Clash of Realities

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4P|BOT2
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Clash of Realities

Beitrag von 4P|BOT2 »

Vom 22. bis zum 24. März drehte sich an der Fachhochschule Köln alles um das Spiel: Mit Unterstützung von Electronic Arts wurde die erste "International Computer Game Conference" veranstaltet. Unter dem Motto "Clash of Realities" ging es um das Verhältnis von Spielen und sozialer Wirklichkeit. Wir waren vor Ort und wurden Zeuge eines souveränen akademischen Kantersiegs gegen das Killerspiel....

Hier geht es zum gesamten Bericht: Clash of Realities
Hedini
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Kleinere Ergänzungen

Beitrag von Hedini »

Ich war auch während der drei Tage anwesend und bin jetzt noch der Meinung, dass einige der verwendeten Fremdwörter in keinem deutschen Fremdwörterlexikon verzeichnet sind. :wink:
...von den Bandwurmsätzen mancher Akademiker mal ganz zu schweigen. :?

Besonders interessant fand ich während der Veranstaltungen noch:
- den Begriff der Lesesucht aus dem 18. Jahrhundert
- die Aussage von Dr. Hartmann, dass die Wahrscheinlichkeit durch Spiele mit gewalttätigem Inhalt ein aggressiveres Verhalten zu zeigen über dem Risiko liegt durch Tabakkonsum an Krebs zu erkranken. Auf der anderen Seite aber messbar unter dem Risiko durch Filme mit gewalttätigem Inhalt aggressiver zu werden.
Tja, und nach Splatter-, Horror- und ähnlichen Filmen kräht heute schon kein Hahn mehr. :?
- dass "klassische" Spiele wie "Cowboy und Indianer" oder Skat, Bridge, usw. überhaupt noch nicht wissenschaftlich untersucht wurden, obwohl ich persönlich schon miterleben durfte, wie Familien nach einer Partie Kanasta kurz davor standen sich an die Gurgel zu gehen (was bei einer gepflegten Partie Bomberman zu viert in meinem Haushalt noch nie der Fall war)
- dass Dr. Kabisch nach der Existenz von Spielen fragte, die gezielt die Frustrationsfähigkeit stärken... Die Frage stellt in sich ggf. einen Widerspruch dar, da in anderen Studien festgestellt wurde, dass die wiederholte Konfrontation des Spielers mit dem Bildschirmtod ihn doch eins unbewusst lernen lässt: Egal, wie oft ich scheitere, ich habe ein nächstes Mal und dann habe ich mehr Erfahrung.
Meiner Meinung nach ein klares Indiz eines Bildungsprozesses -> Trial and Error gepaart mit Zeiten der Reflektion (Grübelns, was man wie besser macht oder falsch gemacht hat).
- dass eine Idee für die Verwendung von Computerspielen doch die des "Well-Beings" sei. Also von mir überspitzt (und leicht verdreht) gesagt: Demnächst auch Zocken im Wellness-Center. :D

Kernige Zitate:
"Jeder, der nach World of Warcraft aufs Klo geht, weiß: er ist in der Realität.", Dr. Bergmann
"Realität wird erkannt, aber nicht mehr akzeptiert.", Dr. Bergmann verneint die Frage nach eines Verschwimmens von Realität und virtueller Welt bei Kindern und Jugendlichen in sozial schwachen Umfeldern
"Die Gründe von Spielsucht liegt nicht in den Spielen.", Prof. Dr. Kaminski
"Geschlecht schützt vor Sexismus nicht.", Dr. Zaremba abschließend auf die Frage, ob Grafikdesignerinnen die optisch gemäßigteren Heldinnen entwerfen würden.

Eine weitere Frage/Idee noch am Rande: Geht man in der Killerspieldebatte von Sigmund Freuds Modell des psychischen Apparats mit "Über-Ich", "Ich" und "Es" aus und nimmt man an, dass langfristig "Gehirnaktivitäten im Bereich der Aggressivität" gleichbedeutend sind mit einer Herabsetzung der Hemmschwelle...
Kurz gesagt: Mehr Killerspiele zocken = das "Es" (Triebe) stärken.

