Die Geschichte einer fantastischen Gemeinschaft

Hier geht es um Spieldesign oder Game Studies, Philosophie oder Genres!

Moderatoren: Moderatoren, Redakteure

Gesperrt
Benutzeravatar
XenolinkAlpha
Beiträge: 1742
Registriert: 04.01.2011 18:05
Persönliche Nachricht:

Die Geschichte einer fantastischen Gemeinschaft

Beitrag von XenolinkAlpha »

Spiele sind fest gebunden an einen Programmcode. Menschen und ihre Gemeinschaften in gewisserweise auch durch Regeln, doch im Grunde sind Menschen keine berechenbaren Maschinen.

Worauf ich hinauswill ist die Geschichte einer jahrelangen Gemeinschaft, die auch heute noch besteht, wieder zu geben. Einer Gemeinschaft wo in all den Jahren viele Emotionen hervorkamen von Freundschaften, Hilfsbereitschaft, Zusammenkunft, Streit, Sabotage, Neid und sogar Liebe! Es gab Höhepunkte und Zusammenbrüche aber nie wurde aufgegeben!

Entstanden ist diese Gemeinschaft im Jahre 2004 in einem MMORPG namens Everquest 2, also kurz bevor der große WoW Boom nicht nur die Gedanken der Spielewelt sondern die der gesamten Menschheit änderte. Beigetreten bin ich erst Anfang 2006, als die Gemeinschaft, ich nenne sie aus Gründen des Namensschutzes "VN" bereits etabliert war.

Die Begegnung war reiner Zufall, doch der Einstieg war für mich ein eindeutiges Signal: Als "Lowie" noch völlig unerfahren traf ich einen Offizier von VN. (der später auch ein guter Freund für mich wurde!). Er half mir mich auszurüsten und schickte sogar Mitglieder zu mir um mich persönlich auszustatten. Und so schloss ich mich ihnen an. Ich fühlte mich sehr schnell wohl bei VN. Es wurde bei einem Log In immer gegrüßt, eine Kleinigkeit, aber eine sehr bedeutende, denn im Vergleich zu heutigen Gilden ist ein halbwegs kameradschaftlicher Tonfall eine Seltenheit geworden!

Jeder von VN war hilfsbereit und selbst die höherstufigen kamen oft in einer gemeinsamen Gildenaktion zusammen um die im Spiel teils so schwierigen und langwierigen Herausforderungen zu meistern. So waren wir alle erfolgsmäßig auf einer Wellenlänge, niemand wurde zurückgelassen und so was wie ein schwaches Glied gab es nicht!

Besonders fasziniert in dieser Zeit war ich vom Anführer, denn für mich stellte er mehr als einen Leiter dar, er war wie ein Mentor für mich. Er zeigte mir, dass man mit Meinungen sparsam umgehen sollte und schwierige Themen durch die "Blume" ansprechen sollte. Er war in gewisserweise ein Patriarch, wie er selbst behauptete, aber auch jemand der freie Meinungsäußerungen und Ideen sehr wertschätze.

Die Philosphie von VN war eine sehr gemächliche. Wir hatten über 500 Spieler auf der Liste aber die meisten waren nur da, wenn sie Zeit hatten, da dass RL uns viel wichtiger war. Wir waren sozusagen gegen den Zeitgeist des schnellen zu meisternden Contents, der Hardcore-Raidgilden und des Loot über allem, aber das alles war nur ein Teil davon, dennn schließlich war die Gemeinschaft uns wichtiger als das Gameplay an sich, weshalb auch ich jahrelang bei VN verbrachte und durch Engagement zum Offizier aufstieg.

Leider kam mit der Zeit auch Langeweile auf, trotz unserer eher gemächlichen Einstellung. Ich wurde kreativ und versuchte neue Positionen zu schaffen, z.B. die eines Socializiers, eines Unterhalters.

Die eigentlichen Probleme kamen jedoch mit den Konflikten, was in so langer Zeit unabdingbar war. Ich stritt mich selbst mit einigen und wurde unbeliebt. Ich versuchte alles wieder gut zu machen, doch manchmal reicht nicht einmal das. Zu allem Überfluss wurde das Spiel an sich dermaßen "casualisiert" dass auch einige Veteranen gingen, darunter auch ein guter Freund von mir.

Das war auch die Zeit wo wir versuchten Neuland zu finden und die Gilde auf andere MMO Ufer zu erweitern. Doch der Großteil von VN war in dieser Hinsicht sehr konservativ und meine Bemühungen wurden eher missbilligt. Der Versuch an Vanguard an zu knüpfen scheiterte zu dem am hoffnungslos unfertigem Spiel.

Schließlich tat ich das was zu einer kleineren Spaltung der Gemeinschaft führte: Ich wollte nach WoW expandieren! Leider scheiterte ich an der Gilde, weil mein RL es nicht mehr zu ließ sich darum zu kümmern. Und als diese Kolonie zerfiel, war ich bereits bei VN in EQ2 ein Außenseiter und das war für mich das Ende der Ära die ich so gerne als perfekte Harmonie zwischen Mensch und Spiel bezeichne. Aber das war auch nur meine persönliche Erfahrung.

Ich habe jahrelang nach einer ähnlichen Erfahrung gesucht, aber die allgemeine MMO Mentalität ließ das nicht zu, denn Items standen über der Gemeinschaft und Gilden sprossen und zerfallen in kürzester Zeit, auch dank schlechter Spiele, darunter auch WoW seit der extrem Casualisierung.

