Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

Almalexian hat geschrieben: ...
Hi hi. Ja, das klingt vertraut.

Willkommen in der BDSM-Ecke des Videospielmarkts. Auf die Knie, Sklave!
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Almalexian
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Almalexian »

mr archer, ich hab da mal ne Frage.

So wie es scheint, kennst du dich sehr gut mit osteuropäischen Produktionen aus und hegst eine gewisse Leidenschaft dafür. Nun hab ich folgendes Problem:

Stalker ist eines meiner Lieblingsspiele, eben weil es einen soliden Shooter mit nem guten Schuss Sozialkritik und ein paar Rollenspielelementen darstellt. Dazu noch ein Setting, was mich sehr interessiert.
Aber mittlerweile bin ich durch. ich habe alle drei Teile plus größere Mods dafür gespielt, den Build von anno dazumal will ich nochmal spielen, aber trotzdem:
Kennst du zu dem Spiel eine gute Alternative, womöglich noch besser? Insbesondere der Survival-Part und der Realismus beim Gameplay lassen mMn bei Stalker noch Wünsche offen, gibts da irgendein Spiel, welches die Lücke füllen kann. Ich brauch wieder was zum Zocken und meine restlichen Spiele langweilen mich derzeit eher.

Schonmal danke im Vorraus.
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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

Almalexian hat geschrieben:mr archer, ich hab da mal ne Frage.

So wie es scheint, kennst du dich sehr gut mit osteuropäischen Produktionen aus und hegst eine gewisse Leidenschaft dafür. Nun hab ich folgendes Problem:

Stalker ist eines meiner Lieblingsspiele, eben weil es einen soliden Shooter mit nem guten Schuss Sozialkritik und ein paar Rollenspielelementen darstellt. Dazu noch ein Setting, was mich sehr interessiert.
Aber mittlerweile bin ich durch. ich habe alle drei Teile plus größere Mods dafür gespielt, den Build von anno dazumal will ich nochmal spielen, aber trotzdem:
Kennst du zu dem Spiel eine gute Alternative, womöglich noch besser? Insbesondere der Survival-Part und der Realismus beim Gameplay lassen mMn bei Stalker noch Wünsche offen, gibts da irgendein Spiel, welches die Lücke füllen kann. Ich brauch wieder was zum Zocken und meine restlichen Spiele langweilen mich derzeit eher.

Schonmal danke im Vorraus.
Dein Vertrauen in meine Expertise auf dem Feld ehrt mich - aber leider kann ich nicht helfen. Ich glaube, in seiner Mischung ist S.T.A.L.K.E.R. irgendwie tatsächlich einzigartig. Ein paar von den Leuten aus dem Team sind zu Metro 2033 weitergewandert. Das kenne ich aber persönlich noch nicht. Soll aber ganz passabel sein, wenn auch anderes Setting und soweit ich das einschätzen kann stärkerer Fokus auf Shooter. Was mich persönlich mit einer gewissen Vorfreude erfüllt, ist Cryostasis. Ist aber ein Survival-Spiel. Spielt auf einem Eisbrecher. Ich erwarte mir da etwas, was die Gameplay-Scharten von Bioshock ein bisschen auswetzen kann. Russische Härte eben.
Pathologic ist im übrigen was die Philosophie der Spielwelt angeht, ein Stück weit verwandt mit S.T.A.L.K.E.R. Wie auch You are empty. Aber vergleichen lassen sich die Spiele trotzdem kaum.

Leider ist S.T.A.L.K.E.R. bisher ein Solitär geblieben. Aber womöglich weiss jemand anderes ja Rat?
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Almalexian
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Almalexian »

Metro 2033 hab ich gespielt, aber was aus dem Szenario gemacht wurde, begeistert mich nicht. Die Story wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet, Shooterparts und Kampf gegen Mutanten (die übrigens alle im wesentlichen wie ne Mischung aus Hamster und Wolf aussehen) fühlen sich sehr komisch, irgendwie gummiartig an. Außerdem ist es mir viel zu linear, die Buchvorlage hätte man auch nur in den Hauptquest einbauen können und den Spieler dann frei von Station zu Station reisen lassen. Erfreulich finde ich lediglich die Gimmicks wie die Gasmaske (wobei hier die Filter sinnlos sind, da man sie eh im Überfluss hat), der Rest ist nur passabel. Für 3.99 zzgl. Versand, für die ich es erstanden habe, kein Fehlkauf, aber kein Vergleich zu Stalker.

