Realismusauffassung und -verzerrung in Militärshootern
Verfasst: 06.10.2013 18:51
Hello Folks!
Ich bin bestimmt nicht der einzige, der auf Spiegel Online heute diesen Gastartikel (ursprünglich aus der WASD) gelesen hat, der sich kritisch mit der Thematisierung von Kriegsverbrechen in den Spielen der Call of Duty-Reihe auseinandersetzt:
http://www.spiegel.de/netzwelt/games/wa ... 24707.html
Interessant finde ich dabei vor allem, dass im dazugehörigen Forenthread zur Legitimierung fiktionaler Gewaltexzesse immer und immer wieder der angebliche "Realismus" solcher Szenen als Argument ins Feld geführt wird. Im Prinzip kann man eine beliebige Seite des SPON-Threads aufschlagen, überall wird es einem entgegentönen: Das Spiel zeige doch nur die dreckige Realität des Krieges, verharmlosend wäre es doch eher, genau dies nicht zu tun (einige Foristen gehen sogar so weit, die Genfer Konventionen selbst als kriegsverharmlosend hinzustellen, während sie Spiele wie CoD als aufklärerisch feiern). Folter, Gefangenenerschießungen und ähnliches seien in Konflikten an der Tagesordnung, deshalb sei es "blauäugig", sich von deren Verarbeitung als Spielinhalt angewidert zu fühlen.
Mit dieser unter Spielern anscheinend weitverbreiteten Argumentation habe ich so meine Probleme: Zunächsteinmal wird in dem Artikel nirgendwo gefordert (wie die erbosten Foristen es beinahe durch die Bank unterstellen), dass solche Inhalte nicht vorkommen dürften oder sollten. Es wird ja eher die Art und die Funktion ihrer Verwendung hinterfragt, nicht ihre Verwendung an sich. Und was das angeht, so erscheint es mir persönlich eigentlich vollkommen klar, dass kein CoD (und auch kein "seriöser" Shooter wie z.B. ein Arma) in irgendeiner Weise aufklärerische Ideale verfolgt. Wenn in CoD Kriegsgräuel (bis hin zum Atomangriff) dargestellt werden, so ist der dramaturgisch gewollte Effekt nicht, dass dem Spieler vor Entsetzen übel wird, sondern eher dass ihm vor Krassheit die Kinnlade runterklappt und er es den Terroristenwichsern danach mal so richtig zeigen will. Es dient ausschließlich als exploitationmäßiger Aufhänger, da kann eigentlich noch nicht einmal von einer wirklichen "Thematisierung" die Rede sein.
Das Problem ist dabei meiner Ansicht nach aber weniger, dass hier maximale Unmenschlichkeit als bloßer MacGuffin dient (was man für sich genommen bereits mit gutem Grund geschmacklos finden könnte). Ich meine hey, Exploitation kann, wenn sie den richtigen Ton trifft und man selbst nicht allzu verklemmt ist, großen Spaß machen! Schlimm finde ich vielmehr, dass Spiele wie CoD oder auch Medal of Honor konsequent versuchen, ihre Exploitation-Inhalte zu kaschieren und sich stattdessen den
Nimbus des Realismus zu verleihen. Besagtes Medal of Honor hatte damals, als es erschienen ist, bekanntlich mit seiner Zusammenarbeit mit diversen Rüstungsunternehmen geworben, was für höchstmöglichen Realismus bürgen sollte. Der Trend zur immer tagesaktuelleren Verwendung realer Konfliktszenarien geht ebenfalls in diese Richtung.
Das Szenario, in welches diese Spiele solche oberflächlichen Realismen einbetten, könnte aber tatsächlich nicht weiter von der Realität entfernt sein: Amerikanische Soldaten, allesamt verdammt männlich und supergut aussehend, ballern sich durch Armeen irgendwelcher Turbanträger, Russen oder Verräter aus den eigenen Reihen (das sind die Schlimmsten!) und haben dabei immer einen lockeren Spruch auf den Lippen (Operation Flashpoint Red River, Kommentar des Spielercharakters zum Kopfschuss in lässigem Counterstrikeprofi-Tonfall: "Fucked. Him. Up."). Oder auch das im Artikel beschriebene CoD-Ende: Nachdem der böse Russenterrorist endlich gekillt wurde, wird sich erstmal easy die Siegerzigarre angesteckt.
Als ich sowas zum letzten mal cool fand - das war in Roland Emmerichs Independence Day - war ich etwa dreizehn Jahre alt, und realistisch erschien es mir schon damals nicht. Heute dagegen werden solche Szenarien nicht nur von der Spieleindustrie als realistisch propagiert (was meinetwegen schon immer so war, denn es verkauft sich ja gut), sondern auch tatsächlich von vielen Spielern als realistisch angenommen. Irgendwie schließt sich so ja der Kreis: Spieleindustrie und
Spielerklientel scheinen sich stillschweigend und/oder unbewusst auf eine verzerrte Realismusauffassung geeinigt zu haben, im Bezug auf welche sie sich letztenendes fortwährend gegenseitig bestätigen.
