Allgemeiner Politikthread

Hier gehört alles rein, was nichts mit dem Thema Spiele zu tun hat.

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Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Nicht zu vergessen die Georgien-Sache. Man muss wirklich nicht anfangen jetzt von Doppelmoral zu reden wenn es um die Türkei geht. :wink:
Euthydemos
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Euthydemos »

Ich denke, da sind wir uns einig. :wink:
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Steppenwaelder
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Steppenwaelder »

Wulgaru hat geschrieben:Achso, naja ich würde schon sagen das man die Türkei sanktioniert, denn das ist tatsächlich neben diversen rassistischen Vorurteilen (hach wie müssen sich diese Leute gerade über Erdogan freuen) eines der Haupt-Ko-Kriterien warum die Türkei seit Jahrzehnten nicht in die EU kommt. Wir erkennen Nordzypern nicht als Staat an und haben Zypern komplett in die EU eingebunden...in etwa das was man gerade mit der Ukraine versucht. Ich würde also schon sagen das man die Türkei da nicht so einfach behandelt als wenn nichts wäre.

Aber: Was soll man sonst machen? Krieg? Ist das gleiche wie mit der Krim...das ist es schlicht nicht wert.
Gott bewahre uns davor dass die Türkei jemals in die EU kommt. Ein Volk mit einem Regierungschef der einfach mal so Twitter komplett sperren will nur weil ihm ein paar Stimmen nicht passen... Die sind doch ideologisch meilenweit von westlichen Werten entfernt.
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Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Wir hatten eine dänische Regierung die ihre Grenzen gegen böse Perser schließen wollte und dabei auf alle internationalen Abkommen gespuckt hätte, die Dänemark jemals ausgehandelt hat; haben eine rassistische/antisemitische annähernd faschistische ungarische Regierung; einen Selbstbedienungsladen den man den italienischen Staat nennt und auch sonst ein halbes dutzend Staaten wo die Bevölkerung seit Jahren genauso auf die Straßen geht wie in der Türkei weil unter dem Mantel der Sparsamkeit häufig die Demokratie vergessen wird...das ist die EU.

Ich glaube so schlimm wäre es nicht wenn die Türkei da zum Chaos hinzugefügt werden würde. :wink:
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Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Habe nicht alles perfekt auf dem Schirm, es macht aber einen Unterschied, ob ein Mitgliedsstaat sich Fehlverhalten leistet, oder ob ein Nicht-Mitgliedsstaat, der seit Jahrzehnten beitretetn möchte, sich Fehlverhalten leistet.

Ein "Rauswurf" aus einem Staatenverbund wie der EU ist nunmal um einiges komplizierter als die Nicht-Aufnahme. Wieso sollte sich die EU sehenden Auges einen neuen Mitgliedsstaat leisten, der sich offensichtlich nicht mit den wesentlichen Grundwerten identifiziert?

Im Übrigen sind Fehler der Vergangenheit kein Argument, denselben Fehler in der Gegenwart noch einmal zu begehen.

Mit der Twittersperre (was ja wohl nur der Auftakt von Meinungsfreiheit vernichtenden Maßnahmen ist) hat sich die Türkei meiner Meinung nach endgültig selbst ins Aus geschossen, was mögliche EU-Mitgliedschaft angeht. Wäre ich zuständig, würde ich (spätestens) jetzt jede Aussicht auf Weiterverhandlung kippen.

Natürlich könnte man argumentieren, dass Erdogan nicht das türkische Volk ist, aber die Regierung ist nunmal der Verhandlungspartner der EU und primärer Profiteur eines eventuellen Beitritts.
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Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Ach komm, ich sage nicht das es falsch war die osteuropäischen Staaten in die EU aufzunehmen, auch aus politischen Gründen war das sehr clever, wie man sehr schön an der Ukraine sehen kann gerade....aber da wurden bei sehr vielen Teilstaaten beide Augen zugedrückt, sowohl bei den wirtschaftlichen Kriterien, als auch bei den demokratischen Kriterien. Teilweise mehr Augen als man der Türkei jemals zugestanden hat. Ganz zu schweigen davon das man das auch schon lange vor der Osterweiterung getan hat, wenn es um Griechenland und Co ging.

Natürlich wird Erdogan immer autoritärer, aber die Türkei war in den 90ern und den 00ern schon mal viel weiter, auch mit Erdogan...man hat der Türkei niemals eine faire Chance gegeben und jetzt so zu tun als wenn die Twittergeschichte ein Beweis wäre das man es getan hat, ist so eine typische Afd-Logik (ha, man muss nicht mehr Sarrazin sagen).
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Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Es ist völlig egal, ob man der Türkei damals eine verdiente Chance verwehrt hat oder nicht, oder ob die Osterweiterung ein Fehler war oder ob zuviele Augen zugedrückt wurden.
Es kommt auf die Gegenwart an, und in ebender auch nur an den Beitritt eines Staats zu denken, der sich auf bestem China&NK-Niveau gegen die Meinungsfreiheit einsetzt, führt das Ideal, in dem Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit zur EU dazugehören (bzw. "nicht verhandelbar seien" so Martin Schulz dazu), ad absurdum.

