Ideologie & Kritik

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bwlcpl
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Beitrag von bwlcpl »

Ich hab nicht alle Beiträge gelesen, genau genommen nur Deinen, Jörg, und das Fazit des Testes von CoD4 - selbiges habe ich inzwischen durchgespielt.

Ich denke schon, dass man eine Grenze ziehen sollte.
Was in CoD4 geboten wurde, ging (mir) teilweise zu weit - und das sage ich als gestandener Zocker nach SoF, Manhunt, Postal und 10 Jahren Spielepraxis.

Für mich wurde diese Grenze das erste mal überschritten, als die 2 Typen beim schlafen abgeknallt wurden und danach gab es auch die eine oder andere Szene.

Ich musste wirklich überlegen, warum es mich gerade diesmal stört und das Ergebnis ist:

- Es ist 1. kein fiktives Szenario, und, moralisch weitaus verwerflicher
- In diesem Moment sterben im Nahen Osten Menschen, und wir spielen aktiv am Bildschirm mit.

Ausflüchte wie
1. Es handelt sich bei Spielen um Fiktion.
sind gerade bei diesem Titel schlicht unangebracht, es sei denn, man ist politisch sehr uninteressiert.
Eure Seite besuchen auch viele jüngere Leute, manche in einem Alter, in dem man noch nicht über ein eigenes komplexes Weltbild verfügt, wo man alles aufnimmt, was Erwachsene von sich geben (oder auch nicht von sich geben).

Es erwartet bestimmt niemand (BPjS und einzelne profilierungswütige Politiker mal ausgeschlossen), dass Du oder Deine Kollegen in Zukunft bei Shootern, die aktuelle Szenarien aufgreifen, angewidert die Maus in die Ecke schmeißt - aber in einem Test ist ein Zweizeiler, der euren (hoffentlich richtigen) moralischen Standpunkt klar macht, sicher nicht verkehrt.
Wenn die Antworten in erster Linie von der Weltanschauung des Autors und nicht von der inhaltlichen Qualität abhängen, verliert die Kritik sofort ihre Substanz.
Irgendwo wird ja wohl eine Grenze existieren, spätestens wenn man "dank" Laserscanner o.ä. virtuell seine eigene Familie abschlachten darf, ODER?
Spiele gehören für mich als kreative Schöpfungen genau so wie Buch, Film & Musik in den Bereich Kunst & Kultur.
Nur ist man in keinem dieser Medien aktiv, bei Büchern bestenfalls noch geistig.
Nix für ungut.

gruss
bwlcpl
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Beitrag von bwlcpl »

Hmm, nach Lesen aller Kommentare haben sich meine Befürchtungen erstmal zerstreut.
Scheinbar reflektieren alle hier mehr oder weniger über Spielinhalte, auch wenn sie kein moralisches Statement in Tests wollen - sehr schön. :wink:

@Jörg: Deinen Standpunkt verstehe ich jetzt auch besser.
Als Spieleredakteur zockt man ja doch um einiges mehr, als der Durchschnittsspieler - somit ist auch eine Distanz zu einzelnen Spieletiteln eher gegeben, als wenn man nur 1-2 Spiele im Monat spielt.

Ich denke, trotzdem kommt Ihr in Zukunft um eine kritische Auseinandersetzung mit Spielinhalten nicht herum - zumindest, wenn sie wie CoD4 aktuelle politische und militärische Hintergründe haben.
In dem Maße, indem Spiele der Realität immer näher kommen, werden auch die Rufe danach lauter werden.