Ich bin bestimmt nicht der einzige, der auf Spiegel Online heute diesen Gastartikel (ursprünglich aus der WASD) gelesen hat, der sich kritisch mit der Thematisierung von Kriegsverbrechen in den Spielen der Call of Duty-Reihe auseinandersetzt:
http://www.spiegel.de/netzwelt/games/wa ... 24707.html
Interessant finde ich dabei vor allem, dass im dazugehörigen Forenthread zur Legitimierung fiktionaler Gewaltexzesse immer und immer wieder der angebliche "Realismus" solcher Szenen als Argument ins Feld geführt wird. Im Prinzip kann man eine beliebige Seite des SPON-Threads aufschlagen, überall wird es einem entgegentönen: Das Spiel zeige doch nur die dreckige Realität des Krieges, verharmlosend wäre es doch eher, genau dies nicht zu tun (einige Foristen gehen sogar so weit, die Genfer Konventionen selbst als kriegsverharmlosend hinzustellen, während sie Spiele wie CoD als aufklärerisch feiern). Folter, Gefangenenerschießungen und ähnliches seien in Konflikten an der Tagesordnung, deshalb sei es "blauäugig", sich von deren Verarbeitung als Spielinhalt angewidert zu fühlen.
Mit dieser unter Spielern anscheinend weitverbreiteten Argumentation habe ich so meine Probleme: Zunächsteinmal wird in dem Artikel nirgendwo gefordert (wie die erbosten Foristen es beinahe durch die Bank unterstellen), dass solche Inhalte nicht vorkommen dürften oder sollten. Es wird ja eher die Art und die Funktion ihrer Verwendung hinterfragt, nicht ihre Verwendung an sich. Und was das angeht, so erscheint es mir persönlich eigentlich vollkommen klar, dass kein CoD (und auch kein "seriöser" Shooter wie z.B. ein Arma) in irgendeiner Weise aufklärerische Ideale verfolgt. Wenn in CoD Kriegsgräuel (bis hin zum Atomangriff) dargestellt werden, so ist der dramaturgisch gewollte Effekt nicht, dass dem Spieler vor Entsetzen übel wird, sondern eher dass ihm vor Krassheit die Kinnlade runterklappt und er es den Terroristenwichsern danach mal so richtig zeigen will. Es dient ausschließlich als exploitationmäßiger Aufhänger, da kann eigentlich noch nicht einmal von einer wirklichen "Thematisierung" die Rede sein.
Das Problem ist dabei meiner Ansicht nach aber weniger, dass hier maximale Unmenschlichkeit als bloßer MacGuffin dient (was man für sich genommen bereits mit gutem Grund geschmacklos finden könnte). Ich meine hey, Exploitation kann, wenn sie den richtigen Ton trifft und man selbst nicht allzu verklemmt ist, großen Spaß machen! Schlimm finde ich vielmehr, dass Spiele wie CoD oder auch Medal of Honor konsequent versuchen, ihre Exploitation-Inhalte zu kaschieren und sich stattdessen den
Nimbus des Realismus zu verleihen. Besagtes Medal of Honor hatte damals, als es erschienen ist, bekanntlich mit seiner Zusammenarbeit mit diversen Rüstungsunternehmen geworben, was für höchstmöglichen Realismus bürgen sollte. Der Trend zur immer tagesaktuelleren Verwendung realer Konfliktszenarien geht ebenfalls in diese Richtung.
Das Szenario, in welches diese Spiele solche oberflächlichen Realismen einbetten, könnte aber tatsächlich nicht weiter von der Realität entfernt sein: Amerikanische Soldaten, allesamt verdammt männlich und supergut aussehend, ballern sich durch Armeen irgendwelcher Turbanträger, Russen oder Verräter aus den eigenen Reihen (das sind die Schlimmsten!) und haben dabei immer einen lockeren Spruch auf den Lippen (Operation Flashpoint Red River, Kommentar des Spielercharakters zum Kopfschuss in lässigem Counterstrikeprofi-Tonfall: "Fucked. Him. Up."). Oder auch das im Artikel beschriebene CoD-Ende: Nachdem der böse Russenterrorist endlich gekillt wurde, wird sich erstmal easy die Siegerzigarre angesteckt.
Als ich sowas zum letzten mal cool fand - das war in Roland Emmerichs Independence Day - war ich etwa dreizehn Jahre alt, und realistisch erschien es mir schon damals nicht. Heute dagegen werden solche Szenarien nicht nur von der Spieleindustrie als realistisch propagiert (was meinetwegen schon immer so war, denn es verkauft sich ja gut), sondern auch tatsächlich von vielen Spielern als realistisch angenommen. Irgendwie schließt sich so ja der Kreis: Spieleindustrie und
Spielerklientel scheinen sich stillschweigend und/oder unbewusst auf eine verzerrte Realismusauffassung geeinigt zu haben, im Bezug auf welche sie sich letztenendes fortwährend gegenseitig bestätigen.