SPON über virtuelle Städte

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Wulgaru
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Re: SPON über virtuelle Städte

Beitrag von Wulgaru »

Ich finde da wie gesagt Bastion sehr faszinierend. Wir gehen hier ja jetzt meistens von diesen Open-World-Geschichten ala GTA und Witcher aus, wo ich jeden Winkel frei erkunden kann. Spiele wie Bastion binden aber die "Ortsbegehung" in ihr Narrativ ein. Man merkt im Grunde erst durch die Interpretation des Erzählten und dessen was sich da gerade aufbaut, was das mal für ein Ort war und sehr oft hat das ganze einen recht einzigartigen Charakter.

Silent Hill und Bioshock wirken ähnlich, sind aber im Grunde geerdeter, da ich natürlich sehe: aha das ist ein Krankenhaus, das ist das hier und das ist jenes, auch wenn sie natürlich ebenfalls erzählende Orte sind. Das ist für mich aber eben schon ein Unterschied. Du erlebst in GTA verschiedene Geschichten und Abenteuer innerhalb einer Stadt, die ohne das negativ zu meinen häufig auch wo anders stattfinden könnten während die drei genannten Beispiele eben beides nahtlos verbinden.

Übrigens was eine realistische Architektur angeht, habe ich Rapture nicht mehr in Erinnerung, aber bei der Stadt in Teil 3 hatte ich diesen Eindruck jedenfalls nicht. Das hat für mich schon eher wie Snowpiercer gewirkt, eben als Metapher aber nichts wo man sich vorstellen kann das da Bürger ihrem Alltag nachgehen.
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Lord Hesketh-Fortescue
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Re: SPON über virtuelle Städte

Beitrag von Lord Hesketh-Fortescue »

Wulgaru hat geschrieben:Übrigens was eine realistische Architektur angeht, habe ich Rapture nicht mehr in Erinnerung, aber bei der Stadt in Teil 3 hatte ich diesen Eindruck jedenfalls nicht. Das hat für mich schon eher wie Snowpiercer gewirkt, eben als Metapher aber nichts wo man sich vorstellen kann das da Bürger ihrem Alltag nachgehen.
Zwischen einer Stadt als Sinnbild und einer Stadt als plausiblem Wohnort muss aber nicht zwingend ein Widerspruch sein. Genauso wenig muss das zusammenfallen.

Was Bioshock betrifft, sind sowohl Rapture als auch Columbia aus Teil 3 nicht nur „realistische“ Handlungsorte, sondern auch mahnende Bilder einer „utopia gone bad“, eine stadtgewordene Erzählung von perversem Libertarianismus, von Selbstoptimierungswahn, vom sich maßlos überschätzenden amerikanischen Exzeptionalismus und dergleichen. Alles gut gemeinte „Besserorte“, die dann fürchterlich den Bach runter gegangen sind. Und als solche sind sie natürlich höchst metaphorisch zu verstehen. Das funktioniert auch anders, als z.B. Rassismus in den Witcherstädten eine Rolle spielt; in Rapture werden die Dinge wirklich von der städtischen Substanz und ihrem Inventar verkörpert.

Sehr interessant wird in diesem Zusammenhang aber dann das Addon „Burial at Sea“ zu Bioshock Infinite: Dort reist man in ein noch funktionierendes Rapture, mit entspannt flanierenden Passanten, geöffneten Geschäften, belebten Bars und Vergnügungsvierteln etc. Die Stadt blüht (noch), wenngleich die Katastrophe schon greifbar ist. Und spätestens dann merkt man: Sie HÄTTE so aussehen und funktionieren können. Und das ist denke ich auch das, was Kajetan weiter oben mit „Believability“ meinte. Innerhalb der internen Spiellogik und ihrer Prämissen handelt es sich um einen durchaus „realistischen“ (also nicht bloß traumsequenzhaften) Schauplatz. Auch wenn diese Prämissen noch so unwahrscheinlich und phantastisch sein mögen.

Das heißt im Übrigen aber nicht, dass eine virtuelle Stadt all das auffahren müsste, was die Bioshocks oder auch Deus Ex‘ auffahren, um als Sinnbild zu funktionieren (im Prinzip bräuchte man dafür nicht mal einen Pixel).

