Allgemeiner Politikthread

Hier gehört alles rein, was nichts mit dem Thema Spiele zu tun hat.

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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

So schaut's aus. Solange die Herrschenden (noch) nicht Ziel sind, ist es denen auch ziemlich wurscht, was sie da langfristig an immensem Schaden anrichten in Punkto sozialer Frieden
Da muss ich dir ausnahmsweise mal voll zustimmen. Und gerade Merkel hat momentan diese Philosophie, siehe Wahlergebnisse, perfektioniert. Wie die dauerhaft große Teile des Volks gewissermaßen auf Droge setzt nötigt einem einen gewissen Respekt ab.
Was kann der Westen jetzt genau dafür, dass die Türkei neben Luftschlägen gegen den IS auch gleich die PKK mit unter Feuer nimmt?
Mindestens militärisch betrachtet gehört die Türkei als NATO-Mitglied zum Westen. Zwar stufen auch andere Länder in diesem Verbund die PKK als Terrororganisation ein, aber im Vergleich zu dem was der IS momentan abzieht ist die PKK das geringste Problem. Auf der anderen Seite ist die PKK und die Kurden insgesamt sehr wertvoll weil sie sich mit Bodentruppen gegen den IS stellen, etwas was die NATO penibel vermeiden möchte, die fliegen lieber aus sicherer Entfernung Luftschläge und Kriegsspielzeug ins Land. Es wäre also als gesamtes NATO-Konzept mindestens notwendig dass die Kurden den IS besiegen und Hoffnung auf eine Befriedung der Provinz herrscht. Aber die Türkei geht da lieber ihren eigensinnigen Weg und bombardiert diejenigen auf denen die Hoffnung im Kampf gegen den IS ruht. Tolle Wolle
Zuletzt geändert von Almalexian am 25.07.2015 15:59, insgesamt 1-mal geändert.
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mr archer
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von mr archer »

Beispieldiskurs dafür, den ich in Sachsen bereits mehrfach erlebt habe: "Die Asylanten haben ein schickeres Handy als ich, denen kann es gar nicht schlecht gehen!" Auf die Gegenfrage, wie man denn bitte ohne ausreichende Behördendeutsch-Kenntnisse und als Wohnsitz "Flüchtlingsheim xyz" einen Festnetzanschluss bei der Telekom etc. bekommen soll, kommt dann nix mehr. Oder zum Hinweis, dass die Leute oftmals aus Ländern kommen, in denen jeder/jede mobil telefoniert, weil es dort überhaupt kein gewachsenes analoges Telefonnetz gab. Und wenn man dann noch fragt, ob man sich denn schon mal mit Freifunkinitiativen oder der politischen Frage nach kostenlosem Netz beschäftigt hat - blub.
Zuletzt geändert von mr archer am 25.07.2015 15:54, insgesamt 1-mal geändert.
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mr archer
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von mr archer »

Almalexian hat geschrieben:
So schaut's aus. Solange die Herrschenden (noch) nicht Ziel sind, ist es denen auch ziemlich wurscht, was sie da langfristig an immensem Schaden anrichten in Punkto sozialer Frieden
Da muss ich dir ausnahmsweise mal voll zustimmen. Und gerade Merkel hat momentan diese Philosophie, siehe Wahlergebnisse, perfektioniert. Wie die dauerhaft große Teile des Volks gewissermaßen auf Droge setzt nötigt einem einen gewissen Respekt ab.
Wobei ich dann doch mal die Frage in den Raum stellen möchte, wo im Fall des verlinkten AdG-Artikels, der ebenfalls rein kulturalistisch argumentiert und damit die soziale Frage entsozialisiert, die Grenze zu "den Herrschenden" verläuft.
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KING_BAZONG
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von KING_BAZONG »

