Spielejournalismus am Endpunkt?

Hier geht es um Spieldesign oder Game Studies, Philosophie oder Genres!

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Jörg Luibl
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Jörg Luibl »

Sorry...?

Hast du in den letzten Jahren unsere Formate überhaupt angeschaut? Weißt du, wieviel wir schon mit den thematischen Innovationen "riskieren", die wir in diesem Wettbewerb anbieten? Hast du unsere Kommentare, Video-Epiloge , Talks und Geschichts-Specials ignoriert, die genau das leisten: einen klassischen Test um zusätzliche Blickwinkel abseits von Phrasen zu vertiefen? Was "Sprache" betrifft: Unser subjektiver Stil unterstützt den individuellen Ton von Ben, Matthias, Micha, Jan, die alle eine andere Sprache verwenden und auch anders analysieren? Hast du diese Vielfalt nicht erkannt? Du suchst noch ganz andere Stilisten, die neue Worte für Mario Party 18 und FIFA 36 finden? Na denn man tau!

Wir haben so viel Kontext über eine Wertung oder Spielmechanik hinaus geliefert, wir haben historische Epochen erläutert, spielepolitische Aspekte thematisiert, Spieldesign ausklamüsert, psychologische Aspekte der Gewaltfrage etc. wie keine andere deutschsprachige Seite da draußen!

Und was ist der Dank, wenn man wie wir, genau das macht, was du da forderst? Es wird nicht geklickt - und dann kommt jemand mit KRACAUER um die Ecke! Die Filmkritik ist ein ganz anderer Schnack. Ich würde auch gerne nach 90 Minuten des Finale sehen. Und bei aller Liebe: Ein klassischer Test lebt auch von spielmechanischen Beschreibungen - da kommst du um Floskeln nicht herum. Wir haben die schon auf ein Minimum reduziert, aber auch die Kollegen der Musik-, Buch- und Filmkritik verfallen letztlich in ihre Sprachmuster.

Spielekritik kann sicher noch mehr, irgendwo auf einem Blog, in einem YT-Channel. Oder man gründet ein neues Magazin, das seinen Lesern mehr "zutraut". Viel Spaß mit der Erwartungshaltung der Leute, die zu zwei Drittel von Google rüberwachsen. Weißt du, wie es dir gedankt wird? Frag mal bei den Kollegen von Superlevel, die einen super Job gemacht haben mit ihrer Coverage über Independent-Games, mit etwas anderem Ton etc - da war trotzdem irgendwann Ende Gelände. Denk mal an GEE damals oder andere. Ich sage nicht, dass soetwas gar nicht geht, aber nicht im Rahmen dieses 4Players, das sich auch in seiner Multiplattform-Tradition an alle Zocker richtet.

Der Spielejournalismus ist nicht am Endpunkt, weil er so schreibt und veröffentlicht wie er es tut. Er ist bald am Ende, weil die Masse der Leute die Oberfläche sucht, die schnelle Info und die trendigen Themen von reddit & Co, in zigfacher Verstärkung.

Wir als 4Players.de steuern schon gegen, aber wir können nicht noch mehr anbieten.
Zuletzt geändert von Jörg Luibl am 17.06.2020 12:46, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Gast »

Muss ein Test überhaupt aus einem sprachlichen Feuerwerk auf Literatur-Nobelpreis-Niveau bestehen? Ist dies primär was der Leser erwartet? Sind es oftmals nicht gerade diese kleinen Floskeln, die eine gute Kritik ausmachen? Ich finde Euer Niveau liegt schon auf einem überdurchschnittlich hohen Level.. jedenfalls wenn man den Durchschnitt der Deutschen Spielepresse zum Vergleich heranzieht. Noch viel mehr kann man hier eigentlich nicht erwarten. Die Frage bleibt ohnehin, ob eine Forderung nach "mehr" überhaupt gerechtfertigt wäre.
ThomasRaptor
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von ThomasRaptor »

