The Old City: Leviathan - Test

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v3to
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Re: The Old City: Leviathan - Test

Beitrag von v3to »

GrinderFX hat geschrieben:Du hast es nicht verstanden und oder der Diskussion nicht gefolgt.
Vor ein paar Wochen wurde hier ein sehr ähnliches Spiel getestet, was eine extrem kurze Spieldauer hatte, hat dennoch eine 90% Wertung erhalten. Dies wurde hier auch schon erwähnt und ist Teil der Diskussion, lesen hilft. Hingegen gibt es hier oft andere nicht Indietitel die getestet werden und die sind an sich auch spielerisch auch echt gut, nur wird da plötzlich abgewertet, weil der die Dauer von 6 - 8 Stunden auf einmal zu kurz sei.
Das ist also nichts was du abstreiten kannst, weil die gleiche Diskussion unter diesem Titel schon stattfand.
Es wird also mittlerweile sehr seltsam bewertet.
vielleicht bin das jetzt nur ich, aber die spieldauer in relation zu wertungen zu setzen, scheint mir doch reichlich kurzgefasst. insbesondere bei einer wertungsphilosophie wie hier auf 4players, das rein subjektive empfinden als grundlage zu nehmen... alleine deshalb ist schon die zahl unter test a nicht mehr mit der zahl unter test b vergleichbar. wenn man ein spielkonzept nimmt, welches sich rein über die erzählweise und dem gehalt der geschichte definiert nimmt, dann gibt es nur - gefällt mir das oder nicht.

der versuch, das ganze dann an die typisch pseudo-objektiven kriterien wie grafik, soundtrack, spieldauer, umfang oder was auch immer festzumachen, macht das ganze vielleicht am ende wieder vergleichbarer. aber an sich verwässert das ganze auch nur den faktor 'eigene meinung' und das ganz speziell bei solchen titeln, die sich nicht nach mainstream-standards einordnen lassen.
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darthslug
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Re: The Old City: Leviathan - Test

Beitrag von darthslug »

Sevulon hat geschrieben:Aber bei klassischer Kunst der Gemälde oder Bildhauerei - wo der Großteil dieses Werkes von der damaligen Zeit, dem Künstler, dem Ort etc. abhängig ist und in diesen Kontext eingebettet werden muss - kann man da natürlich je mehr mit anfangen [bzw. überhaupt etwas], je mehr man selbst von diesem Kontext weiß. Da wird der Laie mitunter halt tatsächlich nur davor stehen und sich denken "Joah. Schönes Bild".
In gewisser Weise stimmt das vielleicht, Man sollte über den Kontext bescheid wissen, aber das hat nix wirklich mit gebildet sein zu tun. Ehrlich gesagt kann ich es auch nicht mehr hören dass man gebildet sein muss um Kunst zu verstehen, seid mir eine Museumsleiterin diesen Satz an den Kopf geworfen habe. Dabei stand ich vor einem "Kunststoffgemälde", dass aus einem weißen Kreis bestand, der sich vor einem weißen Rechteck befand. Als sie mir dann auch noch traurig gesagt hat, dass der Künstler Selbstmord begangen hat, weil er ja sich nicht verstanden gefühlt hat und keiner bezahlen wollte, was er sich vorgestellt hat (läppische 10000€), da hatte sich das für mich erledigt.
Wenn Kunst ihre wahre Schönheit erst entfaltet, wenn ich den Kontext verstehe, ist das gut. Kunst sollte aber auch ohne Kontext begreifbar sein. Ich kann zum Beispiel einen Dix schön finden, ohne die Zeit zu verstehen in der er gelebt hat. Im Kontext seiner Zeit, strahlt das dann aber viel mehr Kraft aus.
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Sevulon
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Re: The Old City: Leviathan - Test

Beitrag von Sevulon »

darthslug hat geschrieben:Man sollte über den Kontext bescheid wissen, aber das hat nix wirklich mit gebildet sein zu tun. Ehrlich gesagt kann ich es auch nicht mehr hören dass man gebildet sein muss um Kunst zu verstehen, seid mir eine Museumsleiterin diesen Satz an den Kopf geworfen habe.
Bildung = Den Kontext kennen. Die Bildung muss natürlich schon in diesem Zusammenhang bestehen, alles andere macht ja keinen Sinn. Und diese Bildung kann man sich eben auch aneignen, wenn man mal den richtigen Artikel liest oder eine Doku im Fernsehen sieht.
Ich mein, wenn jemand bspw. amerikanische Geschichte studiert, dieses Fach seit 20 Jahren als Professor lehrt, mehrere Sprachen spricht, 10 Jahre in Asien lebte und sich Privat sehr für klassische Musik interessiert, ist das sicherlich ein sehr gebildeter Mensch. Ein Intellektueller. Aber wenn er dann zusammen mit dem unstudierten Handwerker Hans Müller im Museum vor einer Skulptur von Da Vinci steht, hat er deswegen auch nicht zwingend mehr Ahnung, schließlich fällt weder die Bildhauerei, Italien noch der Künstler selbst in dessen Metier oder auch nur Interessengebiet.
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Kajetan
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Re: The Old City: Leviathan - Test

Beitrag von Kajetan »