Wäre das Ziel dann nicht, das "Über-Ich" des Menschen zu stärken?
In Form von sozialer Sicherheit (Arbeit, Freunde, etc.) und in Form von vermittelten Normen (Ethik, Gesetzestreue, aktiver Hirnbenutzung, etc.)?
Sprich: Nach der Formel wäre es dann nicht egal, wieviel Killerspiele ich spiele, solange ich meine Triebe kontrollieren kann?
Prof. Dr. Dr. Mathiak meinte - sofern ich mich richtig erinnere -, dass diese Leute, die ein ernsthaftes Problem mit ihrer Kontrollregion im Hirn haben, nicht in Gefängnissen anzutreffen wären, sondern in der Psychatrie. :?
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Jörg Luibl
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Re: Kleinere Ergänzungen

Beitrag von Jörg Luibl »

Hedini hat geschrieben:Ich war auch während der drei Tage anwesend und bin jetzt noch der Meinung, dass einige der verwendeten Fremdwörter in keinem deutschen Fremdwörterlexikon verzeichnet sind.
Zumal es dadurch manchmal so wirkte, als wolle man der Spiele-Wissenschaft unbedingt eine eigene akademische Sprache aufdrücken. Klar braucht man mal Fremdwörter, man muss auch interessante neue Wörter finden, aber über allem muss gerade bei einem Vortrag das Verständnis stehen.
Hedini hat geschrieben:Besonders interessant fand ich während der Veranstaltungen noch:
- den Begriff der Lesesucht aus dem 18. Jahrhundert
Ja, das Schöne an der Veranstaltung war, dass viele interessante Vergleiche gezogen wurden. Man hatte das Gefühl, dass sich die Spielkultur in ihrer Wahrnehmung bloß in eine alte historische Spannung aus Ablehnung und Faszination einreiht.
Hedini hat geschrieben:Auf der anderen Seite aber messbar unter dem Risiko durch Filme mit gewalttätigem Inhalt aggressiver zu werden.
Tja, und nach Splatter-, Horror- und ähnlichen Filmen kräht heute schon kein Hahn mehr. :?
Stimmt. Nur kennt fast keiner da draußen diese beruhigende Verhältnismäßigkeit. Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit ist daher genau der richtige Weg.
Hedini hat geschrieben:obwohl ich persönlich schon miterleben durfte, wie Familien nach einer Partie Kanasta kurz davor standen sich an die Gurgel zu gehen (was bei einer gepflegten Partie Bomberman zu viert in meinem Haushalt noch nie der Fall war)
Hehe - schöner Vergleich. Ich beobachte wutenbrannte Totalaussetzer auch eher im Straßenverkehr. Oder im Stadion. Oder bei Familienfeiern.
Hedini hat geschrieben:- dass eine Idee für die Verwendung von Computerspielen doch die des "Well-Beings" sei. Also von mir überspitzt (und leicht verdreht) gesagt: Demnächst auch Zocken im Wellness-Center. :D
Oh ja, das war auch so eine Delikatesse: Well-Being. Warum zur Hölle kann man da nicht von Wohlbefinden sprechen? Egal. Aber die Vorstellung, dass es im Jahr 2035 eine Kur gibt, in der man nicht mit Schlammpackungen, sondern mit Videospielen behandelt wird, hat einen gewissen surrealen Reiz. Vielleicht in Bad Erfurt? Okay, der war schlecht...
Hedini hat geschrieben:- Geht man in der Killerspieldebatte von Sigmund Freuds Modell des psychischen Apparats mit "Über-Ich", "Ich" und "Es" aus und (...) Nach der Formel wäre es dann nicht egal, wieviel Killerspiele ich spiele, solange ich meine Triebe kontrollieren kann?
Am Ende läuft es darauf hinaus, dass Psychopathen, Amokläufer und Triebtäter genau das eben nicht können. Und die wird es immer geben - mit oder ohne Killerspiel. Dazu passt dann auch Mathiaks Verortung dieser Leute: in der Psychiatrie.