4P|T@xtchef hat geschrieben: 17.06.2020 11:57 Hast du in den letzten Jahren unsere Formate überhaupt angeschaut? Weißt du, wieviel wir schon mit den thematischen Innovationen "riskieren", die wir in diesem Wettbewerb anbieten? Hast du unsere Kommentare, Video-Epiloge , Talks und Geschichts-Specials ignoriert, die genau das leisten: einen klassischen Test um zusätzliche Blickwinkel abseits von Phrasen zu vertiefen?
Auf den ersten beiden Seiten hier wurde das von mir außerordentlich gelobt. Auch das die Konkurrenz weitaus schlechter abschneidet. Diese Formate stufe ich weiterhin als erstklassig ein. Leider wird das nicht in solchen Dimensionen geklickt, um eine zunehmendere Vertiefung zu rechtfertigen. Aber dennoch gibt es interessierte Leute, die es zu schätzen wissen. Auch wenn die Kritik hier sprachlich hart formuliert ist, ist sie berechtigt. Euch ALLEIN dafür zur Verantwortung zu ziehen, wäre sicherlich falsch. Leider ziehen viele der Kollegen (und Youtuber) nicht mit. Die Oberfläche bringt mehr.

Hier gibt es demnach ganz deutlich ein ökonomisches Dilemma. Inhalte mit Tiefe kosten Geld (und Wissen). Inwieweit die Spielekritik sich diese Oberfläche erzogen hat (angefangen in den 80ern) ist nur thesenartig zu beantworten. Vielleicht war es falsch zu junge Leute in den Redaktionen zu beschäftigen. Was Studienfächer wie Geschichte/Skandinavistik alles in Spieletests reinbringen können, ist einzigartig. Ich würde gerne mehr Diversität im Spieletest und anderen Formaten. Aber wo soll die herkommen?
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Jörg Luibl
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Jörg Luibl »

Zumindest fördern wir tiefer gehende Berichterstattung hier bei 4Players. Nur sind unsere Ressourcen begrenzt und wir wollen die klassische Spielekritik, in der sich ein Redakteur auf seine Art ausführlich mit einem Titel beschäftigt, erstmal weiter pflegen.

Alle Anregungen sind trotzdem willkommen.;)
ThomasRaptor
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von ThomasRaptor »

Khorneblume hat geschrieben: 17.06.2020 16:23 Muss ein Test überhaupt aus einem sprachlichen Feuerwerk auf Literatur-Nobelpreis-Niveau bestehen? Ist dies primär was der Leser erwartet? Sind es oftmals nicht gerade diese kleinen Floskeln, die eine gute Kritik ausmachen?
Es geht hierbei nicht um literarische Konzepte. Der Gestus bei Spiele-Youtubern zielt beispielsweise auf einen performativen Sprechakt ab ("Jetzt spring ich" / Jetzt mach ich die Kiste auf"). Das sind ganz andere Formen des Berichtens. Diese Sprache erscheint zumindest für Youtuber maßgebend zu sein. Das Live-Gefühl soll erzeugt werden. Dass gerade Floskeln hingegen eine gute Kritik ausmachen, bezweifle ich. So sind die Floskeln zumeist historisch gewachsen und zeigen kaum den Stil des Redakteurs auf. Es darf im Spielejournalismus auch in Maßen eine Floskel als Running Gag ("Fans greifen zu, alle anderen spielen Probe") gebraucht werden. Floskeln als bewusste Stilmittel einzusetzen erachte ich als fragwürdig.
4P|T@xtchef hat geschrieben: 17.06.2020 17:33 Nur sind unsere Ressourcen begrenzt und wir wollen die klassische Spielekritik, in der sich ein Redakteur auf seine Art ausführlich mit einem Titel beschäftigt, erstmal weiter pflegen.
Die Ressourcen sind leider das strukturelle Problem im Spielejournalismus. Aber selbst mit öffentlich-rechtlichen Strukturen im Hintergrund (Funk) beschränken sich manche (Youtube)Formate auf den Humor.
Das Problem ist sicherlich bereits Ende der 90er/Anfang 2000er gelegt worden. Verlage haben massenhaft Zeitschriften (gerade PS1) auf den Markt geworfen. Die Verantwortlichen hatten aber kein Interesse an einer Veränderung des Publikums bzw. der langsamen Steigerung des Anspruchs und der Art über Spiele zu schreiben.
Jetzt gibt es leider beinahe ausschließlich die Oberfläche (und den Humor).
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Progame
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Progame »

