Allgemeiner Politikthread

Hier gehört alles rein, was nichts mit dem Thema Spiele zu tun hat.

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Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Ich finde nicht, dass man sich so daran aufhängen kann, dass Lehrer zu großen Teilen nicht verbeamtet sind oder keine Uniform tragen...

Als Ausführende des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags repräsentieren sie sehr wohl den Staat, sind verlängerter Arm des Staates. Und das ist auch kein Kleinkram. Ein Schüler sieht eine Lehrerin, meinetwegen mit Kreuz um den Hals, und assoziiert diese Religion mit der Autorität, der er sich in seiner Rolle als Schüler nunmal zu beugen hat. Auch genießen alle Schüler (und deren Eltern, die auch mit Lehrpersonal in Kontakt stehen) negative Religionsfreiheit, die nunmal berührt wird, wenn ein Lehrer mit Religionssymbol ihnen in seiner Funktion als für die Bildung des Kindes Verantwortlicher gegenübertritt. Genau so wie die politische Meinung der Lehrer den Schülern soweit möglich vorzuenthalten ist, ist dies auch mit der Religion der Fall.

Religiöse Symbole an Lehrpersonen stellen damit eine abstrakte Gefahr für die weltanschauliche Neutralität des Staates, die dieser in allen, absolut allen Angelegenheiten zu wahren hat, dar. Das BVerfG sieht die Religionsfreiheit des Einzelnen hier viel zu stark betroffen, denn der einzelne unterrichtet nicht als Privatperson.
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Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Ich sehe das wie Wiggenz (sorry das mit den Schülern war dann einfach in meinem Kopf drin).

Lehrer haben eine Vorbildfunktion, die haben sie zwangsläufig, egal ob sie gut oder schlecht ist, weil sie den Schülern über Monate und oft Jahre ein bestimmtes erwachsenes Rollenbild vorleben. Es ist natürlich nicht hundertprozentig zu vermeiden das mit der Zeit Dinge bekannt werden oder schlicht offen bekannt sind. Ist der Lehrer stramm CDU, ist die Lehrerin lesbisch, ist der Lehrer Buddhist, ist die Lehrerin achtfache Mutter usw. usw.

All diese Elemente die für sich genommen ja völlig neutrale Eigenschaften sind, haben aber im Unterricht und auch in der sonstigen Beziehung Lehrer/Klasse nichts zu suchen. Genau das ist der Grund warum ein Lehrer idealerweise auch eine gewisse Distanz zu seinen Schülern hat, egal wie engagiert er ist. Er ist eben nicht der große Bruder oder die coole Tante der man Dinge nachmachen soll. Er ist nicht derjenige der sagen soll "also bei mir ist das ja so" sondern wenn es um gesellschaftliche Werte geht derjenige der sagen soll: diese Dinge gibt es.
johndoe981765
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von johndoe981765 »

KING_BAZONG hat geschrieben:Naja, man muss das richtig einordnen. Es wurde niemand verletzt, keine tätlichen Angriffe fanden statt, es wurde lediglich demonstriert.
Also ganz anders als bei vergleichbaren Aktionen (gegen unbequeme Meinungen) von Links, die mit Denunzierungs-Apps, Gewalt und Diffamierung/Rufmord arbeiten.
Oder von Einschüchterungen, die von libanesischen Sippschaften in gewissen deutschen Großstädten vonstatten gehen.

All animals are equal... ;)
http://journalistenwatch.com/cms/troegl ... ufel-sand/

http://www.lvz-online.de/nachrichten/mi ... 78859.html

Alles Nazis!
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HerrRosa
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von HerrRosa »

Das Interview mit Lale Akgün im Deutschlandfunk fand ich ganz interessant.
Vor allem ihre krasse Haltung gegenüber dem Kopftuch, welches in seiner religiösen Relevanz für den unbescholtenen Westler doch noch recht wage ist, ist schon erstaunlich.