Finde es absolut richtig, den kulturellen Aspekt zu beleuchten, denn schliesslich ist dieser eine enorme Herausforderung für die Aufnahmegesellschaft.
Und nicht jede Art Kultur ist erstrebenswert und/oder kompatibel zu der hier vorherrschenden. Multikulti muss nicht heißen, dass ich jeden abscheulichen Ritus aus dem entferntesten Winkel der Welt für gut oder gar "bereichernd" befinde ;)
Die Politik hat die Verantwortung nicht nur der eigenen Gesellschaft gegenüber, sondern auch den zu uns kommenden Asylbewerbern, sie entsprechend würdig unterzubringen und das muss notfalls auch heißen, eine Grenze zu definieren, die so bemessen sein muss, dass das im Einzelfall gewährleistet ist.
So wie es momentan abläuft, Leute in Zeltstädten zu "parken", das kann nicht die Lösung sein.

Im Artikel wird die soziale Frage keineswegs "entsozialisiert". Der Autor stellt sehr wohl anhand von Beispielen dar, wie weit der soziale Frieden belastet wird oder bereits belastet ist.
Ich sehe das also völlig anders als Du.

Hier etwas aus meiner unmittelbaren Umgebung http://www.zvw.de/inhalt.weinstadt-flue ... 39eb6.html
Natürlich sind die demonstrierenden Anwohner alle Nazis in Nadelstreifen, Mischpoke und Pack oder zumindest aus dem Tal der Ahnungslosen, obwohl man hier knapp 20% Ausländer seit Jahrzehnten gewöhnt ist (Raum Stuttgart) ;)
PEGIDA ist überall, es heißt nur nicht immer so.

Parkplatz...Steinbruch.....als Unterbringungsmöglichkeiten. Und so sieht es ÜBERALL aus ! Das kann doch nicht der Weg sein !
Euthydemos
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Euthydemos »

@mr archer
Wie wohl alle hier im Thread halte ich den Irakkrieg für eine große Fehlentscheidung seitens der USA und ihrer Verbündeten in der „Koalition der Willigen“. Dennoch ist es mMn nicht ausgemacht, dass ohne ihn im Nahen Osten heute Stabilität herrschen würde. Die Gründe, die zum Widerstand von Teilen der Bevölkerung sowohl gegen die prowestlichen Regime in Tunesien und Ägypten, als auch gegen die antiwestlichen in Libyen und Syrien führten, hatten ihre Ursache ja nicht im Irakkrieg.

Für Syrien könnte man eher noch die westliche Intervention in Libyen und Obamas Verlautbarungen über „rote Linien“ als Faktoren anführen, durch die sich Assads Gegner Hoffnung auf Unterstützung machen konnten und daher vielleicht eher bereit waren, zum bewaffneten Kampf überzugehen, nachdem das Regime mit Gewalt auf Demonstrationen reagiert hatte. Aber eine Garantie, dass sie ohne den Libyenkrieg klein beigegeben hätten, die gibt es nicht.

Und aus diesen Gründen könnte Saddam heute ebenso in einen Bürgerkrieg verwickelt sein. Ob man sein Herrschaftssystem richtig charakterisiert, wenn man sagt, dass unter ihm das Verhältnis zwischen Schiiten uns Sunniten austariert gewesen sei, wenn auch mit „nicht wirklich fairer Verteilung der Macht“, dazu kann man, gelinde gesagt, geteilter Meinung sein. Schließlich hatte er im Laufe seiner Diktatorenkarriere sehr wohl Chemiewaffen und summarischen Terror gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt, auch wenn er 2003 keine nennenswerten C-Waffen mehr hatte. Im Vergleich mit Mubarak und Ben Ali war er schon ein anderes Kaliber.

Zuzustimmen ist aber der Aussage, dass die USA auch durch den Irakkrieg eine wesentliche Mitschuld an der heutigen Lage tragen. Denn obwohl wenn man nicht weiß, wie die Geschichte ohne ihn verlaufen wäre, sollte man sich im Zweifel einer Intervention mit schwer oder gar nicht kalkulierbaren Folgen enthalten.

