NewRaven hat geschrieben: ↑05.02.2019 01:55
SethSteiner hat geschrieben: ↑05.02.2019 00:05
Irgendwie ist jede Handlung des Konsumenten ein Problem. Boykottaufrufe? Nicht in Ordnung. Review-Bombing? Peinlich und kindisch. Sich überhaupt negativ äußern? Frust rauswichsen! Was bleibt da eigentlich am Ende noch übrig? Warum kann das nicht alles legitim sein? Warum ist das so ein Problem, gäbe es einen Boykottaufruf? Wo ist das Problem beim Review-Bombing? Wo ist das Problem, bei negativen Kommentaren und runtergegebenen Daumen (die bei Youtube nämlich mittlerweile zur Diskussion stehen mitsamt Option der Abschaffung)? Dass Konzerne ein Problem darin sehen, weil es unter Umständen ihre Einnahmen bedroht verstehe ich ja aber dass es mittlerweile eine Kultur gibt, in der all die Werkzeuge, die dem Verbraucher in die Hand gegeben werden, konstant schlechtredet, unter Umständen sogar angreift finde ich seltsam.
Ich bin ja, was Epic und ihre "Machenschaften" angeht, völlig auf deiner Seite. Hier möchte ich aber trotzdem kurz einhaken:
1. Boykottaufrufe: ich finde, Menschen sollten Entscheidungen auf Basis von den ihnen bekannten Informationen fällen. Ein Boykottaufruf sagt aber nicht "informiert euch", ein Boykottaufruf sagt "kauft nicht" wobei die Gründe da meist für die Beteiligten erst einmal nicht wirklich relevant sind - da geht es eher darum, mit anderen zu symphatisieren. Genau deshalb funktionieren sie letztlich auch so oft nicht... es fehlt einfach oft das Wissen und oft auch das Interesse daran, warum man selbst etwas boykottiert. Und ohne diese essentiellen Hintergrundinformationen ist so eine "Entscheidung" eben sehr wankelmütig.
2. Das Problem beim Review-Bombing? Reviews sind eine Informationsquelle von Usern für User über ein spezifisches Produkt, die so schlicht zerstört wird, weil ihr Zweck nicht mehr erfüllt werden kann. Durch Review-Bombing erreichst du primär 2 Dinge: erstens machst du Reviews nutzlos und zweitens lieferst du durch den Missbrauch eines Review-Systems für derart "politische Zwecke" genau die Munition, die Epic und diverse Publisher wollen, um solche Systeme entweder nur noch kontrolliert oder gar nicht mehr anzubieten. Du schießt dir also selbst in den Fuß - gleich zweimal. Und wenn du dir dann noch alte Spiele aussuchst, unter die deine Kritik noch weniger passt (wie hier die Metro-Vorgänger und andere Koch-Media-Games), begibt man sich durchaus in einen Rahmen, den ich fernab von vernünftig, rational oder auch nur irgendwie sinnvoll ansehen würde. Das heißt nicht, dass Review-Bombing nicht auch für einen kurzfristigen Erfolg sorgen kann - aber der Zweck heiligt hier kaum die Mittel und wenn dann wegen Missbrauch des Systems solche Optionen abgeschafft werden, hat es plötzlich keiner kommen sehen - und man hat sich und all denen, die Reviews lesen wollen um... naja, Reviews zu lesen, einen Bärendienst erwiesen.
3. Werkzeuge machen halt nur dann Sinn, wenn du das richtige Werkzeug für den richtigen Zweck nutzt. Und hier sind wir eben bei normalen Kommentaren, Tweets/Social Media oder auch Daumen. Die sind - im Gegensatz zu Produktreviews genau dafür da, dir die Möglichkeit zu geben, dein Missfallen kund zu tun. Sie müssen halt die richtigen Stellen treffen - den Entwickler auf Twitter zu kritisieren dafür den Epic Games Store zu nutzen, macht halt nicht wirklich Sinn, denn er hat die Entscheidung weder getroffen, noch ist er in der Position, an dieser Entscheidung irgendwas zu ändern. Du bellst also den völlig falschen Baum an - und wenn dem Baum selbiges ein paar hundert mal passiert - dann platzt es eben auch irgendwann mal aus ihm heraus. Wenn man sich in diesem Kontext Luft machen will oder muss, ist wohl einzig Epic und der jeweilige Publisher der ideale Ansprechpartner. Leider neigt das Netz schon seit einigen Jahren dazu, einfach wild um sich zu schießen.