Das ist schwierig aber nicht unmöglich.
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Jörg Luibl
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Beitrag von Jörg Luibl »

bwlcpl hat geschrieben:Ich denke, trotzdem kommt Ihr in Zukunft um eine kritische Auseinandersetzung mit Spielinhalten nicht herum.
Die Spielewelt steht nicht still. Und wir auch nicht. Wir stellen uns ja mit der Kolumne der Diskussion und ich kann mir gut vorstellen, dass wir das Thema noch in irgendeiner Form vertiefen. Obwohl hier ja schon so viele interessante Löcher gegraben wurden - da waren Zocker, Pädagogen, Soziologen, Philosophen, Historiker, Künstler und Kulturkritiker beteiligt; ein herrliches Mosaik an Meinungen.
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musican73
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Beitrag von musican73 »

bwlcpl hat geschrieben:Ich hab nicht alle Beiträge gelesen, genau genommen nur Deinen, Jörg, und das Fazit des Testes von CoD4 - selbiges habe ich inzwischen durchgespielt.
Schön, ich nicht. Die Spielbarkeit des Titels ist sehr gut. Sie zeigt Szenarien wie in einem Film, die Emulation des Filmes ist gelungen in Szene gesetzt. Es werden wie in Filmen auch Perspektiven von Akteuren gezeigt, welche in einem Rahmen, wie dem eines interaktiven Filmes eine bestimmte Aufmerksamkeit innerhalb der Action und Spannung eingegeben wird.
Für mich wurde diese Grenze das erste mal überschritten, als die 2 Typen beim schlafen abgeknallt wurden und danach gab es auch die eine oder andere Szene.
Das klingt etwas Pathologisch, wie auch Deine spätere Schlußfolgerung. Doch darauf komme ich noch zurück. Wenn Du Dir einen Film ansiehst, welcher Gewalt-verherrlichung in etwaiger Form darstellt und der Held der Handlung der Mörder ist, wie frei kann so ein Paranoider Spieler dann noch spielen? Kann er sich überhaupt noch Filme ansehen, welche das Kino von heute bietet? Darf er sich satanische heavymetal Texte anhören ohne dabei innerlich zu erblinden? Was darf er tun, der Mensch von heute und was nicht? Darf er spielen, um so seine Impressionen zu verarbeiten, wie andere es bei einem Buch tun, oder indem sie Klavier spielen? Das ist ein Teil der Kultur, in welcher die moralische Handlung als Solche nicht abgebildet wird. Zeichen bilden nicht die Wirklichkeit ab. In diesem Sinne liest sich ein Buch auch wie ein Buch und sieht sich ein Film nunmal wie ein Film und spielt auch ein Spiel sich nunmal wie ein Spiel. Bei der SAW Reihe ist es auch nur ein Spiel, welches den Zuseher vor das Entsetzen stellt. Spiele sind harmlos, weil sie nicht die Realität abbilden. Spiele sind "moralfreier" Raum. Das sollte man glaube ich einmal verstehen.
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Jörg Luibl
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Beitrag von Jörg Luibl »

musican73 hat geschrieben: Spiele sind "moralfreier" Raum. Das sollte man glaube ich einmal verstehen.
Richtig.

Und genau deshalb sind die die schonungslosen
Märchen der Grimm'schen Prägung mit all ihren Anspielungen auf Kindermord, Hungertod & Co auch so interessant und als Kulturgut so unkaputtbar. Das Unheimliche, das Unmenschliche wird dort erfahrbar - selbst im VerPotter`ten Heute ist diese Faszination da.

Spiele schweben im freien kreativen Fiktionsraum von Film und Buch. Diese drei Medien befinden sich kilometerweit über den Gesetzen des Alltags, sie erlauben den Rollentausch in bisher Unerlebtes - genau das macht ihre Faszination aus: Schweigen der Lämmer, Natural Born Killers, Silent Hill. All das sind moralfreie Räume, die gesunde Erwachsene nach dem Finale ohne Verhaltensstörungen verlassen.

