Spielejournalismus am Endpunkt?

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ThomasRaptor
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von ThomasRaptor »

Weshalb so lange an Tetris festhalten?
Die Narrative bei der Entstehung von Tetris habe ich angeführt. Aber selbst im Spiel tritt diese hervor, wenn nach Beendigung von Levels Bauten russischer Art sichtbar werden. Die Nintendo-Version ist aus dem Jahr 1989. Mittlerweile sind 30 Jahre vergangen. Es bringt nicht viel, die Diskussion an diesem Beispiel festzumachen. Aber selbst Tetris erlebte eine Neuinterpretation mit zeitgenössischen Spielvarianten (Tetris 99).

Name-Dropping erscheint bei "Death Stranding" sinnvoll für nähere Betrachtungen zu sein. Wie viel dahinter steckt, wäre spannend zu erfahren. Jedenfalls interessanter, als die Frage nachzugehen, ob der Spieler besser sechs oder doch nur fünf Pakete auf einem Schlag transportieren sollte.

Die Weiterentwicklung von Spieletests bedeutet, neue Fragen an ein Spiel zu stellen. In der Vergangenheit gab es nur die Frage nach dem Spielspaß und der Preiseffizienz. Spieletests zogen ihre Daseinsberechtigung aus dem Umstand, dass ein Spiel neu 60-70 Euro kostet. Die Spieletester sahen sich als Kaufberater oder vielmehr als Finanzberater.
Gerade bricht dieses System aber mehr und mehr zusammen. "Games as a Service" sind Gift für den klassischen Spieletest am Veröffentlichungstag eines Spiels. Hier muss ohnehin eine Nachbesprechung erfolgen.
Aber viel drastischer sind die neuen Abo-Varianten ("Game Pass" usw.), die sich hart an den Spieletester anschlagen. Der Spieler probiert selbst aus, braucht nicht mehr zwangsläufig die Bestätigung des Testers bzw. des Finanzberaters. Selbst wer 2-3 Abos pro Monat zahlt, hat noch einen besseren Deal abgeschlossen.
Wenn der Spieletest jetzt nicht mehr die Preisfrage und den Mehrwert abhandelt, bleibt mehr Raum zur Verfügung. Das kann heißen, dass Formate wie der Epilog hier bei 4players ausgeweitet wird. Die gesellschaftliche Tragweite erhält mehr Relevanz in der Betrachtung.
Es geht hierbei auch nicht um Hintergründe. Vielmehr geht es um direkte Beobachtungen am Spiel. Das sind Spielinhalte, die für jeden sichtbar sind. Was geschieht eigentlich auf der zweiten Ebene des Spiels neben dem Offentsichtlichen.

Der Leser entscheidet auch. Wer aber weiterhin nur wissen möchte, ob das Geld auch gut angelegt ist, will keine Veränderung.

Es wird gerne angeführt, dass bei Print keiner dafür zahlt. Die Verlage haben leider kaum Mut bewiesen. Aber gerade beim Untergang hätte es Momente der Weiterentwicklung geben können (wenn ohnehin schon alles verloren ist). Dass es auch anders geht, zeigen hier zumindest Publikation auf dem Zeitschriftenmarkt mit Retrobezug. Das sind höherpreisige Magazine ohne monatliche Erscheinungsweise.
Zuletzt geändert von ThomasRaptor am 04.12.2019 15:27, insgesamt 2-mal geändert.
Easy Lee
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Easy Lee »

Ich sehe die Aufgabe des Spielejournalismus nach wie vor in der qualitativen Vorselektion. So sehr ich Jörgs Stil mag, reicht er mir als Facette. Was ich jedoch bei vielen Autoren vermisse ist eine scharfe Beobachtungsgabe, die Kunst trotzdem auf den Punkt zu schreiben und die Bereitschaft die eigene Arbeit als Dienst am Leser zu verstehen. Das Geklüngel war neben der Digitalisierung einer der Sargnägel für den Spielejournalismus. Und die digitalen Ersatzformate sind ja sowieso frei von jeglichem Kodex.