http://ondemand-mp3.dradio.de/file/drad ... 4ba101.mp3
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Als Ausführende des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags repräsentieren sie sehr wohl den Staat
Wie kommst du darauf? Lehrer sind Arbeitende wie jeder andere auch, sie bekommen für ihre Arbeit Geld und müssen diese innerhalb der vom Arbeitgeber festgesetzten Grenzen erfüllen, die bislang und weiterhin einen festgelegten Lehrplan vorschreiben, ihnen aber keine Vorschriften bezüglich des Äußeren machten wie es etwa bei der Polizei oder der Armee ist. Der Bundespräsident z.b. ist ein Repräsentant unseres Staates mit Sonderregeln die seine Persönlichkeitsentfaltung in der Öffentlichkeit einschränken, aber auch nur soweit wie es notwendig ist. Ich bin mir ziemlich sicher dass unser Ex-Pfarrer noch sein Kreuzchen tragen dürfte und das zu Recht.
Die Ausnahme bei der Kleidung von Lehrern war das diskriminierende Kopftuch-Verbot das eine Sonderstellung als Kleidungsverbot insofern inne hatte als dass sonstige Ausdrücke von Persönlichkeit, Zugehörigkeit oder Religion mittels Kleidung nicht betroffen waren. Richtigerweise wurde diese Sonderstellung nun aufgehoben und das Kopftuch mit Einschränkung wie jedes andere Kleidungsstück behandelt.
Ein Schüler sieht eine Lehrerin, meinetwegen mit Kreuz um den Hals, und assoziiert diese Religion mit der Autorität, der er sich in seiner Rolle als Schüler nunmal zu beugen hat
Diese Aussage ist rein spekulativ. Kannst du mir signifikante Fälle nennen wo das schlichte Tragen eines Kopftuchs den deutschen Schülern die Autorität des Islams vermittelt hat? Ein Kleidungsstück ist ein Kleidungsstück, kein aggressives Instrument der gewaltsamen Missionierung. Bleibt mal auf dem Teppich.
All diese Elemente die für sich genommen ja völlig neutrale Eigenschaften sind, haben aber im Unterricht und auch in der sonstigen Beziehung Lehrer/Klasse nichts zu suchen.
Solange du einen bekleideten Menschen Schüler unterrichten lässt wird das schwierig. Lehrer sind Menschen und mit allem was sie im Unterricht tun zeigen sie zu gewissen Teilen nicht nur Neutralität. Eine solche ist zu bemühen, aber nicht indem man Menschen Verbote macht die ihre persönliche Gestaltung betreffen die niemanden berührt. Wenn ein Lehrer ein religiöses Symbol trägt ist das seine Entscheidung und nicht mein Bier, ich wiederum muss mich davon in keinster Weise gestört fühlen was irgendwer um den Hals hängen hat oder auf dem Kopf trägt was sonst auch tausendfach in der Öffentlichkeit passiert. Religion ist Privatsache aber zuviele missverstehen diesen Satz als dass Religion nur im stillen Kämmerlein wenn sich niemand davon in irgendeiner Weise betroffen fühlen könnte ausgeübt werden darf und man ansonsten auf diejenigen Rücksicht zu nehmen hat die am liebsten Religion ganz verbieten würden. Der Körper eines Menschen ist sein Eigentum den er schmücken darf wie er will, seine eigene Zone die ihm und niemand sonst gehört und die niemand anderen berührt, und wenn es nicht aus Gründen wie Sicherheit oder Erkennung durch Uniformen wirklich notwendig ist dass er ihn in seiner Dienstzeit umändert, dann ist das zumindest durch den Staat nicht zu untersagen.

Ein paar Lektionen was (religiöse) Toleranz wirklich ist wären vielleicht nicht schlecht.
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Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Almalexian hat geschrieben:
All diese Elemente die für sich genommen ja völlig neutrale Eigenschaften sind, haben aber im Unterricht und auch in der sonstigen Beziehung Lehrer/Klasse nichts zu suchen.
Solange du einen bekleideten Menschen Schüler unterrichten lässt wird das schwierig. Lehrer sind Menschen und mit allem was sie im Unterricht tun zeigen sie zu gewissen Teilen nicht nur Neutralität. Eine solche ist zu bemühen, aber nicht indem man Menschen Verbote macht die ihre persönliche Gestaltung betreffen die niemanden berührt. Wenn ein Lehrer ein religiöses Symbol trägt ist das seine Entscheidung und nicht mein Bier, ich wiederum muss mich davon in keinster Weise gestört fühlen was irgendwer um den Hals hängen hat oder auf dem Kopf trägt was sonst auch tausendfach in der Öffentlichkeit passiert. Religion ist Privatsache aber zuviele missverstehen diesen Satz als dass Religion nur im stillen Kämmerlein wenn sich niemand davon in irgendeiner Weise betroffen fühlen könnte ausgeübt werden darf und man ansonsten auf diejenigen Rücksicht zu nehmen hat die am liebsten Religion ganz verbieten würden. Der Körper eines Menschen ist sein Eigentum den er schmücken darf wie er will, seine eigene Zone die ihm und niemand sonst gehört und die niemand anderen berührt, und wenn es nicht aus Gründen wie Sicherheit oder Erkennung durch Uniformen wirklich notwendig ist dass er ihn in seiner Dienstzeit umändert, dann ist das zumindest durch den Staat nicht zu untersagen.

Ein paar Lektionen was (religiöse) Toleranz wirklich ist wären vielleicht nicht schlecht.
Ich verstehe nicht was man über religiöse Toleranz lernen soll, wenn man eine Nonne in ihrer Tracht sieht. Vor allem wenn du gleichzeitig einen Einfluss in anderer Hinsicht abstreitest.