Am Rande schließlich stellt sich die Frage, warum das Verhältnis zwischen den Konfessionen im Irak überhaupt so dringend austariert werden muss, dass selbst ein brutaler Diktator als das kleinste Übel erscheinen kann, wenn man der Auffassung zuneigt, dass ethnische und konfessionelle Konflikte letztlich nur fehlgeleitete Ausformungen der „sozialen Frage“ sind.
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mr archer
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von mr archer »

KING_BAZONG hat geschrieben: Und nicht jede Art Kultur ist erstrebenswert und/oder kompatibel zu der hier vorherrschenden. Multikulti muss nicht heißen, dass ich jeden abscheulichen Ritus aus dem entferntesten Winkel der Welt für gut oder gar "bereichernd" befinde ;)
Das heißt Multikulturalismus auch nicht, das ist ein gern verbreiteter Irrtum. "Multikulturalismus" ist kein festumrissenes Programm mit einer nachzulesenden Agenda. Er ist zunächst mal eine Zustandsbeschreibung einer sich globalisierenden, kapitalistisch orientierten Welt zu deren Grundlagen es gehört, Leute zu entwurzeln und beweglich zu machen (was individuell auch durchaus als biografischer/sozialer Fortschritt empfunden werden kann) und damit "Kulturen" in Nachbarschaften zu bringen, die das bisher nicht waren. Es gibt nun eher positiv in die Welt blickende Menschen, die davon ausgehen, dass dieser Prozess zivilisatorisch von Nutzen für alle und ein Fortschritt sein kann. Was von allen Beteiligten viel Arbeit erfordert. Und es gibt Leute, die das Ganze rigoros ablehnen. Ich halte die zweite Position für falsch - weil sie so tut, als wäre der Prozess aufzuhalten. Ist er aber nicht. Jedenfalls nicht innerhalb unserer derzeitigen Gesellschaftsform.

Im übrigen definieren auch hier im Land Gesetze die Grenzen dessen, was ich "kulturell" durch meinen Nachbarn zu ertragen habe. Für die Überwachung der Einhaltung dieser Grenzen gibt es Gerichte und die Bullerei. Sind selbige nicht ausreichend ausgestattet und einsatzfähig, ist das ein politisch zu lösendes Problem. "Rechtsfreier Raum" geht nämlich nicht nur Richtung "Scharia-Polizei". Er gilt genauso beim "NSU". Oder im Fall dieser beiden Leute aus Hoyerswerda-Neustadt: http://www.spiegel.de/panorama/neonazi- ... 68131.html
Ein Linker, der für das staatliche Gewaltmonopol plädiert? Kannste mal sehen.
KING_BAZONG hat geschrieben:
Die Politik hat die Verantwortung nicht nur der eigenen Gesellschaft gegenüber, sondern auch den zu uns kommenden Asylbewerbern, sie entsprechend würdig unterzubringen und das muss notfalls auch heißen, eine Grenze zu definieren, die so bemessen sein muss, dass das im Einzelfall gewährleistet ist.
So wie es momentan abläuft, Leute in Zeltstädten zu "parken", das kann nicht die Lösung sein.

...

Parkplatz...Steinbruch.....als Unterbringungsmöglichkeiten. Und so sieht es ÜBERALL aus ! Das kann doch nicht der Weg sein !
Sorry, an der Stelle musste ich kurz lachen. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass die deutschen Innenministerien zahlloser Bundesländer hinsichtlich der Kommunikation ihrer Flüchtlingspolitik ein jämmerliches Bild abgeben. Und sicherlich ist man stellenweise auch einfach überfordert. Aber wann immer in den letzten Monaten hier drüben auch nur die Ankündigung einer Unterbringung von Flüchtlingen erfolgt, erhebt sich hysterisches Geschrei und die lokale NPD stampft eine "Bürgerinitiative" aus dem Boden. Hier, so sahen gestern Abend die "besorgten Bürger" in Dresden vor der Zeltstadt aus:

Bild

Mit so was muss ich mir kulturell hier auch "mein Land" teilen. Angeblich stehen die mir sogar "nahe", weil sind biodeutsch und in deiner Diktion wohl aus der gleichen "Kultur". Natürlich ist eine Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten auf einer Industriebrache im Grunde indiskutabel. Aber im seit Jahren leerstehenden Neubaublock/Gutshof/
Gewerbepark/Kasernengelände/Schulgebäude will man sie ja in Sachsen auch nicht haben. Da dann auf "die Politik" zu schimpfen ist ein bisschen "Haltet den Dieb".

