Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
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- Deuterium
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Ich werde gerne meine Erfahrungen hier teilen. War auch so eingeplant. Ich muss nur mal schauen. Sowohl die Gog als auch die Steamversion machen aus meinem Rechner Leistungshackfleisch, weil sie nicht die aktuellste Ausgabe des Codes aufweisen. Leider kann man beide Versionen nicht auf 1.1 patchen... Und Shader auf 2.0 und alles auf low ist auch nicht der Königsweg. Ich sehe es zumindest nicht ein. Mein Rechner und ich haben auch unseren Stolz.
- Achmedtheanimal
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Soll man das überhaupt?mr archer hat geschrieben:Oh. Na da bin ich gespannt, wie Du das Spiel empfindest. Mit dem Text habe ich es damals was das Ausufern anging ja doch etwas übertrieben. Besonders stark würde mich ja interessieren, ob Du aus dem Erzählebenen-Kuddelmuddel schlauer wirst als ich.Deuterium hat geschrieben:
Im Moment spiele ich Cryostasis.
Spoiler
Show
Ich bleibe dabei, das war alles nur ein kurzer Traum vor dem Kältetod
- mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
So kann man es sicherlich sehen und die Deutung hat in vielerlei Hinsicht etwas für sich. Aber ich will trotzdem nicht so recht dran glauben, einfach, weil ich das als Begründungskniff für die Wirrnisse der Handlung als zu billigen Taschenspielertrick aus der Autorengrabbelkiste empfände.Achmedtheanimal hat geschrieben:
Soll man das überhaupt?
SpoilerShowIch bleibe dabei, das war alles nur ein kurzer Traum vor dem Kältetod
- Achmedtheanimal
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Hier ein bissl Hirnfutter für den geneigten Hexer Liebhaber
http://www.eurogamer.net/articles/2012- ... -the-games
http://www.eurogamer.net/articles/2012- ... -the-games
- mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Danke, sehr freundlich von Dir. Ich kann Sapkowski nicht wirklich übel nehmen, was er da sagt. Auch wenn ich seine Ansichten über die Unmöglichkeit, in Videospielen Geschichten wie in Büchern zu erzählen, nicht teile. Und gerade was Witcher 2 anbelangt, gebührt CDP hier von meiner Warte her alle Ehre. Eine der besten Geschichten, die mir in einem Videospiel in den letzten zwanzig Jahren erzählt wurde.Achmedtheanimal hat geschrieben:Hier ein bissl Hirnfutter für den geneigten Hexer Liebhaber
http://www.eurogamer.net/articles/2012- ... -the-games
Aber dass er auf seiner Rolle als Erfinder und Tonangeber der Witcher-Welt pocht, ist für mich nachvollziebar. Na ja - und dass er menschlich eher ein sperriger Typ ist wurde mir bereits in dem Moment klar, als ich seine ziemlich arschigen Einleitungstexte in "Etwas endet, etwas beginnt" gelesen habe.
Ist mir aber schnuppe. Denn seine fünf Witcher-Romane werden trotzdem immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben. Ausserdem wäre ohne seinen schwierigen Charakter mit Sicherheit die Welt von Geralt nicht die, die ich aus den Büchern heraus so überzeugend fand.
Und übrigens bin ich kein besonders großer Freund davon, dass er nun den Faden weiter spinnt. Ich fand das Ende von "Die Dame vom See" genau richtig. Die Geschichte war zu einem stimmigen Ende gebracht. Und CDP machen nun Fanfiction auf extrem hohem Niveau. Ich an seiner Stelle hätte es dabei belassen.
Aber womöglich fühlt er sich ja in seiner zweifellos reichlich vorhandenen Eitelkeit gekränkt. Das Interview klingt ein bisschen danach.
- mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Scorpion: Disfigured
"Zwar fällt der Umfang der Kampagne umfangreich aus, doch werden vermutlich nur willenlose Allesspieler ohne Qualitätsanspruch die Motivation so lange aufrecht halten können, bis (endlich) der Abspann über die Mattscheibe flimmert."
Michael Krosta

Ich habe im Rahmen dieses archäologischen Videospiel-Projektes hier bereits das eine oder andere zu Tage gefördert, das auf den ersten Blick wirklich nicht viel hermachte. Aber nachdem man etwas näher hinschaute, kam unter dem Ausgrabungsdreck ein ganz hübsches Dingelchen hervor. Das sind die Momente, die für die Wochen im Matsch bei miesem Wetter entschädigen. Manchmal klappt es aber auch nicht. Man buddelt und buddelt, und alles was man findet, sind ein paar drittklassige Scherben eines grob getöpferten Vorratsgefäßes, an denen sich nichts weiter findet als die organischen Rückstände jahrhundertealter Eselscheiße.
Die Ukraine galt mir hier im Thread bisher bekanntlich als Garant guten Shooterhandwerks mit einem Hang zum gewissen Extra. Selbst das ziemlich konventionelle Instinct hielt die Fahne des Genres stolz und tapfer in den Scriptwind aus Westen. Umso betrüblicher sind die Dinge, die es im Folgenden mit Blick auf Scorpion: Disfigured vom ukrainischen Studio B-Cool Interactive zu berichten gibt, das im Jahr 2009 erschienen ist.
Am Anfang habe ich ja noch frohlockt, wähnte ich mich doch als extrem cleveren Hasen. Die deutsche Ausgabe des Spiels ist nämlich von Atari mit Games for Windows live verseucht worden, wohingegen die internationale Version DRM-frei blieb – ein Mysterium, auf das sie wahrscheinlich auch bei Atari selbst keine vernünftige Antwort haben. Da ich nach Möglichkeit immer die ungeschnittene Fassung meiner Shooter erwerbe, rieb ich mir bereits die feisten Händchen. Zumal ich im Folgenden feststellen konnte, dass ein Großteil der durch deutsche Spieler des Titels beklagten Bugs (Tastaturbelegung usw.) hier nicht auftrat und die englische Sprachversion auch bei weitem nicht so unterirdisch daher kommt wie die deutsche.