Evtl. probiere ich mal eines deiner hier vorgestellten Spiele, deine Reviews klingen jedenfalls interessant.
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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

Hallo, ich mal wieder.
Wollte nur berichten, dass ich jetzt mit dem Heiler durch Pathologic durch bin und damit zwei von drei möglichen Storydurchläufen absolviert habe.

UND MEINE FRESSE IST DIESES SPIEL EIN STORYHAMMER!!!

Ich bin ja eigentlich kein großer Freund davon, bei jeder sich bietenden Gelegenheit David Lynch herbei zu zitieren. Weil die Vergleiche meistens furchtbar hinken. Aber als sklavischer Fan: Kein mir bekanntes Kunsterzeugnis ist jemals wieder so nahe an die Abgründigkeit und Doppelbödigkeit von Twin Peaks herankommen wie Pathologic. Das einzige was hier fehlt, ist leider der Humor. Ich kenne bisher kein anderes Videospiel mit einer so durchdachten, facettenreichen, hochalegorischen, wendungsreichen, tiefen und vertrackten Story, die noch dazu je nach gespieltem Charakter komplett neu nuanciert wird. Das ist wirklich atemberaubend. Extrem gut. Im Videospielbereich meiner Meinung nach nicht wieder erreicht. Wenn man die hier entworfene Welt mit ihren Konflikten mal gegen das sonst so übliche Erzähleinerlei im RPG-Bereich hält, gegen die hundertundrölfte Serious-Fantasy-Welt irgendeines Elder Scroll - Teils beispielsweise, dann sieht man ersteinmal, was eigentlich erzählerisch möglich wäre. Kommt auch der von mir sehr geschätzte The Witcher nicht ran.

Ich bin nun nach dem zweiten Durchlauf so weit, hier mitlerweile doch zum ganz knappen "Gut" zu tendieren - trotz des redundanten, hundsgemeinen Gameplays. Meine Güte - was soll noch werden. Ein Charakter steht ja noch aus.
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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

Draußen vor dem Fenster nimmt der alljährliche Berliner Silvester-Bürgerkrieg allmählich Fahrt auf. Und gleich kommen die Gäste. Zeit, allen Besuchern und Mitlesern dieses merkwürdigen kleinen Special-Interest-Threads hier, der im Laufe der Monate interessanterweise zu fast so etwas wie einem fortlaufenden Blog geronnen ist, von meiner Seite herzlichen Dank fürs Mitlesen und Diskutieren zu sagen und ein rundum schönes Neues Jahr zu wünschen.

Im Januar geht es dann hier weiter mit einer ausufernden Besprechung von Pathologic - dem besten PC-Spiel, das Ihr nie gespielt habt.

Party on!
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Brakiri
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Brakiri »

Jo, dir auch ein frohes neues Jahr, mit recht vielen neuen und alten Ostblock-Shootern :)

Kleine Frage am Rande: Ich habe nun auch die Stalker-Reihe "wiederentdeckt", spiele aber ohne Mod, weil die Beschreibungen so klingen, als würden sie das Spiel vereinfachen.
Genau wie du mag ich aber das Knappheitsproblem ala System Shock 2 und möchte es mir daher nicht leichter machen. Das einzige was ich mir gegönnt habe, ist der Schlafsack-Mod, damit ich nicht immer im dunklen rumrennen muss.

FYI: Spiele grade Stalker :Clear Sky.

@Thread

Habe ihn mit grossem Interesse gelesen. Werde mal ein paar der Sachen probieren.
Danke für die viele Arbeit! :)
Warum Trump gewonnen hat:
https://www.youtube.com/watch?v=vSS4GCA__As

Die Wahrheit macht frech
Stop the planet, i wanna get out...

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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

Brakiri hat geschrieben:
Kleine Frage am Rande: Ich habe nun auch die Stalker-Reihe "wiederentdeckt", spiele aber ohne Mod, weil die Beschreibungen so klingen, als würden sie das Spiel vereinfachen.
Genau wie du mag ich aber das Knappheitsproblem ala System Shock 2 und möchte es mir daher nicht leichter machen. Das einzige was ich mir gegönnt habe, ist der Schlafsack-Mod, damit ich nicht immer im dunklen rumrennen muss.

FYI: Spiele grade Stalker :Clear Sky.
Ich kann aus eigenem Erleben bei der Frage zu S.T.A.L.K.E.R.-Mods nur zu Folgendem raten:

http://artistpavel.blogspot.com/2009/04 ... -2009.html

Aber da Du den Schlafsack erwähnst, bist Du ja bereits einer der Erleuchteten. Gute Jagd, Stalker!