Sevulon hat geschrieben:Aber wenn er dann zusammen mit dem unstudierten Handwerker Hans Müller im Museum vor einer Skulptur von Da Vinci steht, hat er deswegen auch nicht zwingend mehr Ahnung, schließlich fällt weder die Bildhauerei, Italien noch der Künstler selbst in dessen Metier oder auch nur Interessengebiet.
Keine Frage. Aber er kann vielleicht ganz geschickt Bildung vortäuschen, in dem er Hans Müller jede Menge Bullshit mit viel Fremdwörtern an den Kopf wirft :)

Hatte im Studium ein Rethorik- und Freisprech-Seminar besucht. Da hat uns der Seminar-Leiter zu einem Termin ins Museum gebeten, wo wir dann vor ausgewählten Gemälden, von denen wir alle keinen blassen Schimmer hatten, aus dem Stehgreif einen gebildet klingenden Vortrag über das Werk halten sollten. Bedingung war, selbst bei zufällig vorhandenem Fachwissen NICHT auf dieses Wissen zurückzugreifen. Er wollte mit uns "gut klingenden Bullshit" üben. Dafür braucht man aber eine ganze Menge Allgemeinwissen und etwas Ahnung, ansonsten fehlen einem Begrifflichkeiten, um die Leere mit heißer Luft zu füllen. Der "Sieger" war ein Soziologe, der es überzeugend verstand irgendein Rennaissance-Bild mit dem Cargo-Cult der Ureinwohner auf Papua-Neuginea zu verbinden, ohne dass es lächerlich wirkte.

Hmm, ich warte sehnsüchtig auf den Kunstkritik-Simulator!
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kamm28
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Re: The Old City: Leviathan - Test

Beitrag von kamm28 »

@Grinder:
Ich hab das schon verstanden. Aber gerade deswegen, weil zwei kurze Spiele einmal schlecht und einmal gut bewertet werden, sowie längere Spiele ebenso die komplette Bandbreite zwischen meinetwegen 5 und 95 % abdecken, sollte man doch, in Verbindung mit den Argumenten, die hier schon wirklich oft geliefert wurden, langsam mal verstehen, dass die Spielzeit kein relevantes Kriterium ist. Und wenn doch, dann ganz klar auf das Genre/Spielprinzip bezogen.
Vinterblot
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Re: The Old City: Leviathan - Test

Beitrag von Vinterblot »

Allein der Titel weckt bei mir Assoziationen. Ich denke an Lovecraft, natürlich an Moby Dick, an die Doom-Metal-Band Ahab (die sich ebenfalls mit Moby Dick beschäftigt haben), an dunkle, vergessene Orte und düstere Geschichten. Aber auch an eine gewisse Entschleunigung. An Brauntöne, an knisternde Schallplatten und verkratzte Filmaufnahmen. Thematisch rennt man bei mir mit solchen Sachen offene Türen rein. Insofern werde ich definitiv mal hereinschauen.
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monotony
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Re: The Old City: Leviathan - Test

Beitrag von monotony »

holydürüm hat geschrieben:Ich weiss Wertungsdiskussionen sind völlig sinnlos............ daher tut es mir sehr leid..... aber ich kann's mir nicht verkneifen :mrgreen: Was ist nun der Unterschied zwischen einem 90% Dear Esther und diesem 50% Game? Keine Trollerei sondern wirklich eine ernste Frage! [...]
es sind zwar seit dem test nun gut vier monate vergangen, aber ich habe das spiel gerade durch und möchte nachgehend versuchen deine frage zu beantworten.


zum einen ist dear esther deutlich kürzer, was hier tatsächlich ein vorteil ist. das pacing (die schnelligkeit des spielflusses) ist, wobei trotzdem nicht hoch, dennoch deutlich höher als bei the old city: leviathan wodurch letzteres sich sehr viel mehr zieht und hart an der konzentrationsfähigkeit des spielers zehrt.

beide spiele funktionieren in etwa so, dass mehrere, zum teil ineinander verwobene geschichten audiovisuell erzählt werden. also durch das erkunden und einem erzähler. bei leviathan vor allem aber durch texte. und davon gibt es reichlich. nicht nur die ellenlangen sammeltexte, auch findet man alle nase lang mit tagebüchern oder dokumenten geschmückte wände oder offene bücher.

und in der geschichte kommt nun der eigentliche knackpunkt beider spiele: wo dear esther noch herrlich interpretierfreudige, aber dennoch stringend erzählte stories bot, verirrt sich der autor oder die autoren von leviathan in philosophischen ergüssen. die verschiedenen figuren sind innerhalb der handlung schwer zu verorten, bedienen sich zum teil ausufernder rhetorik, springen in ihren gedanken hin und her und machen entwickungen durch, die zum teil nur sehr schwer nachvollziehbar sind. um die sache komplett konfus zu machen, baut man elemente und symboliken aus religion und historischer mythologie ein. etwa die minotauren, moses oder könig salomon.

die eigentlich interessante, dystopische rahmenhandlung wird dann zum ende hin komplett fallengelassen und verliert sich in unnötig angeschwollene, existenzielle fragen in verbindung mit dem sinn und unsinn von (lebens-)träumen, de facto dem sinn des lebens. da man als charakter und spielfigur nie auch nur irgendeine rolle spielt, ist das eigentliche schicksal, in das man dann zuletzt steuert auch völlig belanglos.
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