Ich bin immer noch auf der Suche, nicht nach dem perfekten Spiel, denn so gut es auch sein mag, mit einer wahren Gemeinschaft kann selbst schlechtes Gameplay uns egal sein, solange der Zusammenhalt zählt!

Mein letztes derartiges Erfolgserlebnis hatte ich bei Spiral Knights, es hielt sogar 1-2 Monate, aber dann zerfiel unser kleiner Trupp.

In diesem Fall hat VN meinen größten Respekt verdient, einer starken Gemeinschaft die einem mittelmäßigen Gameplay trotzte, jahrelang Krisen überstand und deren harter Kern aus eingeschworenen Personen fast unversehrt nach knapp 8 Jahren überstand!

Selbst der tollste Programmcode der Welt kann nicht gegen eine starke Gemeinschaft aus Menschen bestehen!
johndoe702031
Beiträge: 521
Registriert: 18.11.2007 15:39
Persönliche Nachricht:

Re: Die Geschichte einer fantastischen Gemeinschaft

Beitrag von johndoe702031 »

GenericEvilEmperor hat geschrieben:Worauf ich hinauswill ist die Geschichte einer jahrelangen Gemeinschaft, die auch heute noch besteht, wieder zu geben. Einer Gemeinschaft wo in all den Jahren viele Emotionen hervorkamen von Freundschaften, Hilfsbereitschaft, Zusammenkunft, Streit, Sabotage, Neid und sogar Liebe! Es gab Höhepunkte und Zusammenbrüche aber nie wurde aufgegeben!
[...]
...kurz bevor der große WoW Boom nicht nur die Gedanken der Spielewelt sondern die der gesamten Menschheit änderte.
[...]
...niemand wurde zurückgelassen und so was wie ein schwaches Glied gab es nicht!
[...]
Besonders fasziniert in dieser Zeit war ich vom Anführer, ...er war wie ein Mentor für mich.
[...]
...einer starken Gemeinschaft die einem mittelmäßigen Gameplay trotzte, jahrelang Krisen überstand und deren harter Kern aus eingeschworenen Personen fast unversehrt nach knapp 8 Jahren überstand!
Entschuldige mein schlimmes Text-Zerfleddern, aber:

Boar ey! Junge Junge. Beim Lesen dieser Zeilen sehe ich förmlich Mel Gibson mit blau-weißer Schminke im Gesicht vor mir auf und ab reiten. Oder den Breakfast Club. Egal. Möchte mich über das, ähh, geringfügige Pathos in deiner Epik aber eigentlich auch gar nicht lustig machen, ich merke nur gerade, dass ich offenbar ein völlig anderer Spielertyp bin, dem die angeblich ach so "wahre und starke" Online-Gemeinschaft beim Zocken herzlich Wurscht ist. Bin in diesen hochvernetzten Zeiten froh, wenn ich mal "unplugged" bin, z.B. gerne beim Zocken, oder Kacken :wink: . Wirkliche Gemeinschaft, der ich auch vertraue, gibt's bei mir ohnehin nur offline, im RL, vis-à-vis. Ich käme auch nicht im Traum auf die Idee, dass eine solche "wahre" Gemeinschaft (du merkst an den Anführungszeichen meine Skepsis an diesem Begriff, wenn er in solch einem Massen-Online-Kontext gebraucht wird) schlechtes Gameplay auch nur ansatzweise kompensieren könnte. Ist mir zu "social", der Gedanke. Aber gerade deswegen ist der Text für mich sehr interessant und aufschlussreich! Andere Spielertypen, andere Sichtweisen - so ist das nunmal. Und falls das mehr als eine salbungsvolle Laudatio auf eure gloreiche, verschworene Gemeinschaft war, wünsche ich dir natürlich, dass du dieses Zusammenhgehörigkeitsgefühl hoffentlich bald mal wiederfindest! Irgendwo da draußen, online.


edit:
GenericEvilEmperor hat geschrieben:...und sogar Liebe! Es gab Höhepunkte...
Wie konnte mir der entgehen. *pubertäres Gekicher* :Häschen:
Alphamale
Beiträge: 11
Registriert: 03.10.2011 14:03
Persönliche Nachricht:

Re: Die Geschichte einer fantastischen Gemeinschaft

Beitrag von Alphamale »

SardoNumspa hat geschrieben:
GenericEvilEmperor hat geschrieben:
GenericEvilEmperor hat geschrieben:...und sogar Liebe! Es gab Höhepunkte...
Wie konnte mir der entgehen. *pubertäres Gekicher* :Häschen:

Hallo das ist nicht lustig (Höhepunkte :D)
Ich persönlich hab 200 Mann Gilden zerbrechen sehen weil sich der Guildleader mit seiner angetrauten Offizierin zerstritten hatte :Häschen:

Zum Text oben:
Ich glaube das kann man schwer nachvollziehen wenn man selber nie Teil einer solchen Gemeinschaft war.
Allerdings sollte man diese Gemeinschaften auch nie überbewerten da es im Grunde nur Zweckgemeinschaften sind um im Spiel erfolg zu haben. Man macht da natürlich immer auf eingeschworen und Superbestefreunde, sobald die Interessen auseinander gehen ist damit aber auch überraschend schnell wieder Schluss.
Gesperrt