Zum Thema: Ich bin ein großer Fan von Mods, vor allem von denen für Half-Life und Half-Life 2. Für beide Spiele gibt es meiner Meinung nach Mods, die die jeweiligen Hauptprogramme übertreffen. Nun könnte man natürlich fragen: Wie sollen denn Fanmodifikationen mit der Professionalität eines großen Entwicklerstudios mithalten können?
Meine Antwort wäre, dass es mir nicht um die rein technische Perfektion geht, sondern z. B. um die Ideen, die Story, der Atmosphäre - eben um alles, was auch ein ganz normales Spiel auszeichnen kann. Gerade die fehlende Professionalität, verbunden mit dem Wissen, dass sowieso kein kommerzieller Gewinn dabei herauskommen wird, sorgt in einigen Fällen für angenehm raue Unterhaltung mit Ecken und Kanten.
Mich würde es freuen, wenn hier ein paar besonders gelungene Beispiele zusammengetragen werden könnten. Mir geht es ausschließlich um Singleplayer-Mods, falls aber jemand ein Multiplayer-Beispiel hat, das er auf keinen Fall unerwähnt lassen möchte ("Counterstrike Altaa! Voll Phat!"), dann will ich mal nicht so sein.
Ein paar unbedingte Empfehlungen für den Anfang (teilweise schon kurz erwähnt im "Mein intensivstes Spielerlebnis"-Thread):
Für Half-Life:
- Halfquake: Amen & Halfquake: Sunrise
Ok, das hier ist es, das vermutlich verrückteste, kränkste und zynischste Spiel, das je geschaffen wurde. Ja, ich kenne Postal 2, die beiden Blood-Spiele und American McGee's Alice. Aber das hier setzt dem noch einen drauf! Man spielt jemanden, der nur Victim genannt wird, ein Durchschnittstyp, der aus seiner gewohnten Umgebung gerissen wird und sich in einer seltsamen, fast komplett in scharz-weiß gehaltenen Welt wiederfindet. In der Folge geht es darum, zur Belustigung von stets unsichtbar bleibenden Kommentatoren den eigenen Tod hinauszuzögern. Wobei das Spiel nicht verheimlicht, dass das Sterben und die Quickload-Taste zum Spielprinzip gehört. Ich bin normalerweise kein Freund von Trial & Error, aber hier ist es elementarer Bestandteil der erschaffenen Welt.
Obwohl die Steuerung Half-Life-Standard ist, kann man hier nicht mehr von einem Shooter sprechen. Es wird zwar ab einem gewissen Zeitpunkt auch geschossen (in Halfquake: Sunrise gar nicht mehr), aber die meiste Zeit verbringt man damit, Fallen zu überleben und Rätsel zu lösen, bei denen man manchmal schön um die Ecke denken muss. Und über die Kreativität der Entwickler zu staunen. Grafisch gehören die beiden Titel zu dem eindrucksvollsten, was ich je in Spielen gesehen habe, trotz der limitierten Half-Life-Engine. Es ist schwer zu beschreiben, eine Mischung aus diversen avantgardistischen Kunststilen von Kubismus bis M. C. Escher (vor allem der!) und eben Leveldesign. Ein kurzes Video, um das etwas anschaulicher zu machen:
http://www.youtube.com/watch?v=2ObEwo1fDcY
Hier hört man, was das Spiel noch auszeichnet: Die Musikuntermalung. Atmosphärisch immer passend, mal eine einzelne Gitarre, mal mit Beats oder auch Gesang. Natürlich ist es, wie das ganze Spiel auch, Geschmackssache. Man muss schon ein gewisses Faible für Schräges haben.
Ich möchte hier nicht weiter ins Detail gehen, weil das unweigerlich zu Spoilern führen würde. Seid ihr auf der Suche nach einer anderen, außergewöhnlichen Spielerfahrung? Könnt euch mit schwarzem Humor, pessimistischen Stimmungen und leichten philosophischen Anflügen anfreunden? Hier ist euer Spiel!
10/10 für das Gesamtpaket
- Heart of Evil
Vietnamkrieg-Szenario. Und alle so: Gähn! Ein weiterer Kriegsshooter? Nein, das hier ist definitiv nicht Standard. Zugegeben: Die Entwickler haben sich recht offensichtlich von Apocalypse Now beeinflussen lassen. Was ja nicht unbedingt schlecht sein muss. Aber die Änderungen am Vietnam-Setting sind doch recht gravierend. Zumindest kann ich mich nicht erinnern, dass Zombies eine große Rolle gespielt haben damals.
Man spielt einen gewissen Percy Freeman (ein Schelm, wer sich dabei etwas denkt...), Soldat bei den US Special Forces, der Jagd auf den durchgedrehten Colonel Bob Kurtz macht. So weit so normal. Ab einem gewissen Zeitpunkt lässt das Spiel dann alle Schranken fallen und driftet immer mehr ins Absurde. Dass plötzlich Zombies auftauchen, ist davon noch die gewöhnlichste Wendung.
Vom Gameplay her bekommt man gewohnte Shooterkost, allerdings von der guten Sorte: Die Levels sind herrlich verschlungen und komplex und immer wieder müssen teils fordernde Rätsel gelöst werden. Sobald man es mit übernatürlichen Gegner zu tun bekommt, wird es problematisch, denn diese lassen sich meistens nicht mit normalen Pistolen oder Gewehren bekämpfen, sondern nur mit Explosivwaffen. Durch diesen Umstand hat es das Spiel geschafft, dass ich mich wirklich vor den Gegnern gefürchtet habe.
Grafisch ist Heart of Evil inzwischen schon arg angegraut. Höchstens auf dem Niveau von Half-Life 1, was aber meiner Meinung nach von dem sehr gelungenen Leveldesign wieder ausgeglichen wird. Inzwischen gibt es außerdem eine Source-Portierung, die ich aber noch nicht ausprobiert habe. Zumindest das Wasser dürfte damit etwas besser aussehen
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Allein schon wegen einigen unvergesslichen WTF-Momenten 10/10
- Paranoia
Eine russische Mod (hallo Mr. Archer
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Ich habe noch die Version mit russischer Sprachausgabe gespielt, und dementsprechend nichts verstanden. Inzwischen gibt es eine deutsche Lokalisation, damit wäre ich mal wieder bei 10/10.
- Poke 646 & Poke646: Vendetta
Diese Mod erinnert vom Spielgefühl schon eher an das klassiche Half-Life, obwohl auch hier die Grafik teilweise stark verbessert wurde (gerade im Nachfolger Vendetta). Die Story ist nicht unbedingt erwähnenswert, jedenfalls erinnere ich mich nicht mehr an viel. Das Ganze spielt kurz nach den Ereignissen aus Half-Life, allerdings nicht mit Mr. Freeman als Protagonisten. Die Levels sind schön designt (der Modleader wurde direkt nach Veröffentlichung von Gearbox angeworben);das Gameplay und die Atmosphäre sind ebenfalls ganz oben anzusiedeln. Wer auf der Suche nach unkomplizierter, gut gemachter Shooterkost ist, wird hier fündig.
Insgesamt 9/10
- They Hunger
Ganz klassisches Horror-Szenario: Ein Schriftsteller, der sein Werk in einem einsamen Haus auf dem Lande fertig stellen möchte. Aber schon auf der Hinfahrt kommen im Radio Nachrichten, die darauf hinweisen, dass etwas nicht stimmen könnte...
Zugegeben, das ist natürlich geklaut. Allerdings geht es hier um einen Shooter. Und als solcher funktioniert They Hunger wunderbar. Die Steuerung ist, wie von Half-Life gewohnt, sehr präzise, das Leveldesign gelungen und die Stimmung wunderbar gruselig. Mit allen drei Episoden wird man außerdem angenehm lange unterhalten.
Ich kann nicht anders, 10/10
- Wanted
Ein Sheriff rächt sich an den Mördern seiner Familie. Na ja, gut, da ist selbst Call of Duty sehr viel einfallsreicher. Viel wichtiger aber: Die Western-Atmosphäre kommt grandios rüber, trotz der veralteten Grafik. Finde ich ebenso gut wie den Klassiker Outlaws, und besser als das neuere Gun.
10/10
- Escape from the Darkness
Kann mit den anderen genannten Mods nicht mithalten, dafür ist das Leveldesign an einigen Stellen einfach zu schlecht. Warum ich es trotzdem aufführe: Es war eine der ersten Mods, die ich früher nach Half-Life gespielt habe. Im Vergleich zum Hauptspiel ist die Grafik um einiges besser. Und dann das Ende! Ohne spoilern zu wollen: Ich war regelrecht traumatisiert.
Immer noch 8/10
Zu Half-Life 2:
- Get a Life:
Eine Total Conversion für HL2. Und was für eine! Atmosphärisch deutlich düsterer, mit neuem Health-System (es gibt Blutungen, die gestoppt werden müssen; Schädeltraumata etc.), Bullet-Time, neuen Gegnern und Waffen. Das Ganze wirkt nicht wie eine Mod, sondern wie ein "großes" Spiel, was an der gebotenen Qualität, aber auch an der langen Spielzeit liegt. Man spielt einen gewissen Alexander Zemlinsky, der seit einigen Jahren an Leukämie leidet und von seiner Schwester, die in einem Labor arbeitet, mit Medikamenten versorgt wird. Man beginnt an einem ganz normalen Arbeitstag, wird allerdings sobald man das Haus verlässt per Zwischensequenz darauf hingewiesen, dass man einen Anruf der Schwester verpasst, die vor den Auswirkungen des neuen Mittels warnt.