Und wenn Du auf knappe Ressourcen stehst, dürfte Pathologic für Dich etwas wie die Erfüllung eines besonders schönen feuchten Traums sein. Obwohl ich kurz vor dem Ende nach beinahe hundert Spielstunden auch hier wieder sagen muss: wenn man den Dreh einmal raus hat, gibt es keine Probleme mehr. Bis zu diesem Punkt allerdings ...
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crewmate
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von crewmate »

Und in dem Zusammenhang solltest du auch The Void in Augenschein nehmen. Das letzte Spiel von Ice Pick Lodge. Am Anfang wirst du dort auch mehrmals Neustarten müssen, weil das Spiel trotz Anleitung erstmal komische Regeln aufstellt. Dafür belohnt es dich dann auch mit einer tiefgründigen Geschichte.

Ist Clear Sky inzwischen spielbar?
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Brakiri
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von Brakiri »

crewmate hat geschrieben:Und in dem Zusammenhang solltest du auch The Void in Augenschein nehmen. Das letzte Spiel von Ice Pick Lodge. Am Anfang wirst du dort auch mehrmals Neustarten müssen, weil das Spiel trotz Anleitung erstmal komische Regeln aufstellt. Dafür belohnt es dich dann auch mit einer tiefgründigen Geschichte.

Ist Clear Sky inzwischen spielbar?
Hab mir ein paar Sachen bezüglich The Void durchgelesen, aber das scheint nicht so recht mein Ding zu sein. Ich habe nichts gegen eine steile Lernkurve, aber es den Leuten extra schwer zu machen, dass ist dann zu sadistisch, als das ich als Nicht-Masochist daran gefallen finden würde....;)

X und X2 habe ich z.B. gespielt, aber X3 finde ich vom UI so extrem umständlich, und routineabweisend, dass ich es bald wieder aufgegeben habe (Zum Glück für 3€ über Ebay ersteigert).

Vielleicht schaue ich es mir The Void irgendwann mal an, wenn ich echt nix Besseres zu tun habe.

Clear Sky ist durchaus spielbar. Habe die 1.5.10 Version drauf, und bis auf die üblichen Probleme der Engine mit Radeon-Karten(1 Bluescreen alle 2-3 Tage) geht alles.
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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

So, Kinder. Es ist vollbracht. Pathologic wurde soeben von mir durchgespielt. Fühle mich nun leer, wie lange nicht mehr nach Beendigung eines Videospiels. Ist nicht alles andere dagegen öder Kinderkram? Was soll da noch kommen?

Nun ja. Zunächst mal ein längerer Text, irgendwann die Tage. Bis dahin erst mal Tschüss von mir. Bin quasi verkatert.
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crewmate
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von crewmate »

http://www.amazon.de/Novi-Disk-The-Void ... d_sim_vg_2

Das hier, greif zu. Die Spielmechanik ist ehrlich gesagt noch schlimmer, weil du am Anfang so viele Fehler machst, die GameOver bedeuten. Aber es wird dich bestimmt noch stärker reinsaugen.
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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

crewmate hat geschrieben:http://www.amazon.de/Novi-Disk-The-Void ... d_sim_vg_2

Das hier, greif zu. Die Spielmechanik ist ehrlich gesagt noch schlimmer, weil du am Anfang so viele Fehler machst, die GameOver bedeuten. Aber es wird dich bestimmt noch stärker reinsaugen.
Nee, ich mach jetzt mit Ice Pick Lodge erstmal Pause. Zunächst mal liegt hier noch der zweite Teile vom Witcher ungespielt herum. Und bevor ich den spiele, will ich den ersten nochmal auf meinem neueren Spiele-Rechner durchlaufen lassen, auch wegen der Anschlusssave-Stände, die ich nicht mehr auf der Platte habe. Damit bin ich bis ins Frühjahr ausreichend beschäftigt.

Außerdem interessiert mich, wie hier schon öfter gesagt, Cryostasis noch stärker. Und Necrovision sowie Vivisector. Und dann muss ich noch meine Bildungslücken bei den ISO-RPG-Klassikern nachholen, und Baldurs Gate 1 +2 sowie Planescape: Tornment endlich mal spielen. Da habe ich bei GOG im Weihnachtsverkauf zugeschlagen.

Damit dürfte 2012 spielemäßig bereits mehr als voll sein. Man ist ja immerhin berufstätig und hat auch noch ein sehr nettes Privatleben.