Der große Schwachpunkt in deinem Argument ist, das du zu sehr aus deiner Perspektive als Erwachsener argumentierst, hier geht es um Schulkinder, teilweise noch sehr kleine Schulkinder. Wenn wir von achtjährigen reden, werden die natürlich von Sachen beeinflusst inklusive einem Klassenlehrer oder einem Religionslehrer und dessen jeweiliges auftreten. Auch als Jugendlicher ist man nicht unbedingt gefestigt, was im Falle Kopftuch nun einmal wirklich vor allem junge muslimische Mädchen betrifft, wobei ich sagen würde das eine Nonne ein schlechtes Rollenbild abgibt. Das kannst du gerne anders sehen was diesen möglichen Einfluss angeht, aber tu doch bitte nicht so als wenn Kinder und Jugendliche diese Sache so differenziert überblicken können wie du. Das bedeutet nicht das ich Kinder für dumm halte, aber ich glaube wir wissen alle wie wir mit 10 oder 14 drauf waren, da konnte ich jedenfalls nicht differenziert über religiöse Toleranz reden. :wink:

Wie gesagt kann man da zwei Standpunkte haben, für die es Argumente gibt. Entweder gar nichts oder gleiches Recht für alle. Ich tendiere zu gar nichts, weil die Trennung von Staat und Religion sehr wichtig ist und Länder die da andauernde Diskussionen drüber haben, kommen mir jeweils nicht gerade toleranter in dieser Hinsicht vor sondern eher fundamentaler, wenn ich mal so auf die USA schiele.
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Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Almalexian hat geschrieben:
Ein Schüler sieht eine Lehrerin, meinetwegen mit Kreuz um den Hals, und assoziiert diese Religion mit der Autorität, der er sich in seiner Rolle als Schüler nunmal zu beugen hat
Diese Aussage ist rein spekulativ. Kannst du mir signifikante Fälle nennen wo das schlichte Tragen eines Kopftuchs den deutschen Schülern die Autorität des Islams vermittelt hat? Ein Kleidungsstück ist ein Kleidungsstück, kein aggressives Instrument der gewaltsamen Missionierung. Bleibt mal auf dem Teppich.
An der repräsentativen Funktion der Lehrer ändert es auch nichts, wenn du auf dem hier völlig unbedeutenden Unterschied zwischen Lehrern und sonstigen Beamten noch so sehr herumreitest...
Zunächst mal:
Das Kopftuch hatte keine negative Sonderstellung, wie ein Blick in das nun in seiner Auslegung stark eingeschränkte SchulG NRW zeigt, vielmehr hatten abendländisch-religiöse Symbole eine privilegierte Sonderstellung... diese Ungleichheit wurde nun aufgelöst, leider anti-säkular.

Vielleicht ist es so besser verständlich:
Der Staat, als abstraktes juristisches Gebilde, ist selber nicht handlungsfähig, trotzdem ist ihm der Bildungsauftrag zugesprochen. Die natürlichen Personen, derer er sich dabei bedient, vertreten ihn dabei. Der Staat (in Deutschland in Form der jeweiligen Länder) sind jedoch nicht religiös. Der Lehrer ist, wenn er unterrichtet, nicht Privatperson. Auch wenn viele Lehrer leider nicht mehr verbeamtet werden (was ich ziemlich schlimm finde), so ist der Schulunterricht trotzdem öffentliche Verwaltung, wie die restlichen Exekutivzweige, also Staat.

Und ja, natürlich ist die Aussage spekulativ. Deshalb heißt es ja "abstrakte Gefahr", die nach meinem Rechtsverständnis (und dem der Richter Schluckebier und Hermanns) ausreicht, ein Verbot für das Tragen religiöser Symbole im Unterricht rechtfertigt. Aber es geht nich um bekehren, es geht um das Nicht-assoziieren. Eine Assoziation des Staates mit einer spezifischen Religion darf zu keinem Zeitpunkt stattfinden.
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KING_BAZONG
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von KING_BAZONG »

Wigggenz hat geschrieben:http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 47110.html

"Kopftuchverbot" für Lehrerinnen (konkret in NRW) massiv eingeschränkt.

Ich habe die komplette Entscheidung noch nicht gelesen, nur eine Zusammenfassung, aber ich stimme ihr zu diesem Zeitpnkt nicht zu, sondern bin (ausnahmsweise mal) der Meinung von Schluckebier (und von Hermanns). Eine abstrakte Gefahr für die weltanschauliche Neutralität des Staates bei der Wahrnehmung seines Erziehungsauftrags reicht meines Erachtens aus. Und eine solche stellt das Tragen eines Kopftuchs (oder auch jedes anderen religiösen Symbols, wie etwa Kipa oder sichtbares Kreuz) dar. Dem Staat zugehörige Personen, denen in ihrer Rolle (beim Unterrichten sind Lehrer nicht als Privatpersonen tätig) eine gewisse Autorität zugewiesen wird, haben sich völlig neutral zu präsentieren, und das gilt (nach meinem Dafürhalten) umso mehr, wenn es um die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags geht.

Lehrer dürfen z.B. auch keine Plakette "Atomkraft- nein, danke!" (oder andere politische Aussagen) tragen, und ich sehe keinen Grund, warum das für religiöse Symbole weniger streng gelten sollte. Autoritätspersonen, Repräsentanten der Exekutive sollen nicht mit einer bestimmten Meinung oder Religion assoziiert werden.

