Dein Vergleich zwischen Hollywoodfilmen und "Computerspielen von Neonazis" (hypothetisch gesprochen - Kingdom Come bleibt für mich an dieser Stelle mal ausdrücklich außen vor, da will ich bevor ich es gespielt habe überhaupt kein Urteil fällen, zumal Herr Vávra 1. auch nur einer von X Mitarbeitern ist, sowie 2. sich für das eigene Auftreten mittlerweile sehr ausführlich entschuldigt hat) fußt hier meiner Ansicht nach auf einem eher wackeligen, tendenziell rechtspositivistischen Fundament. Ob etwas in einer gegebenen Rechtssprechung legal oder illegal ist, ist für eine ethische Betrachtung des Sachverhalts zunächst mal keineswegs verbindlich. "Illegal" ist nicht notwendig gleich "moralisch verwerflich" (darüber, dass die Geschehnisse in Hollywood, auf die Du anspielst, moralisch verwerflich sind, brauchen wir natürlich nicht zu diskutieren), genau wie "legal" nicht notwendig gleich "moralisch legitim" ist.Ego sum Noctis hat geschrieben: ↑30.01.2018 11:54 Was in Hollywood zum Teil abgeht sind Straftaten. Eine Nationalsozialistische Weltanschauung zu haben ist erst einmal keine Straftat.
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Ergo ist es so gesehen unbedenklicher "Kingdom Come: Deliverence" als beispielsweise "Leon der Profi" zu konsumieren.
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Es ist in meinen Augen falsch Kingdom Come nur wegen einer "Unterstellung" [...] nicht zu konsumieren. Hollywood ist nachweislich eher mit "Verbrechen" belastet.
Wer mit diesem moralischen Anspruch (Nazi = Nogo weil Verbrecher) auftritt, der ist entweder Scheinheilig weil er das Thema Nationalsozialismus nicht differenziert betrachtet und zusätzlich die heutige (wirtschaftliche/politische) Realität ausblendet oder aber WENN Dieser Jemand diesen moralischen Ansprüchen wirklich ""Ernsthaft"" gerecht werden will, er seinen Konsum so stark regulieren und einschränken müsste, dass er genauso gut in ein Kloster gehen könnte.
Natürlich ist es legal, Neonazi zu sein. Es ist, innerhalb der bekannten gesetzlichen Grenzen, was z.B. Holocaustleugnung und Volksverhetzung betrifft, auch legal, ein Spiel zu produzieren, das neonazistische Weltbilder bedient. Das liegt irgendwo auch in der Natur der Sache - Geisteshaltungen lassen sich nicht verbieten. Was sie aber, speziell im Falle von Neonazismus, ethisch nicht legitimer macht. Gesetzlich ist und bleibt es erlaubt Neonazi zu sein, aber ethisch bleibt es zutiefst verwerflich. Deswegen funktioniert das Argument "Hollywood ist unmoralischer, weil dort nachweislich mehr Verbrechen geschehen als im Rahmen einer Spieleproduktion von Neonazis" nicht, denn es verkennt, dass für moralische bzw. ethische Beurteilung Legalität schlichtweg nicht von entscheidender Relevanz ist, sondern vielmehr ethische Legitimität.
Desweiteren, was das mit den "Unterstellungen" und der "Nachweislichkeit" angeht: Genauso, wie Geisteshaltungen sich nicht verbieten lassen, ist es bereits rein logisch so gut wie unmöglich, das Vorliegen einer Geisteshaltung zu "beweisen". Wie sollte das auch gehen? Letztlich gilt: Die "Diagnose" einer Geisteshaltung wird immer nur auf Indizien fußen können, nicht aber auf Beweisen im engeren Sinne.
Gerade weil dem so ist, kommen aus der neonazistischen Ecke ja teils die wahnwitzigsten Relativierungsstrategien im Bezug auf eigentlich klar einzuordnendes Verhalten. Störkraft? Hör ich natürlich nur, weil ich die Musik so mag, die Texte sind mir natürlich egal. Thor Steinar? Ja mei, der Pulli hält mich halt schön warm, ansonsten hat es da selbstverständlich nix mit auf sich. Der Inder? Ach, den habe ich verprügelt, weil wir halt aneinandergeraten sind, hatte aber nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun. In all diesen Beispielen wird der Umstand "Aber ist ja nicht bewiesen, dass ich Nazi bin" bewusst instrumentalisiert, was denke ich einiges über die Überzeugungskraft dieses Arguments aussagt. Aber wie gesagt; es ist bereits rein formal betrachtet unstimmig - wenn eine Geisteshaltung schlichtweg nur anhand von Indizien, aber nicht von echten Beweisen, nachgewiesen werden kann, dann ist die Einforderung von Beweisen in diesem Zusammenhang eine diskursive Nebelkerze.
Die ausbeuterischen Praktiken z.B. im Rahmen von Textil-, Milch-, Fleisch- oder Smartphoneproduktion (sowie in noch zig weiteren Bereichen) sind allesamt legal. Was sie jedoch moralisch betrachtet keinen Deut besser macht, weil siehe oben. Dies jedoch nur als Anmerkung, wichtiger wäre mir hier zu sagen: Es wäre in der Tat illusorisch, von jedem Konsumenten ein absolut einwandfreies Konsumverhalten in jeglichem Bereich seines Lebens einzufordern. Das macht es aber nicht zur Heuchelei, wenn in bestimmten Bereichen, die man für sich selbst individuell als umsetzbar und akzeptabel erachtet, bewusst und rücksichtsvoll konsumiert wird. Wenn jemand sich z.B. über billige Milchpreise freut, gleichzeitig aber darauf achtet, keine in Sweatshops hergestellten Klamotten zu kaufen, so ist Letzteres doch zunächst mal gut, bzw. wird nicht durch Ersteres entwertet. Es ist auch keine Heuchelei oder Scheinheiligkeit, sondern einfach eine persönliche Schwerpunktsetzung - und moralisch dem Konsumverhalten der allermeisten Menschen, die sich bezüglich keines der genannten Bereiche Gedanken machen, sicherlich überlegen. Oder einfacher gesagt: Besser ein bisschen reflektiert konsumieren, als gar nicht reflektieren. Heucheleivorwürfe empfinde ich diesbezüglich als ausgesprochen zynisch, insbesondere wenn sie aus einer Position heraus geäußert werden, die konsumbezogenen Gewissensfragen generell eine Absage erteilt (Letzteres ist eine allgemeine Feststellung, weil dieses hässliche Argumentationsmuster gerade in Foren immer wieder auftaucht - jedoch keineswegs an Dich persönlich gerichtet, denn in dieser Härte hast Du es ja nicht gesagt).Ego sum Noctis hat geschrieben: ↑30.01.2018 11:54 Das Thema Konsum ist ebenfalls sehr vielschichtig. Wir sind uns meist gar nicht bewusst was für Aufwand nötig ist und wie viele Menschen ausgebeutet werden nur damit wir ein Auto, einen PC oder einfach nur eine Flasche Milch im Kühlschrank haben. Unser Wohlstand beruht fast ausnahmslos auf der Arbeit und Ausbeutung anderer und wer das komplett umgehen will, der muss wahrscheinlich sein Leben aufgeben, einen eigenen Bauernhof gründen, und ausschließlich von dem Leben was er mit seinen eigenen Händen erzeugen kann.