Aber ach und weh! Was nützt das alles, wenn das Spiel an sich einfach nicht zünden will! Schon lange habe ich das Spielen eines Osteuropa-FPS nicht mehr so als Arbeit empfunden wie hier. Zum letzten Mal eigentlich bei Chaser. Über Vollkatastrophen wie Sniper: Path of Vengeance oder The Stalin Subway: Red Veil konnte ich wenigstens noch boshaft lachen, um im Anschluss meinen grausamen Spaß bei ihrem Verriss zu haben. Hier hingegen ist es anders und schlimmer. Denn ich kann einfach nicht in den Zyniker-Modus schalten. Vielmehr empfinde ich für die unseligen Verantwortlichen hinter diesem Titel Bedauern. Und Mitleid. Denn hier wollte sich jemand glaube ich ganz doll viel Mühe geben. Überall spürt man Referenzen an große Vorbilder. Aber es reicht hinten und vorne nicht. Es gibt wenige Dinge die mich trauriger machen als der verbissene Ehrgeiz der hoffnungslos Untalentierten. Sie verrennen sich in etwas, für das sie schlicht ungeeignet sind. Und keiner nimmt sie mal rechtzeitig zur Seite. Sicher, darauf gründen Castingshows ihr gesamtes Konzept. Aber Castingshows sind ja auch zutiefst böse, menschenverachtende Orte, die einen Vorgeschmack auf die Hölle geben. See you over there, Dieter.
"Zwar fällt der Umfang der Kampagne umfangreich aus, doch werden vermutlich nur willenlose Allesspieler ohne Qualitätsanspruch die Motivation so lange aufrecht halten können, bis (endlich) der Abspann über die Mattscheibe flimmert."
Michael Krosta

Ich habe im Rahmen dieses archäologischen Videospiel-Projektes hier bereits das eine oder andere zu Tage gefördert, das auf den ersten Blick wirklich nicht viel hermachte. Aber nachdem man etwas näher hinschaute, kam unter dem Ausgrabungsdreck ein ganz hübsches Dingelchen hervor. Das sind die Momente, die für die Wochen im Matsch bei miesem Wetter entschädigen. Manchmal klappt es aber auch nicht. Man buddelt und buddelt, und alles was man findet, sind ein paar drittklassige Scherben eines grob getöpferten Vorratsgefäßes, an denen sich nichts weiter findet als die organischen Rückstände jahrhundertealter Eselscheiße.
Die Ukraine galt mir hier im Thread bisher bekanntlich als Garant guten Shooterhandwerks mit einem Hang zum gewissen Extra. Selbst das ziemlich konventionelle Instinct hielt die Fahne des Genres stolz und tapfer in den Scriptwind aus Westen. Umso betrüblicher sind die Dinge, die es im Folgenden mit Blick auf Scorpion: Disfigured vom ukrainischen Studio B-Cool Interactive zu berichten gibt, das im Jahr 2009 erschienen ist.
Am Anfang habe ich ja noch frohlockt, wähnte ich mich doch als extrem cleveren Hasen. Die deutsche Ausgabe des Spiels ist nämlich von Atari mit Games for Windows live verseucht worden, wohingegen die internationale Version DRM-frei blieb – ein Mysterium, auf das sie wahrscheinlich auch bei Atari selbst keine vernünftige Antwort haben. Da ich nach Möglichkeit immer die ungeschnittene Fassung meiner Shooter erwerbe, rieb ich mir bereits die feisten Händchen. Zumal ich im Folgenden feststellen konnte, dass ein Großteil der durch deutsche Spieler des Titels beklagten Bugs (Tastaturbelegung usw.) hier nicht auftrat und die englische Sprachversion auch bei weitem nicht so unterirdisch daher kommt wie die deutsche.
Aber ach und weh! Was nützt das alles, wenn das Spiel an sich einfach nicht zünden will! Schon lange habe ich das Spielen eines Osteuropa-FPS nicht mehr so als Arbeit empfunden wie hier. Zum letzten Mal eigentlich bei Chaser. Über Vollkatastrophen wie Sniper: Path of Vengeance oder The Stalin Subway: Red Veil konnte ich wenigstens noch boshaft lachen, um im Anschluss meinen grausamen Spaß bei ihrem Verriss zu haben. Hier hingegen ist es anders und schlimmer. Denn ich kann einfach nicht in den Zyniker-Modus schalten. Vielmehr empfinde ich für die unseligen Verantwortlichen hinter diesem Titel Bedauern. Und Mitleid. Denn hier wollte sich jemand glaube ich ganz doll viel Mühe geben. Überall spürt man Referenzen an große Vorbilder. Aber es reicht hinten und vorne nicht. Es gibt wenige Dinge die mich trauriger machen als der verbissene Ehrgeiz der hoffnungslos Untalentierten. Sie verrennen sich in etwas, für das sie schlicht ungeeignet sind. Und keiner nimmt sie mal rechtzeitig zur Seite. Sicher, darauf gründen Castingshows ihr gesamtes Konzept. Aber Castingshows sind ja auch zutiefst böse, menschenverachtende Orte, die einen Vorgeschmack auf die Hölle geben. See you over there, Dieter.
- mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Man sollte eigentlich meinen, Shooter seien eine wenig komplexe Angelegenheit. Man läuft mit einem Potpourri von Pixelwaffen durch einen virtuellen Hindernissparcour, in dem eine gegnerische KI aufgestellt ist, die einen am Weiterkommen hindern möchte. Bin ich schneller und besser als sie, komme ich weiter. Wenn nicht, gewinnen sie. Einfache Sache, die selbst nach zwanzig Jahren Genregeschichte nichts von ihrem Spaß, ihrer Herausforderung und ihrer Befriedigung eingebüßt hat.
Über die Jahre wurde dieses simple Grundprinzip mit der einen oder anderen Ausschmückung behängt. Es gibt jetzt eine Geschichte, die mit filmischen Mitteln vorangetrieben wird. Und meine Spielfigur hat diverse Tricks gelernt. Sie kann die Zeit verlangsamen, verfügt über Spezialfähigkeiten, kann ihre Charakterwerte aufleveln. Im Gegenzug ist die Welt "realistischer" geworden. Waffentragelimits, Verzicht auf fallengespickte Labyrinthe in der Levelstruktur, keine Rocketjumps mehr, keine Speedruns und und und. Shooter haben ihren einst so nerdigen Charme verloren. Sie sind nicht mehr "gamy". Sie sind seriös geworden.
