Ich gebe ja zu, etwas übers Ziel hinausgeschossen zu haben. Bei Musik werde ich schnell emotional, was normalerweise etwas Positives ist, aber es funktioniert halt in alle Richtungen. Und Trap sowie Deutschpop der Bendzko-/Forster-Schiene löst in der Regel intensiven Hass bei mir aus. Das mit den Schimpansen hätte ich erkennbarer in den Zusammenhang mit "Menschen Leben Tanzen Welt" setzen können.
Ich würde jedenfalls nicht behaupten, dass man vom Musikgeschmack individuell auf die Intelligenz schließen könnte. Statistisch und tendenziell funktioniert so etwas mit kulturellen Dingen, aber wie gesagt nicht individuell. Ich kenne genug Leute, die deutlich intelligenter sind als ich (was zugegebenermaßen auch nicht so furchtbar schwierig ist), sich aber mit simplerer und anspruchsloserer Musik zufriedengeben. Was mir allerdings noch nicht vorgekommen ist, sind Menschen, für die Musikgenuss ein Hobby ist, die dann aber trotzdem ausschließlich musikalisch minderwertige Musik hören.
Der Vergleich mit irgendwelchen Fast-Food-Ketten ist dahingehend nicht haarsträubend, dass es in beiden Fällen um Kultur und Geschmack geht, und man in dieser Hinsicht durchaus Aussagen treffen kann. Man kann natürlich aber auch solche Dinge wie Kultursoziologie, Bordieu, Simmel oder auch Musikwissenschaft für nichtig und blöd erklären - in jedem Fall redet man irgend etwas schlecht.
Mein Problem mit Travis Scott (und weiten Teilen der Trap-Szene) begründet sich außerdem nicht rein darauf, dass ich die Musik als solche abstoßend finde. Da geht es schon auch um die damit einhergehende Habitualisierung im kulturellen Betrieb. Etwas davon ist auch hier im Forum spürbar, sobald kritische Stimmen auftauchen. Ich meine damit das Gleiche, was SethSteiner schon angesprochen hat, wenn ich es richtig verstanden habe, nämlich dass gegen Kritik an kulturellen Dingen mit vorgefertigten ad hominem-Argumenten immunisiert wird. So wie ich mit meinem "Musik für Menschen, die Musik hassen"-Fehlschluss, mit dem Unterschied, dass es wahrscheinlich ernst gemeint ist.
Und falls es so ist, verstehe ich's einfach nicht. Ich meine, warum ist es vollkommen legitim, bei Mozart eine musikalische Überlegenheit der großen Kompositionen gegenüber seinen "Gassenhauern" festzustellen? Warum hat sich kaum jemand beschwert, wenn man Eurodance, Schlumpfentechno, Nu-Metal, Nickelback-PostGrunge, Deutschrock mit Geschmäckle, säuselnden Neo-Folk mit germanischen Einschlag, NSBM oder was weiß ich kritisiert hat, außer natürlich die jeweiligen Fans? Na ja, weil es eben durchaus viel zu kritisieren gab und es normal war, dass man Kultur kritisch und auch wertend betrachtet. Und warum ist es beim Trap anders, warum wird dieser Ranz auf einmal teilweise vom Feuilleton gefeirt, und wer was dagegen sagt, ist ignorant? Klar, Kultur hat auch was mit Distinktion zu tun, und vielleicht funktioniert es nicht mehr so wie früher, dass man sich mit speziellen Sachen absetzt, weil in unserer durchindividualisierten Gesellschaft, in der zudem jeder noch so abgefahrene Shit auch für den Durchschnittskonsumenten nur einen Klick entfernt ist, sowieso viele Leute verrückte Sachen hören - und deshalb biedert man sich dem an, was gerade bei 13-Jährigen so angesagt ist, weil das dann den größeren Shock-value abgibt, und glorifiziert den größten Bullshit. Ist es das? Wie gesagt, ich verstehe es nicht.
Und nur um das klarzustellen, man sollte sich bestenfalls schon mit etwas befasst haben, um Kritik daran zu üben. Nein Trap ist nicht gleich Hip Hop, Hip Hop ist nicht nur etwas für "Kiddiez" und gibt es übrigens seit den 70er-Jahren, und es ist ja auch nicht alles der gleiche Einheitsbei. Im weiteren Sinne verarbeiten auch Künstler wie clipping. Trap-Elemente, und einem Og Keemo kann man durchaus etwas abgewinnen.
Als einmaliges Statement im Sinne von z. B. Piero Manzonis Merda d’artista hätte ich auch gar nichts gegen Standard-Trap. Bewusst gelangweilte Melodie ohne harmonische Höhepunkte, Autotune drüber, bisschen Drogen, Knarren, Bi***es, Gucci - yo, wir habens verstanden, im überhöhten Turbokapitalismus geht die Menschlichkeit flöten und die Leere muss mit gelangweiltem Luxus gefüllt werden. Toll, bitte weiterziehen. Aber warum macht man daraus ein riesiges Genre, mit fast identischen, ständig wiederholten Inhalten und musikalischen Versatzstücken? Selbst im (extrem flachen) Eurodance konnten sich die einzelnen Stücke wenigstens teilweise noch harmonisch voneinander abgrenzen, indem man unterschiedliche Hooks verwendete.
Dabei sind die musikalischen Komponenten im Trap gerade gegenüber einfacheren Genres wie genannten Eurodance im Grunde gar nicht so uninteressant. Langsamer, synkopisierter Beat, darüber schnelle 16/32tel, der eher düstere Vibe - wenn man will, kann man die Elemente schon bei Meisterwerken wie Massive Attacks Mezzanine erahnen und haben durchaus Potential. Auch Autotune ist ja nicht grundsätzlich einfach schlecht, wie man bei so unterschiedlichen Künstlern wie Imogen Heap, Poliça, Bon Iver, James Blake oder Cynic (da hieß es allerdings noch Vocoder) hören kann. Dass sich der Hip Hop in seiner Entwicklung weg vom Boom Bap über den Einfluss von Künstlern wie den Neptunes, Pharell Williams und Missy Elliott komplexeren Rhythmen geöffnet hat war etwas, was ich immer sehr begrüßt habe und wo man nicht wirklich etwas gegen anführen konnte, wenn man stilistisch nicht allzu verbohrt war. Aber, nochmal, warum macht man dann, trotz der vorhandenen Zutaten, eine so langweilige, flache, unmusikalische, brechdurchfallische Kacke draus?
An den Inhalten kann es auch nicht liegen, dass Kritik gegenüber Trap abgelehnt wird. Was ich bis jetzt mitbekommen habe, waren der übliche menschen- und insbesondere frauenverachtende Ranz aus glorifizierter Kriminalität, der, schluchz, Unfähigkeit, dieser bösen Kriminalität zu entfliehen (warum dann glorifizieren?), bit***s, Drogen, Leere, Luxus, bla, kennt man, nur halt manchmal noch etwas existenziell misanthropischer und lustigerweise oft gleichzeitig weinerlicher als von Hip Hop teilweise schon gewohnt. Seit wann sind so Inhalte eigentlich außerhalb von, ihr wisst schon, zurecht wegen ihrer menschenfeindlichen Tendenzen in der Kritik stehenden Gruppierungen, ok? Oder check ich da irgendetwas nicht?
Naja, ich habe mich in Rage geschrieben, ihr merkt, Trap ist mein Endgegner. In dem Sinne: Skrrrt, brrr, pew pew, peace.
@Gesichtselfmeter: Das mit Andy Borg und Roger Whittaker... das war doch ironisch gemeint, oder?
