Da anscheinend jeder auf diesem Planeten District 9 kennt und die allermeisten eine verdammt positive Meinung davon haben (IMDb 8,5!), habe ich mir den Streifen auch angesehen.
Eines vorneweg: Dies ist kein Science-Fiction-Film! Dazu fehlt es, bei aller Liebe an Tiefe und vor allem an "Science". Die Aliens sehen faszinierend aus, doch fehlen unfassbar viele Informationen zu ihnen. Wo kommen sie her? Wie sieht ihr Planet (der kurz als Hologramm auftaucht und offensichtlich 7 Monde besitzt) aus? Warum kommen die Aliens problemlos mit unserer Atmosphäre und der Gravitation dieses Planeten klar, können irdische Nahrung (Katzenfutter

) zu sich nehmen? Wieso besitzen sie eine DNA wie Lebewesen von der Erde? Wie funktioniert ihre Technologie?
Das Problem an diesen simplen Fragen ist, dass sie nicht einmal von den Protagonisten des Films gestellt wird. Es geht immer nur um den Ist-Zustand, das hier und jetzt. Fragen nach den Hintergründen werden bloß angedeutet.
Dabei bietet die interessante Mischung aus Reportage und Actionfilm mit klassischer Kamera genügend Möglichkeiten, solche Informationen einzubinden. Nun gut, vielleicht wollte man den Streifen auch für das Massenpiblikum straffen. Ich habe Reviews gelesen, in denen beklagt wird, dass die meiner Meinung nach trotz aller Schwächen irrsinnig interessante erste Hälfte des Streifens total langweilig sei und nur durch die wirklich massive Action gegen Ende der Film noch interessant bleibe.
Dem kann ich nur entschieden widersprechen.
Das soll aber nicht heißen, dass District 9 ein schlechter Film ist, im Gegenteil! Es ist definitiv einer der besten Filme dieses Jahres und wird im Gegensatz zu manch anderem Machwerk auch in Zukunft noch im Gespräch sein und nicht nur einen Sommer lang.
Wie also schafft es dieser Film, trotz gigantischer Plotholes interessant und spannend zu bleiben? Nun, es liegt an genau drei Faktoren:
Faktor 1 sind die durchweg hervorragenden Darstellerleistungen. Der tragische Protagonist des Films, Wikus Van De Merwe, wird von dem bisher vollkommen unbekannten Sharlto Copley dargestellt. Zwar schämt man sich zu Beginn fast schon fremd für die kindliche Naivität der Figur, doch schließt man sie in ihrem verzweifelten Kampf später schnell ins Herz. Die übrigen menschlichen Figuren sind ebenso gut besetzt, wenn auch recht klischeebeladen. Zu den Darstellern zähle ich explizit auch die ausgezeichnet animierten Aliens, die perfekt mit den menschlichen Figuren zu interagieren scheinen.
Der zweite Faktor, der diesen Film zu etwas besonderem macht, ist die allegemeine Präsentation. Anstatt hier stur einem Pfad zu folgen, wird scheinbar wild expirementiert. Der Film startet als eine Art Dokumenation (Mockumentary trifft es wohl eher), komplett mit Rückblenden, Interviews mit Verantwortlichen, Wissenschaftlern und Journalisten, sowie einer klassischen Erzählstimme. Danach wird die konkrete Handlung erzählt, zunächst fast ausschließlich durch eine Handkamera, die aber nicht einfach kommentarlos in der Landschaft schwebt, sondern zu einem Filmteam gehört, das die Hauptfigur zu Beginn begleitet. (Wer sich hier wundert, warum ich krampfhaft keine Handlungsdetails verrate: Nur so bleibt der Film spannend. Ich versuche den schwierigen Spagat, eine Kritik ohne Spoiler zu schreiben...) In Szenen, die nicht nach Plan verlaufen, kommt es dann auch zu Aufforderungen, dies rauszuschneiden. Ergänzend wird zudem eine Hubschrauberperspektive mitsamt Breaking-News-typischer Aufbereitung und Kommentierung verwedet.
Doch in den actionreicheren Szenen des Films wird zusätzlich auch nach bewährter Art und Weise gefilmt, auch wenn es immer mal wieder innovative Kameraperspektiven und den Rückgriff auf Überwachungskameras (in grieseligem s/w) und eben Medienberichterstattung über die dramatischen Ereignisse gibt.
Dieser ständige Wechsel der Perspektive hält den Zuschauer bei Stange und steigert die Glaubwürdigkeit enorm und überspielt die riesigen Logiklücken. Klar, man kennt Teile von Cloverfield und ähnlichen Filmen, doch der brillante Schnitt und die überlegene Regie heben diesen Film aus der Masse.
Als dritter Faktor punktet die wendungsreiche und immer wieder überraschende Handlung. Erwartet also kein Happy End...
Ein großer Pluspunkt, der den Film angenehm auflockert, ist dieser knuddelige, charmant animierte Geselle:
So, und nun schaut euch den Film an! Es ist keineswegs eine Genrerevolution, kein Meilenstein, kein makelloses Wunder, aber ein äußerst gelungener, durchweg spannender Actionfilm, der noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Leider ist er auch eine vertane Chance: Weniger Action und mehr Tiefe hätten District 9 zu einem modernen Klassiker gemacht. Schade. Deshalb:
8,5/10