Und wir reden hier von Dresden. Nicht mal 2 Prozent "Ausländeranteil". Wie generell sachsenweit. Görlitz hat stadtteilübergreifend eine Leerstandsquote von ca. 40 Prozent (http://brotlos.weebly.com/goumlrlitz.html mit ein paar Fotos die auch zeigen, was so etwas nach zwei Jahrzehnten mit einer Stadt macht). Die Syrer, die jetzt in Dresden in die Zelte sollen, vor denen sich nun wieder der Mob trifft, könnte man ganz locker über den sachsenweit massiven Wohnungsleerstand verteilen. Wer soll die Nester denn je wieder voll machen, wenn nicht neue Menschen von anderswo?

Ist natürlich die periphere Perspektive aus den ländlichen deutschen Schrumpfzonen. Aber die gibt es ja auch im Westen.
Zuletzt geändert von mr archer am 25.07.2015 18:37, insgesamt 4-mal geändert.
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Am Rande schließlich stellt sich die Frage, warum das Verhältnis zwischen den Konfessionen im Irak überhaupt so dringend austariert werden muss, dass selbst ein brutaler Diktator als das kleinste Übel erscheinen kann, wenn man der Auffassung zuneigt, dass ethnische und konfessionelle Konflikte letztlich nur fehlgeleitete Ausformungen der „sozialen Frage“ sind.
Weil sie sich sonst die Köppe einschlagen. Ein Diktator ist nicht der Ideal- oder Dauerzustand oder etwas was diese Region nachhaltig befrieden könnte, aber um der akuten Lage einerseits und der langfristigen Befriedung andererseits ist es erstmal vonnöten dass ein Big Boss die ganzen Streithähne voneinander fernhält und für immerhin eine gewisse Ordnung sorgt. Wenn das soweit ist kann man anfangen die Parteien zu versöhnen, aber wenn immer wieder neue Konflikte zwischen ihnen ausbrechen hat immer wieder die jeweils letzte Generation frische Gründe um Hass gegen die anderen zu schüren, ein Teufelskreis.

Ob es auch ohne den Irakkrieg dazu gekommen wäre ist letztenendes Hätte, Hätte, Fahrradkette. Der Krieg hat stattgefunden, er hat nachweislich die Region ins Chaos gestürzt, er war falsch, sowohl verlogen wie auch völkerrechtlich, und hat aufgrund wirtschaftlicher Raffgier und außenpolitische Inkompetenz zig Menschenleben, sowohl dort als auch aus dem Westen, akut gekostet und wird auch noch viele weitere in Zukunft fordern. Der Irak ist ein Failed-State der nur auf US-Krücken lief und nachdem diese weggenommen wurden, ist er gestürzt und die bisher vllt. mächtigste Terrororganisation der Geschichte hat sich aus dem zuckenden Leichnam erhoben. Der Irak-Krieg ist das Ereignis schlechthin wieso es in dieser Region so deftig krieselt und man kann die Schuldigen benennen: Der wesentliche Teil des Westens ist damals der US-Propaganda nachgelaufen, die Regierung und grosse Teile vom Volk in Amerika und den anderen kriegsbeteiligten Ländern haben eine Schuld. Bush und seine Truppe sind Massenmörder die angeklagt und lebenslang weggesperrt gehören, im Unterschied zu vielem anderen Unrecht ist dieses hier noch frisch und deswegen gilt es eigentlich endlich mal die Schuld zu verurteilen und die Schuld wieder gutzumachen, dazu sind die aktuellen Generationen derjenigen Länder aufgerufen die damals mitmarschiert sind. Ich bin heilfroh, dass Deutschland nicht darunter war.
Die USA sind verpflichtet so gut es geht den Schaden einzudämmen und die Region zu befrieden. Und ein Teil der Flüchtlinge die jetzt nach Europa kommen müsste man eigentlich weiter in Gods own Country schicken, alleine damit sie mal selbst zu spüren bekommen was es heißt sich als Idiot in Weltpolitik einzumischen und was das für ernste Konsequenzen hat.
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mr archer
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von mr archer »

