Der Grund, dass sich die meisten von dieser oberflächlichen Gewalt mitreißen lassen, liegt in der Natur des Menschen selbst. Der Mensch ist ansich kein tiefgündiges Wesen. Er ist genauso oberflächlich wie die Gewalt, die er vor dem Bildschirm sieht. So entsprechen die Spiele genau der angepeilten Zielgruppe. Und wo wir, wenn wir über Zielgruppen reden, reden wir zwangsläufig über das Streben nach Profit. Ist ein Spiel nicht profitabel, wird das Entwicklerstudio in den meisten Fällen geschlossen. Da liegt doch der Hund begraben. Es ist nicht allein die Schuld der Entwickler. Die Schuld liegt zu großen Teilen bei unserer Gesellschaft, unserem Wirtschaftssystem und dem Menschen selbst.
Der Mensch mag mit Sicherheit ein vernunftbegabtes Wesen sein, jedoch ist diese "Vernunft", letztlich gesellschaftsabhängig. Sie ist zwangsläufig "oberflächlich" notwendig, um in unserer Gesellschaft zu bestehen.Sie wird propagiert und gelebt um den Lebensstandard zu halten, den wir aktuell in der westlichen Welt besitzen
Hmm, im Grunde wirfst du also vor, der Mangel an Spielen, die Gewalt realistisch darstellen, liege am mangelnden Tiefgang der Menschheit?
Andersherum, wer gerne Spiele spielt, die Gewalt eben nicht realistisch und mit den realen Folgen (im Rahmen dessen, was in einem Spiel möglich ist) zeigen, wer bei Spielen lediglich seinen Spaß sucht und sich den Folgen von Gewalt bereits durch andere Medien, nicht zuletzt solche, die ein wirklich reales Szenario abbilden (Nachrichten etc.), bewusst ist, ist oberflächlich und damit "Schuld" daran, dass nicht mehr Spiele Gewalt so zeigen, dass keiner mehr Lust aufs Spielen hat (Ich behaupte ja, naiv wie ich bin, keine Lust mehr aufs Leben zu haben kann durchaus mit der Gesamtsituation der Welt zusammen hängen)? Hab ich dich da richtig verstanden?
Um vielleicht mal etwas aufzudecken: Jörg hat in seiner Kolumne, zumindest dem Wortlaut nach, keinesfalls gefordert, mehr Spiele zu produzieren, die tatsächlich zum Nachdenken anregen. Möglicherweise war es so gemeint, aber zumindest bei mir kommt das nicht rüber. Daran, den Tod und das Leid in all seinen grausamen Facetten zu beleuchten, ist nichts nachdenkliches. Es hat die Qualität von britischen Schockvideos, die Autounfälle zeigen und damit zu mehr Vorsicht im Verkehr mahnen, wobei das schon die extreme Methode ist. Wenn man sowas nun in ein Spiel einfließen lässt, dann ja, spielen es nur Gewaltfetischisten zum Ende durch.
Mr Archer hat es sehr treffend formuliert. Als normal sozialisierter Mensch muss man bei so etwas kotzen. Das ist auch gut so, wenn man diesen Würgereflex hat, darf man sich tatsächlich als zumindest halbwegs gesunder Mensch bezeichnen. Ich weiß bereits, dass diese Formen von Gewalt ekelerregend sind. Ich will sie weder sehen, noch hören, und erst recht nicht spielen. Bei SPON war letztens ein Artikel, bei dem ein Foto einer jungen Chinesin gezeigt wurde, die im siebten Monat zwangsabtreiben musste. Im original hätte der tote Fötus daneben gelegen, das gezeigte Bild war diesbezüglich kaschiert. Danke dafür! was bringt es mir, Gewalt eindrücklich zu erleben? Ich weiß, dass jeden Tag viel Scheiße auf der Welt passiert und bin nicht zuletzt durch die Nachrichten, die von realen Fällen berichten, schon zur Genüge ausgestattet. Ich und jeder andere wird deswegen auch nicht plötzlich aufstehen und versuchen, im Alleingang die Welt zu retten, der Glaube, durch solche Schocker könne man etwas bewegen, ist naiv.
Dementsprechend fehlt die nachdenkliche Komponente. Es ist einfach Schock, Übelkeit und Ekel, mehr nicht. Es gibt Spiele, die Elendsthemen beinhalten, aber diese Spiele stellen das weitaus geschickter dar, nämlich so, dass man noch Lust hat, zu spielen.
Zudem haben diese Spiele meistens auch tatsächlich etwas zum Nachdenken. Die Botschaft von Deus Ex war, dass in der nahen Zukunft die Macht auf der Welt zunehmend auf einzelne Institutionen polarisiert wird. Interessanterweise, empfand ich das beim ersten Mal Durchspielen nicht so, beim kürzlich erfolgten, mittlerweile dritten Durchgang, konnte ich da nur nickend zustimmen. Und anders als beim Thema Gewalt kann man hier auch sehr viel direkter eine Änderung herbeiführen. Nicht die FDP wählen ist da z.B. ein guter Anfang.