Mal abgesehen davon, dass es erzählerisch unheimlich primitiv ist: Call of Duty 4 ist hinsichtlich der Motive und der Dramaturgie der Feindbilder gegenüber einer der klassischen deutschen Survival-Horror-Tales, nämlich Hänsel & Gretel, fast schon plump harmlos. Wir leben als medial überfütterte Wohlstandsdeutsche im Live-News-War-Zeitalter: Welchen Schrecken, welches Aufregungspotenzial verbreitet da einer von Dutzenden virtuellen Kriegen, in dem man Soldaten tötet, selbst wenn sie schlafen mögen, schon im Vergleich zum plötzlichen Kannibalismus in einem einsamen Waldhäuschen?

Wenn es im Zeitalter der Gebrüder Grimm eine Jugendschutzbehörde gegeben hätte, wäre wahrscheinlich seitenweise wertvolles Kulturgut zensiert, frisiert und vernichtet worden.
Stevo78
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*Daumen hoch*

Beitrag von Stevo78 »

Ich halte das Thema über den kritischen Umgang mit Computer"spielen" für unheimlich wichtig und spannend. Das ist das erste mal überhaupt, daß ich eine sachliche Argumentation über dieses Thema im Netz finde, die beide Sichtweisen meinungs- und begründungsstark zum Ausdruck bringt. Nur so kann letztendlich eine differenzierte Betrachtungsweise zustandekommen, die vielleicht irgendwann zu einem gesellschaftlichen Konsenz führen kann.

Ich finde, dass es für eine abschliessende Bewertung noch viel zu früh erscheint. Auch ich persönlich bin noch vollkommen hin- und hergerissen.
Einerseits halte ich gar nichts davon, aufgeklärten und gebildeten Menschen von zwar politisch bedenklichen, aber ästethisch und spielerisch erstklassigen Computerspielen abzuraten oder es ihnen gar vorzuenthalten, weil man vom Spiel selbst total überzeugt ist, den politischen Hintergrund aber mit seinen eigenen Moralvorstellungen nicht unter einen Hut bringen kann. Es ist und bleibt immer noch ein Spiel. Man denke nur an König Fußball, der wohl in der breiten Bevölkerung in allen Gesellschaftsschichten mehr positive Emotionen weckt als irgendein anderes Massenphänomen, aber immer wieder zu äusserst bedenklichen Gewaltausbrüchen und Ultranationalsimen führt. Wer würde daran Denken, Kindern davon abzuraten, Fussball zu spielen oder es ihnen gar zu verbieten. Im Kern ist und bleibt es ein Spiel.

Andererseits darf man niemals die Wirkung des massentauglichen Produktes "Computerspiel" unterschätzen, die fortwährend unsere Gesellschaft verändert. Wenn inzwischen erschreckend realistische Szenarien politische Ideologien, extreme Gewalt oder das totale Chaos verbildlicht bzw. verinnerlicht, kann die Fiktion im schlimmsten Fall zur grausamen Realität werden. Computerspiele können Menschen sicherlich nicht in ihrem Wesen verändern, jedoch in diesem Bestärken. Sowohl gesamtgesellschaftlich als auch individuell sollten die Auswirkungen des Massenphänomens Computerspiel kritisch begleitet werden.

Meiner Meinung nach sollte es über dieses Thema so bald wie möglich eine vernünftige auf Augenhöhe stattfindende öffentliche Diskussion geben. "Killerspiel-schwarzweiss" Debatten helfen da jedenfalls gar nichts. Und ich finde dieser Thread ist ein kleiner aber weiterer Schritt in die richtige Richtung.
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EvilNobody
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Beitrag von EvilNobody »

4P|T@xtchef hat geschrieben:
musican73 hat geschrieben: Spiele sind "moralfreier" Raum. Das sollte man glaube ich einmal verstehen.
Richtig.

Und genau deshalb sind die die schonungslosen
Märchen der Grimm'schen Prägung mit all ihren Anspielungen auf Kindermord, Hungertod & Co auch so interessant und als Kulturgut so unkaputtbar. Das Unheimliche, das Unmenschliche wird dort erfahrbar - selbst im VerPotter`ten Heute ist diese Faszination da.