Print ist so oder so vorbei. Habe ich seinerzeit sehr geliebt, aber wenn dann noch Sachen wie Embargos dazukommen, ist der Nutzwert einfach nicht mehr gegeben.

Tatsächlich bekomme ich hier auf 4Players in etwa das Format, das ich mir wünsche. Die latente Indie-Liebhaberei kann ich verschmerzen, weil das irgendwo zum Gesamtpaket gehört. Ebenso wie der Hang zum epischen Review. Der Infokasten bzgl. Mikrotransaktionen ist nicht nur nützlich, sondern auch ein Statement. Finde ich sehr gut.

Wa ich mir vom Journalismus allgemein wünschen würde, wäre wieder mehr Beschreibung dessen "was ist". Dem Anspruch der Objektivität kann man eh nie genügen, aber wer es gar nicht erst versucht, betreibt m.E. Meinungsjournalismus. Das ist glaube ich auch der eine große Punkt, an dem ich mit der 4P-Redaktion komplett nicht konform gehe. Ihre Arbeit machen sie trotzdem gut.
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JunkieXXL
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von JunkieXXL »

Ich behaupte mal, dass es gar keinen Spielejournalismus gibt. Es gibt professionelle Produkttester, die sich in dem Format eines Magazins organisiert haben. Also Spielejournalismus existiert nicht, sondern nur so etwas wie "Stiftung Warentest" für Videospiele.

Ich wüsste auch nicht, wofür es einen Spielejournalismus geben sollte. Die Presse ist die Vierte Gewalt: Sie durchleuchtet Politiker und Politik, deckt Skandale auf und kommentiert gesellschaftliche Entwicklungen. Für Unterhaltungsprodukte braucht man so etwas nicht.

Und wenn ein Spiel mal gesellschaftliche Relevanz hat (Deus Ex 3 z.B. mit der Augementierung), politische Relevanz hat (Killerspiele) oder es einen Skandal zu melden gibt (da fehlt mir jetzt tatsächlich ein Beispiel jenseits des Tittenalarms), wird es bereits von den großen Zeitungen aufgegriffen. Zumal über große Spiele ja sowieso in jeder Zeitung berichtet wird. Death Stranding schaffte es sogar auf "ZDF heute" und "3Sat Kultur".
Vengar68
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Vengar68 »

Serious Lee hat geschrieben: 07.12.2019 23:59 Wa ich mir vom Journalismus allgemein wünschen würde, wäre wieder mehr Beschreibung dessen "was ist". Dem Anspruch der Objektivität kann man eh nie genügen, aber wer es gar nicht erst versucht, betreibt m.E. Meinungsjournalismus. Das ist glaube ich auch der eine große Punkt, an dem ich mit der 4P-Redaktion komplett nicht konform gehe. Ihre Arbeit machen sie trotzdem gut.
Sehe ich komplett anders. Gerade die Beschreibung der Geschichte, Mechanik etc. findet man doch überall. Ich finde es teilweise zu viel, z.B. bei Jörgs Death Stranding Kritik. Manchmal wünsche ich mir so etwas wie einen gesonderten Kurztest zu Technik und Gameplay. Alles andere ist dann sowieso nicht mehr objektiv.
Easy Lee
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Easy Lee »

Da bietet es sich ja auch mal an. Ich hab' da auch eher den großen Bogen zum Journalismus im Allgemeinen gespannt, der sehr viel auf Befindlichkeiten setzt und maßlos emotionalisiert, statt die ohnehin ausufernden emotionalen Wellen faktisch zu glätten. Aber das Thema ist zu weit weg vom Thread, sehe ich ein.