Schönen Sonntag!
Hedini
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Re: Kleinere Ergänzungen

Beitrag von Hedini »

4P|T@xtchef hat geschrieben:Zumal es dadurch manchmal so wirkte, als wolle man der Spiele-Wissenschaft unbedingt eine eigene akademische Sprache aufdrücken.
Ich bin zwar nicht mit dem Fachjargon der Sozialwissenschaften vertraut, aber ich kann mir vorstellen, dass viele der Wörter innerhalb des Faches geläufig sein könnten. :?
Jedenfalls hat mir eine befreundete Psychotherapeutin meinen Eindruck bestätigen können, dass vor allem männliche Akademiker zu Fachchinesisch neigen. Den Frauen unter den Vortragenden konnte ich leichter folgen.
4P|T@xtchef hat geschrieben:Man hatte das Gefühl, dass sich die Spielkultur in ihrer Wahrnehmung bloß in eine alte historische Spannung aus Ablehnung und Faszination einreiht.
Ich nenne in dem Zusammenhang gerne das Plakat aus den Anfängen des Films im Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, das im Untergeschoss vor einem Kinonachbau hängt und die gesellschaftszersetzende Wirkung des Kinos anprangert. Theater sei doch das einzig wahre.
4P|T@xtchef hat geschrieben:Oh ja, das war auch so eine Delikatesse: Well-Being. Warum zur Hölle kann man da nicht von Wohlbefinden sprechen?
Danke für den Tipp - ein Freund (Germanistik-Student) wollte letztes Jahr einen Kurs "Deutsch für Callcenter-Agents" anbieten, aber ich glaube, "Deutsch für Sozialwissenschaftler" sollte auch reißenden Anklang finden. :D
...ich denke jetzt, als Wirtschaftsinformatiker sollte ich jetzt die Klappe halten. :wink:

Aber das ist auch ein Unterschied von Deutschland zum Rest der Welt: Perfektionismus im Bereich akademischer Abhandlungen.
Deutsche setzen gerne Mosaiksteinchen zu einem Bild zusammen mit den richtigen Methoden und der richtigen Sprache, während zum Beispiel Amerikaner die Perfektion und die Fachsprache unter der Verständlichkeit einordnen - soll sich jemand anders um die noch unklaren 5% der Arbeit kümmern.
Hat beides seine Vor- und Nachteile...

Ich bin jedenfalls froh drum, dass mein Terminplan den Vortrag von Dr. des. Mela Kocher zuließ. Nach der Technik / den Genres könnte meiner Meinung nach auch langsam das Geschichten erzählen in die Stagnation abzurutschen. Zum Glück gibt es hier noch mehr Erfolge zu verzeichnen, als bei der Technik... evtl. belebt der Onlinevertrieb ja zukünftig die Vielfalt (Geschäftsmodelle und DRM mal außen vor gelassen).
Oder die Gamedesigner begegnen der Story mit einer gehörigen Portion Selbstironie und es kommen Spiele auf den Markt, die bewusst den Charme von 80er-Jahre Actionfilmen imitieren (siehe Vorspann von Neo Contra).

Gleichfalls einen schönen Sonntag und die Sommerzeit nicht vergessen. :wink:
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Jörg Luibl
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Re: Kleinere Ergänzungen

Beitrag von Jörg Luibl »

Hedini hat geschrieben: Ich bin jedenfalls froh drum, dass mein Terminplan den Vortrag von Dr. des. Mela Kocher zuließ.
Da hab ich eine gute Nachricht: Mela Kochler wird demnächst bei uns in der Spielkultur einen Gastbeitrag zum Thema Tekken anbieten. Und da geht es vor allem um die Story.

Wahrscheinlich werden wir im Laufe der nächsten Woche damit starten.

Bis denne
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stormgamer
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Beitrag von stormgamer »

war leider nicht anwesend kan also auch nicht so mitreden.

aber super beitrag Hedini!hat mir echt gefallen!