Ich wiederhole mich da gerne: damals gemachte Fehler sind keine Berechtigung dafür, heute weitere Fehler zu machen.

Die "Twittergeschichte", wie du es verniedlichst, beweist gar nichts, was damals in den 90ern oder 0ern war oder nicht war, ob man der Türkei damals eine Chance hätte geben sollen oder nicht. Sie beweist aber, dass die Türkei zum jetzigen Zeitpunkt völlig ungeeignet als Beitrittskandidat ist.
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mr archer
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von mr archer »

Wigggenz hat geschrieben:
Ich wiederhole mich da gerne: damals gemachte Fehler sind keine Berechtigung dafür, heute weitere Fehler zu machen.
Schon richtig. Nur muss man im Fall von Ungarn halt auch sagen, dass sich das Land erst nach seiner EU-Aufnahme zur scharf am Faschismus vorbei schrammelnden Ultrarechts-"Demokratie" gehäutet hat. Urban freut sich bestimmt schon auf die aufrechten Jungs vom west-ukrainischen Prawy sektor. Und was passiert, wenn man eine benachbarte Macht mit höheren Ambitionen zu lange hinsichtlich einer EU-Perspektive am ausgestreckten Arm verhungern lässt, kann man gerade sehr eindrücklich im Fall von Russland betrachten.
Zuletzt geändert von mr archer am 24.03.2014 19:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Ich finde nicht das man das bei Ungarn sagen muss. Man hätte dieses Konstrukt namens privilegierte Partnerschaft auch auf die Oststaaten anwenden können um erst mal zu sehen wie das läuft. Entgegen der landläufigen Meinung haben nämlich nur böse Islamdiktaturen in den ersten zwei-drei Jahrzehnten ihrer Unabhängigkeit Probleme sondern eigentlich alle Staaten die jemals gegründet wurden und die Oststaaten sind nun einmal gerade mal 25 Jahre lang frei.

@Wiggenz
Was die Twittergeschichte verniedlicht, übertreibst du maßlos mit deinem Nordkoreavergleich. Die Zivilgesellschaft der Türkei ist ja wohl um zwei-drei Lichtjahre weiter als das. Und bei allem was man gegen Erdogan sagen kann...er hat zum Beispiel auch das Militär so weit entmachtet, das die jetzt nicht einfach putschen können. Man kann diesen Mann demokratisch abwählen. Das können die Türken, niemand zwingt sie ihn zu wählen und niemand hat sie dazu gezwungen. Gleichzeitig war er aber selbst zu Zeiten der letzten Wahl auch nicht ansatzweise so autoritär wie jetzt...daher...einfach ein ganzes Land zu verteufeln, wegen einer Person und seines Dunstkreises?
Euthydemos
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Euthydemos »

Zur Zeit ist mMn weder die Türkei beitrittsreif, noch kann die EU eine weitere große Erweiterungsrunde verkraften. Wenn man die Erweiterungspolitik fortsetzen will, müsste es auf beiden Seiten Veränderungen geben. Für die EU funktioniert es nicht, einerseits eine „immer engere Union“ anzustreben, andererseits aber eine immer inhomogenere Mitgliedschaft zu schaffen.

Wenn man allerdings auf mehr Subsidiarität setzt, einschließlich einer Reform der Personenfreizügigkeit, könnte theoretisch auch ein Türkeibeitritt funktionieren. David Cameron hat ja Vorschläge in dieser Richtung gemacht, hauptsächlich mit Blick auf die Folgen der Osterweiterung.

Die Türkei wird, solange Erdogan Premierminister ist, die Beitrittskriterien wohl nicht erfüllen. Das ist aber nicht zwingend ein Grund zum Verhandlungsabbruch, man kann nur eben den Beitritt derzeit nicht vollziehen. Noch besteht ja Hoffnung, dass er nicht zum Herrscher auf Lebenszeit wird. Wegen Twitter musste er selbst von Präsident Gül Kritik einstecken, der ihm viele Jahre ähnlich loyal gedient hat wie hierzulande Wolfgang Schäuble Helmut Kohl.
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Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

@Wulgaru
Ich verstehe nicht, was du mir sagen möchtest.

Natürlich kann Erdogan abgewählt werden. Aber das ändert nichts daran, dass der Meinungsfreiheit nunmal der Kampf angesagt wurde. Und solange das der Fall ist, ist an einen Beitritt nicht zu denken.