ThomasRaptor hat geschrieben: 18.06.2020 00:21 [...]
Verstehe dein Problem nicht. Wenn du sprachlich/rhetorisch interessiert bist, warum wendest du dich dann nicht Werken zu, die diesen Reiz beinhalten? Ich hab zu meinen Schulzeiten nebenher ne gute musikalische Ausbildung genießen dürfen. Wenn ich mich also erinnern will, oder wertschätzen will, was der Mensch auf diesem Feld zu bieten hat, dann höre ich z.B. J.S. Bach.

Es gibt Werke von Jahrhundert-/Jahrtausendtalenten, die nicht mehr oder sehr unwahrscheinlich innerhalb deiner Lebensspanne übertroffen werden können. Warum darauf nicht die Aufmerksamkeit richten?

Das soll kein Vorwurf sein an die Kunstschaffenden, die derzeit publizieren. Sehr viele davon sind unzweifelhaft mir und (ich weiß es nicht, wohl) auch dir überlegen. Von einem Mangel an Nahrung für unsere Bedürfnisse kann sicherlich nicht gesprochen werden.

Ein Spielemagazin sollte einiges leisten (und ich wertschätze es auch dafür), aber ich erwarte hier keine Wunder auf einem Feld, welches du besser ausgebaut sehen würdest, zumal solche Bestrebungen, wie oben beschrieben, auch gar nicht honoriert werden.
Zuletzt geändert von Progame am 18.06.2020 05:52, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Gast »

Ich halte ja einen Spieleblog für sinnvoller um seinen eigenen Stil walten zu lassen. Dort kann man sich "austoben", ohne auf Ressourcen, Abgabetermine etc. acht zu geben. Ob das in der Praxis so gut flutscht ist natürlich eine andere Frage. Von anderen zu fordern ist immer leichter als selber etwas zu leisten.
ThomasRaptor
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von ThomasRaptor »

Khorneblume hat geschrieben: 18.06.2020 07:55 Von anderen zu fordern ist immer leichter als selber etwas zu leisten.
Ich leiste ja selbst etwas als Schreiber in diversen Ausführungen.

Spielekritik und Tests braucht es dann aber auch nicht mehr. Sobald ein Spieletester die Entwickler rannimmt, heißt es demnach nur: Programmier doch dein eigenes Spiel! Mach es besser! So wird jede Disukussion um besseren Spielejournalismus sofort erstickt.
Progame hat geschrieben: 18.06.2020 04:26 Wenn du sprachlich/rhetorisch interessiert bist, warum wendest du dich dann nicht Werken zu, die diesen Reiz beinhalten?
Ich sollte mich demnach Schiller, Kleist, Fontane etc. zuwenden, weil diese eine bessere Sprache als die Spieletester aufweisen können?
Und das bringt den Spielejournalismus weiter? Weshalb mit Weltliteratur vergleichen? Wie ist das zu verstehen? Ein Spieletester kann niemals auf dem Niveau eines Fontane schreiben, deshalb bleibt alles wie bisher?
Es geht nicht um literarischen Anspruch, wohl aber um eine sprachliche Weiterentwicklung. Dass ein Spieletester zum Literat wird, ist gar nicht gefordert.
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Progame
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Progame »

ThomasRaptor hat geschrieben: 18.06.2020 11:34 Es geht nicht um literarischen Anspruch, wohl aber um eine sprachliche Weiterentwicklung. Dass ein Spieletester zum Literat wird, ist gar nicht gefordert.
Und wer sagt, dass ein ThomasRaptor v2 dann damit zufrieden ist? Auch nach einer Weiterentwicklung? Ich behaupte jetzt einfach mal, dass 99% der Klientel mit dem sprachlichen Ausdrucksniveau der Spielepresse klarkommt. Den Rest zu bedienen wäre Luxus. Keine Ahnung wie du das machst, aber z.B. 70% deines Könnens einzusetzen, um 1% zufriedenzustellen, das lohnt wohl kaum. Nicht im Beruf, höchstens noch aus ideologischen Gründen.
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MaxDetroit
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von MaxDetroit »

Ich bin ja auch mit PowerPlay und co in den 90er Jahren aufgewachsen und fühle mich im klassischen Schema der Wertung zwischen 1 und 100 ja auch irgendwie traditionell zuhause.

