ziemlich stark. So kann es sein, dass eine Glühlampe einmal nur einen Viertel der Energie wiederherstellt und sie ein anderes Mal fast komplett auffüllt. Und wie im Falle der Munitionsvorräte, verrät uns die erhaltene Menge an Energie oftmals direkt, ob die nächste Passage actionlastig sein wird oder nicht. Das hätte man, wie auch die Munitionsverteilung etwas unberechenbarer lösen können.
Somit verschenkt das Spiel leider einiges an Spannungspotential, weil es einige offensichtliche Abläufe preisgibt.
Und doch. Trotz dieser kleinen und größeren Ärgernisse schafft es Cryostasis, mich gespannt vor den Monitor zu fesseln. Das liegt zum einen an der Art und Weise, wie die Geschichte der Nordwind und ihrer Mannschaft erzählt wird.
Hierbei ist es wohl wichtig zu erwähnen, dass unser Spieler kein gewöhnlicher Mensch ist, sondern die Fähigkeit des mentalen Echos besitzt. Mit dieser Fähigkeit stellt er eine Art Medium dar, das die letzten Momente eines Verstorbenen miterlebt und auf dessen Handlungen Einfluss nimmt. Mit Hilfe dieser Zeitsprünge erfährt der Spieler nicht nur nach und nach mehr über das Geschehen auf der Nordwind, sondern kann die Menschen, deren mentales Echo er nutzt auch vor dem Tode bewahren. Spielerisch sind diese kleinen Einlagen oft überhaupt nicht interessant, allerdings haben sie hin und wieder einen angenehmen- wenn auch ab und zu leicht Trial and Error behafteten- Rätselansatz. Außerdem eröffnen sich durch erfolgreiche Abschlüsse dieser Zeitreisen neue Wege, die auf Grund der strengen Linearität des Abenteuers auch von Nöten sind. Ich war aber ziemlich angetan von der Tatsache, dass man die Geschehnisse auf der Nordwind aus verschiedenen Perspektiven miterleben kann, weil es eben eine recht erfrischende Erzählweise darstellt. An dieser Stelle hätte es aber wohl auch nicht geschadet, ein paar Geister weniger unmittelbar nach diesen Flashbacks auftreten zu lassen.
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Deuterium
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Deuterium »

Über die Geschichte an sich möchte ich eigentlich nur wenig sagen, aber wichtig ist, wie so oft, wenn es um Schiffe geht, das sexuell angespannte Verhältnis zwischen einem alten Kapitän und seinem Schiff und die Entscheidungen, die aus dieser Beziehung resultieren.
Um ganz genau zu sein, gibt es sogar 2 Handlungsstränge, die am Ende zusammengeführt werden. Doch den zweiten Strang, der von der Person Danko und seinem in einen Wald getriebenen Volk handelt, macht mich interpretationstechnisch immer noch ziemlich fertig, weshalb ich auch hierauf nicht näher eingehen will. Es sei aber noch erwähnt, dass Cryostasis vor allem bei Fans von etwas geheimnisvolleren, verrückteren Geschichten auf Gegenliebe stoßen könnte. Hier kann am Ende auf jeden Fall wunderbar herumgesponnen werden und die Interpretation des Ganzen gefällt sich in ihren vielfältigen Möglichkeiten.