Spiele - wenn sie nicht so erklärungsbedürftig wie Death Stranding sind - werden für meinen Geschmack allerdings auch zu stark durch Marketing, Spielejournalismus usw. aufgebläht. So sinnstiftend und inhaltsschwanger sind sie jetzt meist auch wieder nicht, als dass sie diese Behandlung verdienen. Zudem werden auf diese Art Erwartungen geschürt, die in der Realität gar nicht erfüllt werden können. Mir hat der knappe Print-Ansatz besser gefallen, als das ausufernde Geseiere online. Das Gehirn braucht Platz um seine eigene Spannung aufzubauen. Man sieht ja wie viel heute über Spiele geredet wird, wie lange Leute an Streams, Tests, auf Youtube, in Foren etc. hängen und wie schwer sie sich tun ein solch hochgehyptes Game überhaupt mal zu starten und selbst zu erleben. Das hat natürlich mehrere Gründe, aber einer davon ist eben die Überhöhung. Die Ehrfurcht vor Zeitbedarf, inhaltlicher Tiefe, der abverlangten Leistung im Abgleich mit der Community usw.. Machen wir uns doch mal locker. Zerreden wir es nicht - spielen wir einfach.
Zuletzt geändert von Easy Lee am 09.12.2019 09:24, insgesamt 3-mal geändert.
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Jörg Luibl
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Jörg Luibl »

Danke für eure Anregungen; ich würde gerne auf einzelne auf Aspekte antworten, aber wir befinden uns gerade auf der Zielgeraden mit den letzten Planungen für 2019. Aber: Wir werden das Thema Status quo Spielepresse nächstes Jahr ausführlicher aufgreifen - da feiern wir tatsächlich unser 20-jähriges Jubiläum als Online-Magazin.

Zumindest sehe ich 2020 noch nicht den "Endpunkt" für den Spielejournalismus. Bis Elden Ring würde ich den Job noch gerne machen.;)
CritsJumper
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von CritsJumper »

Ich sehe auch keinen Endpunkt, wichtig ist das wir menschlichen Leser die Nachfrage nach Tests, Gerüchten und Veröffentlichungen aufrecht halten! :D

Aber das "Ende" ist ganz klar dort erreicht wo die Menschen lieber einer KI Instanz als Assistenten zuhören als anderen Menschen. Bei Microsoft gab es da im asiatischen Raum so einen Test wo nach wenigen Monaten die Nutzer einen Großteil ihrer sprachlichen (sozialen) Interaktion mit der AI teilten. Welche eben auch Informationen aus dem Netz sammelte und individuell aufbereitete.

Ein solches System ist dann schon einen Schritt weiter, als die aktuelle individuelle Zeitungsseite, der sozialen Medien und natürlich viel wirksamer beim verdrängen der Konkurrenz. Erst dann stirbt der Journalismus aus. Halten wir diese Nachfrage noch ein wenig hoch bleibt es uns hoffentlich noch fünf oder zehn Jahre erhalten.

Aber hey nicht den Kopf hängen lassen, ein Großteil der Tester hier verfügen dann über genug Spielerfahrung das sie selber dann Spiele gestalten und veröffentlichen können. :)
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ThomasRaptor
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von ThomasRaptor »

Ein Stück weit erschreckend, wenn es im Jahr 2019 scheinbar noch keinen Spielejournalismus gibt, nur professionelle Spieletester. Das entwertet den Beruf leider. Aber gleichzeitig kann heute jeder einen Blog, Kanal etc. starten. Fragt sich wie viel Fachwissen es braucht, um ein Spiel beurteilen und eine Kaufberatung ausstellen zu können. Das liegt aber daran, dass zu wenige Fragen an ein Spiel gestellt werden. Es braucht keine Spielepresse, um zu sagen, ob das neue Zelda Spaß machen wird oder nicht.

Einfach nur spielen? Ja, aber zu welchem Preis? Das ist einer der wesentlichen Punkte in dieser Diskussion. Neue Spiele kosten 60-70 Euro (Season Pass; DLC etc. noch gar nicht eingerechnet) und sind keine Produkte, die häufige Spontankäufe erlauben wie bei Buch- oder Filmmedien. Der Weg zum Spiel (Customer Journey) wird zum Dilemma. Zu viele Informationen verderben das eigene Spielerleben, zu wenige dauerhauft den Geldbeutel. Spieletester befeuern diese Zwangssituation, indem sie auf ihre Relevanz für den Spielekauf verweisen. Der Leser will aus dieser Notlage seit Jahren heraus. Daher kann sich die Zweiteilung der Berichterstattung als brauchbar erscheinen. Den hier vorgeschlagenen Kurztest mit faktischen Informationen, um die Preisfrage zu klären. Dieser verzichtet auf Emotionen und Spoilern. Der zweite Part nimmt die Nachbesprechung ein, vergleichbar mit dem Epilog.
Aktuell vermischt sich beides in der Spielepresse. Es scheint, als würde der Leser bereits das Nachwort bzw. die Sekundärliteratur lesen, bevor er selbst zu spielen beginnt.
Die Abo-Modelle (Game Pass etc.) bringen hier frischen Zündstoff in die Debatte.