Früher habe ich gerne die Top 100 Spiele Ausgaben jedes Jahr von Power Play gelesen. Unter den Top 100 waren immer wieder Spiele mit 75% Wertungen oder gar 68% Wertungen. Was für mich immer so Geheimtipps für Genre-Liebhaber waren oder einfach Spiele die etwas sperriger oder schwerer zugänglich waren, aber sie waren immer noch gute Spiele, die zu den Top 100 gehören. Heute ist ja alles unter 85% gleich eine Enttäuschung.

Dann noch der ganze Schmu mit Metacritic, und wie wichtig das für Spielefirmen geworden ist, und wie da nur noch am Ende auf diese eine Zahl geschaut wird. Dann die Spieler, die versuchen mit absurden 1er Wertungen bzw. 10er Wertungen irgendwie zu manipulieren und die wirren und nutzlosen Diskussionen ob das Spiel jetzt eine 7, 8 oder 9, bzw eine 82, 83 oder 84 verdient hat. Sinnlos.

Außerdem ist der Spielemarkt mittlerweile so groß und unübersichtlich geworden, die Spieler können gar nicht mehr alle Top-Titel da draussen spielen, wenn man da nicht eine hohe 80er oder 90er Wertung hat, kann man es schon fast vergessen. Und manchmal habe ich das Gefühl das Spieler bald froh sind wenn ein Spiel 'nur' eine 75 oder 80 bekommt, da sie es dann ja nicht spielen 'müssen', weil sie noch zu viele Titel auf ihrer Liste habe, die sie unbedingt spielen müssen. Aber das ist auch ein Problem der Spieler heutzutage an sich, diese Angst etwas zu verpassen und ja auch alle Top-Titel gespielt haben zu müssen um mitreden zu können oder was auch immer - da fehlt mir die unschuldige, kindische Lust zum Spielen, Experimentieren und einfach nur Spass haben, da ist mir zu viel Angst und Zwang in den Köpfen. Wenn dann aber ein Spiel mit +90% Wertungen daherkommt, fühlen sich gleich viele unter Druck gesetzt das sie das nun spielen 'müssen' - was für ein Quatsch wenn man drüber nachdenkt. Manchmal merkt man richtig wie Leute in den Foren ein Spiel nur schlecht reden wollen, fast schon als wollten sie es sich selber einreden, so das sie es nicht kaufen und spielen müssen. Diese ganze 'Gaming-Kultur' geht mir schon ein wenig auf den Geist mittlerweile.

Dazu kommt halt noch obendrauf das durch die Wertungen eine Illusion von Vergleichbarkeit entsteht, etwa Spiel X hat 81% bekommen, Spiel Y hat 85%, also muss ja Y klar besser sein als X. Und von mir aus sind beide sogar auch noch im gleichen Genre unterwegs (z.B. Strategie oder Action-Adventure). Trotzdem werden die Unterschiede immer noch so groß sein, das man so gut wie immer Äpfel mit Orangen vergleicht. 'Besser' und 'schlechter' sind zumindest keine Kategorien in denen ich bei Games denke, eher in: langweilig, unterhaltsam, entspannend, herausfordernd, usw.

Ich lese z.B. gerne auch Polygon und Eurogamer mit ihren Kritiken ohne Wertung, es geht schon. 4players versucht halt irgendwie den Spagat zwischen traditionellem deutschen Spielejournalismus wie man ihn noch aus den Magazinen kennt und modernen Ansätzen, wie Video-Reportage, Diskussionsrunden, Kolumnen usw. - ich weiß auch nicht wo sich das alles hin entwickelt, ich hoffe nur das wir irgendwann wieder wegkommen von dem Konkurrenzkampf der Spiele in den Köpfen der Zocker (Z ist totale scheiße! X ist besser als Y!) den ich mittlerweile nur noch als absurd empfinde.
Zuletzt geändert von MaxDetroit am 18.06.2020 12:46, insgesamt 4-mal geändert.
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Jörg Luibl
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Jörg Luibl »

Das mit dem Spagat trifft es. Wir sitzen als 4Players auch zwischen alten Stühlen. Das hat Vor- und Nachteile. Aktuell sind wir ehrlich gesagt froh, dass wir so noch existieren.

