Das beschränkt sich nicht auf Spieleentwicklung, dass ist allgemein bei Softwareentwicklung, ähm, ich nenne es mal "üblich".Doc Angelo hat geschrieben: ↑15.10.2018 18:39 Warum ist das bei Spiele-Entwicklern immer so dermaßen heftig?
Zwar jetzt nicht unbedingt 16h-Tage oder gar 7-Tage-Wochen, aber zum Ende des Projekt, also zu Release, wirds immer hektisch.
Die 80-20 Regel trifft da meistens voll zu. Nach 20% der Projektzeit hat man 80% implementiert. Für die restlichen 20% die noch zu tun sind, braucht man dann 80% der Zeit. Das kommt auch daher, dass für ein großes Softwareprojekt der Aufwand kaum abschätzbar ist, also nur relativ ungenau, weil man immer auf Unbekannte stößt. Gerade gegen Ende kann ein Bug in 5 Minuten gefixt sein, oder sich als Fehler im Grundkonzept rausstellen, der schlicht und einfach nicht absehbar war und selbst ein "Flicken" 2 Wochen dauern würde und eine grundsätzliche Behebung gar mehrere Monate an Umbauarbeiten benötigen würde. Das macht gerade die Endphase komplett unplanbar. Wenn man das nicht will, wird schon die Abschätz- und Planungsphase utopisch lange. Es gibt diverse Techniken um das zu minimieren, z.B. Prototyping, nur häufig ist der Prototyp dann schon "so gut", dass man ihn gleich weiterverwendet. Gegen Ende stellt man dann überrascht fest, dass der Prototyp halt doch nur ein Prototyp war und das rächt sich dann natürlich doppelt und dreifach... was genau zu diesem Bild führt .
IdR werden die Zeiten aber sowieso unterschätzt. Für die ganz seltenen Fälle wo man mal tatsächlich früher "fertig" wäre, wird dann noch mit zusätzliche Features/Erweiterungen/Verbesserungen aufgefüllt, die dann üblicherweise wieder den restlichen Rahmen sprengen und zum selben Ergebnis führen.
Auch nicht unschuldig ist Missmangement. Am beliebtesten ist dabei am 24. Dezember um 15 Uhr nachmittags festzustellen, dass am Abend ja Weihnachten ist. Oder Release ist Ende November, na dann reichts doch, wenn wir Mitte November anfangen die Software auch mal wirklich zu testen. Tester kosten schließlich auch Geld, oder direkt "richtige" Tester braucht man nicht, das kann doch auch die Sekretärin machen, wenn die mal grad nichts anderes zu tun hat.
Oder ganz fatale Fehlentscheidungen, wie z.B. von Nokia, nachdem sie die Smartphones schon um ein paar Jahre verpennt hatten, ein eigenes Smartphone-OS entwickelt und nach 3 Jahren Entwicklungszeit das etwa 80% fertiggestellte Projekt nochmal komplett weggeworfen und alles nochmal neu gemacht, weil irgendein Manager auf die Idee kam, dass die Technologie auf die gesetzt wurde veraltet wäre und deswegen jetzt alles nochmal neu mit einer anderen Technologie muss.
Tendentiell habe ich sogar festgestellt: Je größer und overmanageder (und das kommt meistens eh paarweise) eine Firma ist, desto schlimmer der Effekt. Kleine Firmen mit nur 20-25 Leuten (denen auch kein Aktionär im Nacken sitzt) kriegen das idR sogar besser hin.
Eines der letzte größeren Softwareprojekte an dem ich mitarbeiten durfte, war mit 12 Monaten für 5 Entwickler und ca. 2Mio € Entwicklungskosten "geplant". Nach ca. 6 Monaten war die Entwicklungsabteilung auf 15 Mitarbeiter aufgestockt, innerhalb der nächsten 6 Monate wurde der Funktionsumfang um ca. 50% gekürzt, damit man überhaupt mal irgendwas fertig kriegt und nach 1,5 Jahren wurde die Software dann vorgestellt. Mit 50% Funktionsumfang, einem dreimal so großen Entwicklerteam und 50% länger gedauert als geplant. Immerhin haben sie die zwischenzeitlich schon fast drohende Pleite überwunden, einen weiteren Investor gefunden und es hat bis zu diesem Stand nach 1,5 Jahren auch doch "nur" 6Mio € gekostet.