Ki-Artikel gibt es seit Jahren bei Wikipedia. Mittels Text-Crawler generieren Bots millionenfach Artikel.
CritsJumper
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von CritsJumper »

Der Leser will aus dieser Notlage seit Jahren heraus. Daher kann sich die Zweiteilung der Berichterstattung als brauchbar erscheinen.
Nun das ganze ist komplex, man muss einem Spieljournalisten oder Journalisten einfach vertrauen können. Dieses Vertrauen kommt in der Regel nach mehreren Tests oder mit der Zeit. Ähnlich ist es auch mit der Community, denn man selbst legt ja auch wert auf die Kommentare etc.

Wichtig ist das es dabei auch zu Empfehlungen kommt die sich für die Spielerinn oder den Spieler lohnen. Eben auch wie bei Musik, Film, Buch oder eben Videospiele.

Für mich sind Blogs sehr oft leider keine Alternative, eben weil diese selten Fan-Projekte darstellen. Es den Erstellern zu oft um Monetarisierung geht, oder auch in den Sozialen Medien, jeder "Freund" sich daran bereichern will dir für mehr Likes Kontakte zu erstellen. Zudem auch weil nicht wirklich zu jedem Spiel ein Test vorhanden ist. Gleichzeitig findet man bei größeren Plattformen, wo Kunden ein Produkt bewerten können, sehr oft gekaufte Bewertungen.

Deswegen ist es, insbesondere wegen der aktuellen Informationsflut, eigentlich noch nie so schwer gewesen, wirklich verlässliche Informationen zu bekommen.

Ich hab die Sozialen Medien vor allem ausgeklammert, weil deren Inhalte personalisiert, auf jeden einzelnen Betrachter, mit Gewinnabsicht zugeschnitten werden. Aus dem selben Grund traue ich auch nicht unbedingt einer Software die Online verfügbar ist. Ich hasse es wenn Apps-, oder Social-Media-Freunde, sich anbiedern wie neue Freunde, wen diese erfahren das DU im Lotto Millionen gewonnen hast, eben wegen dem Geld oder dem Ruhm und nicht wegen deiner Person usw. Ab dem Punkt ist so ein Spieljournalist, eine eigenständige Persönlichkeit. Die nicht nur mehr Follower für ihr Produkt sucht, sondern noch einen gewissen Anspruch an die eigene Arbeit hat.

Eben das ist es was aktuell zu stark verwässert wird. Trainiert von Algorithmen die ein paar Klicks, Likes oder Verkäufe versprechen. Leider sehr oft nicht nach Leistung orientiert, sondern nach dem Gießkannenprinzip.
Ki-Artikel gibt es seit Jahren bei Wikipedia. Mittels Text-Crawler generieren Bots millionenfach Artikel.
Das hast du eigentlich sehr schön zusammen gefasst. Eben darum ist echte Handarbeit, jeden Tag wertvoller. Ich denke das wird noch schlimmer werden. Was aber vor allem damit zusammenhängt:
Aber gleichzeitig kann heute jeder einen Blog, Kanal etc. starten.
Das dies viel komplizierter ist. Es bringt nichts einen Kanal zu erstellen der erst mal nur 5 und mit Freunden, Omas und Opa dann vielleicht 150 Follower hat. Wichtig sind in 99,99% der Fälle die Inhalte und eben auch das die Verbreitung stimmt und die Verbreitung bedarf schon einer aktuellen Pflege. Befrage mal ein Tube-Sternchen wie anspruchsvoll da ist. Nicht jeder kann mit einem gut platzierten Skandalvideo wie ein Anti-CDU Blogger, den Zeitgeist treffen um genügend Follower zu erhalten das man davon leben kann. Selber da weiß man nicht ob ein Redakteur, im Flowbiz diesem Inhalt zu mehr Bandbreite verholfen hat.
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ThomasRaptor
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von ThomasRaptor »

