Also ich finde, dass das Spiel etwas zu schlecht wegkommt! Natürlich gibt es einige Schwachpunkte, wie zum Beispiel die etwas zu leichten Rätsel, obwohl ich auch da anmerken muss, dass Overclocked dem von der Atmosphäre vergleichbaren Fahrenheit haushoch überlegen ist. Wenn man die für ein Spiel typische Einführungsphase der Charaktere & Locations hinter sich hat, kommt die Story doch relativ schnell in Fahrt, auch wenn sie sich anfangs viele Aspekte wie z.B. McNamaras persöhnliche Probleme eher subtil zeigen sowie die natürlich anfangs zusammenhangslosen Erinnerungen erst mal so weit rekonstruiert werden müssen, dass man sich ein Gesamtbild machen kann.
VORSICHT!!! SPOILER!!!
Zudem kommen die fünf Insassen zwar individuell aber auch wenig ausgefeilt rüber, so dass ihr Handeln
nicht immer nachvollziehbar wird. Wieso will die blonde Frau die Brünette unbedingt umbringen? Warum prangt ein riesiger Blutfleck auf dem Boden des Wohntraktes? Weshalb wurden beide Mädchen eingesperrt? Leider werden diese und ähnliche Fragen auch nach Durchspielen, Endsequenz und Auflösung nicht restlos geklärt.
Ich denke doch, dass Overclocked bei der Ausarbeitung der Charaktere in der oberen Liga der Adventures mitspielt. Gerade die Sprecher tragen viel dazu bei, dass man sich ein Bild der Charaktere machen kann.
Ich finde es sogar sehr geschickt, eine Extrem- / Gefahrensituation für die Erinnerungen zu wählen, da gerade das dem Storywriter die Möglichkeit gibt, seine Figuren stark zu charakterisieren ohne sie übertrieben argieren zu lassen.
Des Weiteren geht es bei Overclocked um Manipulation bezüglich Gewaltbereitschaft, die zu einer steigenden Aggressivität bei den Jugendlichen führt (weshalb sie auch gegen Ende ihres Aufenthalt im Camp mehr gegeneinander arbeiten als zu kooperieren. Darauf lassen sich auch Rückschlüsse über eventuelle Mordvorstellungen ziehen.
Zugegeben, es wird nicht explizit erwähnt, aber ein guter Thriller ist halt nicht offensichtlich.
Die beiden Mädchen hat Cliff überigens als Sanktion für ihre Schießerei eingesperrt. Die beiden sollten sich beruhigen.
Die fehlende Erklärung der Blutlache ist in der Tat ein kleines erzählerisches Manko, das zurecht erwähnt wird, jedoch sollte man die ein bis zwei offenen Fragen, die am Ende bleiben mal in Relation zu anderen Spielen setzen. Spontan fällt mir da Dreamfall ein, das Bodo (an Herr Naser: Ich hoffe, ich darf Sie Bodo nennen) auch getestet hat: Das Spiel hinterließ lauter ungeklärte Fragen und selbst das Ende warf mehr Fragen auf, als es beantwortete.
Leider entpuppt sich das Abenteuer als ziemlich linear, da ihr immer nur sklavisch einen Schritt nach dem anderen tun dürft. Wenn ihr nicht mit der einen bestimmten Person gesprochen habt, geht es partout nicht weiter, was für ein Spiel mit dieser ungewöhnlichen Erzählstruktur einfach zu starr ist.
Hier haben wir ein Problem! Wie lässt sich Nicht-Linearität mit einer Fokus auf Story vereinbaren und das gerade bei den doch im Vergleich zu Action-Spielen relativ geringen Bugets?
Eine Geschichte entfaltet ihr volles Potenzial immer, wenn alle Geschehnisse genau aufeinander abgestimmt sind, was bei nicht-linearem Gameplay nur unter großem Aufwand realisiert werden kann und einmal ganz ehrlich: Wer brauchte die lieblosen alternativen Enden von angeblich nicht-linearen Adventures wie Agatha Christie - Und dann gabs keines mehr, bei dem nur zwei Aktionen direkt vor dem Ende dieses beeinflussten und die meisten Rätsel optional waren, man bei ihrer Lösung aber nicht belohnt wurde? Dies ist einfach keine echte Nicht-Linearität!
Das selbe gilt auch für Fahrenheit, bei dem man nur scheinbar Freiheiten hatte. Sicherlich waren einige Entscheidungen gut eingebracht (z.B. Kind vor dem Ertrinken retten), aber letzten Endes musste man immer alles machen, wenn man sich auch die zeitliche Abfolge aussuchen konnte.
Ich habe bis jetzt noch kein wirliches nicht-lineares Adventure gesehen, sondern sehe nur pseudo-Freiheiten, die einem Nicht-Linearität vorgaukeln sollen und warum ist diese überhaupt so wichtig? Wichtig ist, das einem eine gute Geschichte erzählt wird.
So viel zu meiner Kritik an der Kritik

Ich hoffe, dass dies hier als entsprechend konstruktive Kritik aufgefasst wird.
mfg
Future's End