PandaLin hat geschrieben:
Ach es sind nur Roboter also kann ich sie alle abknallen. Ach es sind nur Terroristen also abknallen. Ach es sind nur Zivilisten also... ehh naja es ist ein Spiel also wurscht.. abknallen. Oh Kindersoldaten...naja ebenfalls abknallen nix real. Alles Pixel. Eine Spinne! Die kille ich. Ist nur ein Insekt. Oh ein echter Reh, was?! ich soll auf sie schießen..... naja ist ja nur ein Tier und wir essen doch alle Fleisch. Oh soll dieser Typ erschießen... na gut, schließlich haben wir Krieg.
An dem Punkt wird es für mich halt etwas schwierig, weil er das alte Lied von der angeblichen Abstumpfung menschlichen Fühlens und der Fähigkeit zur Empathie durch Produkte der Unterhaltungsindustrie anstimmt. Einen Standpunkt, den man moralphilsophisch ja vielleicht vertreten kann. Er ist ja nun kulturgeschichtlich auch schon sehr alt. Nur genauso lange, wie er postuliert wird, ist auch die Geschichte seiner empirischen Nicht-Belegbarkeit.
Natürlich sagt es auch etwas über eine Gesellschaft aus, in was für fiktionalen Welten sie spielt. Und sicherlich darf man dem FPS-Genre skeptisch gegenüber stehen. Trotzdem ist der wesentliche Punkt
das Spiel. Als jemand, der den Beginn der Egoshooter-Entwicklung im besten Alter mit dreizehn Jahren selbst miterlebt und immer und immer wieder durchgespielt hat und den die Faszination an diesem Genre bis heute nicht verlassen hat, habe ich den Vorteil, vergleichen zu können und Entwicklungslinien über eine längere Zeit nachvollziehen zu können. Und dabei sieht man dann, dass der Schritt von "Doom I" zu "Rage" wirklich nur ein grafischer ist. Actionspiele sind Wettkampfspiele. Meine Spielfigur gegen alle andern Figuren in der virtuellen Welt. Sieger bin ich, wenn ich das Levelende erreiche. Die anderen Figuren im Spiel wollen mich daran hindern. Im Rahmen des Spiels gibt es nun Regeln, bei deren Befolgung ich stärker bin als die gegnerische Übermacht. Situationseinschätzung, Reflexe, Zielschießen, Orientierungslauf, Verstecken. Das ist der Kern dieses Spielprinzips. Und vielen Leuten macht das sehr viel Spaß, wie es ihnen eben Spaß gemacht hat, diese Spielprinzipien als Kinder in ihrer Nicht-Videospielversion für sich zu entdecken. Und dann kommt eben noch ein bisschen Geisterbahn und Erschrecken dazu. "Buh!" macht der Imp im Schrank. Das ist der Kern dieser Spiele. Bis heute. Trotz Shader-Modell was weiß ich.
Ich habe es zu einem ähnlichen Thema schon mal geschrieben: Actionspiele unterliegen einem seriellen Spielprinzip. Es passiert eigentlich immer das Gleiche, nur die Parameter werden mit zunehmender Spieldauer verschärft, um - ganz dem Wettkampfgedanken verpflichtet - den Spieler bei der Stange zu halten. Das ist der Reiz an der Sache. Der Reiz an der Sache ist hingegen nicht die überhöhte visuelle Präsentation des Überwindens jeder einzelnen gegnerischen Spielfigur. Denn es sind derer einfach zu viele. Und sie verhalten sich alle identisch, egal wie ausgefeilt die KI auch sein mag. Das sind dann vielleicht ein paar Parameter mehr wie beispielsweise in "F.E.A.R." Ändert aber trotzdem nix. Deswegen ist übermäßiger Gore in Spielen mit einem hohen "Bodycount" auch völlig hinderlich. Man stelle sich vor, in "Serious Sam" hätte jeder NPC eine ausgefeilte "Sterbe"animation. Undenkbar. Solange ein Action-Titel also einem seriellen Spielsystem unterliegt, wird Gore in ihm für geistig normal entwickelte Spieler nie die Bedeutung erlangen können, die ihm von außen gern zugesprochen wird. Weil es in Actionspielen nicht um "Gewalt" geht. Es geht um einen Wettkampf. Und bei dem stört zuviel ausgewalzter Gore schlicht und ergreifend, da er dem einzelnen NPC zu viel "Screentime" einräumt, die zu Lasten des Tempos geht.
Warum dann das ganze Geschmodder? Die Antwort ist zweigeteilt: Erstens weil es manchmal zur erzählten Welt gehört. Höllendämonen, die eine Raumstation überrennen, sind eben garstige Leute, die aus Menschenschädeln Geburtstagstorten bauen. Möge unsere Vergeltung dementsprechend ausfallen. Zweitens wegen des Verkaufs. Hat schon bei Uropa auf dem Jahrmarkt vorm Zelt mit den Freaks funktioniert. "Seht die schreckliche bärtige Frau! Seht das zweiköpfige Kalb! Nur mit stahlharten Nerven zu ertragen! Im Nachbardorf kotzen die Frauen heute noch deswegen!" Und nun ratet mal, wofür Uropa seine paar Groschen auf den Kopf gehauen hat...
So gesehen finde ich unter dem Strich sicherlich einige Genrevertreter geschmacklos und pubertär. Manchmal wird das dann noch durch herausragend gutes Gameplay aufgefangen, was mich am Ende dann noch gnädig stimmen kann. Aber solange ein Actionspiel den oben beschriebenen Kern beinhaltet, kann es für mich eigentlich nicht wirklich problematisch werden. Wenn Gore allerdings komplett selbstzweckhaft wird, gibt es ein Problem. Dann haben wir entweder den seltenen Fall eines Antikriegsspiels vor uns. Das ist die gute Variante, bei der sich die Entwickler was gedacht haben. Nur ist der Titel dann für mich kein Vertreter des Action-Genres mehr. Er verkleidet sich lediglich als ein solcher. Siehe "Spec Ops: The Line". Siehe "Velvet Assassin". Oder wir haben ein Snuff-Spiel, dessen eigentliche Zielgruppe Leute sind, die in klinische Behandlung gehören. Weil die sich nämlich tatsächlich an jedem einzelnen "Kill" erneut von Null auf Hundert hochziehen können, während jeder andere geistig Gesunde in kürzester Zeit abgestoßen wird oder schlicht das Interesse verliert. Es soll solche Nischenspiele ja geben. Ich kenne kein einziges und bin auch nicht scharf darauf, daran etwas zu ändern oder Leute kennenzulernen, die sich an sowas "erfreuen".
Dann gibt es noch die Frage zum Verhältnis von Actiontitel und ihrer Vereinnahmung im Sinne politischer Agenden. Siehe den ganzen Military-Shooter - Bereich. Ist ein eigenes Thema. Da alles politisch ist, sind unsere Spiele es natürlich letztlich auch. Wie generell unsere ganze Alltagskultur immer auch eine politisch analysierbare Komponente hat. Das dabei ein "Homefront" in eine andere Kerbe haut als ein "Bulletstorm", ist sicherlich bedenkenswert. Gehört aber in eine andere Debatte.