Wenn man einmal hautnah und in quälender Ausführlichkeit miterleben möchte, wie sehr dies alles für das Genre auch zu einem Ballast werden kann – dann spiele man Scorpion: Disfigured. Dieses Spiel erstickt förmlich unter seiner Überladenheit. Wir haben: einen Spielcharakter, der in einem Combatsuit steckt. Dieser Combatsuit redet mit einer Frauenstimme bei jeder Interaktion mit der Welt (außer beim Schießen) auf einen ein und blendet einem permanent die Missionsaufgaben auf dem HUD ein, ohne dass man dies abschalten könnte. Das Spiel bietet insgesamt sechs Waffen, von denen wir aber nur drei benutzen können. Wollen wir die Auswahl verändern, geht es ins Klick and Drop – Menü der Anzugsteuerung. Außerdem bietet uns der Anzug noch vier Spezialfähigkeiten (Telekinese, Gedankenkontrolle usw.), von denen ebenfalls nur drei aktiv sein können. Dazu gibt es außerdem noch eine Bullettime, eine Nachtsicht und einen Energieschirm. Das alles muss mit Knopfdrücken aktiviert, deaktiviert und durchgeschaltet werden. Außerdem zieht der Anzug bei Benutzung der Fähigkeiten permanent Energie, die über zwei unterschiedliche Batteriesysteme quasi im Minutentakt nachgefüllt werden muss. Natürlich auch manuell durch den Spieler. Und natürlich kommt auch noch das Medpack-Management hinzu. Und die Taste für die Granaten. Die Nachtsicht ist nebenbei komplett nutzlos, ebenso wie die Bullettime, die einfach nur eine Superslomo des Spiels einschließlich unserer Bewegungen ohne jeglichen taktischen Vorteil darstellt, womit das eigentliche Prinzip der Bullettime völlig konterkariert wird.
Damit ist also schon einmal die Interaktion mit der Welt an Fummeligkeit kaum zu überbieten. Kann ja sein, dass den Entwicklern hier ein System wie bei Deus Ex vorgeschwebt hat, verbunden mit dem Waffen-Magie-System von Bioshock. Hat aber nicht geklappt. Vor allem die Spezialfähigkeiten werden im Grunde komplett verschenkt. Ihr Zielkreuz ist klein, die AI bewegt sich in der Regel – also geht der Psyschlag immer mal wieder daneben. Bis zum nächsten Einsatz muss er sich aber jedes Mal mehrere Sekunden lang aufladen. Und bis dahin bin ich längst unter Feuer genommen worden. Eigentlich machen diese Fähigkeiten bis auf wenige Momente nur in einem Stealth- und Sneakspiel Sinn. Aber das ist Scorpion: Disfigured nicht. Die anderen sehen mich quasi sofort nach Betreten des Raumes. Obwohl die Level dunkel sind wie seit dem seligen Doom 3 nicht mehr. Verschenkt.
Schießen ist aber bis weit ins zweite Drittel der sich ewig dehnenden Level (zwanzig Stunden Spielzeit!) auch nicht wirklich eine zufrieden stellende Alternative. Denn die Ukrainer fanden es eine gute Idee, den Waffen eine Streuung zu verpassen, die erst durch ein Aufleveln durch im Kampf gewonnener Erfahrungspunkte auf ein erträgliches Maß reduziert wird. Die Einschusslöcher auf dem Cover der DVD geben da ein recht gutes Bild ab. Im Grunde gehen bis zum zehnten Level gefühlte fünfzig Prozent der Schüsse ins Leere. Vor allem die MG´s kann man im Grunde völlig vergessen. Einzig die Schrotflinte hilft einem durch diese frühe Phase des Spiels, weswegen man gezwungen ist, den anderen möglichst nahe vors Rohr zu laufen.
Zur Levelgestaltung bleibt festzuhalten, dass sie streng linear und über weite Strecken äußerst uninspiriert geraten ist. Man kämpft sich ewig durch einen monotonen Industrie- und Laborkomplex in den immer gleichen Grüntönen. Hin und wieder leuchtet mal eine Armatur stimmungsvoll in der Dunkelheit. Ansonsten herrscht diffuses Dämmerlicht und Bloom. Die Taschenlampe bleibt im Grunde die ganze Zeit aktiv. Gibt es doch einmal mehr Licht, bemerkt man recht schnell ein ziemlich dreistes Levelrecycling. Den Vogel schießt dabei das letzte Drittel ab. Nachdem es kurz einmal mit den Büroräumen des Schurken einen gestalterischen Lichtblick gab, geht es noch einmal in ein Labor hinab, aus dem wir auf exakt dem gleichen Weg auch wieder zurück an die Oberfläche steigen dürfen. Dreist.
Die Story ist das übliche Bla bla aus Geheimwaffe, Supervirus, Labor und machtgierigem Schuften, den es zur Strecke zu bringen gilt. Diesmal halt in einem Sarajevo der Zukunft, von dem man eh nix sieht. Könnte also auch Braunschweig sein. Immer mal wieder meldet sich einer von drei NPC´s per Videolog, was wohl etwas wie dramatische Spannung erzeugen soll. Klappt nicht. Leider ist es aber nicht mal unfreiwillig komisch und was hier als Plottwist aufs Tablett kommt hat einen Bart von Berlin bis Kiew.
Dann gibt es einige gravierende technische Mankos. Die Soundausgabe ist unfertig und kaputt. Komplette Umgebungsgeräusch-Sequenzen fehlen schlicht und ergreifend oder verlieren sich in einem Knacken der Boxen. Zweimal kackte mir ein Savestand ab und ich durfte den Level komplett neu starten. Und die Kollisionsabfrage des Spiels ist nur als tragisch missglückt zu bezeichnen: Permanent tritt man irgendwelche Weltobjekte um, die mehr als einen Meter entfernt stehen und die man dann laut polternd mitunter noch ein paar Räume weiter mit sich schleift. Sowas habe ich tatsächlich noch nie erlebt.
Das einzige, was einem bleibt, ist die KI. Nicht die der in einem kläglichen Versuch F.E.A.R. oder Condemned zu zitieren, eher erbärmlich durchs Level tappernden Mutanten. Sonder die der gegnerischen Sicherheitskräfte. In ihren hellen Augenblicken können sie fast an die Intensität der Schergen aus Alpha Prime heranreichen. Dann entsteht in den Gefechten tatsächlich für kurze Momente ein Anflug von Spaß. Mitunter gelingt es einem, eine der Psykräfte erfolgreich einzusetzen. Zwischendrin schmeißt man eine EMP-Granate nach einem Sicherheitsbot, wirft einen Medpack ein, aktiviert kurz die Bullettime für die Verschnaufpause und um nach den Reserven der beiden Energieleisten zu schauen, lässt die auf Stufe Fünf aufgebohrte Schrotflinte sprechen und geht schnell hinter einer Säule in Deckung. Und für diesen kurzen Moment wird einem dann klar, wie Scorpion: Disfigured eigentlich wohl einmal gemeint war. Doch Minuten später stiefelt man wieder gelangweilt durch das zu dunkle Level, rennt laut polternd gegen Kisten und Stühle und stiert auf die Energieleiste der Taschenlampe. Sechzehn Level. Zwanzig Stunden lang. Eine sich wie Kaugummi dehnende Ewigkeit.