Was mich außerdem an Cryostasis begeistert, ist seine Atmosphäre. Die wird natürlich nicht zuletzt durch die Grafikengine generiert. Die Grafikengine von Cryostasis simuliert das Spiel mit den Aggregatszuständen des Wassers äußerst glaubhaft und hat seine Paradedisziplin vor allem im Abtauen von Räumen gefunden. Hin und wieder kommt es vor, dass der Spieler eine größere Wärmequelle ans Laufen bringt, was damit endet, dass ein ganzer Raum, ähnlich einem Gefrierschrank abgetaut wird. Die Eiszapfen fallen von der Decke und zerspringen in kleine Eisbröckchen, die nach und nach verschwinden, die Eiskristalle an den Wänden schmelzen und Wasser läuft die Wände hinab. Alles wirkt plötzlich schwül und klamm.
In wieder anderen Räumen ist die Kälte in Gestalt von Eis und Frost nahezu durch den Monitor spürbar und man sucht sich schnell wärmende Spirituosen, weil die Wände mit glitzerndem Eis bedeckt sind, die Schutzbrille des Protagonisten an den Rändern gefriert, der Atem als Nebel den Mund verlässt und die Waffen von einer Frostschicht überzogen werden.
Doch hat all diese Schönheit auch ihren Preis. Und der ist nicht niedrig. Die Achillesferse der Engine ist ihr Umgang mit der Hardware. 60FPS Fetischisten sollten einen weiten Bogen um den Titel machen, denn die Bildrate hoppelt über den Monitor wie ein Känguru auf Speed. Vor allem mit eingeschalteter PhysiX-Unterstützung geht man die Bildrate öfter mal im Keller besuchen. Allerdings sind die zusätzlichen Effekte meiner Meinung ihre Kosten wert. Da auch das Ausweichen auf niedrigste Qualitätseinstellungen von Cryostasis nicht zwangsläufig mit einem konstant flüssigen Spielgeschehen quittiert wird, war es mir am Ende sowieso egal, ob es jetzt ein bisschen holprig wird oder nicht. Als potentieller Spieler sollte man aber schon etwas in der Hardwarehose haben.
Um es kurz zu machen: Der Ressourcenumgang von Cryostasis ist ähnlich verschwenderisch wie der Hofhaushalt des Sonnenkönigs.
Allerdings trägt nicht nur die Grafik zur tollen Atmosphäre bei (wenn man sie denn genießen kann), sondern auch die Klangkulisse, die auf eine dauerhafte Beschallung in Form eines Soundtracks verzichtet und dem Spieler durch eisige Windböen, quietschende Türen und andere eindringliche Geräusche seine Situation verdeutlicht.

Ein bisschen was steht zwar noch auf meinem Zettel, doch möchte ich es erst mal gut sein lassen. Man muss ja nicht gleich jeden Rahmen sprengen.
Cryostasis hat mir durchaus gefallen, weil es eine ziemlich verrückte Geistergeschichte erzählt, die vor allem durch ihren Erzählstil zu gefallen weiß und interpretationstechnisch offen ist. Dass die Engine hierbei einen unersättlichen Hardwarehunger hat, war mir im Angesicht der Aussagekraft der Bilder doch reichlich egal. Atmosphärisch ist Cryostasis ein starkes Stück, auch wenn eine schwache KI und ein etwas vorausschaubarer Spielablauf viel Potential verschenken. Eigentlich zu viel, um als Shooter in meinen Augen als gut durchzugehen. Aber hey, mit einer 3+ war ich persönlich eigentlich immer zufrieden. Das soll für Cryostasis dann auch genügen. Streber mag ja sowieso keiner…
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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

Na da sag ich doch ganz herzlichen Dank für diesen schönen Gastbeitrag, der weil er eine Review ist auch so etwas wie eine kleine Premiere für diesen Thread ist und eine schöne Überraschung beim Reinklicken war! Inhaltlich stimme ich allem Gesagtem zu. Lediglich bei den Erzählsträngen bin ich mir nicht hundertprozentig sicher, ob es nicht auf der Nordwind selbst noch ein, zwei mehr sind. Habe beim Lesen gleich wieder Appetit auf dieses schöne, langsame Spiel bekommen. Passt auch gerade sehr zur Atmosphäre in Berlin, wo alles mit tapsendem Schritt über die zugeschneiten Gehwege vorsichtelt.

Übrigens: der Raum voller Munition vor der haarigen Situation eine Ecke weiter - eine der stilbildendsten Shooterkamellen von anno dunnemals. Gut, dass das hier mal angesprochen wurde. Danke an Deuterium.
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Deuterium
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Deuterium »

Eine Sache habe ich jetzt aber doch vergessen: So stelle ich mir einen Kinobesuch vor!
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Achmedtheanimal
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Achmedtheanimal »

ohja würde mich nicht wundern, wenn auf der Spree morgen ein Atomeisbrecher vonnöten wäre ^^

schöner text, schönes spiel :Daumenrechts:
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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

"Mama? Was ist Selbstekel?"