Das gilt, nochmal, selbstverständlich für Symbole jeder Religion.
Zustimmung. Religion bitte raus aus den Schulen. Allgemeine Ethik rein (wie gehabt: Humanismus und Aufklärung bitte Priorität Nummer Eins). Religionen durchaus behandeln, jedoch alle gleichwertig und genauso kritisch beleuchten.
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Almalexian
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

aber ich glaube wir wissen alle wie wir mit 10 oder 14 drauf waren, da konnte ich jedenfalls nicht differenziert über religiöse Toleranz reden. :wink:
Ich mag nicht für andere sprechen können aber auch als 10-Jähriger Pimpf wusste ich dass nur weil meine Lehrerin ein Kreuz umhängen hat, das Christentum nicht das Maß aller Dinge ist. Dass ich mich überhaupt noch daran erinnere kommt wahrscheinlich nur daher dass ich mein 10tes Lebensjahr an einer katholischen Grundschule gefristet habe.
weil die Trennung von Staat und Religion
Die Lehrer sind aber nunmal nicht der Staat. Sie arbeiten für ihn und müssen sich an gewisse Regeln von ihm halten, sind aber nicht als Repräsentanten gegenüber irgendwem gedacht und müssen weder dessen Werte noch Überzeugungen so teilen. Sie dürfen dies nicht in den Unterricht einfließen lassen, in ihre Alltagsbekleidung allerdings schon.
An der repräsentativen Funktion der Lehrer ändert es auch nichts, wenn du auf dem hier völlig unbedeutenden Unterschied zwischen Lehrern und sonstigen Beamten noch so sehr herumreitest...
Auch der Verwaltungsbeamte beim Bauamt ist kein "Repräsentant des Staates". Durch die Verbeamtung nimmt man beim Staat eine beiderseits verpflichtende Rolle ein, wird aber nicht dessen Leibeigener.
Das Kopftuch hatte keine negative Sonderstellung, wie ein Blick in das nun in seiner Auslegung stark eingeschränkte SchulG NRW zeigt, vielmehr hatten abendländisch-religiöse Symbole eine privilegierte Sonderstellung... diese Ungleichheit wurde nun aufgelöst, leider anti-säkular.
Ausdrücklich war es vielleicht nicht das Kopftuch sondern alle religiösen Symbole die nicht dem hiesigen Geschmäckle entsprechen aber wenn man sich anschaut wie viele verschiedene Gruppierungen und deren Zeichen es gibt hatte der Fokus auf nicht-christliche, nicht-abendlänidsche Religionen (was in der Realität eben im Wesentlichen auf das islamische Kopftuch hinausläuft) schon einen stark fremdenfeindlichen Beigeschmack bei dem man sich besonders auf den Islam konzentriert. Nicht umsonst ist das ganze eben ne Kopftuch-Debatte. Ich sehe eigentlich schon dass die unterschiedliche Kleidung insgesamt toleriert wird und man mit dem Kopftuch in Gedanken ein diskriminierendes Sondergesetz verabschiedet hat.
Die natürlichen Personen, derer er sich dabei bedient, vertreten ihn dabei.
Vertreten ist die falsche Wortwahl. Lehrer, verbeamtet oder nicht, handeln in staatlichem Auftrag und haben gewisse Vorgaben dabei die bislang jedoch (mit Ausnahme des Kopftuchs) keine besonderen Regeln hinsichtlich der Kleidung umfassen. Rein rechtlich wäre es wohl legitim diese Arbeitnehmer eine Dienstkleidung tragen zu lassen, ich halte dies aber für falsch. Eine Uniform wie die der Polizei oder eines McDonalds's-Arbeiters soll denjenigen leicht gegenüber anderen erkennbar machen, ggf. auch notwendigen Schutz oder sonstige praktisch-funktionelle Dinge übernehmen. Das ist bei Lehrern beides nicht notwendig, man kann ihnen also die Freiheit und das Bürgerrecht lassen, sich so zu kleiden wie sie dies wünschen. Die Lehrer sind bezüglich ihres Äußeren, das hat auch das Bundesverfassungsgericht richtig festgestellt, nicht in irgendeiner Weise für den Staat repräsentativ, sie sollen nach Möglichkeit wertneutral unterrichten, müssen ihr persönliches Erscheinungsbild aber nicht ändern, denn es ist ihr persönliches, nicht das des Staates. Anders wäre es wenn der Staat diese Darstelungsfläche in der Dienstzeit für sich beanspruchen und standardmäßig Kruzifixe verhängen würde, das wäre in der Tat ein Verstoß gegen den Säkularismus, so wie ja auch die Schulen Darstellungsfläche des Staates sind. Die persönliche Darstellung eines lehrers ist es aber definitiv nicht und ich begrüße es dass das BVerfG wieder einmal maßgenau die Grundrechte der Bürger und den Säkularismus gewahrt hat.
Der Lehrer ist, wenn er unterrichtet, nicht Privatperson
Das ist zu einem gewissen Grad nicht zu vermeiden und auch nicht wünschenswert. Allein wenn er sich zwei unterschiedlich farbige Socken anzieht kann dies als ein Statement aufgefasst werden dass einigen nicht in den Kram passt, z.B. "Zwei unterschiedliche Socken, ist der etwa so ein Typ der überhaupt nicht auf seine Kleidung achtet und uns jetzt die Heilsamkeit des Schludrian-Lebens preisen will?".
Was immer ein Mensch tut, es kann auf alle möglichen Arten und weisen wirken. Beim Kopftuch ist das für die betreffende Frau vielleicht nur ein kulturelles Ding, sie könnte auch koptische Christin sein wo das mit der Religion nichts zu tun hätte. Man mag es trotzdem daraus schließen.

