Ok für meine Antworten hole ich mir mal den Laptop, das wird länger... ; )
Skabus hat geschrieben: ↑11.01.2019 11:36
(...)
Die lange Antwort: Es ist die Natur eines technischen Mediums, sich weiterzuentwickeln. Das liegt daran, dass es in der Natur des Menschen liegt, sich weiterzuentwickeln. (...) Videospiele als Unterhaltungsmedium sind da keine Ausnahme. In mehr 30 Jahren Videospielgeschichte, haben sich die Dinge immer kontinuierlich weiterentwickelt. (...)
Aber wer legt fest, in welche Richtung solche Entwicklungen gehen? Es gibt immer zwei Zugkräfte mMn: Zuerst sind es immer die "Macher". Macher sind meistens eher Wirtschaftsmenschen, (...) Aber es sind auch einfach die Leute, die die Dinge "umsetzen". Die die Dinge "machen". Auch ohne großartige Zukunftsvisionen. Sprich, Entwickler allgemein, die Spiele entwickeln und veröffentlichen.
Die anderen sind die Visionäre. Kleine wie große (...) Große Visionäre hingegen träumen von bahnbrechenden Zukunftsvisionen und mache von diesen großen Visionären waren und sind auch mit ihrer Vision erfolgreich und verändern mit ihren Ideen die Welt.
Ja es gibt das menschliche Streben nach Entwicklung, weil sich die Natur, die Realität selbst permanent verändert. Und Menschen haben den Wunsch Ideen zu realisieren oder Widerstände zu überwinden und Angenehmes zu verstärken, da das Leben uns mit Beschwerlichem und Schönem umgibt. Da wir bewusst denken können, Ideen zur Welt bilden können, wollen wir diese optimieren. Da jede Generation immer wieder die alten Fragen neu stellt, und dabei auf die Errungenschaften der alten aufbauen kann, entsteht Fortschritt.
Dennoch bleiben die emotionalen Auslöser bzw. die Grundbedürfnisse im wesentlich gleich: Hunger stillen, ein Dach über dem Kopf, Sicherheit, menschliche Gesellschaft, Unterhaltung, Liebe und Bestätigung, bis hin zur Selbstentfaltung (z.B. durch Hilfe für Andere) am Ende der Bedürfnispyramide. Der Fortschritt in Bezug auf menschliches Erleben dreht sich letztlich immer um die alten Motive und Bedürfnisse, von jeder Generation neu erlebt - bis wir älter werden und Lebenserfahrungen wie die Liebe nicht mehr etwas verlockend Unbekanntes sind (wie in der Judend), sondern bekannte Erinnerungen.
Du erinnerst mich an einen Filmkritiker, der 1000 Filme gesehen hat, kritisch zum Medium geworden ist und eigentlich gern wieder das Gefühl aus der Jugend erleben möchte: Das Unbekannte, Neue, Überraschende mit allen Möglichkeiten erleben wie beim ersten Mal sehen von Star Wars oder Jurassic Park im Kino. Ich meine das nicht witzig oder kritisch gegen dich. Das Ding ist nur, den technischen Fortschritt können wir haben, aber die gemachten Erfahrungen können uns nicht wieder komplett neu aufgetischt werden, dass können wir nur einmal erleben. Daher waren meine alten PS1 Spiele damals super und sind es heute für mich nicht mehr. Nur die Freude am Erleben an sich können wir uns bewahren.
Ich würde auch David Cage als Visionär bezeichnen. Nur seine Vision ist mMn schädlich für die Videospielbranche. Denn er verfolgt eine Vision, die weg vom "gameplaylastigen" hin zum "gameplayarmen" Spiel führt. (...) Cage ist Teil eines größeren Problems. Denn je mehr größere Studios, Konsumenten anlocken, die mit gamplaylastigen Spielen nichts anfangen können, desdo wahrscheinlicher wird die Entwicklung, dass große Studios nur noch gameplayarme, filmische Spiele realisieren.