Spielejournalisten sind bei einem Gewinn von Lottomillionen doch die ersten, die sich bei dir anbiedern. Gerade die! Aber bleiben wir ernst! Dein Beispiel ist etwas arg realitätsfern. Wann gibt es diese Situation in dieser Art? Inwiefern ein Spielejournalist nicht auch versucht, die Reichweite seiner Webseite zu vergrößern, bleibt zu diskutieren. Ja, es gibt sicherlich Idealismus unter den Spieletestern. Das in der ganzen Tragweite zu beurteilen, erscheint aber schwierig.

Glaubwürdigkeit bei der Berichterstattung zu hinterfragen, ist ein wichtiges Thema (man bedenke wie lange es dauerte bis Youtuber Videos als Werbung gekennzeichnet haben), aber entfernt sich zu weit von der Thematik des Endpunkts des Spielejournalismus. Wobei es scheinbar bisher noch gar keinen Anfangspunkt gegeben hat, wie hier zu erfahren war.

Mir geht es vielmehr darum, dass bisherige Herangehensweisen an den Spieletest sehr bald veraltet sein könnten (wegen der Gaming-Abos). Du brauchst Informationen, weil ein teurer Fehlkauf schmerzlich ist. Das galt bisher als das große Argument der Fachpresse. Daher auch das Wettrennen um den ersten Testbericht in der Spielepresse. Je teurer die Spiele, desto mehr Relevanz haben Spieletests.
Das erinnert an die Zeit der Videotheken. Ihre Daseinsberechtigung zogen sie daraus, das ein physisches Medium von A nach B transportiert werden musste. Als das überflüssig wurde, machten sie dicht. Der Spieletest zieht seine Daseinsberechtigung aus dem teuren Anschaffungspreis der Spiele.
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von Gast »

ThomasRaptor hat geschrieben: 12.12.2019 02:40 Mir geht es vielmehr darum, dass bisherige Herangehensweisen an den Spieletest sehr bald veraltet sein könnten (wegen der Gaming-Abos). Du brauchst Informationen, weil ein teurer Fehlkauf schmerzlich ist. Das galt bisher als das große Argument der Fachpresse. Daher auch das Wettrennen um den ersten Testbericht in der Spielepresse. Je teurer die Spiele, desto mehr Relevanz haben Spieletests.
Das erinnert an die Zeit der Videotheken. Ihre Daseinsberechtigung zogen sie daraus, das ein physisches Medium von A nach B transportiert werden musste. Als das überflüssig wurde, machten sie dicht. Der Spieletest zieht seine Daseinsberechtigung aus dem teuren Anschaffungspreis der Spiele.
Die Alternativen zum Spieletest gibt es doch schon lange: Demos, Youtube, Let's Plays, Anzocken bei Freunden oder im Gamestore.
Beim Wettrennen sind doch alle dabei. Selbst um die Bewertung der neuen Netflix oder Amazon Serien buhlen sämtliche Tageszeitungen und Magazine mit markigen Aufhängern. Jeder will der erste sein der seinen Senf zum Hype gibt. Bei GoT's letzter Staffel ging das soweit das ganze Teile der Geschichte gleich mit gespoilert wurden. Hauptsache man lag ganz vorne... bei Spiegel, FAZ und wie sie alle heißen.
Ich sehe da wenig Gefahr für den Journalismus, bzw. Gefahren für das Aussterben von Spieletests. Zumal nicht jedes Spiel über die Abomodelle zu haben sein wird, da bei weitem nicht alle Publisher dieses Vertriebsmedium wählen.
Videotheken hatten da ein gänzlich anderes Publikum als eine reine Fachzeitschrift, die sich mit dem Medium Spiele oder Filmen beschäftigt. Der Vergleich zwischen Videothek und Spielezeitung passt hinten und vorne nicht.