Worte sind, zumindest die im Schulalltag, meist recht klar verständlich. Wenn mir jemand im Unterricht immer wieder erzählt wie toll die Nokia-Handys seien und dass ich mir doch unbedingt eins anschaffen müsste wäre das unlautere Werbung die da nichts zu suchen hat. Aber wenn sich eine Lehrerin, und sei es nur als modisches Accessoire, ein Kleinod umhängt dem u.a. eine religiöse Bedeutung von vielen Leuten zugemessen wird, dann ist das schlicht und ergreifend zu wenig, zu wenig um zu zeigen der Staat wäre nicht säkular sondern einer Religion verpflichtet (insbesondere wenn auf die Kopftuchbehängte Muslima ebenjene Kruzifix-Trägerin in der nächsten Stunde folgt) und viel zu wenig um irgendjemanden zu indoktrinieren. Und wenn es in Enzelfällen doch der Fall sein sollte: Es ist die Pflicht der Schule zu vermitteln, dass nur weil jemand als Autoritätsperson ein Symbol trägt, seine persönlichen Ansichten ungefragt stimmen. Das ist eine wunderbare Grundlage auf der Extremismus anwachsen kann und hier darf man sich nicht mit den Symptomen beschäftigen.

Was ich mit religiöser Toleranz meinte und jetzt auch mit Säkularismus meine ist dass es in dieser Gesellschaft nicht das Ziel ist Religion auszumerzen oder in den Keller zu verbannen. Es geht darum dass Religion oder eine bestimmte nicht in ungebührlicher Weise Einfluss auf den Staat hat, dass sie im Vergleich zu anderen Interessen-Vereinigungen keine Sonderstellung geniesst und die Werte von ihnen nicht so ohne weiteres durch den Staat selbst propagaiert werden. Gleichwohl ist aber der Staat und das öffentliche Leben von Personen durchsetzt die ihre Religion auch wahrnehmen wollen und das dürfen sie im Rahmen der Regeln die auch für andere Gruppierungen gelten, auch. Ich darf auf der Straße in mich gehen und beten wenn ich eine schlimme Nachricht bekommen habe und wem das nicht passt, der muss wegsehen, denn diese Zone ist meine. Ich darf auch in einer Schule während der Pause mein Haupt gen Mekka neigen während die anderen Kinder neben mir ein Sammelkartenspiel spielen. Und ich darf auch als Lehrer so gekleidet in die Schule kommen wie ich es für richtig halte, ob meine Kleidung dabei nun religiös, kulturell, modisch oder einfach durch das was noch sauber war motiviert ist, denn das Schulgebäude mag staatlicher Besitz sein, mein Aussehen oder das verhalten der Schüler ist es nicht.

Säkularismus kann man auch andersherum betrachten. Es ist der Verzicht des Staates auf eine leitende Religion, damit jeder seine Religion so ausüben kann wie er es gerne möchte, im Rahmen der Freiheiten die auch für andere Tätigkeiten gelten. Durch das Tragen eines kleinen Kreuzes wird niemand in seiner eigenen Religionsausübung behindert, er existiert neben anderen die ihrerseits ihre Religion oder andere Interessen ausüben, ob dies nun Schüler, Lehrer, Bauarbeiter oder Beamte sind. Natürlich existieren für die Religion gewisse Grenzen, so wie für alle Tätigkeiten und man muss an einigen Stellen sorgsam abwägen wo welche Freiheiten möglicherweise durch die Freiheiten anderer berührt werden. Aber wenn jemand ein Kleidungsstück trägt ist dies nach allgemeiner Auffassung seine Sache die es zu tolerieren gilt, denn die meinige Freiheit berührt es überhaupt nicht. Dass eine Lehrerin im Unterricht ein Kopftuch tragen kann ohne dass man dabei entweder gleich dem Islam hörig wird oder ihr das Ding vom Kopf reissen möchte ist sogar eine wichtige Lektion hinsichtlich Toleranz, die da bedeutet dass man anderen ihre Freiheiten lässt auch wenn man das Tun nicht akzeptiert bzw. meinungsmäßig teilt. Niemand wird durch das persönliche Tragen eines religiösen Symbols zu irgendwas gedrängt oder sollte zu der Annahme gelangen der Staat wäre nicht säkular weil ein Beamter es persönlich nicht ist. Noch sollte sich irgendjemand durch das Tragen eines solchen Zeichens einfach zu etwas verleiten lassen, diese wichtige Erkenntnis beim Thema Toleranz ist vielleicht sogar ein lohnenswertes Detail bei der Erziehung unserer Kinder zu aufrechten Staatsbürgern die mit den Freiheiten und Pflichten des europäischen Lebens verantwortungsvoll umgehen können.