Ist das wirklich ein Problem? Du hast selbst gesagt, dass Fortschritt ein menschliches Bedürfnis ist, daher kann es keine entgültigen Sackgassen geben, Stagnation und Langeweile sind möglich, ok, aber gerade heute in unserer Zeit wird ständig nach Innovation verlangt, auch gerade von BWL´ern, die an ihren Kunden mit neuen Produkten neues Geld verdienen wollen. Also eine Sackgasse sind die Cage-Spiele deshalb schonmal nicht für mich, weil:
a) Viel Gameplay an sich ist kein Qualitätsmerkmal ist. Am Ende möchte der Spieler etwas erleben, Fantasien realisieren und dazu gibt es verschiedene Wege. Wie gesagt, spielerische Entscheidungen zu treffen, Antworten auszuwählen und so Handlungsalterantiven zu triggern, um die Spielfigur zum optimalen Happy End zu führen, das ist auch ein Spiel.
b) Zudem könnten technische Innovationen auch so ein Film-Spiel enorm weiterbringen: *Trommelwirbel* Durch KI´s (wie du auch sagst). Selbst mit dem bekannten Prinzip: Digitaler Gesprächspartner reagiert auf meine Aussagen und die Geschichte setzt sich danach fort, ließe sich viel anfangen, wenn eine KI auf meine Antworten reagieren würde, welche ich z.B. mit Mikro in so einem Spiel gebe.
Du hast natürlich Recht damit, dass die Realisierung von Visionen von vielen Faktoren beeinflusst wird, nicht nur von BWL´ern. Das Problem sind neben den Investitionskosten für komplett neue Techiken, dann die Produktionskosten für eine Game insgesamt.
Wenn wir von wirklichen Innovationen in der Gamesbranche ausgehen, dann kommen wir unweigerlich zu VR oder Holographie mit entsprechenden Darstellungsgeräten (z.B. VR-Brille) und Eingabegeräten (z.B. Gehirnreizempfänger zur Erfassung und Übersetzung von Bewegungsimpulsen) und insbesondere der Entwicklung von KI´s in Games, welche komplette Persönlichkeiten mit eigenen Motiven und taktischem Verständnis simulieren könnten. Das ist meiner Ansicht nach der Stoff aus dem man Games-Träume machen kann: Virtuelle Welten erleben, welche sich fürs Auge real anfühlen, mit digitalen Wesen/Charakteren darin, welche sich glaubhaft darin und zu dir verhalten. Aber soetwas kostet in der Spieleproduktion richtig Geld.
Bei VR bin ich mir nicht sicher, aber bessere, glaubhafte KI´s werden kommen müssen, sonst droht nicht nur bei den Spieleveteranen Langeweile. Das Medium ist ja noch ziemlich jung, und das Gefühl alles gesehen zu haben rückt langsam näher.
Solche großen Innovationen werden auf dem höchsten Niveau fast ausschließlich durch die großen Spieleentwickler realisiert werden können. Spieleentwicklung kostet jetzt schon Millionen, mit neuen Technologien werden diese Kosten nicht geringer werden. Aber nur am Massenmarkt kannst du solche Millionenproduktionskosten wieder einspielen. Und der Massenmarkt liebt oft die Spiele mit dem bekannten Konzept, mit den bekannten Geschichten. Oder sei es eben der nächste Comic-Battleroyal-Shooter mit guten KI-Gegnern in VR. Hohe Gamedesgin-Kunst hingegen kostet ja auch Geld, aber die will der Massenmarkt seltener bezahlen.
Wie auch immer, ich mache ohnehin keine Trennung zwischer hoher Kunst und profaner Unterhaltung. Der Spielemarkt ist so groß, dass für sehr viele verschiedene Geschmäcker immer etwas produziert wird. Technisch wird sich das Medium verändern und entwicklen, aber am Ende werden AAA-Produktionen die Spieler immer bei ihren Grundbedürfnissen abholen müssen: Emotionen aus Angst, Freude, Ekel, Spannung, Ergeiz, Lust, die Erfüllung von Fantasien in fantastischen Welten usw. Und diese Games werden weiterhin die großen Richtungen im Medium vorgeben.
Darum ja auch mein Vorschlag, interaktive Filme von Videospielen zu trennen: Nicht um Leute auszuschließen, sondern um zu Verhindern, dass eine immer größere Kundenbasis, Einfluss auf die Art und Gestalt der Videospiele nimmt. Denn: Wenn man immer mehr Spiele macht, die auf den "kleinsten gemeinsamen Nenner" gebracht werden müssen, dann kommen solche Spiele wie die von David Cage raus: Kaum Gameplay, kaum Herrausforderung, kaum komplexe Elemente. Nur noch seichtes Knöpfchendrücken um den filmischen "Flow" nicht un stören.