Sprachliche Weiterentwicklung haben wir durchaus auf der Agenda. Nur ist das schwere Handarbeit, in der es eher um Details und kleine Schritte geht. Wir diskutieren ja Formulierungen oder verzichten gezielt auf Ausdrücke, die wir nicht mögen. Radikalere Richtungsvorgaben wären möglich, aber schwer in einem "alten Magazin" zu praktizieren. Dafür bräuchte es den Impuls eines neuen Magazins.

Der "literarische Stil" lässt sich innerhalb der Spielepresse aber sehr schwer entwickeln, weil man ja auch meist über dasselbe schreibt. Da muss man als Neueinsteiger eher aufpassen, dass man sich den eigenen Stil nach 100 Reviews nicht versaut. Der beste Lehrer für guten Stil: Lektüre! Und zwar von den Stilisten, die mit einfachen Worten schöne Sätze und Einsichten formuliert haben. Nicht die gekünstelten, sondern die natürlichen Schriftsteller sollte man lesen.

Letztlich erkennt man ja anhand der Redakteure, die sich ja alle frei ausdrücken können in ihren Reviews, viele unterschiedliche Stile. Nur kann man aus einem Metzger keinen Poten machen - schon gar nicht im FIFA-Test.;)
Gast
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Gast »

Spielekritik und Tests braucht es dann aber auch nicht mehr. Sobald ein Spieletester die Entwickler rannimmt, heißt es demnach nur: Programmier doch dein eigenes Spiel! Mach es besser! So wird jede Disukussion um besseren Spielejournalismus sofort erstickt.
Im Gegenteil. Ich wüsste nur ganz gerne wo die Messlatte liegt. Die meisten Deutschen Spieleredakteure die einigermaßen bekannt sind erkennt man stilistisch durchaus. Viele sind ja eben seit Zeiten von Powerplay oder Videogames, Maniac und Konsorten im Geschäft. Allein das Schreibgut von Henry Ernst würde ich sofort ohne hinzugucken wieder erkennen. Genau so sind Jörg seine Artikel relativ unverwechselbar.
Verbesserungen finde ich immer gut. Allerdings sähe ich die Qualität hier bei 4players schon als gehobener Standard. Da gibt es andere Formate, die diesen Spagat gar nicht erst versuchen. Oder wollen wir wirklich eine Bravo Screenfun als neuen Standard definieren? Auch kann man nicht erwarten das jeder Redakteur so einen ausgeprägten Sarkasmus in seinen Artikeln auslebt wie Henry Ernst es oftmals getan hat. Das ist nämlich meist eine Charakterfrage und weniger eine der Brillanz.

Ich sollte mich demnach Schiller, Kleist, Fontane etc. zuwenden, weil diese eine bessere Sprache als die Spieletester aufweisen können?
Wären Schiller oder Fontane überhaupt gute Journalisten, nur weil diese viel aus der Sprache heraus zu holen vermochten? Der Vergleich hinkt doch hinten und vorne. Definiert sich ein guter Test allein durch die Vielfalt des Vokabulars oder weil man ein Gedicht daraus macht? Zumal wie Jörg schon berechtigt eingeworfen hat, die typischen Formulierungen für Spiele schnell ausgeschöpft sind. Um viele Begrifflichkeiten kommt man wahrscheinlich nicht herum. Bezogen auf den Journalismus war im 19. bis 20. Jahrhundert sogar offiziell von "Zeitungsdeutsch" die Rede.
Die Werke weltbekannter Dichter und Philosophen sind vermutlich in ganz anderen Kategorie beheimatet als die Arbeit von Journalisten. Nur wie viele weltberühmte Journalisten könnte man schon spontan aufzählen, die in einen Atemzug mit Schiller, Kleist oder Fontane gehören? Ohne mich arg weit aus dem Fenster zu lehnen? Wahrscheinlich keinen einzigen. Die kulturellen Meilensteine des Deutschen Dichtertums sind vermutlich auch gar nicht die Messlatte für einen Journalisten.
Zuletzt geändert von Gast am 18.06.2020 13:22, insgesamt 5-mal geändert.
ThomasRaptor
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von ThomasRaptor »

