Dark Souls hat nichts mit Kunst zu tun, vereinzelte Elemente wie das Art-Design usw. sind Kunst, nicht doch aber das Spiel an sich, bei dem es um Herausforderung, Spielspaß, Gewinner und Verlierer geht, es ist eben ein "Spiel" wie es im Buche steht, es ist wie Monopoly, Fussball oder Twister, ein Spiel an sich hat nichts mit Kunst zu tun, ein interaktives Erlebnis muss im Kern schon Kunst sein, um so betitelt zu werden, da geht es dann nur ums Erlebnis an sich, es geht um die Vision des Game-Directors und was er uns mit dem Erlebnis mitteilen möchte. Dark Souls ist so weit weg von Kunst wie Rocket League, es ist aber quasi eines der besten Spiele überhaupt, da es genau die Stärken eines klassischen Spiels besitzt.
Spiel =/= Kunst. Deshalb ist der Name Video-"Spiel" komplett veraltet, weil es bereits Erlebnisse gibt, die mehr sind als ein Spiel, die uns eine wertvolle Geschichte bieten oder ein künstlerisch bedeutendes Erlebnis mit Tiefe, welches umfassende Interpretationen ermöglicht. Von letzteren gibt es noch nicht all zu viel, aber Journey ist wirklich bisher das überragende interaktive Kunstwerk, welches wenn überhaupt als Citizen Kane gelten darf.
Der Grund liegt darin, dass es Journey als erster Titel geschafft hat, dass selbst das Gameplay versinnbildlicht werden konnte. Journey an sich ist das tiefste interaktivste Erlebnis, welches es gibt, es ist ein in sich schlüssiges Gesamtgefüge, absolut alles in dem Spiel ist eine Metapher für etwas, was das Leben betrifft. Der Titel alleine. Journey ist das Leben! Bei der Geburt beginnt es, man muss sich erst zurecht finden, der Instinkt leitet einen, man lernt die Sprache zu gebrauchen mit diesen Lauten usw., alles ist fröhlich und man hat Spaß und es wird rasant und es sind fröhliche Farben, plötzlich aber beginnt der Ernst des Lebens und es wird düster, erste Hürden müssen überwunden werden in Form von den diesen gefährlichen Wesen, man lernt Mitmenschen kennen, mit denen man durchs Leben schreitet, an wem auch immer man da denkt. So geht es immer weiter und am Ende schließlich der Tod und der Aufstieg der Seele in den Himmel.
Journey ist eines dieser Meisterwerke, die komplett unterschätzt werden, es wurde wegen der emotionalen Reise hoch bewertet, nicht aber wegen den wahren künstlerischen Werten, es wurde in fast keinem Review interpretiert wie es ein Kritiker der Literatur oder ein renomierter Filmkritiker getan hätte.
Die Frage hier ist, wann Games erwachsen geworden sind, aber da liegt schon der Fehler. Sie sind noch lange nicht erwachsen! Erwachsen sind "Games", wenn sie als Kunst gereift sind. Da dieser Fortschritt nur sehr langsam von statten geht, hat auch bisher kaum jemand diese Tiefe von Journey erkannt oder sich damit auseinandergesetzt. Das selbe gilt für viele der Walking-Simulatoren, die teilweise echt viel Tiefe zu bieten haben, die sie als Kunstwerke relevant macht. Erst wenn "Games" als Kunst gereift sind, werden sich viele Kritiker zurückerinnern und die ganzen alten ersten kunstvollen Erlebnisse rauskramen, werden dann nach den herschenden Kriterien beurteilt und werden eventuell gefeiert, so wie viele Stummfilm-Meisterwerke eben auch erst später wiederentdeckt und gefeiert wurden.
In dem Zeit.de-Artikel hier wird TLoU und alles andere ziemlich schlecht gemacht, aber der Autor versteht nicht, dass interaktive Erlebnisse eine eigene Sprache sprechen, die sich aber eben immer noch entwickelt. Es geht ihm ja um Geschichten, die erzählt werden, nur Literatur wie auch Film waren nunmal schon viel weiter, als Krieg und Frieden entstand oder Citizen Kane. Man muss dieses interaktive Medium für sich betrachten und den Fortschritt innerhalb dessen beurteilen. Klar gibt es Filme mit noch viel stärkeren Charakteren als Joel und Ellie, aber vor Citizen Kane gab es auch schon stärkere Charaktere und Geschichten in der Literatur, sogar in Filmen selber. Es geht in Citizen Kane um die Sprache des Films, es geht darum, WIE Orson Welles alles umgesetzt hat, all die Techniken, es ist eine Art Filmschule, DAS war so großartig, nicht die Geschichte an sich, die war zwar auch top aber deshalb wird der Film nicht so angeprisen.
Innerhalb des Mediums war TLoU ein riesen Sprung in Sachen Charaktere und Story-Telling. Die Geschichte handelt nicht, wie vom Zeit.de-Autor geschrieben, von der Zombi-Apocalypse, die Geschichte erzählt, wie Joel und Ellie eine Entwicklung durchmachen und zueinander finden. Im Kern stehen Joel und Ellie, es ist eine Story wie eines kleinen Cannes-Films, nur verpackt in einem apokalyptischen Szenario. Dazu kam, dass TLoU eine Sprache des Erzählens nutzte, die absolut fortschrittlich ist, also ähnlich wie Citizen Kane es für den Film tat.