Vorher gibt es aber so ab dem Wochenende meine Pathologic-Besprechung. Die Sätze formen sich bereits.
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mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von mr archer »

Pathologic

1. Vorbemerkungen

Dies ist nun das zweite Mal, dass ich in diesem Thread etwas weiter ausholen werde. Grund dafür ist Pathologic, das ich seit Ende November letzten Jahres intensiv gespielt habe und Euch hier näher bringen möchte, da ich es für ein sehr bemerkenswertes Spiel halte, dem vor allem im deutschsprachigen Raum seitens der professionellen Videospieljournale extremes Unrecht widerfahren ist. Womit ich übrigens nicht behaupten will, dass ich dies nicht zum Teil nachvollziehen kann, denn Pathologic macht es den Menschen wirklich nicht leicht, es zu mögen. Wer diesen Thread regelmäßig verfolgt, konnte über die letzten Wochen ja an meinem Beispiel miterleben, wie langsam und gegen welche Widerstände sich hier eine Begeisterung aufbauen kann. Welches deutsche Spielemagazin nimmt sich schon die notwendige Zeit, um für ein verqueres Spiel aus Russland einen Redakteur für mindestens eine volle Arbeitswoche abzustellen? Eben.

Da ich diese Zeit hatte und auch hier im Thread niemand auf die geschriebenen Zeilen achtet, am Anfang einige Vorbemerkungen und einleitende Gedanken.

Zunächst einmal handelt es sich bei den folgenden Ausführungen um keine Review im klassischen Sinn. Wer sich einfach nur für meine kompakt gefasste Meinung zum Spiel interessiert, den vertröste ich hiermit auf meinen noch ausstehenden 4p-Lesertest zu Pathologic, den ich im Anschluss an diesen mehrteiligen Threadbeitrag gesondert verfassen werde. Ganz ähnlich, wie ich auch bei You are empty verfahren bin. Als dritten Schritt wird es ebenfalls analog zum Shooter von MandelArtPlains eine überarbeitete Fassung dieses Threadeintrags inklusive Screenshots auf meiner Homepage geben, deren Adresse unten in meiner Signatur zu finden ist.

Wer allerdings gern jetzt schon eine ausgewogen argumentierende, faire Review zu Pathologic in deutscher Sprache – auch als zweite Meinung zu meinem Geschreibe hier – lesen möchte, dem empfehle ich hiermit sehr die Besprechung von jan auf yiya.de:

http://yiya.de/reviews/p/path0101.shtml

Es ist die einzige mir bekannte deutsche Review zum Spiel, die kein gnadenloser Verriss ist (wie stellvertretend für viele andere auch Benjamins Besprechung auf 4p). Überhaupt ist yiya.de eine der wenigen deutschen Videospielseiten, auf der ich das Gefühl habe, dass osteuropäischen Produktionen nicht von vornherein mit einer gewissen Hybris der Überlegenheit und deutsch-deutschen „Wessihaftigkeit“ begegnet wird. Zu diesem Punkt wird hier später noch einiges zu sagen sein. Schließlich ist der Text auf yiya.de auch deswegen sehr interessant, weil in ihm ebenfalls Twin Peaks als Vergleich herangezogen wird. Ohne zuviel vorwegzunehmen: ein meiner Meinung nach zentraler Punkt. Pathologic ist die russische Antwort auf Twin Peaks. Minus dessen Humor (was schade ist).

Zweitens bleibt festzuhalten: Pathologic ist kein Shooter. Man spielt es aus der Ego-Perspektive und man kann in ihm Stich- und Schusswaffen benutzen. Aber es ist kein Shooter. Überhaupt fällt die Genrezuordnung dieses Spiels schwer. Neben den Shooter-Elementen finden sich noch solche aus dem Survival Horror-Genre. Aber am stärksten sind sicherlich die Elemente aus 3D-Adventure und RPG. Erstem verdankt es die Dialog“rätsel“ und einige inventarbasierte Aufgabenstellungen. Zweitem die Queststruktur und das Ressourcenmanagement. Pathologic ist also eines dieser Hybrid-Dinger, wie sie immer mal wieder unnahbar und mit finsterem Gesicht in der Videospiellandschaft herumzustehen pflegen.

Drittens möchte ich vorweg schicken: in vielen Spielerforen wird bekanntlich immer wieder emotional darüber gestritten, ob Videospiele Kunst sein sollen, dürfen, müssen oder ob nichts schlimmer wäre als das. Pathologic, das möchte ich hier so salopp einmal gesagt haben, wird auf manchen einfach nur wie arrogante, schlimme Kunstkacke wirken. Als Konzept interessant. Als Spiel ungenießbar und eine Zumutung. Man kann das so sehen. Ich verdamme niemanden, der das so empfindet. Im Zweifelsfall hier ein Interview mit den Machern des Spiels:

http://www.rockpapershotgun.com/2009/02 ... ick-lodge/

Zu abgehoben? Zu kopfig und elitär? Ich verstehe das. Da ist die Tür.