PS: Mal ganz davon abgesehen dass die Debatte bei existierendem Kirchenrecht, Kirchensteuer und kirchlichem Unterricht sowie ganzen kirchlichen Schulen sowieso ne ziemlich fragwürdige ist. Es gäbe soviele Themenfelder bei der Säkularismus und Gleichbehandlung eindeutig noch nicht erreicht ist.
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Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Almalexian hat geschrieben:
aber ich glaube wir wissen alle wie wir mit 10 oder 14 drauf waren, da konnte ich jedenfalls nicht differenziert über religiöse Toleranz reden. :wink:
Ich mag nicht für andere sprechen können aber auch als 10-Jähriger Pimpf wusste ich dass nur weil meine Lehrerin ein Kreuz umhängen hat, das Christentum nicht das Maß aller Dinge ist. Dass ich mich überhaupt noch daran erinnere kommt wahrscheinlich nur daher dass ich mein 10tes Lebensjahr an einer katholischen Grundschule gefristet habe.
weil die Trennung von Staat und Religion
Die Lehrer sind aber nunmal nicht der Staat. Sie arbeiten für ihn und müssen sich an gewisse Regeln von ihm halten, sind aber nicht als Repräsentanten gegenüber irgendwem gedacht und müssen weder dessen Werte noch Überzeugungen so teilen. Sie dürfen dies nicht in den Unterricht einfließen lassen, in ihre Alltagsbekleidung allerdings schon.
Doch sie sind seine Repräsentanten, genauso wie ein Polizist ein Repräsentant des Staates ist oder der nette Herr am Tresen des Bürgerhauses. Staat repräsentieren hat nichts mit Politik zu tun und genau wenn es das eben nicht hat, hat diese Repräsentation neutral daherzukommen. Das du behauptest das jemand aus dem Lehrkörper grundsätzlich seine Überzeugung in die Alltagskleidung einfließen dürfte und das auch noch so gewollt sei, halt ich für schlicht falsch. Ich habe noch nie einen Lehrer gesehen der eine SPD-Krawatte oder einen CDU-Anstecker an seine Kleidung geheftet hat. Genauso verhält es sich mit anderen politischen Symbolen. Das ist der Grund warum Wiggenz und ich das kritisieren, das man sich hier eben entschieden hat, lieber den Islam die Gleichberechtigung innerhalb der Extrawurst der Religionen zu geben als die Extrawurst abzuschaffen. Wir reden hier doch nicht davon das jemand nen Pullover oder nen Anzug trägt und wenn du diesen Twist einsetzen willst, brauchen wir auch nicht weiter zu diskutieren, da genau weißt das dies eine Versimplifizierung ist.

Zu deinem dasein als 10jährigen...es geht nicht darum ob du an den lieben Gott geglaubt hast, das habe ich als 10jähriger im übrigen auch nicht, es geht darum das du garantiert nicht den Überblick über diverse Religionen und die Bilder durch die sie repräsentiert werden hattest. Du wusstest nicht was die Unterschiede sind und warum im Detail negative Stimmungen bei diesem Thema herrschen. Man kann das vielleicht schon als Kind ahnen...da ist irgendwas, aber Fakt ist das man noch sehr wenig weiß. Man ist leicht beeinflussbar und nimmt viel neues erstmal für bare Münze. Erzähl mir bitte nicht das du mit 10 nicht an irgendwas schwachsinniges geglaubt hast oder irgendwas toll gefunden hast, was du später nicht mehr nachvollziehen kannst und wie gesagt erzähl mir nicht das du so differenziert über das Thema Religion nachgedacht hast wie du es jetzt tust.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Pyoro-2 »

Mh, naja, aber das Argument, dass weil Lehrerinnen eventuell mit Kopftüchern rumlaufen und dadurch Kindern iwelche "falschen" Werte vermittelt werden find ich ungefähr so beschissen wie sämtliche Killerspiele-Argumente, und was anderes gibt's eigentlich nicht, was wirklich dagegen spricht. Ich seh da wenig rationale Begründung, nur dieses "Staat und Religion muss getrennt sein und weil Lehrer ja Beamte und damit iwie der Staat sind ham'se gefälligst im Unterricht religionsneutral rumzulaufen WEIL HALT, aber warum das jetzt unbedingt so sein muss, naja ...

