@all
Ich glaube hier wird der Kern der Sache, warum sich viele über den Titel "RPG des Jahres" echauffieren, schon sehr gut umschrieben.
Der Fokus eines Rollenspiels liegt auf der Charakterentwicklung und der vielfältigen Möglichkeiten
dies frei zu tun.
Der Fokus bei einem RPG liegt NICHT alleinig auf dem Kampfsystem.
Der Kampf ist ein klassisches Element, welches aber -und da liegt das Problem- durch Echtzeitabhandlung zu einem Reaktionstest bzw. Abwandlung eines Shooters verkommt.
Ich denke, dass das der Punkt ist, an dem sich viele hier stören, ohne es richtig ausdrücken zu können.
Erklärung:
Im klassischen P&P Rollenspiel oder auch bei den älteren Computer RPGs, die z.B. auf D&D Regelwerk basieren, definiert man die Attribute seines Charakters einzig und allein durch die Zuteilung von Werten.
Wenn ich also möchte, dass mein Kämpfer durch die Luft wirbelt und zielgenau alles zerlegt, dann erhöhe ich den Wert Geschicklichkeit und den Skill Akrobatik.
In der Ego- Perspektive in Echtzeit wird mir diese Option genommen. Ich kann dem Charakter Geschicklichkeitspunkte zuteilen, bis ich grün werde -> Wenn ich an der Maus keine Leuchte bin, sterbe ich trotzdem.
Das ursprüngliche, fein austarierte Regelwerk nach Punkten, wird durch die Action- Komponente mehr oder weniger ad Absurdum geführt. Was nützt mir ein riesiger Geschicklichkeitswert, große Kraft etc., wenn ich mangels Können an Tastatur/Maus/Controller trotzdem laufend das Zeitliche segne?
Daher kommen auch die neumodischen Schwierigkeiten in RPGs eine ordentliche Schwierigkeitsbalance herzustellen, da vermehrt die Faktoren Reaktion, Echtzeitkampf etc. in den Vordergrund rücken. Vergleicht mal die Ähnlichkeit der Bekämpfungsweise von Endbossen z.B. eines Super Mario 64 und denen eines "modernen" Rollenspiels- da gibts kaum Unterschiede!
Dabei lacht sich der Core- Gamer FPS- Shooter an einer Stelle tot, bei der der "Ur- Zahlenknecht- Rollenspieler" an der Situation verzweifelt, obwohl er einen starken Char hat.
Es wird also weniger das virtuelle Können bzw. die Entwicklung des Characters, als die eigene Geschicklichkeit im Umgang mit dem Controller in den Mittelpunkt gerückt.
In der Geschwindigkeit des Echtzeitkampfes geht zudem das präzise Gespür für die Eigenschaften eines Charakters verloren. Kritische Treffer, Beweglichkeit, Kraft, Akrobatik sind alle im Kampfgetümmel nicht mehr klar auszumachen.
Das tötet einen der Hauptfaktoren, die ursprüngliche RPGs Spielenswert machte.
Man konnte kompromisslos seinen Char entwickeln und wurde durch Feingliedrigkeit der Effekte, wie der Char mit Feinden oder NPCs umging, belohnt. Auch im wichtigen Bereich "Kampfgeschehen".
Genau deshalb tue auch ich mir schwer, mit der Einordnung von Dark Souls in die Kategorie Rollenspiel, da es für mich auch eher in Richtung Action- Adventure á la Venetica, Uncharted 3 und Konsorten geht. Da die meisten Rollenspiele aber diesem Trend der Actionlastigkeit folgen, wird man sich in Zukunft wohl einfach an die neue Art "Rollenspiel" gewöhnen müssen.
Dark Souls ist genial, keine Frage, aber es ist imho tatsächlich grenzwertig, es als reinrassiges Rollenspiel zu bezeichnen.
Just my 2 cents
p.S. Erlaubt Euch mal folgendes Gedankenspiel: Gebt Dark Souls den Namen Gothic 5 und schickt es hier zum Test ein