Spiele schweben im freien kreativen Fiktionsraum von Film und Buch. Diese drei Medien befinden sich kilometerweit über den Gesetzen des Alltags, sie erlauben den Rollentausch in bisher Unerlebtes - genau das macht ihre Faszination aus: Schweigen der Lämmer, Natural Born Killers, Silent Hill. All das sind moralfreie Räume, die gesunde Erwachsene nach dem Finale ohne Verhaltensstörungen verlassen.

Mal abgesehen davon, dass es erzählerisch unheimlich primitiv ist: Call of Duty 4 ist hinsichtlich der Motive und der Dramaturgie der Feindbilder gegenüber einer der klassischen deutschen Survival-Horror-Tales, nämlich Hänsel & Gretel, fast schon plump harmlos. Wir leben als medial überfütterte Wohlstandsdeutsche im Live-News-War-Zeitalter: Welchen Schrecken, welches Aufregungspotenzial verbreitet da einer von Dutzenden virtuellen Kriegen, in dem man Soldaten tötet, selbst wenn sie schlafen mögen, schon im Vergleich zum plötzlichen Kannibalismus in einem einsamen Waldhäuschen?

Wenn es im Zeitalter der Gebrüder Grimm eine Jugendschutzbehörde gegeben hätte, wäre wahrscheinlich seitenweise wertvolles Kulturgut zensiert, frisiert und vernichtet worden.
Du darfst aber nicht ausser Acht lassen, dass die grimm´schen Märchen einen erzieherischen Auftrag haben. Märchen sind dazu da, um moralische Wertvorstellungen zu vermitteln und einem das Leben zu "lehren". Im Falle von Hänsel und Gretel also: "Kinder, geht nicht alleine in den Wald und traut keinem Fremden, der euch mit Süssigkeiten lockt!".
Auch Filme und Spiele haben moralische und ehische Grenzen. Hier sei nur mal das neue "Werk" von Uwe Boll erwähnt, nämlich Seed. Der Film ist bei fast allen Kritikern durchgefallen, hauptsächlich wegen seiner Scheinheiligkeit. Laut Boll soll der Film zeigen "wie grausam Menschen sein können". Allerdings befreidigt Boll eben diese Grausamkeit mit einer vierminütigen Hammer-Tötungsszene, die laut einigen Kritikern kaum erträglich ist und nur dem perversen Voyeurismus dient. Da wurde zwar keine Grenze überschritten, geschmacklos ist es aber allemal, und vollkommen unnötig.
Spiele dienen der reinen Unterhaltung, und da fragt man sich doch manchmal, ob es unbedingt nötig ist, dass ich in Spiel XY dem Feind mit der Kettensäge die Gliedmassen abschnippeln kann. Ich bin ja selber kein Moralapostel, zocke Resident Evil, Silent Hill und Co. Dennoch wünsche ich mir manchmal gehaltvollere Gewalt, wie es seinerzeit in Eternal Darkness der Fall war. DAS war wirklich ein kleines Kunstwerk, und die Brutalität diente lediglich dem Transport der Story, respektive dem Gefühl der Beklemmung. Man weiss wofür man kämpft, die Gewalt geht von den Alten aus, nicht vom Protagonisten. In diesem Sinne darf ein Spiel natürlich brutal sein, ich als "Held" eines Spieles empfinde sowas eher als unnötig. Und sowas sollte in Kritiken berücksichtigt werden.
Ich würde mich gerne geistig mit euch duellieren, doch ich sehe dass ihr unbewaffnet seid!

"Ich war auch schonmal in den Alpen, aber wenn ich dir jetzt Kaiserschmarn auf die Schuhe kotze sieht das auch nicht aus wie eine authentische Nachbildung von Österreich."
-TNT-



Vandyre
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Beitrag von Vandyre »

4P|T@xtchef hat geschrieben:
musican73 hat geschrieben: Spiele sind "moralfreier" Raum. Das sollte man glaube ich einmal verstehen.
Richtig.