Das hat nichts damit zu tun, ein ganzes Land zu verteufeln. Natürlich ist Erdogan nicht das ganze türkische Volk. Ist aber für außenpolitische Entscheidungen erstmal nicht relevant. Verhandlungspartner sind nunmal die Regierungen der potentiellen Mitgliedsstaaten, die ihre Unterschrift unter entsprechende Verträge setzen und die auch in erster Linie von einem eventuellen Beitritt profitieren. Der Beitritt der Türkei würde nichts anderes aussagen, als dass die EU Untergrabung von Meinungsfreiheit durch autoritäre Maßnahmen toleriert.

Daher können Gespräche überhaupt erst wieder in Erwägung gezogen werden, wenn die Meinungsfreiheit wieder hergestellt ist.

Und im Übrigen finde ich, dass das ganze allgemein ziemlich verharmlost wird. Seht ihr die Präzedenzfall-Wirkung nicht? Twitter ist nur der Anfang. Twitter hat gezeigt, dass Erdogan quasi nach Belieben Internetseiten sperren lassen kann. Wie lange wird es wohl bei Twitter bleiben? Was ist mit Facebook, wo jeder ähnlich rumspammen kann? Mit Youtube, wo auch jeder alle möglichen politischen Videos hochladen kann? Oder gar mit Google? Nur ein klein wenig die Begründung umformulieren, und zack, sind auch diese Seiten abschussreif. So funktioniert case law, und die jüngsten Entscheidung hat gezeigt, dass das auch türkisches Verfassungsrecht dem anscheinend wenig entgegenzusetzen hat.


Deswegen mein Verweis auf China und Nordkorea.
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Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Twitter wird vermutlich der Anfang sein, aber ich sehe nicht das es der Auftakt zu irgendwas ist. In Istanbul gab es letztes Jahr fast einen Aufstand wegen eines Einkaufszentrumbaus...was glaubst du was passiert wenn Erdogan wirklich ernsthaft versucht die Meinungsfreiheit dauerhaft zu beschneiden oder sich an die richtigen Brocken wie Facebook und Google wagt...das Volk wird dann sprechen, da kann man sich sicher sein.

Was ich damit sagen wollte: Es ist immer irgendwas. Akut ist es Twitter, vor 5 Jahren war es dies, vor 20 Jahren war es das usw.
Es gibt immer Gründe dafür das die Türkei nicht in die EU darf, das ist nicht umsonst ein Thema was man sogar in der Schule lernen darf. Typische Klausurfrage: Nenne Gründe die für oder gegen einen EU-Beitritt der Türkei sprechen. Eine Frage die so unverändert wahrscheinlich seit 1980 in den entsprechenden Fächern vorkommt (mit dem unterschied das damals noch EG hieß). Das Problem dabei ist erstens: Bei anderen Ländern gab es auch sehr sehr viele Vorbehalte und man hat es gemacht. Manchmal hat es trotzdem bestens geklappt, manchmal ist es kolossal schiefgegangen.

Der Unterschied zur Türkei ist einfach, dass es einen Aspekt an der Diskussion gibt, der immer umschifft wird: Man will die Türkei nicht in der EU haben. Ich muss jetzt glaube ich nicht schreiben warum das so ist, aber es ist der gleiche Grund warum Sarrazin in diesem Land eine Karriere haben kann. Übrigens halte ich diese Meinung für gar nicht illegitim, aber mir wäre es viel lieber wenn man es dann auch sagen würde. Ich will dir persönlich hier übrigens gar nichts unterstellen, da du selbst wissen wirst wie diese Diskussion wieder und wieder abläuft.
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Natürlich ist mir klar, dass "immer etwas ist" und dass es auch alteingesessene Ressentiments gibt. Ich habe in dieser Diskussion nie wirklich eine Meinung vertreten, um es genau zu sagen, und auch in Klausuren kam es in der Schule nicht vor, wir hatten andere Schwerpunkte. Mit der Türkei habe ich mich nie genug beschäftigt.

Nur zum jetzigen Zeitpunkt fällt es mir nicht schwer, Position zu beziehen: nämlich pro Meinungsfreiheit. Ich weiß zwar jetzt nicht viel mehr über das Innenleben der Türkei als früher, aber die Sachlage ist in diesem Fall eindeutig genug: was sich dort abspielt, ist ein nicht hinnehmbarer Krieg Erdogans gegen Meinungsfreiheit.

Es mögen immer Gründe vorgeschoben worden sein, um einen Türkei-Beitritt zu verhindern, aber in diesem Fall ist der Grund nunmal sehr triftig. Jeder Staat, der Twitter (oder Vergleichbares) verbietet, wäre nicht geeignet als Beitrittskandidat.