Euthydemos hat geschrieben:
Am Rande schließlich stellt sich die Frage, warum das Verhältnis zwischen den Konfessionen im Irak überhaupt so dringend austariert werden muss, dass selbst ein brutaler Diktator als das kleinste Übel erscheinen kann, wenn man der Auffassung zuneigt, dass ethnische und konfessionelle Konflikte letztlich nur fehlgeleitete Ausformungen der „sozialen Frage“ sind.
Weil die soziale Frage im Irak über lange Jahre in massiver Schieflage war - dieser Fakt aber über die Zugehörigkeit zur richtigen Partei/islamischen Kirche/Volksgruppe/Clanstruktur verhandelt wurde. Es nimmt leider kaum Wunder, dass sich die dadurch aufgestauten Konflikte im Moment des Wegfalls des Diktators genau an diesen Stellvertreterfeldern entzündeten.
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Beitrag von Euthydemos »

@Almalexian
Die Herrschaft von Saddam Hussein hat selbst mehr als genug Anlässe für Hass zwischen den Volksgruppen geschaffen. Ihn mit Gewalt durch ein besseres System zu ersetzen war nicht realistisch, also hätte man ihn allein schon deshalb nicht stürzen dürfen. Womit man dann allerdings die Opfer, die der Fortbestand seines Regimes gefordert hätte, als kleineres Übel gegenüber dem Krieg hätte in Kauf nehmen müssen.

Aber dass seine Herrschaft zumindest einen Ausgangspunkt für die Versöhnung der in Nahost streitenden Parteien hätte bilden können, das sehe ich nicht so. Manchmal gibt es eben keine Option, die die Probleme langfristig löst, sondern man kann sie nur mittelfristig eindämmen bzw. kanalisieren, indem man z.B. auf ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Diktatoren setzt.

Was es außer dem Irakkrieg noch an destabilisierenden Faktoren in Nahost gab und gibt ist sehr wohl auch für die Zukunft relevant, also eben nicht „hätte, hätte, Fahrradkette“.
Almalexian hat geschrieben:Die USA sind verpflichtet so gut es geht den Schaden einzudämmen und die Region zu befrieden. Und ein Teil der Flüchtlinge die jetzt nach Europa kommen müsste man eigentlich weiter in Gods own Country schicken, alleine damit sie mal selbst zu spüren bekommen was es heißt sich als Idiot in Weltpolitik einzumischen und was das für ernste Konsequenzen hat.
In diesem Punkt will ich dir nicht grundsätzlich widersprechen, auch wenn es mit der politischen Durchsetzbarkeit düster aussieht.
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Aber dass seine Herrschaft zumindest einen Ausgangspunkt für die Versöhnung der in Nahost streitenden Parteien hätte bilden können, das sehe ich nicht so. Manchmal gibt es eben keine Option, die die Probleme langfristig löst, sondern man kann sie nur mittelfristig eindämmen bzw. kanalisieren, indem man z.B. auf ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Diktatoren setzt.
Dass das auf immer und ewig so sein wird glaube ich nicht. Und dass die jetzige Situation besser dafür geeignet wäre glaube ich auch nicht.
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Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Almalexian hat geschrieben:
Was kann der Westen jetzt genau dafür, dass die Türkei neben Luftschlägen gegen den IS auch gleich die PKK mit unter Feuer nimmt?
Mindestens militärisch betrachtet gehört die Türkei als NATO-Mitglied zum Westen. Zwar stufen auch andere Länder in diesem Verbund die PKK als Terrororganisation ein, aber im Vergleich zu dem was der IS momentan abzieht ist die PKK das geringste Problem. Auf der anderen Seite ist die PKK und die Kurden insgesamt sehr wertvoll weil sie sich mit Bodentruppen gegen den IS stellen, etwas was die NATO penibel vermeiden möchte, die fliegen lieber aus sicherer Entfernung Luftschläge und Kriegsspielzeug ins Land. Es wäre also als gesamtes NATO-Konzept mindestens notwendig dass die Kurden den IS besiegen und Hoffnung auf eine Befriedung der Provinz herrscht. Aber die Türkei geht da lieber ihren eigensinnigen Weg und bombardiert diejenigen auf denen die Hoffnung im Kampf gegen den IS ruht. Tolle Wolle
Ich finde es trotz allem sehr weit hergeholt jetzt dem "Westen" die Schuld zu geben das die Türkei ihren alten Kurdenhass bei dieser Gelegenheit auslebt. Das die EU und auch die USA dagegen sind ist glaube ich keine Diskussion und ich finde es völlig unverständlich zu behaupten das sie daran eine Teilschuld tragen. Natürlich gehört die Türkei zur Nato, aber das man sie erstens klassisch zum Westen zählt ist falsch bzw sehr stark vereinfacht um einen Punkt machen zu können und zweitens ist man ja auch sonst nicht für jede Handlung einer Nation dieses Kulturkreises verantwortlich.

