JeffreyLebowski hat geschrieben: ↑17.06.2018 11:28
Max Rockatansky hat geschrieben: ↑10.06.2018 15:19
...vor ein paar Jahren meine Heimat(Groß)stadt verlassen und in ein kleines Kaff an die Küste gezogen bin. (Hat Vor- wie Nachteile)...
Hallo und wilkommen. kannst ja mal erzählen aus deiner Sicht was da jetzt so alles anders ist. Ich stells mir lustig vor und fast wie ein Kulturschock.
mach mal ein Mini Blog ^^
Danke Dir!
Ach, also....na ja..."anders" ist irgendwie alles. :wink: Aber ich glaub' nicht, dass dieser Teil meiner Lebensgeschichte so unheimlich interessant für die 4Players-Gemeinde ist.
Ich kann's ja mal kurz zusammenfassen...aber wenn Dich das alles tatsächlich mehr interessiert, frag ruhig nach. Dann beschreib ich es auch gern ausführlicher.
Also...ein "Kulturschock" wäre es sicherlich gewesen, wenn ich gar nicht gewusst hätte, worauf ich mich einlasse. Aber meine Familie kommt väterlicherseits aus dieser Ecke hier, also von der Ostseeküste. Hab als Kind praktisch jeden Sommer hier verbracht, bin später zur Marine gegangen und so wurde der Norden an sich still und heimlich zu einer Art zweiten Heimat für mich. Bin zwar nach meiner ersten Dienstzeit bei der Marine dann nach Nordrhein Westfalen (nach Düsseldorf) zurückgekehrt aber bin dort nie so richtig angekommen. Einerseits war Düsseldorf meine Heimatstadt, ich kannte dort extrem viele Leute und praktisch jede Ecke der Stadt und erinnere mich auch an tausend schöne und/oder prägende Erlebnisse...aber andererseits war immer die Sehnsucht nach dem Meer, dem Geruch des Salzwassers und dem typischen Leben in Küstenstädten in mir. Und dieser "Riss" in mir wurde sozusagen mit jedem Jahr größer. Auch, weil mich die Jobs im Inland nie so wirklich begeistern konnten wie es aber die Seefahrt bzw. die Jobs um die Seefahrt herum schon viel früher geschafft hatten. Mittlerweile glaube ich, dass man die prägenden Erlebnisse der Kindheit und Jugend niemals ganz abschütteln kann...und wendet man sich dennoch von ihnen ab, verfolgen sie einen auf subtile Art und Weise ein Leben lang. So war es zumindest bei mir. Bis ich dann 2016 nicht mehr konnte bzw. wollte und meiner Sehnsucht nach dem Norden nachgegeben habe.
Und tatsächlich war das die Lösung für meine innere Zerrissenheit. Bereits schon in der ersten Woche in meiner neuen Heimat war das Gefühl von "zu Hause" in vollem Umfang da. Und auch all' das, was hier anders läuft, fühlte sich nach wenigen Wochen so an, als wäre es schon immer dagewesen. Also glücklicherweise ein positiver Ausgang einer Jahre andauernden Odyssee. :wink:
Tja, und was ist nun eigentlich alles anders? Das Leben läuft hier definitiv langsamer ab als in der Großstadt in NRW. Die Leute haben es einfach nicht so eilig. In Düsseldorf bin ich vor die Tür gegangen und hörte alle 10min ein Hupen. (Irgendwann hört man das natürlich nicht mehr wirklich...) Hier kann ich den ganzen Tag draußen sein und höre kein einziges Hupen. Höchstens mal, wenn jemand hupt, um jemand anderes zu begrüßen. Überhaupt existiert hier nicht das "Hintergrundrauschen", was Großstädte so an sich haben. Alles ist halt ruhiger und wie gesagt langsamer. Auch das Internet.