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Wulgaru
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Re: SPON über virtuelle Städte

Beitrag von Wulgaru »

Naja, ich würde Burial at the Sea jetzt aber nicht als eine rein metaphorische Sache begreifen. Das war schon ein gewisser Selbstzweck. Das was man in Teil 1 noch nicht konnte und dann in Teil 3 gemacht hat, nämlich eine lebendige Stadt zeigen, wollte man eben auch noch einmal mit Rapture demonstrieren.

Zero Punctuation hat das wunderbar ausgedrückt sinngemäß: In Bioshock you came after the party was already over. In Infinite you are the party....und ich glaube das wollte man eben dann nochmal in der Stadt zeigen, wo man das ein paar Jahre zuvor technisch noch nicht realisieren konnte.

Das ist tatsächlich schon eine technische Limitation, die viele Spiele haben, weswegen Wasteland-Setting oder zerstörte/verlassene oder sonstwie menschenleere Städte ja auch so beliebt sind. Das ist schlicht einfacher. Man braucht ein gewisses Budget, vor allem wenn man sowas wie Infinite machen will.
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Lord Hesketh-Fortescue
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Re: SPON über virtuelle Städte

Beitrag von Lord Hesketh-Fortescue »

Wulgaru hat geschrieben:Naja, ich würde Burial at the Sea jetzt aber nicht als eine rein metaphorische Sache begreifen.
Natürlich nicht. Ich meinte Burial at Sea ja auch eher als Demonstration eines plausiblen Lebens-, Wohn- und Alltagsorts, was vielleicht beim abtraumhaften Chaos-Rapture des ersten und zweiten Teils nicht unbedingt auf den ersten Blick ersichtlich wird.

Damit will ich für meinen Teil das Thema aber auch nicht unbedingt länger als nötig bei den Bioshocks halten, denn a) ist Levines Vision, die er in verschiedenen Derivaten immer wieder durchexerziert, bei aller Brillanz eben auch sehr berechenbar, b) ist dazu auch schon verdammt viel, wenn nicht gar alles gesagt worden (hier und anderswo) und c) gibt es auch noch sehr viele andere schöne Videospielorte, über die man vielleicht - gerade im Verhältnis - ruhig noch etwas mehr sagen könnte.

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zmonx
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Re: SPON über virtuelle Städte

Beitrag von zmonx »

Daran hakt es ja immer wieder, diesen Welten das gewisse Extra zu verleihen. Umso schöner, wenn es mal klappt.
Lord Hesketh-Fortescue hat geschrieben:Aus Human Revolution ist Hengsha am meisten bei mir hängengeblieben, Hölle und Paradies in einem widerwärtig engen Stadtsandwich zusammengepresst, das kontrastreiche Bild geht schwer aus dem Kopf.
Witzig, da hab ich das Spiel direkt wieder vor Augen :)

Das war immer ein großer Kritikpunkt von mir an dem Spiel. Das Design gefiel mir auch immer sehr, aber hier, was die Städte angeht, empfand ich es als nicht gut. War mir immer zu schlauchig und zu eng alles. Da hatte die Kulisse dann gewonnen.

Ich will da aber mal noch die Fernsehserie "Wayward Pines" erwähnen, die ein tolles Thema hat und sich vorzüglich für ein Spiel geeignet hätte!.. Mich hat es jedenfalls ständig an ein Setting erinnert, was für ein Spiel funktionieren würde. Die 1. Staffel zumindest fand ich richtig gut.
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Lord Hesketh-Fortescue
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Re: SPON über virtuelle Städte

Beitrag von Lord Hesketh-Fortescue »

zmonx hat geschrieben:Das war immer ein großer Kritikpunkt von mir an dem Spiel. Das Design gefiel mir auch immer sehr, aber hier, was die Städte angeht, empfand ich es als nicht gut. War mir immer zu schlauchig und zu eng alles. Da hatte die Kulisse dann gewonnen.
Jau, grundsätzlich hätten die Level/Städtehubs schon etwas geräumiger ausfallen dürfen. Habe ich mir beim Spielen auch gedacht. Im Angesicht des aktuellen Open-World-Trends bin ich aber hin und wieder fast schon erleichtert, wenn ein Spiel die Räume verdichtet und überschaubar gestaltet. Auch beim Nachfolger wurde ja sehr über das vergleichsweise eingedampfte Prag gemeckert, und auch hier musste ich für mich feststellen: Works for me. Ist okay.