"Meine Güte, Kind, wo hast Du denn das aufgeschnappt?!"

"Das ist eine Hausaufgabe. Wir sollen rauskriegen, was Selbstekel ist."

"Also manchmal habe ich ja doch meine Zweifel, was diese Reformschule angeht. Na gut, wenns eine Hausaufgabe ist. Zieh Dir Deine Jacke an, wir gehen in den Gamerzoo."

"Och nö! Die riechen immer so."

"Sei still! Ich habe heute noch andere Sachen zu tun. Nirgends kann ich Dir schneller erklären, was Selbstekel ist."


Szenenwechsel


"Guck. Der da. Das ist einer mit Selbstekel. Na los, geh mal ein bisschen näher ans Gitter ran, sonst verstehst Du ihn nicht. Mach schon, keine Angst, durch die Stäbe kann er Dich nicht beißen. Psst. Jetzt sagt er was."

"Ich bin so ein verdammter Schwächling. Andere fressen jahrelang aus Überzeugung kein Fleisch, tragen gestrandete Wale ins Meer zurück, engagieren sich in ihrer Freizeit im Ehrenamt für weiß der Fuchs was. Und ich bekomme nicht mal einen vernünftigen Boykott hin. Ich ekelhafter Hedonist. Jahrelang die große Klappe haben und anderen ungefragt auf die Nerven gehen. Und dann in diesem Dreckssaturn am Alex, der allein architektonisch bereits eine Beleidigung des guten Geschmacks darstellt, angesichts einer miesen 10,- € Weihnachtsverkauf-Limited-Edition schwach werden. Pfui auf dich, du verdammter Suchti!"

"Komm mal ein Stück zurück, ich glaube, jetzt wird er laut. Das verstehen wir auch mit etwas Abstand."

"Um dieses Produkt verwenden zu können, müssen Sie dem Steam Subscriber Agreement ("SSA") zustimmen. Aktivieren Sie dieses Produkt per Internet, indem Sie ein Steam-Konto beantragen und das SSA akzeptieren." Genau! Akzeptieren Sie die SS und die SA! Und wenn wir dann auf Ihrer Festplatte einmarschiert sind, immer schön nach vorne beugen und dabei glücklich gucken! Dazu passt dann ja auch dieses kranke Grau-Braun-Design von eurer finsteren Knebelseite, ihr lausigen Nötiger! Unzucht mit Abhängigen? Schon mal gehört?"

"Mama, auf wen schimpft der Mann?"

"Auf sich, Kind. Weil er enttäuscht von sich ist. Guck, hier auf dem Schild steht es auch: "Mr Archer. Nach Jahren des lauthals vorgetragenen Steam-Boykotts eingeknickt. Ist enttäuscht von sich."

"Mama, Selbstekel ist aber ganz schön oll. Kriegt das später jeder?"

"Nein, Kind. Nur die Schwachen. Komm. Wir kaufen ihm noch ein paar Nüsse drüben am Automaten."
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Achmedtheanimal
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Achmedtheanimal »

Willkommen im Club der Selbstkasteiten und Schwächlinge :Blauesauge:
Tauche ein in die Welt der Steam Deals
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Mr.Freaky
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Mr.Freaky »

*wirft Archer ein paar Nüsse zu*

Hätte nicht gedacht, dass sogar du noch einknickst. ;)
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NoCrySoN
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von NoCrySoN »

Was war es denn wert? ;)
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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

NoCrySoN hat geschrieben:Was war es denn wert?
Auflösung folgt noch. Ich spiele es gerade zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen durch, um meinen Ersteindruck nochmal relativieren zu können. Bin aber nach wie vor angetan. Bis zum Text darf natürlich gern geraten werden.