Nein, das die Türken jetzt in den Krieg eingreifen ist deren eigenständige Entscheidung genauso wie es bisher ihre Entscheidung war semi-neutral zu bleiben und das sie Kurden angreifen ist ebenfalls ihre Entscheidung und es ist aus "westlicher" Sicht glaube ich eine falsche. Wenn ich aber mal so tue als ob du einen Punkt hättest, würde ich immer noch fragen was man jetzt tun sollte? Als EU oder Deutschland? Bzw. was haben sie getan damit du sagen kannst das sie Schuld sind?
Zuletzt geändert von Wulgaru am 25.07.2015 19:02, insgesamt 1-mal geändert.
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sourcOr
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von sourcOr »

Almalexian hat geschrieben:
Am Rande schließlich stellt sich die Frage, warum das Verhältnis zwischen den Konfessionen im Irak überhaupt so dringend austariert werden muss, dass selbst ein brutaler Diktator als das kleinste Übel erscheinen kann, wenn man der Auffassung zuneigt, dass ethnische und konfessionelle Konflikte letztlich nur fehlgeleitete Ausformungen der „sozialen Frage“ sind.
Weil sie sich sonst die Köppe einschlagen. Ein Diktator ist nicht der Ideal- oder Dauerzustand oder etwas was diese Region nachhaltig befrieden könnte, aber um der akuten Lage einerseits und der langfristigen Befriedung andererseits ist es erstmal vonnöten dass ein Big Boss die ganzen Streithähne voneinander fernhält und für immerhin eine gewisse Ordnung sorgt. Wenn das soweit ist kann man anfangen die Parteien zu versöhnen, aber wenn immer wieder neue Konflikte zwischen ihnen ausbrechen hat immer wieder die jeweils letzte Generation frische Gründe um Hass gegen die anderen zu schüren, ein Teufelskreis.