... find die Idee mit den CDU/SPD Ansteckern übrigens nicht schlecht, hab im späteren Schulverlauf bei so verschiedenlich politischen Themen mich doch öfteres gefragt was die Lehrer da wählen. Das würd zur Einordnung helfen. ^^
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Almalexian »

Doch sie sind seine Repräsentanten, genauso wie ein Polizist ein Repräsentant des Staates ist oder der nette Herr am Tresen des Bürgerhauses. Staat repräsentieren hat nichts mit Politik zu tun und genau wenn es das eben nicht hat, hat diese Repräsentation neutral daherzukommen
Also nehme ich an, die Bauarbeiter die im Auftrag des Staats an ner Autobahnbrücke schrauben sind hochoffizielle Vertreter des deutschen Staates und ein Bierbauch kann als Statement für eine durch den Staat geförderte ungesunde Lebensweise aufgefasst werden, die diese Herren dann repräsentieren? :wink:
Um Repräsentant zu sein gehört noch sehr viel mehr als einfach nur für kleines Geld beim Staat zu jobben. Polizisten mag ich das ja noch einräumen aber bei Lehrern und Verwaltungsbeamten ist dann auch mal gut mit der Präsentiererei. Manches ist auch einfach nur bürokratisch und gänzlich unpolitisch, ohne irgendeine repräsentative Funktion.
Das du behauptest das jemand aus dem Lehrkörper grundsätzlich seine Überzeugung in die Alltagskleidung einfließen dürfte und das auch noch so gewollt sei, halt ich für schlicht falsch. Ich habe noch nie einen Lehrer gesehen der eine SPD-Krawatte oder einen CDU-Anstecker an seine Kleidung geheftet hat. Genauso verhält es sich mit anderen politischen Symbolen.


Kann gut sein dass es ne besondere Regelung zu gibt aber die hat in dem Fall einen Grund: Normalerweise steht, wenn die Fläche auf solchen Symbolen groß genug ist, drauf "Wählt SPD" usw. Das befindet sich meiner Einschätzung nach auf dem Niveau wo auch das Handy angesiedelt ist, eine klare Aussage die darauf zielt den betreffenden zu beeinflussen und zu etwas zu bewegen. Dass jemand ein Kopftuch damit assozieren soll dass man den Islam als Religion wählen sollte, sieht nichtmal der Islam selbst so.
Wir reden hier doch nicht davon das jemand nen Pullover oder nen Anzug trägt
Nach Meinung vieler ist der klassische Herrenanzug ein Symbol von Macht, Autorität und Geld, immer gerne von Managern, Bankern, Chefs, Unternehmern etc. genutzt, fast schon mit Uniformcharakter. Der Alptraum eines 68er-Elternteils. Wie ich sagte, bei manchen Dingen ist die Aussage klar, aber zu jedem Kleidungsstück lässt sich ein Statement finden und daran Anstoß nehmen.
Zu deinem dasein als 10jährigen...es geht nicht darum ob du an den lieben Gott geglaubt hast, das habe ich als 10jähriger im übrigen auch nicht, es geht darum das du garantiert nicht den Überblick über diverse Religionen und die Bilder durch die sie repräsentiert werden hattest. Du wusstest nicht was die Unterschiede sind und warum im Detail negative Stimmungen bei diesem Thema herrschen. Man kann das vielleicht schon als Kind ahnen...da ist irgendwas, aber Fakt ist das man noch sehr wenig weiß. Man ist leicht beeinflussbar und nimmt viel neues erstmal für bare Münze. Erzähl mir bitte nicht das du mit 10 nicht an irgendwas schwachsinniges geglaubt hast oder irgendwas toll gefunden hast, was du später nicht mehr nachvollziehen kannst und wie gesagt erzähl mir nicht das du so differenziert über das Thema Religion nachgedacht hast wie du es jetzt tust.
Da hast du Recht, ich hab zu der Zeit tatsächlich noch an Gott wie ihn das Christentum sieht, geglaubt und war wohl beeinflussbar. Aber jetzt frage dich mal, lag das daran dass eine meiner Lehrerinnen ein Kruzifix trug welches manche Schüler noch nichtmal bemerkt haben, oder daran dass ein großes, hölzernes über der Tafel hing und wir jede Woche zur Unterrichtszeit mit der versammelten Klasse in die Kirche die Straße nebenan gegangen sind? Mal abgesehen davon dass fast alle Kinder und Eltern, hüben wie drüben, Christen waren. Für die Russisch-Orthodoxe Religion meines Freunds aus Weißrussland hab ich mich trotzdem interessiert.

Einseitige religiöse Beeinflussung sollte an vielen Stellen reduziert werden, auch wenn sie sich nicht ganz vermeiden lässt. Aber dass das persönliche Kruzifix einer Lehrerin eine Gefahr dafür darstellt übetreibt das Problem und unterschätzt die Kinder. Die Religion wird im Elternhaus vermittelt und im Bekanntenkreis gefestigt, schon lange vor der Schule. Juden und Muslime werden beschnitten, Christen Wasser über den Kopf geschüttet und zwar schon als Babys, ohne dass man sie fragt oder sie da auch tatsächlich nur annähernd eine Vorstellung von dem haben was sie da gerade beitreten. Später behalten viele diese Religion aber es gibt auch nicht wenige die schon in den Kindertagen an diesen Konfessionen zweifeln und sie ablegen, sich neuen Vorstellungen widmen oder das Thema ganz auf sich beruhen lassen. An diesen Regeln, frühere Indoktrination lange vor der Schule und Möglichkeit diese Dogmen zu hinterfragen und abzulegen, ändert sich mit dem Urteil Nullkommagarnichts, weder in positiver Hinsicht noch in negativer. Aber es erlaubt Lehrern, Muslimen und anderen, ihre Freiheiten besser zu nutzen und ihre Persönlichkeit nicht vor der Klassenzimmertür abstreifen zu müssen. Und das finde ich, ist eine gerechte und gute Sache die niemandem schadet.
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Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Ich glaube, Almalexian, dass du den Begriff der abstrakten Gefahr im hier entscheidenden Rechtssinne nicht verstanden hast.

