nexttothemoon hat geschrieben:
Warum arbeitet ein Maurer? Weil er mauern kann, und weil er damit Geld für seine Kinder verdient. Bei einem Künstler ist das nicht anders. Ein Schriftsteller schreibt, weil er hofft, eines Tages damit Geld zu verdienen -- was zum Kuckuck ist daran verwerflich?
Deswegen sag ich ja, daß man vielleicht stärker zwischen Kunst und Kunsthandwerk unterscheiden sollte.
Wenn ich als Schrifsteller etwas schreibe, um Geld zu verdienen, muß ich mich an die Wünsche des Zielpublikums anpassen, ganz genau wie der Maurer. Vampirgeschichten sind grad wieder in? Schreibe ich also einen Vampirroman in der Hoffnung auf möglichst viele Verkäufe. Das Ergebnis muß nicht qualitativ schlecht sein, mit Kunst hat es trotzdem nicht viel zu tun. Kunst muß unbequemes und unpopuläres ausprechen können, was aber traditionell in großem Widerspruch zum Ziel der Vermarktung steht.
Wenn ich mir von einem Maurer ein Haus bauen lasse, dann möchte ich, daß dieses Haus ziemlich genau meinen Vorstellungen entspricht, ich erwarte nicht, daß der Maurer mich mit Kreativität, Abstraktion oder revolutionären Ideen überrascht. Aber genau das ist die Aufgabe der Kunst - "die Axt für das gefrorene Meer in uns"(F.Kafka), Denk- und Gefühlsstrukturen aufbrechen, ein seelischer Schlag voll in die Fresse, der uns aufrüttelt, aufweckt, uns in Frage stellt, es uns ermöglicht, uns über unsere eigenen Möglichkeiten hinaus weiterzuentwickeln.
Der Handwerker macht das, was von ihm erwartet wird, er kann im besten Falle mit außergewöhnlich hoher Qualität überraschen. Der Künstler dagegen muß das machen, was niemand erwartet, er muß Dinge aussprechen, über die andere nicht einmal nachzudenken wagen. Das KANN zum Verkaufsschlager werden, in der Regel wird er aber damit leben müssen, nur von einer verschwindend kleinen Minderheit verstanden zu werden und seine Kunst mit dem Ausführen "niederer" Auftragsarbeiten finanzieren zu müssen.
Finanzielle Sicherheit braucht jedermann, nicht nur der Künstler, aber seien wir ehrlich, die gibt es einfach nicht, bzw. nur für eine Minderheit.