Und genau deshalb sind die die schonungslosen
Märchen der Grimm'schen Prägung mit all ihren Anspielungen auf Kindermord, Hungertod & Co auch so interessant und als Kulturgut so unkaputtbar. Das Unheimliche, das Unmenschliche wird dort erfahrbar - selbst im VerPotter`ten Heute ist diese Faszination da.

Spiele schweben im freien kreativen Fiktionsraum von Film und Buch. Diese drei Medien befinden sich kilometerweit über den Gesetzen des Alltags, sie erlauben den Rollentausch in bisher Unerlebtes - genau das macht ihre Faszination aus: Schweigen der Lämmer, Natural Born Killers, Silent Hill. All das sind moralfreie Räume, die gesunde Erwachsene nach dem Finale ohne Verhaltensstörungen verlassen.

Mal abgesehen davon, dass es erzählerisch unheimlich primitiv ist: Call of Duty 4 ist hinsichtlich der Motive und der Dramaturgie der Feindbilder gegenüber einer der klassischen deutschen Survival-Horror-Tales, nämlich Hänsel & Gretel, fast schon plump harmlos. Wir leben als medial überfütterte Wohlstandsdeutsche im Live-News-War-Zeitalter: Welchen Schrecken, welches Aufregungspotenzial verbreitet da einer von Dutzenden virtuellen Kriegen, in dem man Soldaten tötet, selbst wenn sie schlafen mögen, schon im Vergleich zum plötzlichen Kannibalismus in einem einsamen Waldhäuschen?
@Jörg
Ich nehme einfach mal an, dass du deine überzogene Übertreibung mit viel Sarkasmus getränkt hast. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du wirklich glaubst, was du da geschrieben hast.

Das nächste mal solltest du das aber Kennzeichnen, es könnte Leute geben, die dir das abkaufen und das was du sagst ernst nehmen.
4P|T@xtchef hat geschrieben:Wenn es im Zeitalter der Gebrüder Grimm eine Jugendschutzbehörde gegeben hätte, wäre wahrscheinlich seitenweise wertvolles Kulturgut zensiert, frisiert und vernichtet worden.
Da würde ich dir vielleicht sogar zustimmen. Die Märchen wären wahrscheinlich etwas anders geschrieben.
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musican73
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Beitrag von musican73 »

4P|T@xtchef hat geschrieben:Und genau deshalb sind die die schonungslosen
Märchen der Grimm'schen Prägung mit all ihren Anspielungen auf Kindermord, Hungertod & Co auch so interessant und als Kulturgut so unkaputtbar. Das Unheimliche, das Unmenschliche wird dort erfahrbar - selbst im VerPotter`ten Heute ist diese Faszination da.
Die beiden Grimmbrüder waren Sprachwissenschaftler und haben die Geschichten getreu nach alten Überlieferungen aufgeschrieben.

Die Rotkäpchen Verschwörung fällt mir dazu auch noch ein. 2006 als bester Animationsfilm für einen Saturn Award nominiert.
im Vergleich zum plötzlichen Kannibalismus in einem einsamen Waldhäuschen?
"Kronos verspeist seine Kinder."
Wenn es im Zeitalter der Gebrüder Grimm eine Jugendschutzbehörde gegeben hätte, wäre wahrscheinlich seitenweise wertvolles Kulturgut zensiert, frisiert und vernichtet worden.
Dabei war doch vor kurzem erst ein Gedenktag (13.Nov) von Oskar Werner. Der spielte in dem Film Fahrenheit 451 die Hauptrolle. Darin werden Bücher verbrannt und ähnlich kommt es mir bei den Spielekulturgütern vor.