Man wird die reine Vision der besten Spiele-Welt nicht vor dem Massengeschmack und dem, was uns Marketingexperten erzählen wollen, schützen können. Spiele werden nicht von einem Maler geschaffen, der sich 5 Jahre in einer Kapelle einsperren lässt und dann mit seinem Kunstwerk den Zeitgeist herausfordert. Ein einzelner Künstler kann auf vieles verzichten, aber 100-Man-Entwicklerstudios gehen da eher auf Nummer sicher und produzieren primär für die vermeintlichen Kundeninteressen, also für das wirtschaftliche Ergebnis. Außerdem ist die Diskussion über ein gutes Spiel sehr theoretisch, wenn man den schlechten Einfluss der Masse fürchtet. Profane Unterhaltung hat auch ihre Existenzberechtigung, Fortnite z.B. macht nicht den Spielemarkt kaputt, es ist nur ein Puzzelstück darin.
Werbung lockt Kunden, Kunden kaufen des vermeintlich Benötigte und Anbieter produzieren nach der Nachfrage. Die großen Publisher werden und müssen weiterhin hiernach handeln und dennoch werden kleine Studios, einzelne Programmierer ihre persönlichen Werke schaffen wollen. Ob diese Indi-Entwickler allerdings für die großen Innovationen verantwortlich sind, ist eine andere Frage. Eher werden sie später, im Nachgang preisgünstig gewordene Entwicklungen (z.B. günstige KI´s) in ihre Games einbauen.
So gesehen sind idealistische Visionäre wichtig, aber Fortschritt entstand immer auch aus egoistischen Motiven, auch aus dem Zerstörerischen heraus - leider - durch geldgierige Produzenten und in Kriegen.
Mir wird immer vorgeworfen, dass ich "allen" meine Vorstellung von der Videospielzukunft aufzwingen will. Das stimmt nicht. Ich sehe nur aktuell eine Menge einflussreicher Designer, welche die Spielezukunft eher in filmischer Inszenierung sehen und weniger in Gameplay-Innovationen. Es fehlt einfach die Balance. Videospiele entwickeln sich nur einseitig weiter und Leute wie Cage verschlimmern dieses Problem nur. Indie-Entwickler sind zum Glück ein gewisses Gegengewicht. Aber Indies fehlt oft einfach das Geld, das notwendig wäre um große Visionen zu realisieren. Darum bleibt es bei Indies oft bei "kleinen Visionen".
Findest du, das es weniger Gameplay gibt und dafür mehr Inszenierung? Ich weiß nicht. Inszenierung gibt es definitiv mehr, aber das Gameplay früherer Zeiten in allen möglichen Genres (Renn-, Strategie, Rollen- und Actionspielen sowie Adventures usw.) finde ich nicht besser als das heutig. Im Gegenteil, ich finde das das Gameplay allgemein vielseitiger geworden ist, dass es mehr Konzepte und Gameplaysysteme gibt. Aber die Interaktionsmöglichkeiten mittels ausgefeiltem Gameplay in Spielen könnten besser (flexibler und glaubhafter) sein. Was nützt mit das gute Stealthgameplay in einem MGS 5, wenn die Gegner nicht sinnvoll auf Sniperangriffe reagieren können. Sie rennen auf dich zu und sterben. Wie gesagt ohne gute Spiele-KI´s wird es in Games meiner Ansicht nach keine wesentliche Vertiefung der Spieleerfahrung geben. Grafik und Physik allein werden nicht reichen, im Gegenteil, dann fallen dumme NPC´s noch stärker auf.
Darum sind formelle Definitionen auch so wichtig: Sie ermöglichen überhaupt Wissenschaft zu betreiben. Ansonsten würden wir ins Chaos der Subjektivität abgleiten. Ein anderes Wort für "Chaos der Subjektivität" ist übrigens
4Players. Kleiner Scherz am Rande
Definitionen sind ggf. für Entwickler wichtig, als Orietierungrahmen sind sie wichtig. Für den subjetiven Spielspaß der Spieler sind sie es eher nicht. Aber ich beise mich an beiden Begriffen "Spiel" und "Interaktiver Film" nicht fest.