Es geht oder sollte also keineswegs darum gehen, den Konsumenten irgendwie den Mund zu verbieten (wie es Epic vor hat und dafür ja auch zu Recht kritisiert wird) - es geht darum, diese Kritik möglichst konstruktiv, zielgerichtet und am richtigen Ort abzuladen und nicht damit wild in die Menge zu ballern in der Hoffnung, man trifft möglichst die Richtigen und richtet dabei möglichst wenig Kolateralschaden an. Das diese Konsumenten gehört werden wollen (und nach all dem, was Publisher in der Vergangenheit mit ihnen abgezogen haben auch ein Recht darauf haben, ihre Anliegen deutlicher zu formulieren und gehört zu werden) ist völlig legitim. Willst du ernst genommen werden und dir nicht letztlich mehr selbst schaden als nutzen, solltest du allerdings nicht als Meute verbal amoklaufender Psychos auftreten - und leider ist das im Netz recht häufig der Fall.
1. Boykottaufrufe
Zu erst ein Mal, ist ein Boykottaufruf ja nie aus der Luft gegriffen, egal wie irrational auch der Grund sein mag aber in jedem Fall gibt es doch einen. Der Boykottaufruf selbst gestaltet sich ja auch relativ unkompliziert und ist nicht mehr als ein "Lasst uns das nicht konsumieren!". Wo ist jetzt das Problem darin? Ich kann frei entscheiden ob ich daran teilnehmen will oder nicht. Ein Boykottaufruf ist so ziemlich dass klassischste Mittel des Konsumenten, denn einzeln ist der Konsument dem Unternehmen klar im Nachteil. Es ist also notwendig, dass er sich, wenn er unzufrieden ist, mit anderen Konsumenten zusammenschließt. Das schließt nebenbei bemerkt ja auch den Informationsaustausch nicht aus. Im Gegenteil, was machen wir denn hier und was passiert anderswo? "Hast du gehört, die haben dieses und jenes gemacht!".
2. Reviewbombing
Ich bin der Meinung, dass die Vorwürfe nicht nur nicht stimmen, sondern haltlos sind. Reviews werden nutzlos aber wie denn? Auf der einen Seite ist doch die Handlung die Firma hinter einem Produkt nicht einfach vom Produkt zu trennen, sie sind ja verantwortlich dafür. Wenn die Firma also fragwürdig handelt, ist es doch gut das auch in den Reviews nachlesen zu können. Der Leser kann dann immer noch entscheiden, ob er es ablehnen will das Produkt zu kaufen, weil er dann empfindet eine solche Handlungsweise mitzutragen oder aber sagen, dass ihm das egal ist. Es zerstört eben nicht das Review-System und ist schon gar kein Missbrauch des Review-Systems. Natürlich ist das Munition für Publisher, die wollen ja keine schlechten Reviews, die wollen keine Konsequenzen für fragwürdige Handlungen, die wollen das alles schön aussieht und man ihre Produkte kauft. Wenn solche Dinge abgeschafft werden, sollte das einem vielleicht am deutlichsten vermitteln, wie wichtig dieses Werkzeug ist. Es funktioniert offenbar so gut, dass man nun damit droht es abzuschaffen.
3. Werkzeuge
Die Werkzeuge wählt der Konsument im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten. Wenn ich eine schlechte Review schreiben will, dann ist das mein gutes Recht und meine eigene Entscheidung. Wenn ich eine Demonstration anmelden und durchführen will auch. Wenn ich Briefe schreiben, einen Tweet absetzen, gemeine Memes erstellen, zum Boykott aufrufen, Daumen runter geben oder von Foren bis Social Media Kanälen meine Meinung kundtun soll ebenfalls. Der Verbraucher wählt sein Werkzeug nach dem was ihm am wirksamsten erscheint um gehört zu werden und Einfluss auszuüben und je nach dem gibt es Werkzeuge die dafür besser geeignet sind und welche die schlechter geeignet sind. Ich kann in keinster Weise nachvollziehen, dass nahezu, wenn nicht tatsächlich ausnahmslos alle Möglichkeiten des Verbrauchers nicht nur von den Firmen, sondern sogar von Verbrauchern selber angegriffen, womöglich sogar als illegitim bezeichnet werden. Man ist nun mal kein amoklaufender Psycho, nur weil man eine schlechte Review schreibt, man ist auch keiner wenn man zum Boykott aufruft oder irgendetwas anderes macht. Das alles ist in Ordnung, das alles ist legitim.