Ich mache es kurz: Diese Mod hat alles, was ich von einem guten Shooter erwarte und noch ein bisschen mehr (Schnee-Levels! Ich liebe Schnee-Levels!). Die Levels gefallen mir teilweise deutlich besser als bei HL 2, es ist stellenweise sehr viel unheimlicher, die Rätsel sind gut platziert, teilweise sogar fordernd und viele Kleinigkeiten lassen vergessen, es hier mit einer Mod zu tun zu haben.
10/10
- Dangerous World
Man spielt parallel zu Half-Life 2 einen Rebellen, der durch die Explosion der Kuppel der Zitadelle geweckt wird. Anfangs befindet man sich noch in einem Häuschen außerhalb von City 17. Weil aber die Küstenstraße gesperrt ist, macht man sich auf, um sein Glück in der Stadt zu versuchen.
Schon am Anfang merkt man, dass es einem nicht leicht gemacht wird, der Titel ist hier Programm. Das Haus wird nämlich sowohl von Combines angegriffen, als auch von Zombiehorden belagert. Mit ein bisschen Köpfchen stellt dieser Umstand allerdings kein großes Problem dar. Die Lösung wird natürlich nicht gespoilert.
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Das Besondere an dieser Mod ist einerseits der Abwechslungsreichtum, der trotz der langen Spielzeit geboten wird und andererseits die Qualität der Maps, die locker mit dem Hauptprogramm mithalten können (oder diese teilweise sogar übertreffen; ich fand nicht alles in HL2 gelungen). Es wird viel gerätselt und einige mysteriöse Zusätze sorgen für erhöhte Gänsehautgefahr.
9/10
- Underhell
Finde ich ebenso wie Get a Life besser als HL2. Allerdings ist bisher nur die erste Episode veröffentlicht worden, und ich muss sagen: Selten habe ich bei einem Spiel mehr auf den Nachfolger gewartet!
Man spielt einen Soldaten einer Spezialeinheit, Jake Hawkfield, der sich eigentlich von seiner Tätigkeit zurückziehen wollte, da frisch verheiratet. Aber dann stirbt die Frau (ohne das mal als Spieler weiß, wie und warum) und Jake vegetiert in seinem Haus vor sich hin. Man steigt ins Geschehen ein, kurz bevor der ehemalige Befehlshaber (und Freund) noch einmal bei einem besonders schwierigen Fall um Hilfe bittet, wahrscheinlich auch, um Jake von seiner Lethargie zu befreien.
Das klingt jetzt wahrscheinlich wieder mal nach nichts Besonderem, aber die grandios inszenierte Stimmung ist hier der ausschlaggebende Punkt. Und auch der Umstand, dass man über den Tod der Frau nichts weiß, weißt auf eine Stärke des Spiels hin, nämlich, dass einige Dinge unklar bleiben, manches nicht auf dem Präsentierteller geliefert wird, sondern als bewusste (unterstelle ich jetzt einfach mal) Leer- oder Interpretationsstelle stehen bleibt. Dadurch entsteht eine sehr seltsame, unwirkliche Atmosphäre, die zumindest mich sehr beeindruckt hat. Außerdem ist Underhell zutiefst gespalten: Es fängt an wie ein Grusel-Adventure, in dem inzwischen allein bewohnten Haus, in dem Nachts seltsame Dinge geschehen, die oft nur subtil angedeutet werden. Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch, es tatsächlich mit einem Adventure zu tun zu haben. Ich hätte nicht falscher liegen können, denn irgendwann, nach ein paar alptraumhaften Nächten, geht es zum Einsatz. Und dann wird ein Action-Feuerwerk abgefackelt, was im Half-Life-Umfeld wohl seinesgleichen sucht. Der SMod-Unterbau macht sich hier sehr bemerkbar, es ist deutlich rauer und härter als HL2. Das hier vieles von Fear geklaut wurde, besonders bei einigen Bullet-Time-Exzessen, in denen ganze Büros zerballert werden - geschenkt. Dafür wurde einfach zu gut geklaut.
Trotz der Action verliert das Spiel zu keinem Zeitpunkt seine seltsame Atmosphäre, immer hat man das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt, oder dass das, was man gerade erlebt, nicht passt. Genau benennen konnte ich das meistens nicht, was ich für eine Stärke des Spiels halte.
Wie gesagt, bisher kenne ich nur den Prolog (der für einen Prolog sehr umfangreich ist); Kapitel 1 soll irgendwann in den nächsten Monaten veröffentlicht werden. Das ganze Projekt erscheint mir sehr ambitioniert; es ist die Rede von ganz neuen Spielelementen, von zwölf Voice actors, 1682 Dialogzeilen, 16 wichtigen Charakteren... hoffentlich überschätzen sie sich nicht.
Bisher, der Prolog: 10/10
So, und jetzt ihr.
![Smile :)](./images/smilies/icon_smile.gif)
Edit: Die Mods können alle (natürlich kostenlos) auf http://www.hlportal.de/?sec=mods runtergeladen werden.