Ich belasse es dabei. Tief hier drin verbirgt sich irgendwo ein Spiel. Ein Shooter, von einem jungen Studio irgendwann einmal mit Elan und Mut zu Anspruch und Komplexität angegangen. Ganz selten habe ich ihn durch die Oberfläche des Sees nach oben durchschimmern sehen. Aber der See ist nicht voller Wasser. Er ist voller Teer. Er klebt den Mund zu, dringt in jede Pore, zieht einen wieder herab zum Grund. Schwere, schwarze Blasen an der Oberfläche, die es nicht einmal mehr schaffen, zu zerplatzen. Der Rest ist Schweigen.
Über die Jahre wurde dieses simple Grundprinzip mit der einen oder anderen Ausschmückung behängt. Es gibt jetzt eine Geschichte, die mit filmischen Mitteln vorangetrieben wird. Und meine Spielfigur hat diverse Tricks gelernt. Sie kann die Zeit verlangsamen, verfügt über Spezialfähigkeiten, kann ihre Charakterwerte aufleveln. Im Gegenzug ist die Welt "realistischer" geworden. Waffentragelimits, Verzicht auf fallengespickte Labyrinthe in der Levelstruktur, keine Rocketjumps mehr, keine Speedruns und und und. Shooter haben ihren einst so nerdigen Charme verloren. Sie sind nicht mehr "gamy". Sie sind seriös geworden.
Wenn man einmal hautnah und in quälender Ausführlichkeit miterleben möchte, wie sehr dies alles für das Genre auch zu einem Ballast werden kann – dann spiele man Scorpion: Disfigured. Dieses Spiel erstickt förmlich unter seiner Überladenheit. Wir haben: einen Spielcharakter, der in einem Combatsuit steckt. Dieser Combatsuit redet mit einer Frauenstimme bei jeder Interaktion mit der Welt (außer beim Schießen) auf einen ein und blendet einem permanent die Missionsaufgaben auf dem HUD ein, ohne dass man dies abschalten könnte. Das Spiel bietet insgesamt sechs Waffen, von denen wir aber nur drei benutzen können. Wollen wir die Auswahl verändern, geht es ins Klick and Drop – Menü der Anzugsteuerung. Außerdem bietet uns der Anzug noch vier Spezialfähigkeiten (Telekinese, Gedankenkontrolle usw.), von denen ebenfalls nur drei aktiv sein können. Dazu gibt es außerdem noch eine Bullettime, eine Nachtsicht und einen Energieschirm. Das alles muss mit Knopfdrücken aktiviert, deaktiviert und durchgeschaltet werden. Außerdem zieht der Anzug bei Benutzung der Fähigkeiten permanent Energie, die über zwei unterschiedliche Batteriesysteme quasi im Minutentakt nachgefüllt werden muss. Natürlich auch manuell durch den Spieler. Und natürlich kommt auch noch das Medpack-Management hinzu. Und die Taste für die Granaten. Die Nachtsicht ist nebenbei komplett nutzlos, ebenso wie die Bullettime, die einfach nur eine Superslomo des Spiels einschließlich unserer Bewegungen ohne jeglichen taktischen Vorteil darstellt, womit das eigentliche Prinzip der Bullettime völlig konterkariert wird.
Damit ist also schon einmal die Interaktion mit der Welt an Fummeligkeit kaum zu überbieten. Kann ja sein, dass den Entwicklern hier ein System wie bei Deus Ex vorgeschwebt hat, verbunden mit dem Waffen-Magie-System von Bioshock. Hat aber nicht geklappt. Vor allem die Spezialfähigkeiten werden im Grunde komplett verschenkt. Ihr Zielkreuz ist klein, die AI bewegt sich in der Regel – also geht der Psyschlag immer mal wieder daneben. Bis zum nächsten Einsatz muss er sich aber jedes Mal mehrere Sekunden lang aufladen. Und bis dahin bin ich längst unter Feuer genommen worden. Eigentlich machen diese Fähigkeiten bis auf wenige Momente nur in einem Stealth- und Sneakspiel Sinn. Aber das ist Scorpion: Disfigured nicht. Die anderen sehen mich quasi sofort nach Betreten des Raumes. Obwohl die Level dunkel sind wie seit dem seligen Doom 3 nicht mehr. Verschenkt.
Schießen ist aber bis weit ins zweite Drittel der sich ewig dehnenden Level (zwanzig Stunden Spielzeit!) auch nicht wirklich eine zufrieden stellende Alternative. Denn die Ukrainer fanden es eine gute Idee, den Waffen eine Streuung zu verpassen, die erst durch ein Aufleveln durch im Kampf gewonnener Erfahrungspunkte auf ein erträgliches Maß reduziert wird. Die Einschusslöcher auf dem Cover der DVD geben da ein recht gutes Bild ab. Im Grunde gehen bis zum zehnten Level gefühlte fünfzig Prozent der Schüsse ins Leere. Vor allem die MG´s kann man im Grunde völlig vergessen. Einzig die Schrotflinte hilft einem durch diese frühe Phase des Spiels, weswegen man gezwungen ist, den anderen möglichst nahe vors Rohr zu laufen.
Zur Levelgestaltung bleibt festzuhalten, dass sie streng linear und über weite Strecken äußerst uninspiriert geraten ist. Man kämpft sich ewig durch einen monotonen Industrie- und Laborkomplex in den immer gleichen Grüntönen. Hin und wieder leuchtet mal eine Armatur stimmungsvoll in der Dunkelheit. Ansonsten herrscht diffuses Dämmerlicht und Bloom. Die Taschenlampe bleibt im Grunde die ganze Zeit aktiv. Gibt es doch einmal mehr Licht, bemerkt man recht schnell ein ziemlich dreistes Levelrecycling. Den Vogel schießt dabei das letzte Drittel ab. Nachdem es kurz einmal mit den Büroräumen des Schurken einen gestalterischen Lichtblick gab, geht es noch einmal in ein Labor hinab, aus dem wir auf exakt dem gleichen Weg auch wieder zurück an die Oberfläche steigen dürfen. Dreist.