Es geht nicht darum, ob durch das Zeigen religiöser Symbole nun tatsächlich unlauterer mit Religion zusammenhängender Einfluss auf die der Staatsgewalt Untergeordneten (hier Schüler) ausgeübt wird. Es reicht das theoretische Potential dazu, und das ist gegeben. Das Zeigen solcher Symbole vermittelt "Meine Religion ist mir so extrem wichtig, dass ich dies auch jederzeit zeigen muss". Das gilt auch für Symbole, deren Tragen in der jeweiligen Glaubensrichtung als vorgeschrieben gelten, denn das eigene Handeln an solch einschneidenden religiösen Vorschriften auszurichten, verlangt schon eine ziemliche Menge religiöser Überzeugung. Nun ist natürlich das Vorhandensein dieser Überzeugung nicht das Problem, sondern dass diese auch unmissverständlich beim Schüler ankommt: "Meinem Lehrer ist sein XY-Glaube so wichtig, dass er das jederzeit zeigen möchte." Angesichts einer derart nach außen getragenen religiösen Überzeugung kann sich nun beim Schüler die Vorstellung eines nicht unbedingt neutral urteilenden Lehrers bilden. Das wirkt sich auf das alltägliche Schulleben mehr aus als man denkt. Religiös geprägte Thematiken oder Problemfragen finden sich nämlich recht häufig wieder. Ich kann mich noch erinnern, mich damals bei (bewerteten) Stellungnahmen zum Thema "Sprachursprung" in der Oberstufe zurückgenommen zu haben, weil ich zufällig wusste, dass mein Lehrer sehr, sehr religiös war, obwohl ich eigentlich damals schon in dieser Frage der rein naturalistischen Auffassung war und gerne viel schärfer argumentiert hätte. Ob es nun stimmt, dass Lehrpersonen ihre eigene religiöse Überzeugung unzulässigerweise bei Bewertungen mitspielen lassen, ist unerheblich, der Schaden ist bereits angerichtet, wenn der Eindruck entsteht, dass dies der Fall sein könnte. Es handelt sich damit um Bekundungen, die geeignet sind, die weltanschauliche Neutralität des Landes zu gefährden, und zwar im abstrakten Sinne.

Natürlich kann qualitativ einwandfreier Unterricht von Lehrpersonen mit Religionssymbolen geleistet werden. Andererseits können Richterinnen mit Kopftuch auch einwandfreie Urteile fällen oder Ministerpräsidenten mit Kipa einwandfreie Regierungsarbeit leisten. ;)

Das BVerfG hat das zwar nicht verkannt, aber in seiner Verhältnismäßigkeitsabwägung die abstrakte Gefahr unterschätzt, wie ich finde, bzw. dem Rechtsgut der staatlichen Neutralität zu geringe Bedeutung beigemessen. Soweit ich weiß bleibt die frühere (strengere) Linie des Gerichts bezüglich politischer Neutralität nämlich unverändert. Ich muss die ganze Entscheidung immer noch lesen, aber aus Leitsätzen und Zusammenfassungen geht das so hervor.

Edit:
Deine Hinweise auf andere Probleme mit der Säkularität haben hier nichts verloren. Wie es nunmal so kommt, geht es bei Gerichtsentscheidungen (auch beim BVerfG) um jeweils einen einzelnen Streitpunkt. Nur weil es an vielen Stellen weitaus schlimmere, wie ich finde geradezu gravierende Probleme mit staatlicher Säkularität gibt, wird der hier diskutierte Problempunkt noch lange nicht kleiner.

Zu guter Letzt:
Die Bevorzugung des § 57 Abs. 4 Satz 3 des Schulgesetzes NRW, der christliche bzw. abendländische Symbole privilegierte, ist auch meiner Auffassung nach völlig zurecht gekippt worden. Ich verstehe nicht, warum du nun mehrmals hintereinander das Thema Fremdenfeindlichkeit bei mir thematisieren wolltest... wir können meinetwegen die Debatte auch komplett auf Kreuze beschränken, das macht für mich keinen Unterschied.
Zuletzt geändert von Wigggenz am 14.03.2015 23:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Pyoro-2 hat geschrieben:Mh, naja, aber das Argument, dass weil Lehrerinnen eventuell mit Kopftüchern rumlaufen und dadurch Kindern iwelche "falschen" Werte vermittelt werden find ich ungefähr so beschissen wie sämtliche Killerspiele-Argumente, und was anderes gibt's eigentlich nicht, was wirklich dagegen spricht.
Das ist ja auch nicht der Punkt, um den es geht.

Das Problem befindet sich auf einer ganz anderen Ebene.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Pyoro-2 »

Die Ebene unbegründeter Ängste, Paranoia, und Prinzipienreiterei? ;)