2005 tritt das bis dato unbekannte Moskauer Studio Ice Pick Lodge mit dem Spiel Мор: Утопиа (Mor: Utopia) an die Öffentlichkeit. Der Titel wird in der Heimat mit Preisen überhäuft und zum wichtigsten PC-Spiel der Saison. Publisher ist Buka, das uns unter dem späteren Namen 1C Company bereits als Publisher von You are empty begegnet ist. 2006 erfolgt dann unter dem etwas ungelenken Namen Pathologic der internationale Release, den in Deutschland Frogster übernimmt (die Übersetzung des Originaltitels lautet wörtlich „Die Pest: Utopia“). Ein Debakel. Die Kritiken sind verheerend, der Preis des Spiels fällt im Zeitraffer auf Ramschniveau, und es endet bald als Gratis-CD-Beilage zu Videospielmagazinen – die Form, in der man es heute noch auf Amazon für Centbeträge erwerben kann (ich hatte allerdings Glück und konnte noch die originale Retail-Version mit Pappschuber und Handbuch ergattern). Auf dem englischsprachigen Markt ist die Situation interessanterweise etwas anders. Zwar hielt sich auch hier der finanzielle Erfolg in engen Grenzen und die englische Übersetzung geriet noch um einiges katastrophaler als die deutsche. Aber die Kritiken waren weit weniger vernichtend und bis heute existiert ein treues Netzwerk von Liebhabern des Titels. Zur Illustration hier die bis heute maßgebende internationale Besprechung des Spiels auf Rock Paper Shotgun (Vorsicht! Es handelt sich um einen Meta-Text. Zahllose Spoiler!):


http://www.rockpapershotgun.com/2008/04 ... -the-body/

http://www.rockpapershotgun.com/2008/04 ... -the-mind/

http://www.rockpapershotgun.com/2008/04 ... -the-soul/

Spoiler ist dann auch ein wichtiges Stichwort: es ist schwer eine lobende Besprechung zu Pathologic zu schreiben, ohne zu spoilern. Denn der Grund dafür, diesem Spiel eine Chance zu geben, ist nicht das Gameplay. Das Gameplay von Pathologic wirkt über lange Strecken einfach wie eine Zumutung und später dann wie ein notwendiges Übel. Ich bin mir noch beim Schreiben dieser Zeilen nicht sicher, ob ich in über hundert Spielstunden jemals so etwas wie Spielspaß empfunden habe. Genugtuung, ja, das schon. Auch Stolz auf meine Leistung als Spieler. Aber Spaß? Nein, soweit würde ich selbst unter Berücksichtigung all des Masochismus, zu dessen Aufbringung ich fähig bin, nicht gehen, Spielspaß im herkömmlichen Sinn hatte ich in Pathologic keinen. Was ich also in den folgenden zwei Teilen meiner Besprechung versuchen werde, ist, Euch von der Einzigartigkeit der Story dieses Spiels zu erzählen, ohne ihm die Spannung zu rauben, die sich aus ihr – und fast ausschließlich nur aus ihr – ergibt.

Darum sei hier zum Ausklang für diesmal nur das Folgende festgehalten: Ich kenne neben Pathologic nur ein einziges Spiel, das von der Tiefe seiner narrativen Struktur her, von der unglaublichen Vielzahl seiner Deutungszugänge her, das mit Bezug auf seine allegorisch hochintelligente Struktur dem Erstling von Ice Pick Lodge das Wasser reichen kann: The Path von Tale of Tales. Wenn ich all die Jahre seit 1990, die ich meinem Videospielhobby gewidmet habe, Revue passieren lasse, fällt mir höchstens noch Silent Hill 2 ein, das bei mir einen ähnlich starken Eindruck hinterlassen konnte. Bekanntlich bin ich ein großer Fan der Fähigkeiten von Ken Levine als Geschichtenerzähler. Gegen Pathologic ist das gesamte erzählerische Universum von Ken Levine banaler Kinderkram. Sorry, Shodan, sorry Garett, sorry Andrew Ryan. Tut mir leid.

Weiter geht es hier im Laufe der nächsten Woche. Bis dahin allen viel Spaß beim Spielen und allem sonstigen. Gute Nacht.
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe

Beitrag von crewmate »

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