Die Story ist das übliche Bla bla aus Geheimwaffe, Supervirus, Labor und machtgierigem Schuften, den es zur Strecke zu bringen gilt. Diesmal halt in einem Sarajevo der Zukunft, von dem man eh nix sieht. Könnte also auch Braunschweig sein. Immer mal wieder meldet sich einer von drei NPC´s per Videolog, was wohl etwas wie dramatische Spannung erzeugen soll. Klappt nicht. Leider ist es aber nicht mal unfreiwillig komisch und was hier als Plottwist aufs Tablett kommt hat einen Bart von Berlin bis Kiew.
Dann gibt es einige gravierende technische Mankos. Die Soundausgabe ist unfertig und kaputt. Komplette Umgebungsgeräusch-Sequenzen fehlen schlicht und ergreifend oder verlieren sich in einem Knacken der Boxen. Zweimal kackte mir ein Savestand ab und ich durfte den Level komplett neu starten. Und die Kollisionsabfrage des Spiels ist nur als tragisch missglückt zu bezeichnen: Permanent tritt man irgendwelche Weltobjekte um, die mehr als einen Meter entfernt stehen und die man dann laut polternd mitunter noch ein paar Räume weiter mit sich schleift. Sowas habe ich tatsächlich noch nie erlebt.
Das einzige, was einem bleibt, ist die KI. Nicht die der in einem kläglichen Versuch F.E.A.R. oder Condemned zu zitieren, eher erbärmlich durchs Level tappernden Mutanten. Sonder die der gegnerischen Sicherheitskräfte. In ihren hellen Augenblicken können sie fast an die Intensität der Schergen aus Alpha Prime heranreichen. Dann entsteht in den Gefechten tatsächlich für kurze Momente ein Anflug von Spaß. Mitunter gelingt es einem, eine der Psykräfte erfolgreich einzusetzen. Zwischendrin schmeißt man eine EMP-Granate nach einem Sicherheitsbot, wirft einen Medpack ein, aktiviert kurz die Bullettime für die Verschnaufpause und um nach den Reserven der beiden Energieleisten zu schauen, lässt die auf Stufe Fünf aufgebohrte Schrotflinte sprechen und geht schnell hinter einer Säule in Deckung. Und für diesen kurzen Moment wird einem dann klar, wie Scorpion: Disfigured eigentlich wohl einmal gemeint war. Doch Minuten später stiefelt man wieder gelangweilt durch das zu dunkle Level, rennt laut polternd gegen Kisten und Stühle und stiert auf die Energieleiste der Taschenlampe. Sechzehn Level. Zwanzig Stunden lang. Eine sich wie Kaugummi dehnende Ewigkeit.
Ich belasse es dabei. Tief hier drin verbirgt sich irgendwo ein Spiel. Ein Shooter, von einem jungen Studio irgendwann einmal mit Elan und Mut zu Anspruch und Komplexität angegangen. Ganz selten habe ich ihn durch die Oberfläche des Sees nach oben durchschimmern sehen. Aber der See ist nicht voller Wasser. Er ist voller Teer. Er klebt den Mund zu, dringt in jede Pore, zieht einen wieder herab zum Grund. Schwere, schwarze Blasen an der Oberfläche, die es nicht einmal mehr schaffen, zu zerplatzen. Der Rest ist Schweigen.
Zuletzt geändert von mr archer am 12.11.2012 23:56, insgesamt 1-mal geändert.
- Achmedtheanimal
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Boing Flip!
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Archer, Du musst wohl ziemlich was verbrochen haben, um diese -anscheinend- Selbstbestrafung verdient zu haben. Oder geht der Vorrat an guten Zwotreihenostballereien zur Neige? Ich will mal wieder einen verliebten Text wie den zu "You are empty" oder "Pathologic" lesen. Oder bist du so ein Masochist? Und sich dann über die Souls Freaks lustig machen, jaja. Das sind die Richtigen.
- mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Ich verstehe Deine Gefühle. Ich würde ja gerne auch mal wieder richtig lieben, hier im Thread. Bei Hellforces und zuletzt Liquidator 2 ist die Leidenschaft ja immerhin mal kurz aufgeflackert. Auf die Dauer ist das doch alles ein bisschen destruktiv hier. Aber sich als Chronist nur die Perlen rauszusuchen und über den Rest zu schweigen wäre auch nicht redlich. Aber ja, ich fühle nach anderthalb Jahren eine gewisse Müdigkeit. Gerade spiele ich was, das mir bisher sehr viel Spaß macht und hier wohl lobende Worte ernten wird. Aber nichts von der Gedankentiefe eines You are empty oder Pathologic oder Witcher 2 oder Cryostasis. Kann sein, dass jetzt wirklich nur noch der Bodensatz meiner harrt. Necrovision könnte noch ein Kandidat zu Höherem sein. Das muss hier auf jeden Fall noch Erwähnung finden wenn ich es mal gespielt habe. Der Rest auf meiner kleiner werdenden Liste ist wohl wirklich Bestenfalls wunderliche Nischenbespaßung, fürchte ich.Deuterium hat geschrieben:Archer, Du musst wohl ziemlich was verbrochen haben, um diese -anscheinend- Selbstbestrafung verdient zu haben. Oder geht der Vorrat an guten Zwotreihenostballereien zur Neige? Ich will mal wieder einen verliebten Text wie den zu "You are empty" oder "Pathologic" lesen. Oder bist du so ein Masochist? Und sich dann über die Souls Freaks lustig machen, jaja. Das sind die Richtigen.
Irgendwie bin ich langsam auch satt vom Ballern. Ich will mal wieder ein Adventure spielen. Oder ein schönes RPG. In meinem Gog-Schrank sind mehrere Iso-Klassiker als dicke fette Desiderate seit über einem Jahr geparkt. Das vorletzte Humble-Bundle habe ich auch erst zur Hälfte in Augenschein genommen, obwohl es gekauft ist. Man ist ja schließlich arbeitstätig und nicht mehr Student der Vor-Bologna-Zeit mit unbegrenztem Zeitbudget. Andererseits ist da immer noch die Vorfreude, wenn das Päckchen mit einem neuen OE-Shooter eintrudelt.
Den derzeitigen Shooter spiele ich noch vergnügt zu Ende. Und dann mache ich für den kommenden Winter eine große Pause mit einem Spiel, das ich schon lange beobachte, das hier in den Thread passt und für das man etwas Zeit braucht. Ausgang des Monats dazu mehr.
Und danach werde ich im Frühling mal in mich gehen. Vielleicht ist es langsam an der Zeit, etwas zu ändern und hier im Thread mal die letzte Runde einzuläuten. Ein eigenes Blog vielleicht, wo ich genreübergreifend und ohne Beschränkung auf eine bestimmte Weltgegend was zu Spielen erzähle, die ich mag. Und sich vom archäologischen Globalanspruch dieses Projektes hier mal allmählich lösen.