Dass es bei anderen Ländern auch Vorbehalte gab, die nicht beachtet wurden, ist irrelevant, weil zurückliegende Fehler nicht zu neuen Fehlern ermächtigen. Da kann man nicht mehr tun als bedauern und Schaden begrenzen.
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Wulgaru
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wulgaru »

Wie gesagt....abermals Ungarn...was da so alles passiert...oder Dänemark...auch wenn sie nur vorhatten, hätten sie es gemacht wenn sie nicht abgewählt wurden. Streng genommen ist das was in Griechenland und ähnlichen Ländern passiert auch nicht mehr demokratisch.

Ich bin der Meinung (ergo habe ich eine Meinung in dieser Sache :wink: ), dass man die Türkei schon vor Jahrzehnten hätte schrittweise aufnehmen müssen um sie Stück für Stück zum Vollmitglied zu machen. Das was die "Skeptiker" unterschätzen ist die Mediationswirkung die die Türkei bei all diesen Nahostkonflikten hätte...als Vertreter der EU....vieles könnte anders laufen und das seit Jahren.

Es war lange lange Jahre ein Wille zu Reformen da und es gab sie auch unter Erdogan (wie zum Beispiel die Entmachtung des Militärs), aber man hat nie was zurück gegeben, sondern immer nur mit dem Finger auf die Probleme gezeigt. Der Politikwechsel den Erdogan eingeleitet hat, ist nur folgerichtig. Das er nebenbei die eigene Demokratie nicht mehr ernst nimmt, ist mehr auf seine Person zu münzen als auf die Türkei. Natürlich wäre ein EU-Mitglied Türkei eine Herausforderung, aber eine größere als Griechenland kann es eigentlich gar nicht sein.
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Wigggenz
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Re: Allgemeiner Politikthread

Beitrag von Wigggenz »

Wulgaru hat geschrieben:Wie gesagt....abermals Ungarn...was da so alles passiert...oder Dänemark...auch wenn sie nur vorhatten, hätten sie es gemacht wenn sie nicht abgewählt wurden. Streng genommen ist das was in Griechenland und ähnlichen Ländern passiert auch nicht mehr demokratisch.

Ich bin der Meinung (ergo habe ich eine Meinung in dieser Sache :wink: ), dass man die Türkei schon vor Jahrzehnten hätte schrittweise aufnehmen müssen um sie Stück für Stück zum Vollmitglied zu machen.
All dies sind aber genau diese "Fehler-der-Vergangenheit-Argumente", keine Argumente für eine jetzige Aufnahme der Türkei, selbst wenn es noch so falsch war, dass die Türkei noch nicht aufgenommen wurde, weil es nichts mit der aktuellen Problemlage zu tun hat oder diese entkräftet.

Wenn jemand sich etwa bei der Polizei oder anderen Behörden bewirbt und offensichtlich anti-freiheitlich-demokratische Gesinnung an den Tag legt und deshalb nicht genommen wird, hilft es auch nicht, auf andere zu zeigen, und anzubringen "die waren auch rechts und wurden genommen". Es gibt keine Gleichheit im Unrecht. Und Unrecht wäre eine Aufnahme eines Meinungsfreiheit verachtenden Staates.

Eine Aufnahme der Türkei zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet in den Augen der Welt in erster Linie ein Willkommenheißen Erdogans bzw. dessen Regierung im Kreise der EU und eine Tolerierung seines Vorgehens. Es sendet allen anderen Regierungen, die eventuell für ihr Land einen Beitritt planen, das Signal, dass sie sich ganz schön viel Antidemokratisches erlauben können und trotzdem in die EU können. Und vor allem zeigt es allen, dass die EU nicht länger für Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit steht (wenn man mal voraussetzt, dass sie dies momentan überhaupt tut, was ja auch nicht unumstritten ist).

All die Pro-Türkei-Argumente können nur gelten, solange es auch noch der aktuellen Sachlage entspricht. Wenn lange der Wille zu Reformen da war, und man hätte die Türkei guten Gewissens aufnehmen können, tat dies aber nicht, dann ist das bedauerlich und ein Fehler. Heißt nur, dass es damals falsch war, die Türkei nicht aufzunehmen. Ändert aber nichts daran, was momentan in der Türkei geschieht. Heute wäre es falsch, die Türkei aufzunehmen.

Ich würde nicht in einem Staatenverbund leben wollen, der wissentlich Staaten aufnimmt, die munter das Internet zensieren und damit der Meinungsfreiheit offensichtlich abgeschworen haben. Die EU ist schon zahnlos genug, natürlich wird fleißig "verurteilt" und "kritisiert", aber wirklich politische Wirkung hätte eine strikte Abweisung der Türkei bis dort wieder rechtsstaatliche Verhältnisse hergestellt sind.