Interaktives Story-Telling funkitioniert mit dem Satz: Gameplay = Story. Wenne eine Story bestmöglich erzählt werden will, MUSS man diesem Grundsatz nachgehen, ich meine, zumindest anstreben. Der TLoU-DLC "Left Behind" ist auf dem Gebiet bisher der größte Triumpf! Ein Beispiel ist, wie Ellie und Riley dort im Supermarkt mit Wasser-Pistolen spielen. Die Grenzen zwischen Spiel und Story verwischen dort komplett, man spielt dort wahrlich die Story, das Gameplay = die Story, in einem Film hätten es die Charaktere auch so gemacht, nur hier wurde es interaktiv erzählt, das selbe gilt für die anderen Spielereien im Supermarkt.
Diese Momente, die es in TLoU und Left Behind gibt, sind extrem schwer zu integrieren, das Gameplay muss halt stets zur Story passen und die Story muss stets im Gameplay verankert sein, es muss alles miteinander harmonieren und Sinn ergeben. Ich bin mir einfach nicht sicher, ob es möglich ist, ein ganzes interaktives Erlebnis so zu gestalten, dass alles ineinander Sinn ergibt von Anfang bis zum Ende. Naja, ich frage mich hier gerade sowas, aber da muss ich gleich wieder an Jounrey denken, welches dieses Ziel längst erreicht hat, weshalb es im Prinzip das bisher wertvollste interaktive Erlebnis darstellt, auch wenn es (noch) keiner wahrhaben will.
Nur Journey verhält sich da etwas anders, da es keine klassische Geschichte erzählt. Eine klassische Geschichte zu erzählen ist eben nur eine Art für ein interaktives Erlebnis. Es gibt viele unterschiedliche Wege, demnächst zum Beispiel der nächste große Meilenstein mit No Mans Sky, eine vollkommen neue Art, ein vollkommen neues Erlebnis entsteht. Filme sind meist linear oder folgen einer strikten Story, viele Leute wissen gar nicht, wieviel mehr ein Film sein kann, das geht schon los bei Jean-Luc Godard, über Antonioni bis hin zu Tati und Luis Bunuel. Gerade Godard hat mit den Konventionen gebrochen, diese Radikalität benötigen wir auch in "Games", wir brauchen unbedingt diese Pioniere wie David Cage oder Sean Murray, die Neuland betreten und neue Wege aufzeigen, auch so wird das Medium immer erwachsener, indem es erweitert wird, indem es quasi erforscht wird. Einige hatten vielleicht gedacht, dass da nicht mehr viel kommen wird, trotzdem kommt jetzt No Mans Sky, wir sind also noch lange nicht am Ende.
TLoU aber wurde deshalb als Citizen Kane verglichen, weil es dort auch um das "WIE" geht, WIE eben alles umgesetzt wurde, zusammen kommt und als Ganzes funktioniert, wie in noch keinem anderen Spiel zuvor, es geht vor allem also ums interaktive Story-Telling, wie bereits erklärt. Citizen Kane war nun ein ziemlich grandioser Film in allen Belangen, während TLoU noch einige Unstimmigkeiten hatte, man weiß einfach, dass es noch viel besser geht. TLoU war eher ein erster großer Vorstoß. Ich würde TLoU also eher nicht als Citizen Kane Moment bezeichnen, aber vielleicht dennoch als Meilenstein, weil es eine Art Wendepunkt darstellt, die Messlatten wurden schlagartig höher gesetzt in Sachen Charaktere und Story-Telling, sie sind nun auf einem Hoch und es wurde bisher nicht übertroffen, aber Entwickler wurden beeinflusst und tun ihr bestes, ebenso gute oder gar bessere Ergebnisse abzuliefern.
Letztendlich aber, um nochmal auf die eigentliche Frage hier zurückzukommen: "Games" sind noch nicht erwachsen geworden, erst wenn mehrere bedeutende Kunstwerke erschaffen werden, sind sie erwachsen geworden, und das ist dann erst die Grundvorraussetzung dafür, dass irgendwann dann mal große Meisterwerke entstehen auf Höhe von Krieg und Frieden, Citizen Kane, Die 9. Sinfonie von Beethoven oder Shakespeares Macbeth.
Die eigentlichen Meisterwerke stehen uns alle noch bevor, alleine, dass es noch keine bedeutenden interaktive Werke gibt, das sagt doch schon alles aus über den derzeitigen Stand der "Games".
Als "Spiele" sind sie bereits sehr fortgeschritten, aber als Kunst sind wir erst ganz am Anfang, vieles wird noch erforscht, und TLoU, Journey, die Walking Simulatoren und einige andere, die ich nun nicht genannt habe, spielen eine große Rolle auf dem Weg dahin, dass "Games" erwachsen werden.
Bei diesem langen Text kann es sein, dass ich manchmal den Überblick verloren habe und dass sich manchmal etwas wiederholt oder leicht widerspricht, sicher ist auch vieles kontrovers, was ich geschrieben habe, aber naja, ihr werdet meine Grundgedanken hoffentlich trotzdem verstehen.