Wir werden sehen.
Zuletzt geändert von mr archer am 13.11.2012 23:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Das Urteil über diesen Thread ist natürlich schon alleine durch seine Themenbegrenzung gesprochen. Es ging ja von Anfang an darum- zumindest habe ich es für mich so interpretiert- Qualitäten in den Shootern östlicherer Gefilde zu entdecken und diesen Raum zu geben. Raum, sich auszudrücken. Vor allem explizit unbekannteren Werken. Hier bewegte man sich ja von Anfang an in einer Nische.
Dass diese ohnehin in Verruf geratene Goldmine irgendwann abgebaut sein würde und die Arbeit immer unlukrativer werden würde, ist wohl irgendwo logisch. Anfangs spielt man Titel, die noch irgendwo als Geheimtip beworben werden, aber irgendwann versiegen diese Quellen. Dann bleiben die Titel, die eben in jener Nische der 2. Reihe schon fast nichts mehr verloren haben und vollkommen zu Recht unbekannt sind. Dann hat man mehr Arbeit als Gewinn. Vor allem in einem Hobby ist das ja Quatsch.
Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend...
Dass diese ohnehin in Verruf geratene Goldmine irgendwann abgebaut sein würde und die Arbeit immer unlukrativer werden würde, ist wohl irgendwo logisch. Anfangs spielt man Titel, die noch irgendwo als Geheimtip beworben werden, aber irgendwann versiegen diese Quellen. Dann bleiben die Titel, die eben in jener Nische der 2. Reihe schon fast nichts mehr verloren haben und vollkommen zu Recht unbekannt sind. Dann hat man mehr Arbeit als Gewinn. Vor allem in einem Hobby ist das ja Quatsch.
Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend...
- Genkis
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Genkis hat geschrieben:eine Frage mal: Wer hat sie noch?
http://www.youtube.com/watch?v=6UkJCDXo ... plpp_video
Me, myself and I.
- mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Liebe Freunde und Freundinnen dieses Threads,
ich habe eben noch meine liegen gebliebene Hausaufgabe erledigt und noch einen Lesertest zu Scorpion: Disfigured verfasst, der hier eingesehen werden kann:
http://www.4players.de/4players.php/gam ... index.html
Am kommenden Wochenende geht es hier dann um einiges erfreulicher wieder weiter.
Grüße,
archer.
ich habe eben noch meine liegen gebliebene Hausaufgabe erledigt und noch einen Lesertest zu Scorpion: Disfigured verfasst, der hier eingesehen werden kann:
http://www.4players.de/4players.php/gam ... index.html
Am kommenden Wochenende geht es hier dann um einiges erfreulicher wieder weiter.
Grüße,
archer.
- mr archer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Es gibt Spiele, um die es kaum sinnvoll ist, viele Worte zu machen. Ihre Prämisse ist klar, ihr zugrunde liegendes Prinzip simpel und geradeaus. Alles funktioniert soweit reibungslos und solide. Überraschungen gibt es eher selten und wenn nur zaghaft vorgetragen. Aber wenn man vom Bildschirm wieder aufschaut, ist es plötzlich drei Stunden später. Und man merkt mit einer gewissen Verblüffung: Hoppla, das macht ja Spaß hier! Da spiel ich doch glatt noch ein, zwei Level. Es gibt Spiele, die sind wie ein Mittagessen auf dem Sonntagsausflug irgendwo in einem Landgasthof, wo man bei der Frage nach dem vegetarischen Gericht auf das Hühnerfrikassee hingewiesen wird und der Rest der Karte aus Schnitzelvarianten besteht. Aber diese Schnitzel sind groß und saftig und die Kartoffeln in ihrer Konsistenz genau richtig und überhaupt.
Spiele wie Exodus from the earth also.

Zuletzt bei Scorpion: Disfigured habe ich mich noch darüber beklagt, wie in diesem Titel das denkbar simple und unterhaltsame Shooterprinzip solange mit Krams behängt wurde, bis es unter ihm kaum noch wahrnehmbar war und ächzend in die Knie ging. Ein Trauerspiel. So etwas muss man bei Exodus from the earth nicht befürchten. Hier ist alles schön aufgeräumt und übersichtlich. Und in einem Maße altbacken, das man sich erst mal trauen muss, im Jahr 2008 durchzuziehen.
In dieser Hinsicht haben die Sankt Petersburger Freunde von den Parallax Arts Studios aber bekanntlich keinerlei Hemmungen. Liquidator 2 von 2006 habe ich hier wegen seiner schon ins Weltfremde kippenden Gegenwartsverweigerung ziemlich abgefeiert. Und was soll ich sagen: der Nachfolger macht hier konsequent weiter. Übrigens wurde er nur wenig später als Liquidator 2 fertig gestellt, was man auch sofort sieht, denn die Engine ist haargenau dieselbe. Es hat nur ein bisschen gedauert, bis sich für den Krams ein Publisher für den internationalen Markt fand. Nach ihrem insgesamt dritten Titel in kurzer Zeit (los ging es 2005 mit Utopia City, das hier auf jeden Fall auch noch vorgestellt werden muss) wurde es dann aber still um das Studio. Ich finde das schade. Denn Schnitzel können die Jungs wirklich gut.
Meine Hauptkritik an Liquidator 2 war ja, dass das Schießen in diesem Shooter aufgrund des Gegnermangels eine irgendwie unbefriedigende bis unfreiwillig komische Angelegenheit war. Mit Exodus from the earth erledigt sich das. Hier wird über fast zwanzig Stunden und unzählige Level hinweg nix weiter getan, als KI beharkt. Und zwar ausgesprochen flott und mit ziemlichem Schwerpunkt auf der Zoomfunktion des mitgeführten MG (wohlgemerkt: kein Quick Scoping). In sehr schön darauf zugeschnittenen, recht abwechslungsreichen mitunter fast schon zeitlos schönen Leveln. Garniert wird das Ganze mit ansprechend entworfenen Wegfindungsrätseln und einer brauchbaren Objekt- und Ragdollphysik. Da die nicht besonders clevere KI osteuropahaft ordentlich austeilt, ist Schnellspeichern unerlässlich. Wobei man dann bemerkt, dass die Engine quasi augenblicklich neu lädt. Technisch ziemlich beeindruckend und grundsolide. Optisch ist die Sache nach wie vor für meinen Geschmack schön geraten, die Settings sind recht abwechslungsreich, offene Areale wechseln sich mit Korridor-Passagen ab und auch die Orientierung wird immer mal wieder gefordert. Insgesamt wird mir Exodus from the earth aber vor allem wegen seines schnörkellosen, schnellen Tempos in Erinnerung bleiben. Dabei wurde ich stets ausreichend gefordert und beschäftigt, war fast nie gelangweilt und kam in den beinahe zwanzig Stunden Zeit, die ich diesem Nischenspiel gewidmet habe stets wieder gern zu ihm zurück. Was will man mehr? Manchmal nix.