Ob es auch ohne den Irakkrieg dazu gekommen wäre ist letztenendes Hätte, Hätte, Fahrradkette. Der Krieg hat stattgefunden, er hat nachweislich die Region ins Chaos gestürzt, er war falsch, sowohl verlogen wie auch völkerrechtlich, und hat aufgrund wirtschaftlicher Raffgier und außenpolitische Inkompetenz zig Menschenleben, sowohl dort als auch aus dem Westen, akut gekostet und wird auch noch viele weitere in Zukunft fordern. Der Irak ist ein Failed-State der nur auf US-Krücken lief und nachdem diese weggenommen wurden, ist er gestürzt und die bisher vllt. mächtigste Terrororganisation der Geschichte hat sich aus dem zuckenden Leichnam erhoben. Der Irak-Krieg ist das Ereignis schlechthin wieso es in dieser Region so deftig krieselt und man kann die Schuldigen benennen: Der wesentliche Teil des Westens ist damals der US-Propaganda nachgelaufen, die Regierung und grosse Teile vom Volk in Amerika und den anderen kriegsbeteiligten Ländern haben eine Schuld. Bush und seine Truppe sind Massenmörder die angeklagt und lebenslang weggesperrt gehören, im Unterschied zu vielem anderen Unrecht ist dieses hier noch frisch und deswegen gilt es eigentlich endlich mal die Schuld zu verurteilen und die Schuld wieder gutzumachen, dazu sind die aktuellen Generationen derjenigen Länder aufgerufen die damals mitmarschiert sind. Ich bin heilfroh, dass Deutschland nicht darunter war.
Die USA sind verpflichtet so gut es geht den Schaden einzudämmen und die Region zu befrieden. Und ein Teil der Flüchtlinge die jetzt nach Europa kommen müsste man eigentlich weiter in Gods own Country schicken, alleine damit sie mal selbst zu spüren bekommen was es heißt sich als Idiot in Weltpolitik einzumischen und was das für ernste Konsequenzen hat.
Du hast eine recht unrealistische Vorstellung von den Diktaturen dort habe ich das Gefühl. Es fand keine Befriedung statt und es hätte imo auch niemals eine gegeben. Befriedung ist der verblümte Begriff, den sich wahrscheinlich jeder Diktator gerne um den Hals hängt - mit harter Hand durchzugreifen, um "Ordnung herzustellen bis das Land bereit ist." Nur passiert das nie. Im Irak herrschte so die Minderheit der Sunniten über die Schiiten und in Syrien sitzt der der Minderheit der Alawiten angehörige Assad. Die beherrschten Gruppen wurden unterdrückt. Entspricht das deiner Vorstellung von Befriedung? Nicht dsas die USA es besser gemacht hätten: Sie haben das Ganze im Irak einfach umgedreht und dabei nicht den Hauch von Sensibilität für die Auswirkungen einer solchen Machtverschiebung gehabt. Und nebenbei hat die neu eingesetzte irakische Regierung wieder ihre religiöse Gruppe bevorzugt und die Sunniten waren plötzlich die Gelackmeierten.

Ich hätte ja fast zugestimmt, dass die Diktaturen wenigstens für Stabilität garantieren konnten, aber selbst da bin ich mir nicht so sicher. Nun hat Assad wohl die bessere Armee verglichen mit Ghaddafi, aber was hat ihm das genützt? Es gab genügend Deserteure um selbst selbst ihn in Bedrängnis zu bringen. So richtig unter Kontrolle hatte glaube ich weder der eine noch der andere sein Land, auch wenn man in beiden Konflikten natürlich jeweils die Rolle des Westens, beziehungsweise des IS nicht verkennen darf. Gebrodelt hat es aber immer.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Du hast eine recht unrealistische Vorstellung von den Diktaturen dort habe ich das Gefühl. Es fand keine Befriedung statt und es hätte imo auch niemals eine gegeben. Befriedung ist der verblümte Begriff, den sich wahrscheinlich jeder Diktator gerne um den Hals hängt - mit harter Hand durchzugreifen, um "Ordnung herzustellen bis das Land bereit ist." Nur passiert das nie. Im Irak herrschte so die Minderheit der Sunniten über die Schiiten und in Syrien sitzt der der Minderheit der Alawiten angehörige Assad. Die beherrschten Gruppen wurden unterdrückt. Entspricht das deiner Vorstellung von Befriedung?
Da hast du dich etwas verlesen.
Ich finde es trotz allem sehr weit hergeholt jetzt dem "Westen" die Schuld zu geben das die Türkei ihren alten Kurdenhass bei dieser Gelegenheit auslebt. Das die EU und auch die USA dagegen sind ist glaube ich keine Diskussion und ich finde es völlig unverständlich zu behaupten das sie daran eine Teilschuld tragen. Natürlich gehört die Türkei zur Nato, aber das man sie erstens klassisch zum Westen zählt ist falsch bzw sehr stark vereinfacht um einen Punkt machen zu können und zweitens ist man ja auch sonst nicht für jede Handlung einer Nation dieses Kulturkreises verantwortlich.
Dass die Türken jetzt auf Kurdenjagd gehen ist ansich nicht dem Rest-Westen anzukreiden, aber es wäre jetzt eben die Aufgabe den Bündnispartner dahingehend zurückzupfeifen. Genug Druck könnte sicherlich ausgeübt werden. Jetzt ist die Situation noch jung aber wenn jetzt ein Nato-Partner den Verbündeten im Kampf gegen den IS in den Rücken fällt würde ich eigentlich eine sofortige Ansage seitens USA etc. erwarten.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Aurellian »