Danilot hat geschrieben: ↑10.01.2019 18:06Wenn er dich spielen lässt, dir Herausforderungen gibt und ggf. auch ein Ziel gibt, welches du spielerisch mit dem "Game" erreichen kannst: Es gibt Reaktionstests auf Knopfdruck, kleine Rätsel (z.B. detektivische Spurensuche) und das Spiel funktioniert kausal, du bekommst beim Durchspielen immer ein Ende, aber damit du für dich ein optimales Ende der Geschichte erlebst - das spielerische Ziel - musst du mitdenken und im Spiel Entscheidungen zwischen unklaren Handlungsalternativen treffen.
Wie gesagt: formell stimmt das. Darüber lässt sich nicht streiten. Was allerdings nicht stimmt: Du musst nicht wirklich "mitdenken", denn du entscheidest weder Verlauf noch Ende der Geschichte. Du entscheidest dich lediglich dafür, welches der vorgegebenen Enden, die der Entwickler vorausgeplant hat, dir am besten gefällt. Ist das interaktiv? Absolut! Kein Zweifel. Aber es ist oberflächlich und der Entwickler/Design drückt dir seine Vorstellung von der Welt und den Ergebnissen auf. Genau wie in einem Film oder einem Buch. Daran ist nichts falsch oder schlimm. Es ist nur etwas, das ich auch mit dem Medium Film oder Buch erreichen kann. Wenn ich eine klare, feste, lineare Story erzählen will, schreibe ich ein Buch oder mache einen Film. Dafür bedarf es nicht den Einsatz eines interaktiven Mediums.
Da stimme ich dir zu, die möglichen Enden und die erzählerischen Wege zu diesen sind in Detroit und Co. vorgegeben, aber die Physik, die Trefferberechnung und die Schadenssumme, welche zu einem Kill führen, sind ebenso in einem Shooter vorgegeben, wenn ich dort den Abzug drücke. Also das Spiele Anfang, Weg und Ende vorgeben ist momentan fast immer so, außer das Ende ist gar nicht festgelegt bzw. fehlt. Will man wirkliche Freiheit bieten, dann müsste man wohl (wiedermal) eine Interaktion mit glaubhaften KI´s ermöglichen. Wobei sich dann irgendwo die Frage stellt: Gibt es eine virtuelle Realität, die mit der Wirklichkeit mithalten können soll? Wieviel Freiheit, wieviel gesetzter Rahmen soll es sein?
Ich benötige jedenfalls keine Matrix (wie im Film). Wenn ich überzeugende Ruhe erleben will, gehe ich im Wald spazieren und nicht mit dem Pferd reiten in RDR 2. Wenn ich ein Lagerfeuer berachten möchte, riechen und alle Sinne daran teílnehmen lassen will, dann in der Realität. Die Simulation muss für mich ihre Limitierungen gar nicht verlieren, d.h. auch mit guten KI´s kann es immer Einschränkungen im Medium Games geben. Eine mit der Realität verwechselbare virtuelle Welt hätte für mich keinen Reiz, dass killt die Erzählung und nehme mir die Fantasie mit dem Spiel. Also die Begrenzung im Game durch einen Rahmen hat für meine Fantasie auch Vorteile.
Und wo siehst du da konkret den Unterschied zu z.B, Beyond: Two Souls? Der Sinn des Spiels ist die Story zu erleben. Alles andere ist nur Beiwerk um die Story zu erzählen. Mehr ist das eigentlich nicht.
Ich spiele solche Spiele ja nicht.
Die Frage ist daher, kann das Spiel dir glaubhaft simulieren oder vorgaukeln, dass du Einfluss auf die Geschichte hast? Wenn ja, hast du wohl Spaß daran, und wenn nicht, dann nicht.
Nun das Medium wird sich wandeln, neue Techniken werden kommen, aber "alte" Gefühle werden weiterhin angesprochen und "alte" Geschichten werden wieder und wieder erzählt werden. Wenn mir Spiele langweilig werden, dann sehe ich mir etwas anderes an. Nur die Realität kann momentan alle meine Sinne reizen. Letztlich glaube ich nicht, dass der technische Fortschritt oder erzählerische Kunsterfertigkeit für meine Zufriedenheit zuständig sind.
Unterschiedliche Interesse zu Spielen werden von unterschiedlichen Designideen angesprochen. Da sehe ich Games als Medium nachwievor auf einem guten Weg, diese verschiedenen Interessen ansprechen zu können. Nur manchmal hilft viel darüber Nachdenken auch nicht, um sich von bekannten Dingen wieder verzaubern zu lassen. Ob KI´s mich in Zukunft dann langweilen können oder nicht, muss sich noch zeigen. ; )