Eine Geschichte gibt es auch. Wir spielen Frank, einen Tough guy mit Lederjacken-Vorliebe und Hang zu markigen Einzeilern ("But if I´ll save the world, I´ll ask for a bonus." – "Thats the story of my life. I´m always shoot at."). Der wird in der nahen Zukunft von einem Geheimdienst in die Konzernzentrale des globalen Marktführers für Alles geschickt. Denn die Sonne wird in ein paar Jahrzehnten zum Roten Riesen und die Erde damit ein unwohnlicher Ort. Bei der A.X. Corporation geben sie nun vor, eine Lösung zu haben: eine zweite Erde. Doch irgendwas ist faul.
Das war es im Großen und Ganzen. Im Spiel nehmen wir nun erst die Konzernzentrale auseinander. Dann geht es im Mittelteil hinter dem Steuer eines gepanzerten Buggy mit Gatling auf dem Dach GTA-like durch die Landschaft, wobei es immer wieder Stippvisiten zu Fuß gibt. Und am Schluss wartet die zweite Erde. Spielerisch ist das Ganze hoffungslos veraltet. Kennt noch jemand Contract Jack, das etwas hemdsärmelige Spin off von No one lives forever 2? So ungefähr. Finde ich das schlimm? Ach, i wo. Manchmal will man einfach nur flott ein bisschen ballern. Dazu gibt’s ab und an mal einen netten Designeinfall oder eine Passage, die einen etwas stärker herausfordert oder auch mal ein gar nicht so schlecht entworfenes Rätsel. Und über allem einen kruden Soundtrack, der angenehme Erinnerungen an die großartig-abstruse Synthi-Mucke in Liquidator 2 weckt.
Zu Meckern gibt’s aber auch ein bisschen. Erstmal ist die Gegnervariation viel zu gering. Im Grunde ballert man bis kurz vor Schluss die ganze Zeit auf das Sicherheitspersonal der Firma. In einigen arenenartigen Räumen übertreiben es die Entwickler etwas mit dem KI-Respawning, das schon in Liquidator 2 ziemlich daneben war. Außerdem triggert das Spiel zu sichtbar die KI. Man läuft über einen bestimmten Punkt. Und mit einem Mal lauern hinter diversen Ecken und Kisten in der Umgebung lauter Leute, die da vorher nicht waren. Manchmal musste ich ob der offensichtlichen Plumpheit des Vorgangs schon lachen. Die Fokussierung auf das MG als Waffe der Wahl ist mir ein bisschen zu stark geraten. Die Fahrzeugphysik des Buggy ist etwas zu holperig. Außerdem gibt es im Zusammenhang mit dem Auto im ersten "Fahrlevel" einen üblen Bug, der unter nicht vorhersagbaren Umständen auftreten kann oder auch nicht und der unter genauso nicht zu erklärenden Umständen überwunden werden kann oder auch nicht. Kann er nicht überwunden werden, endet das Spiel nach einem Drittel der Spielzeit. Man kommt dann nämlich nicht mehr aus der Kiste raus und steht dumm vorm ersten Tor herum. Und die Sprungsteuerung ist etwas missglückt. Da es immer wieder kleine Physikrätsel in Form von Kistenstapelei usw. zu absolvieren gilt, ist das ein wenig nervig. Dann gäbe es sicher noch Leute, denen die Platzierung von Keycards im Level ein bisschen zu willkürlich erscheinen würde. Aber da ich gerne suche, macht mir das nix aus. Na ja - und ein zwei Level weniger hätten es unter dem Strich denke ich auch getan.
So. Bleibt die Frage: muss man Exodus from the earth spielen? Nein. Aber falls man es doch tut, macht es Spaß? Verdammt noch mal, ja! Wer einfach mal wieder nach Herzenslust durch einen gut gestalteten Shooter stampfen will, in dem alles auf ein zuweilen forderndes aber dabei stets flottes Kampfgefühl zugeschnitten ist, mit einem Leveldesign, das mitunter beinahe schon die Bezeichnung großartig verdient dabei aber stockkonservativ bleibt und sich verdammt nach 2002 anfühlt – auf den wartet hier eine Überraschung, die glücklich machen kann. Mir ging es jedenfalls so.
Und weil Exodus from the earth bei 4players keinen Datenbankeintrag besitzt, bekommt es von mir noch eine Zahl spendiert:
73.
Bilder gibt es mit dem nächsten Eintrag hier im Thread. Für heute soll am Ende folgendes Zitat aus dem Spiel stehen:
"Go, save the universe!"
Was ich um Folgendes ergänzen möchte:
http://www.youtube.com/watch?v=ObcSVIyz_08
Spiele wie Exodus from the earth also.

Zuletzt bei Scorpion: Disfigured habe ich mich noch darüber beklagt, wie in diesem Titel das denkbar simple und unterhaltsame Shooterprinzip solange mit Krams behängt wurde, bis es unter ihm kaum noch wahrnehmbar war und ächzend in die Knie ging. Ein Trauerspiel. So etwas muss man bei Exodus from the earth nicht befürchten. Hier ist alles schön aufgeräumt und übersichtlich. Und in einem Maße altbacken, das man sich erst mal trauen muss, im Jahr 2008 durchzuziehen.
In dieser Hinsicht haben die Sankt Petersburger Freunde von den Parallax Arts Studios aber bekanntlich keinerlei Hemmungen. Liquidator 2 von 2006 habe ich hier wegen seiner schon ins Weltfremde kippenden Gegenwartsverweigerung ziemlich abgefeiert. Und was soll ich sagen: der Nachfolger macht hier konsequent weiter. Übrigens wurde er nur wenig später als Liquidator 2 fertig gestellt, was man auch sofort sieht, denn die Engine ist haargenau dieselbe. Es hat nur ein bisschen gedauert, bis sich für den Krams ein Publisher für den internationalen Markt fand. Nach ihrem insgesamt dritten Titel in kurzer Zeit (los ging es 2005 mit Utopia City, das hier auf jeden Fall auch noch vorgestellt werden muss) wurde es dann aber still um das Studio. Ich finde das schade. Denn Schnitzel können die Jungs wirklich gut.