Progame hat geschrieben: 18.06.2020 12:03 Und wer sagt, dass ein ThomasRaptor v2 dann damit zufrieden ist? Auch nach einer Weiterentwicklung? Ich behaupte jetzt einfach mal, dass 99% der Klientel mit dem sprachlichen Ausdrucksniveau der Spielepresse klarkommt. Den Rest zu bedienen wäre Luxus. Keine Ahnung wie du das machst, aber z.B. 70% deines Könnens einzusetzen, um 1% zufriedenzustellen, das lohnt wohl kaum. Nicht im Beruf, höchstens noch aus ideologischen Gründen.
Und wer nicht damit klarkommt, liest seit Jahren vermutlich keine Spielepresse mehr. Was ist der Spagat genau? Ein Wechselspiel von Minimalismus und Reichweite? Das Publikum ist zu anspruchslos?
Khorneblume hat geschrieben: 18.06.2020 13:05
Außerdem sollte man vielleicht noch einwerfen das die Werke bekannter Dichter und Philosophen doch in einer ganz anderen Kategorie beheimatet waren, als die Arbeit von Journalisten.
Du hast leider den Unterton hermeneutisch falsch eingeordnet. Ich habe auf deinen Einwurf reagiert. Du sagtest, dass eine Steigerung in der Sprache woanders zu finden ist. Das habe ich ironisch erweitert. Es geht eben gerade nicht um die Literatur oder das Spielejournalisten literarische Schreibstile klassischer Dichter annehmen sollen. Demnach führt es nicht zu Schiller oder Fontane. Du hast vorgeschlagen, den Anspruch in der Kunst zu suchen (nicht im Spielejournalismus).

Prozentwertungen sind ein ganz anderes Thema. Aber klar, eine Mitschuld haben diese auch bei der Lage der Sprache.
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Gast »

ThomasRaptor hat geschrieben: 18.06.2020 13:26 Ich habe auf deinen Einwurf reagiert.
Puh. Also der direkte Bezug zu Schiller und Fontane stammt aus einem Quote von Progame. Damit hatte ich nichts zu tun. Bin nur drauf eingestiegen.
Prozentwertungen sind ein ganz anderes Thema. Aber klar, eine Mitschuld haben diese auch bei der Lage der Sprache.
Ich bin selber eigentlich kein Fan von Prozentwertungen. Die würden sicher eine ganze Menge Schärfe aus den unzähligen Debatten über Wertungen heraus nehmen. Täte ich gerne sehen. Leider sind Wertungen halt irgendwo gefragt. Für viele Konsumenten eben einfacher auf die Metawertung zu schauen, als sich überhaupt die Zeit zu nehmen, einen 10 Seitigen Artikel zu lesen. (TLoU2)

Ich möchte auch gar nicht wissen wie so die Statistik bei Testberichten aussähe, wenn es um die gelesenen Seiten angeht. Würde wetten das 50% der Leser von Seite1 direkt zu Fazit/Wertung springen. :Blauesauge:
ThomasRaptor
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von ThomasRaptor »

Ein guter Schreibstil wird also doch gewürdigt! Der Charakter ist die eine Sache, das sprachlich gekonnt umzusetzen eine andere. Hierzu gehört eine Beobachtungsgabe, die Henry Ernst zuzuschreiben war.
Bei Jörg ist der universitäre Hintergrund deutlich zu spüren, in der ganzen Herangehensweise und der Sprache. Dazu sein Charakter. Das sind Leute, die haben etwas zu erzählen.
Das alles macht den Unterschied. Es braucht mehr solche Leute von diesem Kaliber!
Zuletzt geändert von ThomasRaptor am 18.06.2020 13:58, insgesamt 2-mal geändert.
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