Ein Stück weit erschreckend, wenn es im Jahr 2019 scheinbar noch keinen Spielejournalismus gibt, nur professionelle Spieletester. Das entwertet den Beruf leider. Aber gleichzeitig kann heute jeder einen Blog, Kanal etc. starten. Fragt sich wie viel Fachwissen es braucht, um ein Spiel beurteilen und eine Kaufberatung ausstellen zu können. Das liegt aber daran, dass zu wenige Fragen an ein Spiel gestellt werden. Es braucht keine Spielepresse, um zu sagen, ob das neue Zelda Spaß machen wird oder nicht.
Auch wenn Du das noch so oft wiederholst wird es nicht richtiger. ;-)

Produktbewertungen aus fachlicher Hand erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit, und drumherum bietet der Spiele-Journalismus genug Hintergrund-Geschichten, Interview, Entwickler-Tagebücher, um seine Rolle entscheidend zu definieren. Das mag für manche Plattform mehr und für andere weniger gelten. Gerade in Zeiten in denen häufig von gekauften Bewertungen bei Amazon und anderswo die Rede ist, oder wo Negativbewertungen allein deswegen erfolgen, weil das Spiel Kopierschutzmaßnahmen oder Mikrotransaktionen enthält, sticht ein sachliches, faires Urteil viel mehr aus der Masse heraus als substanzloses Gehype oder Gebashe.
ThomasRaptor
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von ThomasRaptor »

Wir reden aneinander vorbei! Was soll nicht richtiger werden?

Mir geht es nicht um Alternativen bei der Kaufberatung. Hier werden gerade bei deinen Argumenten verschiedene Formen durcheinander geworfen: Videoformate auf Youtube; redaktionelle Textbeiträge; Werbematerial der Entwickler; Anspielstationen im Kaufhaus etc.
Der Videothekenvergleich zielte auch nicht auf das Publikum ab, sondern auf eine verengende Daseinsberechtigung.

Was in Videoformaten hier bereits vorgestellt wurde (geschichtlicher, philosophischer Kontext; Epilog etc.) könnte auf Texte übertragen werden. Ja, heutiger Spielejournalismus verlangt scheinbar viel stärker nach kameratauglichen Gesichtern. Die Schreibfähigkeiten treten zurück, verlieren an Relevanz.
Dass solche Art des Journalismus viel Aufwand bedeutet, ist nachvollziehbar. Bisher "lohnt" es sich nicht- egal ob Text oder als Video.

Diverse Streamingportale für Filme und Serien haben doch einen möglichen Weg bereits aufgezeigt. Es spielt für einige Konsumenten keine Rolle mehr wie neu ein Produkt ist sofern die Auswahl groß ist. Es wird bald vermutlich auch mehr exklusive Spiele geben, die nur über ein Abo zu beziehen sind ähnlich wie bei den Original-Formarten im Videosegment.

Ich glaube, dass neue Vertriebswege den Spielejournalismus verändern. Das vielleicht radikaler als zunächst angenommen. Mehr sage ich nicht. Leider schlägt bisher noch die Bewertungskultur durch. Wie und vor allem wer bewertet. Wer genießt Vertrauen und wer nicht. Dabei gäbe es Wichtigeres als solche Diskussionen. Es wird nicht über Spiele, nur über den Kauf von Spielen geredet. Es geht nicht darum, ob ein langjähriger Spieletester mehr Vertrauen aufbauen konnte als sonstige Internetknilche. Wer gehaltvolle Spielebeobachtungen anstellt, zum Teil mit Hinzuziehen theoretischer Modelle (philosophische Schriften; Kommunikationstheorien etc.) und diese auf das ein oder andere Spiel anwendet, lässt diese Leistung für sich sprechen. Es geht um die Nachvollziehbarkeit einer Argumentation, nicht um Vertrauensgewinn. Die ganze Diskussion hier dreht sich auch wieder nur um diese Vertrauensängste.
CritsJumper
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von CritsJumper »

ThomasRaptor
Nun, für mich sind Tests und eben diese Informationen interessant, weil sich mich auf ein verpasstes Juwel aufmerksam machen oder mir eben Zeit ersparen wenn sich mich vor einem schlechten oder Microtransaktionstitel beschützen.
Wann gibt es diese Situation in dieser Art?
Ich denke leider viel zu oft. Sicherlich ist das für den Betrachter nicht interessant. Es sei denn er folgt lediglich dem Stream auf den Mainsteam-Kanälen.
Leider schlägt bisher noch die Bewertungskultur durch.
Nun das ist halt der Weg den der Mainstream geht. Es ist wichtig für Journalisten das anzusprechen aufzugreifen und teil zu haben. Das muss man nicht mögen aber zumindest wegen der Reichweite tolerieren.