Grüsse,

djM
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Howdie
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Beitrag von Howdie »

@Evil: Ich möchte nicht, sollte ich jemals Kinder haben, dass sie solche Moralvorstellungen vermittelt bekommen:
Doch weh ! Die Flamme faßt das Kleid,
Die Schürze brennt; es leuchtet weit.
Es brennt die Hand, es brennt das Haar,
Es brennt das ganze Kind sogar.

Und Minz und Maunz, die schreien
Gar jämmerlich zu zweien :
"Herbei ! Herbei ! Wer hilft geschwind ?
Im Feuer steht das ganze Kind !
Miau! Mio! Miau! Mio!
Zu Hilf'! Das Kind brennt lichterloh !"

Verbrannt ist alles ganz und gar,
Das arme Kind mit Haut und Haar;
Ein Häuflein Asche bleibt allein
Und beide Schuh', so hübsch und fein.
oder
Bauz! Da geht die Türe auf,
Und herein in schnellem Lauf
Springt der Schneider in die Stub'
Zu dem Daumen-Lutscher-Bub.

Weh! Jetzt geht es klipp und klapp
Mit der Scher' die Daumen ab,
Mit der großen scharfen Scher'!
Hei! Da schreit der Konrad sehr.
Als die Mutter kommt nach Haus,
Sieht der Konrad traurig aus.
Ohne Daumen steht er dort,
Die sind alle beide fort.
Rock´n´Roll music is turning the kids into a bunch of sexhungry, beerdrinking, roadracing werewolfs!
bwlcpl
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Beitrag von bwlcpl »

musican73 hat geschrieben:
bwlcpl hat geschrieben:Ich hab nicht alle Beiträge gelesen, genau genommen nur Deinen, Jörg, und das Fazit des Testes von CoD4 - selbiges habe ich inzwischen durchgespielt.
Schön, ich nicht. Die Spielbarkeit des Titels ist sehr gut. Sie zeigt Szenarien wie in einem Film, die Emulation des Filmes ist gelungen in Szene gesetzt. Es werden wie in Filmen auch Perspektiven von Akteuren gezeigt, welche in einem Rahmen, wie dem eines interaktiven Filmes eine bestimmte Aufmerksamkeit innerhalb der Action und Spannung eingegeben wird.
Ja, CoD4 weiß zu unterhalten.
Ich habe auch nichts anderes behauptet, musican.
musican73 hat geschrieben:
bwlcpl hat geschrieben:Für mich wurde diese Grenze das erste mal überschritten, als die 2 Typen beim schlafen abgeknallt wurden und danach gab es auch die eine oder andere Szene.
Das klingt etwas Pathologisch, wie auch Deine spätere Schlußfolgerung.
"Pathologisch" klingt höchstens Dein Einwand - es wird simuliert wie 2 schlafende Menschen erschossen werden, nicht mehr und nicht weniger.
Warum ist Kritik daran falsch?

Wenn Du Dir einen Film ansiehst, welcher Gewalt-verherrlichung in etwaiger Form darstellt und der Held der Handlung der Mörder ist, wie frei kann so ein Paranoider Spieler dann noch spielen?
Ich kann die Frage nicht beantworten, da ich weder paranoid noch pathologisch veranlagt bin.
Bei Filmen bin ich in der Rolle des Beobachters, bei Büchern indirekt auch, nur das die Bilder hier im Kopf entstehen.
In Spielen agiert man selbst.
Kann er sich überhaupt noch Filme ansehen, welche das Kino von heute bietet? Darf er sich satanische heavymetal Texte anhören ohne dabei innerlich zu erblinden?
Von CoD4 zur Grundsatzdiskussion über alles, was je verteufelt wurde?
Ich passe.