Almalexian hat geschrieben:Weil sie sich sonst die Köppe einschlagen. Ein Diktator ist nicht der Ideal- oder Dauerzustand oder etwas was diese Region nachhaltig befrieden könnte, aber um der akuten Lage einerseits und der langfristigen Befriedung andererseits ist es erstmal vonnöten dass ein Big Boss die ganzen Streithähne voneinander fernhält und für immerhin eine gewisse Ordnung sorgt. Wenn das soweit ist kann man anfangen die Parteien zu versöhnen, aber wenn immer wieder neue Konflikte zwischen ihnen ausbrechen hat immer wieder die jeweils letzte Generation frische Gründe um Hass gegen die anderen zu schüren, ein Teufelskreis.
Bedauerlicherweise stellt sich die Frage: Woher soll dieser "gute Diktator" kommen? Diejenigen von innen haben meistens die unangenehme Angewohnheit, dass sie nach einer gewissen Zeit nicht loslassen wollen. Friedhofsruhe der Marke Saddam oder Assad Senior ist zwar Ruhe, aber irgendwann knallt es dafür nur umso mehr. Eine äußere Intervention als Alternative müsste so langfristig angelegt sein, dass sich das in keinem halbwegs demokratischen Land durchbringen ließe, und würde auch nur zu neuem Hass führen. Wer sollte es denn auch tun? Beim Iran würden die Sunnis nur noch weiter zu ISIS getrieben. Bei der Türkei oder arabischen Ländern wären die Schiiten auf den Barrikaden. Bei den Amis vermutlich ungefähr alle.

Ich sehe da unten keine halbwegs erträgliche Lösung in irgendeiner Richtung. Vielleicht muss man ihnen auch einfach zugestehen, sich solange die Köpfe einzuschlagen, bis sie von selbst auf die Idee kommen, dass man was anders machen könnte.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von sourcOr »

Almalexian hat geschrieben:Da hast du dich etwas verlesen.
Was? Ich lese es nochmal.
Ein Diktator ist nicht der Ideal- oder Dauerzustand oder etwas was diese Region nachhaltig befrieden könnte, aber um der akuten Lage einerseits und der langfristigen Befriedung andererseits ist es erstmal vonnöten dass ein Big Boss die ganzen Streithähne voneinander fernhält und für immerhin eine gewisse Ordnung sorgt. Wenn das soweit ist kann man anfangen die Parteien zu versöhnen, aber wenn immer wieder neue Konflikte zwischen ihnen ausbrechen hat immer wieder die jeweils letzte Generation frische Gründe um Hass gegen die anderen zu schüren, ein Teufelskreis.
Da wirkt die Antwort ein bisschen wie ein Schlag ins Gesicht, denn da steht immer noch, dass du den Diktatoren einen Beitrag im Prozess "langfristiger" Befriedung beimisst. Ich schreibe, dass ich das im Nahen Ost nicht sehe. Das Problem wird auf morgen verschoben. Zumal ich auch nicht verstehe, wie der Übergang stattfinden soll. Der Diktator "hält die Streithälse voneinander fern" ... und dann? Das hat er gemacht und wie kommt der nächste Schritt zustande? Der "Big Boss" geht ja nicht einfach.