Meine Hauptkritik an Liquidator 2 war ja, dass das Schießen in diesem Shooter aufgrund des Gegnermangels eine irgendwie unbefriedigende bis unfreiwillig komische Angelegenheit war. Mit Exodus from the earth erledigt sich das. Hier wird über fast zwanzig Stunden und unzählige Level hinweg nix weiter getan, als KI beharkt. Und zwar ausgesprochen flott und mit ziemlichem Schwerpunkt auf der Zoomfunktion des mitgeführten MG (wohlgemerkt: kein Quick Scoping). In sehr schön darauf zugeschnittenen, recht abwechslungsreichen mitunter fast schon zeitlos schönen Leveln. Garniert wird das Ganze mit ansprechend entworfenen Wegfindungsrätseln und einer brauchbaren Objekt- und Ragdollphysik. Da die nicht besonders clevere KI osteuropahaft ordentlich austeilt, ist Schnellspeichern unerlässlich. Wobei man dann bemerkt, dass die Engine quasi augenblicklich neu lädt. Technisch ziemlich beeindruckend und grundsolide. Optisch ist die Sache nach wie vor für meinen Geschmack schön geraten, die Settings sind recht abwechslungsreich, offene Areale wechseln sich mit Korridor-Passagen ab und auch die Orientierung wird immer mal wieder gefordert. Insgesamt wird mir Exodus from the earth aber vor allem wegen seines schnörkellosen, schnellen Tempos in Erinnerung bleiben. Dabei wurde ich stets ausreichend gefordert und beschäftigt, war fast nie gelangweilt und kam in den beinahe zwanzig Stunden Zeit, die ich diesem Nischenspiel gewidmet habe stets wieder gern zu ihm zurück. Was will man mehr? Manchmal nix.
Eine Geschichte gibt es auch. Wir spielen Frank, einen Tough guy mit Lederjacken-Vorliebe und Hang zu markigen Einzeilern ("But if I´ll save the world, I´ll ask for a bonus." – "Thats the story of my life. I´m always shoot at."). Der wird in der nahen Zukunft von einem Geheimdienst in die Konzernzentrale des globalen Marktführers für Alles geschickt. Denn die Sonne wird in ein paar Jahrzehnten zum Roten Riesen und die Erde damit ein unwohnlicher Ort. Bei der A.X. Corporation geben sie nun vor, eine Lösung zu haben: eine zweite Erde. Doch irgendwas ist faul.
Das war es im Großen und Ganzen. Im Spiel nehmen wir nun erst die Konzernzentrale auseinander. Dann geht es im Mittelteil hinter dem Steuer eines gepanzerten Buggy mit Gatling auf dem Dach GTA-like durch die Landschaft, wobei es immer wieder Stippvisiten zu Fuß gibt. Und am Schluss wartet die zweite Erde. Spielerisch ist das Ganze hoffungslos veraltet. Kennt noch jemand Contract Jack, das etwas hemdsärmelige Spin off von No one lives forever 2? So ungefähr. Finde ich das schlimm? Ach, i wo. Manchmal will man einfach nur flott ein bisschen ballern. Dazu gibt’s ab und an mal einen netten Designeinfall oder eine Passage, die einen etwas stärker herausfordert oder auch mal ein gar nicht so schlecht entworfenes Rätsel. Und über allem einen kruden Soundtrack, der angenehme Erinnerungen an die großartig-abstruse Synthi-Mucke in Liquidator 2 weckt.
Zu Meckern gibt’s aber auch ein bisschen. Erstmal ist die Gegnervariation viel zu gering. Im Grunde ballert man bis kurz vor Schluss die ganze Zeit auf das Sicherheitspersonal der Firma. In einigen arenenartigen Räumen übertreiben es die Entwickler etwas mit dem KI-Respawning, das schon in Liquidator 2 ziemlich daneben war. Außerdem triggert das Spiel zu sichtbar die KI. Man läuft über einen bestimmten Punkt. Und mit einem Mal lauern hinter diversen Ecken und Kisten in der Umgebung lauter Leute, die da vorher nicht waren. Manchmal musste ich ob der offensichtlichen Plumpheit des Vorgangs schon lachen. Die Fokussierung auf das MG als Waffe der Wahl ist mir ein bisschen zu stark geraten. Die Fahrzeugphysik des Buggy ist etwas zu holperig. Außerdem gibt es im Zusammenhang mit dem Auto im ersten "Fahrlevel" einen üblen Bug, der unter nicht vorhersagbaren Umständen auftreten kann oder auch nicht und der unter genauso nicht zu erklärenden Umständen überwunden werden kann oder auch nicht. Kann er nicht überwunden werden, endet das Spiel nach einem Drittel der Spielzeit. Man kommt dann nämlich nicht mehr aus der Kiste raus und steht dumm vorm ersten Tor herum. Und die Sprungsteuerung ist etwas missglückt. Da es immer wieder kleine Physikrätsel in Form von Kistenstapelei usw. zu absolvieren gilt, ist das ein wenig nervig. Dann gäbe es sicher noch Leute, denen die Platzierung von Keycards im Level ein bisschen zu willkürlich erscheinen würde. Aber da ich gerne suche, macht mir das nix aus. Na ja - und ein zwei Level weniger hätten es unter dem Strich denke ich auch getan.
So. Bleibt die Frage: muss man Exodus from the earth spielen? Nein. Aber falls man es doch tut, macht es Spaß? Verdammt noch mal, ja! Wer einfach mal wieder nach Herzenslust durch einen gut gestalteten Shooter stampfen will, in dem alles auf ein zuweilen forderndes aber dabei stets flottes Kampfgefühl zugeschnitten ist, mit einem Leveldesign, das mitunter beinahe schon die Bezeichnung großartig verdient dabei aber stockkonservativ bleibt und sich verdammt nach 2002 anfühlt – auf den wartet hier eine Überraschung, die glücklich machen kann. Mir ging es jedenfalls so.
Und weil Exodus from the earth bei 4players keinen Datenbankeintrag besitzt, bekommt es von mir noch eine Zahl spendiert:
73.
Bilder gibt es mit dem nächsten Eintrag hier im Thread. Für heute soll am Ende folgendes Zitat aus dem Spiel stehen:
"Go, save the universe!"
Was ich um Folgendes ergänzen möchte:
http://www.youtube.com/watch?v=ObcSVIyz_08