Was man "darf", ist gesetzlich geregelt.
Es geht darum, was man in Spielen sehen möchte und was nicht - alles was die individuelle Moral tangiert also.
Spiele sind harmlos, weil sie nicht die Realität abbilden.
Natürlich tun sie das, gerade im Shooter-Bereich.
Spiele sind "moralfreier" Raum. Das sollte man glaube ich einmal verstehen.
Der Satz müsste lauten: "Spiele sind für mich "moralfreier" Raum."
Moral ist keine globale Krankheit, sondern individuell und unterschiedlich stark ausgeprägt.
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EvilNobody
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Beitrag von EvilNobody »

Howdie hat geschrieben:@Evil: Ich möchte nicht, sollte ich jemals Kinder haben, dass sie solche Moralvorstellungen vermittelt bekommen:
Doch weh ! Die Flamme faßt das Kleid,
Die Schürze brennt; es leuchtet weit.
Es brennt die Hand, es brennt das Haar,
Es brennt das ganze Kind sogar.

Und Minz und Maunz, die schreien
Gar jämmerlich zu zweien :
"Herbei ! Herbei ! Wer hilft geschwind ?
Im Feuer steht das ganze Kind !
Miau! Mio! Miau! Mio!
Zu Hilf'! Das Kind brennt lichterloh !"

Verbrannt ist alles ganz und gar,
Das arme Kind mit Haut und Haar;
Ein Häuflein Asche bleibt allein
Und beide Schuh', so hübsch und fein.
oder
Bauz! Da geht die Türe auf,
Und herein in schnellem Lauf
Springt der Schneider in die Stub'
Zu dem Daumen-Lutscher-Bub.

Weh! Jetzt geht es klipp und klapp
Mit der Scher' die Daumen ab,
Mit der großen scharfen Scher'!
Hei! Da schreit der Konrad sehr.
Als die Mutter kommt nach Haus,
Sieht der Konrad traurig aus.
Ohne Daumen steht er dort,
Die sind alle beide fort.
Du musst diese Texte ja auch im Kontext der Geschichte betrachten. Ist es falsch zu vermitteln, dass wenn Kinder mit Feuer spielen sie jämmerlich verrecken können? Nichts Anderes vermittelt der erste Text. "Spiel´ nicht mit Feuer, oder es kann böse enden!".
Die Geschichte über den Daumenlutscher konnte ich noch nie leiden, und da verstehe ich die Moral ehrlich gesagt auch nicht.
Was die Brutalität dieser Geschichten angeht: damals konnte man Gefahr eben nur über diese Brutalität vermitteln. Heutzutage hat man mit Fernsehen und Internet wesentlich anschaulichere Methoden.
Kennst du den neuen Computerfilm der Bahn? Dort wird gezeigt, was passieren kann wenn man auf Bahnhöfen spielt. Da sterben drei Kinder, in diesem Film (der für die Schule entwickelt wurde). Manchmal geht´s eben nicht anders, da muss man seinen Kindern die Konsequenzen gewisser Verhaltensweisen vor Augen führen.
Ich würde mich gerne geistig mit euch duellieren, doch ich sehe dass ihr unbewaffnet seid!

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Schaeffi
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Beitrag von Schaeffi »

Alles Bockmist... auch wenn ich mit Jörg sonst oft übereinstimme.
Wie soll man bitte *wirklich* neutral testen? Ok, als Terrorist kann ich mich im Spiel vielleicht noch in die Luft sprengen weil ich mich mit jemand identifizieren kann, der für seine Überzeugung stirbt. Oder weils mir halt einfach wurscht is und ich damit nen Highscore bekomme.
Hakenkreuze? Ja klar, warum auch nicht. Die tun niemand was... Wenn dann kloppen dich die Prallis, die Realität und Spiel nicht auseinander halten können.
Aber könnte ich mich noch mit nem Spiel identifizieren, welches mich auffordert vergewaltigte Frauen zu möglichst hohen Strafen zu verurteilen, weil sie öffentlich mit einem Mann zu sehen waren?
Und dann auch noch dauernd Herrn Schopenhauer bemühen. Wie soll jemand der Irrationalität predigt Neutralität rechtfertigen?
Natürlich führt absolute Rationalität quasi immer zu einem pareto ineffizentem nash equilibrium. Aber hey, lieber ein paar Jahre im Gefangenendilemma absitzen als sich als Idiot outen und Steine auf die vergewaltigte Frau werfen.
Sry Jörg - Neutralität ist viel, gutes Gewissen alles.
Wenn Gott gewollt hätte das wir wie Amphoren aussehen, hätte er uns die Daumen an den Arsch getackert...
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Howdie
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Beitrag von Howdie »