Über die besseren Möglichkeiten bei linearen Anordnungen, Story, Handlungsort und Interaktionen aufeinander maßzuschneidern oder sie sogar ansatzweise zu verschmelzen, hat ja Wulgaru mit Bastion schon ein nahezu perfektes Beispiel gebracht. Dieses Gefühl von Dichte und Einheit ist bei großen Räumen schwer zu erreichen.

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Kajetan
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Re: SPON über virtuelle Städte

Beitrag von Kajetan »

Lord Hesketh-Fortescue hat geschrieben: Was Bioshock betrifft, sind sowohl Rapture als auch Columbia aus Teil 3 nicht nur „realistische“ Handlungsorte, sondern auch mahnende Bilder einer „utopia gone bad“, eine stadtgewordene Erzählung von perversem Libertarianismus, von Selbstoptimierungswahn, vom sich maßlos überschätzenden amerikanischen Exzeptionalismus und dergleichen. Alles gut gemeinte „Besserorte“, die dann fürchterlich den Bach runter gegangen sind. Und als solche sind sie natürlich höchst metaphorisch zu verstehen.
Ja, da stimme ich zu. Gerade Columbia war für mich nie eine "Stadt", sondern stets eine Allegorie. Eine Bühne, auf der sich die Ereignisse entfalten. Theater. Schauspiel. Moritat. Lehrstück. Vor allem im letzten Drittel, wo sich die Set Designer starke Anleihen bei chinesischer Erziehungspropaganda geholt haben, mit den giganischen wehenden Fahnen, dem Stilisieren von Booker zum Erlöser der geknechteten Massen, den nur allzu malerisch und majestätisch brennenden Gebäuden, bei denen Fahnen, Flammen und Rauchfahnen fast nahtlos ineinander übergehen.

Columbia, keine besonders überzeugende virtuelle Stadt, aber ein fast perfekt gestaltetes Bühnenbild. Ich würde das dann schon unterscheiden wollen, wenn es um virtuelle Städte geht. Sind sie nur Bühnenbild (wie Silent Hill) oder sollen sie als eigenständiger Akteur dienen, bzw. wirken sie als eigenständiger Darsteller, der auch ohne die Spielhandlung überzeugen kann?
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Der Zeuge Gameovahs
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Re: SPON über virtuelle Städte

Beitrag von Der Zeuge Gameovahs »

Ich liebe virtuelle Städte.

Am besten wenn von Anfang an alles frei begehbar ist.
Egal ob gta, assasins creed, sleeping dogs, oder jetzt watch dogs 2.

Das erste was ich mache ist, dass ich nach den Sehenswürdigkeiten der jeweiligen location google und sie versuche im Spiel zu finden.
Dieser virtuelle Tourismus hält mich meist genausolange an der Stange wie das eigentliche game.
Wenn das Spiel dann noch nebenmissionen bereit hält, z.b Fotos von bestimmten Objekten zu machen, dann sind diese die ersten und oft auch die einzigen die ich komplettiere.
Umso besser ist es wenn man die nachgebildeten locations auch wirklich kennt.

In dieser Hinsicht war einer meiner favorites das paris in Ac unity und auch watch dogs 2 ist unglaublich detailliert und liebevoll.
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zmonx
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Re: SPON über virtuelle Städte

Beitrag von zmonx »

Hier mal ein Artikel, über eine neue Engine, die vieles möglich machen kann

Bild
https://www.wired.com/2016/12/googles-i ... D=29156605

https://spatialos.improbable.io/
Heinz-Fiction
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Re: SPON über virtuelle Städte

Beitrag von Heinz-Fiction »

Kann nicht behaupten, dass mir viele Videospielstädte im Gedächtnis hängen geblieben sind. Die drei Städte aus San Andreas fand ich gut, außerdem könnte ich noch Khorinis aus Gothic 2 im Schlaf nachzeichnen
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