Bei der Nachvollziehbarkeit konntest du bei mir punkten. Mir geht es um erster Linie trotzdem um das Vertrauen. auch in die Community. Der Punkt für mich ist das sie dies eben nicht (nur) aus Kommerziellem Interesse machen sondern auch um der Kunst oder des Journalismus willen.

Das ganze mit Vertrauensängste ab zu speisen, ich finde damit macht man es sich zu einfach. Wenn ich an dem Punkt wäre daran zu zweifeln (Ängste), würde ich diese Quelle einfach nicht mehr berücksichtigen und gut ist.
Zuletzt geändert von CritsJumper am 12.12.2019 22:40, insgesamt 1-mal geändert.
"Ich gewinne aber lieber den Informationskrieg als einen Moralwettstreit." Tara Mcgowan
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von ThomasRaptor »

Das ist zumindest seit jeher das große (Werbe)versprechen der Spielepresse gewesen: Sie bieten dem geneigten Videospieler Schutz an.
Du übergibst die Aufgabe an den Spieletester, sich durch allerhand Titel zu wühlen. So brauchst du es selbst nicht zu tun. Aus Zeitmangel und finanziellen Engpässen, die bei einer zu hohen Dichte an Spielefäulnis entstünde.
Allerdings gibst du auch somit ein Stück Verantwortung und Selbsterkenntnis auf. Die eigenen Geschmackssine können nur unzureichend geschärft werden. Die Schutzmechanismen haben zuvor dieses verhindert. Nur der Spieleteser kann diese Sinne ausreichend schärfen, indem er sich der Breite auszusetzen vermag. Ausschließlich den besten Wein vorgesetzt zu bekommen, schärft keineswegs den Geschmack. Erst das Mischverhältnis ergibt ein größer angelegtes Fachwissen. Wer zudem nur noch den besten Wein trinkt, empfindet diesen sehr bald als Standard. Das Beste wird auf Dauer zum Durchschnitt.
Zuletzt geändert von ThomasRaptor am 13.12.2019 08:54, insgesamt 1-mal geändert.
ThomasRaptor
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Re: Spielejournalismus am Endpunkt?

Beitrag von ThomasRaptor »

Und, was hat sich getan?

Im Video zu den "Playstation 5"-Titeln (Vorfreude oder Ernüchterung) redet die Redaktion über die nächste Generation. Die Sprache umfasst dabei leider die immer gleichen Phrasen ("Spiel X holt mich nicht ab" etc.) Das setzt sich in den geschriebenen Testberichten fort. Hierbei erscheint das Wort "Bericht" maßgebend. Die Tests sind auf einer deskriptiven Ebene seit Beginn des Spielejournalismus stehengeblieben. Sie verlieren sich in Beschreibungen- vorgetragen als Bericht. Die ideologische Seite dahinter zu identifizieren, wird gekonnt umgangen. Filmkritiken im Stile von Kracauer dürfen hier nicht erwartet werden.

Aber die Redaktion erwartet von Spieleentwicklern auch keinen Stillstand! Hier werden Innovationen gefordert. Jede langjährige Spielereihe in ihrer Veröffentlichungspolitik abgestraft. Wann gab es die letzte Innovation im Spielejournalismus? Lesen sich Tests zu "Playstation 2"-Spielen heute anders im Vergleich zu aktuellen Spielen? Nehmt euren Beruf endlich ernst. Aber vielmehr: Nehmt euer Publikum, eure Leserschaft ernst! Traut ihnen mehr zu. Werft eingetretene Textphrasen beiseite!
Zuletzt geändert von ThomasRaptor am 17.06.2020 06:56, insgesamt 1-mal geändert.
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