@Evil: Ich halte es einfach nicht für richtig Menschen mit Angst zu erziehen. Das versucht die Kirche seit mehreren Jahrhunderten. Ohne die Vorstellung einer Hölle, hätte sich die Religion wohl weit positiver entwickelt.

Es gibt ja noch Alternativen zum Angst erzeugen. Denn auch wenn viele Menschen (ich rede jetzt nicht von Dir!) Kindern das nicht zutrauen, sind sie doch auch für sachliche "erwachsene" Gespräche zugänglich. Ich glaube eher, dass Kinder durch diese Panikmache in kritischen Situationen falsch reagieren, weil sie unfassbare Angst haben vor den Konsequenzen und Strafen.

Ich denke, dass wir eingentlich einer Mainung sind. ;)
Rock´n´Roll music is turning the kids into a bunch of sexhungry, beerdrinking, roadracing werewolfs!
TWiesengrund
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Beitrag von TWiesengrund »

Ich denke, dass hier erst einmal geklärt werden sollte, was es überhaupt bedeutet, wenn etwas "moralfreier Raum" sein soll. Dass den Zeichen eines Texte, den Vielecken, die durch die Grafikkartenpipeline fließen, kein göttliches oder sonstwie verpflichtendes Gesetz beigelegt ist, sollte klar sein.

Mir scheint aber, dass in dieser Diskussion bereits etwas als "moralfreier Raum" gilt, wenn sich in der entsprechenden Kategorie Beispiele mit Inhalten finden lassen, die, sollten sie in Wirklichkeit ausgeführt werden, eine Gesetzesübertretung oder einen Bruch einer gewissen "common sense-Alltagsmoral" bedeuteten. Aber was ist dann der Bildungsroman oder das bürgerliche Trauerspiel? Es scheint wohl klar, dass hier nicht genügend auf die Mannigfaltigkeit der möglichen Inhalte eingegangen wird.

Und: zu jedem Umstand, der ist, kann doch immer auch gefragt werden, ob es gut/gewollt/schicklich ist, dass er so ist, wie er ist. Natürlich sind solche Überlegungen bei Naturgesetzmäßigkeiten irgendwie hinfällig, da man, gleichgültig, wie man das Entsprechende nun bewertet, sowieso nichts daran ändern kann, dass es so ist wie es ist. Aber so lesen wir ja Literatur nicht und gehen keineswegs so mit fiktionalen Inhalten überhaupt um.

Wir sehen Charaktere oft ja so, wie wir uns selbst sehen, mit all den Handlungsoptionen ausgestattet, über die auch wir verfügen. Dass Hamlet das tragische Ende seines Adelsgeschlechts einleitet ist für uns ja kein unvermeidliches Ding eines allmächtigen Autoren, sondern wir sehen Motive und nachvollziehbare Intentionen. Wir machen häufig fiktionale Charaktere so wie wirkliche Menschen für die Dinge, die sie tun, verantwortlich. Wie weit das gehen kann und ob es da nicht auch Grenzen gibt, ob das ganze Getue nicht vielleicht irrational ist, müsste man diskutieren. Allerdings scheint es hier jedoch bereits durch, dass man nicht so leichtfertig von moralfreien Räumen sprechen kann.

Wenn wir hier über Moral und Fiktionalität sprechen wollen, dann sollten wir uns den Begriffen erst nähern, bevor wir Schlussfolgerungen ziehen.
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