Die superschnellen Geschwindigkeiten gibt's in den Dörfern um Eckernförde bzw. Kiel und Flensburg rum nur im Glücksfall. :wink: Dann sind natürlich die Menschen auch ganz anders...sie sind (entgegen dem, was oft Leute aus der Großstadt denken) sehr aufgeschlossen, freundlich und das "Du" geht hier viel schneller über die Lippen als in NRW...ABER bis man hier jemanden wirklich kennt oder von Freundschaft reden kann, dauert es deutlich länger. In der Hinsicht sind die Leute hier ebenfalls langsamer und abwartender. Dafür halten die Freundschaften und Bekanntschaften, die man hier macht, dann wiederrum auch bis in alle Ewigkeit. (Ich bin zwar noch nicht so lange hier, um das bestätigen zu können aber ich höre es von den Menschen, die schon ewig hier leben) Außerhalb der Touristen-Zentren wie z.B. Eckernförde ist das Leben unter anderem auch deutlich günstiger. Besonders natürlich die Mieten sind hier "auf dem Land" etwas, dass einen entspannt lächeln lässt. Ah, und noch etwas, was die Menschen angeht...da hier wesentlich weniger Anonymität herrscht, muss man natürlich auch sein eigenes Verhalten wesentlich kritischer reflektieren. Sprich: wenn man hier mal Scheiße baut, macht das wesentlich schneller die Runde und die Leute merken sich das auch länger. Und dazu kommt noch, dass die Menschen hier eher mal genau das sagen, was sie denken. Eine erfrischende Abwechslung zum "politisch korrekten" Gequatsche. :wink:
Einen wirklich positiven Kulturschock bekommt man allerdings beim ersten Kontakt mit Behörden, z.B. Zulassungsstelle, Einwohnermeldeamt, Polizei, etc....kaum Wartezeiten, man kann "einfach mal" vorbeikommen, man wird mit einem Lächeln begrüßt und ein wenig Small Talk ist auch immer mal dabei. Bei meinem ersten Behördengang konnte ich das kaum fassen und dachte, ich bin bei einer Folge "Verstehen Sie Spaß?" oder so. :wink: Ebenfalls "schockiert" es einen als Ex-Großstädter, dass man nach einiger Zeit überall wiedererkannt und gegrüßt wird. Egal, ob man den Behördenmitarbeiter irgendwo draußen trifft oder ob es die Kassiererin im Supermarkt ist, die Angestellten beim Bäcker oder der Mitarbeiter im Expert/Media Markt...plötzlich aus heiterem Himmel wird man gegrüßt und gefragt, wie es einem geht...darauf muss man dann erstmal klarkommen.
So, glaub, ich könnte noch tausend weitere Details aufzählen aber das würde definitiv den Rahmen sprengen...eigentlich wollte ich überhaupt nicht SO viel dazu schreiben...liest ja eh keiner.
:wink:
Als Fazit: das Leben hier ist auf eine angenehme Art und Weise langsamer, ruhiger und simpler. Dinge ändern sich nur langsam, man hat hier wesentlich mehr Luft zum Atmen (weil auch einfach viel weniger Menschen im Vergleich zu z.B. NRW an der Küste leben, viel weniger Autos existieren, etc.) und wird nach einiger Zeit zu einem viel entspannteren Menschen. Kontakte sind spärlicher aber irgendwie "echter" und ehrlicher. Rein subjektiv scheint mir, dass die Menschen hier auch wesentlich weniger oberflächlich sind. Statussymbole wie z.B. protzige Karren sehe ich hier im Vergleich zu Düsseldorf kaum. Auch den typischen "Hipster" gibt es hier nur im Ausnahmefall. Eigentlich habe ich noch gar keinen gesehen.
In vielerlei Hinsicht mag ein Vergleich zwischen Realität und Game of Thrones angebracht sein. Wenn man Nordrhein Westfalen wie King's Landing betrachtet, wäre das Leben an der Ostsee- und Nordsee-Küste wahrscheinlich das Pendant zum GoT-Norden und Winterfell.
Oh kacke...jetzt hab ich ja doch nen kleinen Roman verfasst....
Ich entschuldige mich pauschal bei jedem, der das alles gar nicht lesen wollte und sich jetzt davon erschlagen fühlt.... :wink: